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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 8 Wx 32/01
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, FEVG, AuslG


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 565
ZPO § 564 Abs. 2
ZPO § 551 Nr. 7
FGG § 22 a Abs. 1
FGG § 20 a Abs. 2
FEVG § 9
FEVG § 5
FEVG § 16
FEVG § 5 Abs. 3 Satz 2
AuslG § 57
AuslG § 57 Abs. 2
AuslG § 57 Abs. 2 Nr. 2
AuslG § 57 Abs. 2 Nr. 4
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

8 Wx 32/01

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Beilich, des Richters am Landgericht Hänisch und des Richters am Amtsgericht Weller

am 18. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 26. Juni 2001 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 28. Mai 2001 abgeändert.

Die notwendigen Auslagen des Betroffenen, einschließlich derjenigen des Rechtsbeschwerdeverfahrens, hat der beteiligte Landkreis zu tragen.

Gründe:

I.

Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen eine in einem Freiheitsentziehungsverfahren ergangene Kosten- und Auslagenentscheidung des Landgerichts, die dieses mehr als 7 Monate nach entsprechendem Antrag des Betroffenen nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes in der Hauptsache getroffen hat. Die Beschlussformel lautet:

"Nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes des Rechtsmittels in der Hauptsache trägt der Betroffene die gerichtlichen Kosten der 1. und 2. Instanz. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt."

In den Gründen der angefochtenen Entscheidung heißt es - nach einer (lückenhaften) Sachdarstellung unter I. - unter II., dem Betroffenen seien die Kosten des Verfahrens "analog § 91 a ZPO" aufzuerlegen gewesen. Die Erstbeschwerde sei zwar statthaft und zulässig gewesen, jedoch nicht begründet. Nach Ausführungen zu dem - nach Auffassung des Landgerichts vorliegenden - Haftgrund des § 57 Abs. 2 Nr. 2 AuslG - den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Nr. 4 AuslG hat das Landgericht offen gelassen - heißt es abschließend:

"Demzufolge sind die nach §§ 14 Abs. 2 FEVG, 132 Abs. 1 KostO anfallenden Gerichtskosten bei dem Beschwerdeführer zu erheben. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht."

II.

Dem Verfahren liegt - nach den Feststellungen des Landgerichts unter I. der Beschlussgründe - folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger (kurdischer Abstammung - Hinzufügung durch den Senat), war im Jahre 1993 "illegal" in die Bundesrepublik eingereist. Ein Asylantrag des Betroffenen war erfolglos geblieben. Mit Rücksicht auf eine mit einer Deutschen zwischenzeitlich geschlossene, dann aber gescheiterte Ehe war dem Betroffenen eine - für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens befristete - Aufenthaltsduldung erteilt worden. Ein danach gestellter Asylfolgeantrag blieb ebenfalls erfolglos. Der Betroffene war danach für die Ausländerbehörde nicht greifbar. Eine für den 3.3.1998 vorgesehene Abschiebung konnte deshalb nicht durchgeführt werden. Am 5.10.2000 erschien der Betroffene bei der beteiligten Ausländerbehörde, um sich seine Personaldokumente abzuholen. Dies geschah - wie er mit der Erstbeschwerde und der Rechtsbeschwerde geltend macht, vom Landgericht aber nicht festgestellt worden ist -, um die Eheschließung mit seiner jetzigen Ehefrau, einer bekannten Schauspielerin, vorzubereiten. Dies nahm die beteiligte Ausländerbehörde zum Anlass, unter demselben Datum beim Amtsgericht die Anordnung der Sicherungshaft zu beantragen.

Das Amtsgericht hat die Sicherungshaft angeordnet. Dagegen hat der Betroffene am 12.10.2000 die sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Rücksicht auf die am 24.10.2000 erfolgte Eheschließung hat die beteiligte Ausländerbehörde den Betroffenen an diesem Tage aus der Haft entlassen. Am selben Tage - die gegenteilige Feststellung des Landgerichts im angefochtenen Beschluss ist evident falsch - hat der Betroffene beantragt, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

III.

Wenngleich der Senat als reines Rechtsbeschwerdegericht an sich nicht befugt ist, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt aus den Akten zusammenzusuchen, sondern auf die tatsächlichen Feststellungen die das Landgericht als Erstbeschwerdegericht getroffen - oder nicht getroffen - hat, zurückzugreifen hat, bietet der Fall allen Anlass, den vom Landgericht mitgeteilten Sachverhalt in jeder Hinsicht anhand der dem Senat vorgelegten Akten daraufhin zu überprüfen, ob die Sachdarstellung des Landgerichts richtig und vollständig ist. Das ist - offensichtlich - nicht der Fall. Da weitergehende tatsächliche Feststellungen in der Hauptsache nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes nicht zu treffen sind, sieht der Senat von der an sich gebotenen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Landgericht entsprechend § 564 Abs. 2 ZPO ab und entscheidet auf der Grundlage des Akteninhalts entsprechend § 565 ZPO in der Sache selbst.

1.

Bereits erwähnt ist die - offenkundig - unrichtige Sachdarstellung über das Datum des Kostenantrags des Betroffenen. Der Schriftsatz datiert nicht vom 27.10., sondern vom 24.10.2000 (befindet sich allerdings - wie fast alle Urkunden - nicht im Original, sondern nur als Telefaxkopie bei den Akten) und ist am selben Tage beim Landgericht eingegangen. Am selben Tage hat auch der Vorsitzende der Zivilkammer die Aufhebung des auf den 27.10.2000 anberaumten Anhörungstermins verfügt.

2.

Aktenwidrig ist auch das Datum der mit der Erstbeschwerde angefochtenen Entscheidung des Amtsrichters mitgeteilt. Sie ist in der Entscheidung des Landgerichts auf den 5.10.2000 datiert. In der Tat findet sich in den Akten im Original des Beschlusses (Bl. 77, 78 d. A.) dieses Datum. Das Landgericht hat aber schon übersehen, dass der Amtsrichter das Datum wegen eines "offensichtlichen Schreibfehler (s)" auf den 6.10.2000 "berichtigt" hat (Beschluss vom 12.10.2000, Bl. 85 d. A.).

Allerdings bietet der vorliegende Akteninhalt - der auch dem Landgericht bereits bekannt war - Anlass, in jeder Hinsicht an der korrekten Amtsführung des Amtsrichters ernsthaft zu zweifeln. Fehlerhaft ist allerdings auch das Verfahren des Landgerichts.

a).

Nach einem nicht datierten, nicht paginierten (zwischen Bl. 75 und Bl. 77 abgehefteten) und weder vom Amtsrichter noch von der Protokollführerin unterzeichneten Blatt soll ein "aus der Anlage ersichtliche (r) Beschluss" verkündet worden sein. Der Beschluss trägt - eindeutig - das Datum "05.10.2000", also das Datum des Haftantrages.

All dem vorgeheftet ist (Bl. 75) das "Protokoll" einer "nichtöffentlichen Sitzung" vom 6.10.2000, das vom Amtsrichter und der Protokollführerin unterzeichnet ist. Dieses Protokoll enthält einen vorgedruckten Text, in den - mit Maschinenschrift - ein Teil der Personalien des Betroffenen und seine Angaben bei der Anhörung (§ 5 FEVG) eingefügt sind. Außerdem enthält das "Protokoll" handschriftliche Eintragungen betreffend die Erschienenen. Unter dem "Protokoll" findet sich der Vermerk: "bezgl. der Ergänzung" und - nochmals - die Unterschrift der Protokollführerin.

Hierzu findet sich auf der Rückseite des "Berichtigungsbeschlusses" die - ebenfalls (erst) auf den 12.10. datierte - Verfügung des Amtsrichters der unter 2. das "Protokoll zur Gegenzeichnung d. Ergänzungen Bl. 75 zur Vorlage" an die Protokollführerin verfugt hat.

b)

Der mit der Erstbeschwerde angefochtene Beschluss des Amtsrichters erwähnt im Eingang, der Betroffene sei "zuletzt wohnhaft" gewesen in "B , straße , bei Frau ".

Bedeutsam ist allerdings, dass der Amtsrichter diese Angabe des letzten Wohnsitzes - angegeben auch in der vorn Amtsrichter unterzeichneten "Belehrung" (Bl. 82 d. A.) - nicht aus den Akten und auch nicht aus dem von, ihm protokollierten Inhalt der Anhörung des Betroffenen gewonnen haben kann. Bis zur Begründung der Erstbeschwerde am 18.10.2000 (Bl. 90 d. A.) waren weder der Name der jetzigen Ehefrau des Betroffenen noch deren Anschrift aktenkundig.

Eine Erklärung dieses Umstandes findet sich allerdings in den an Eides Statt versicherten Angaben der Ehefrau (Bl. 95 d. A.), wonach sie bei der Anhörung durch den Amtsrichter zugegen gewesen sei. An der - unentschuldbaren und amtspflichtwidrigen - Verfahrensweise des Amtsrichters, der dies nicht zu Protokoll genommen hat, ändert das freilich nichts.

c)

Vom Landgericht nicht - sondern im Gegenteil verfälschend - mitgeteilt ist die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Amtsrichter hat nicht - wie es in der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts lautet - die Sicherungshaft "für die Dauer von 3 Monaten" angeordnet. Vielmehr lautet die Entscheidungsformel:

"(In der Freiheitsentziehungssache ...) wird gegen den Betroffenen mit sofortiger Wirksamkeit die Sicherungshaft angeordnet.

Bis zum 05. Januar 2001 wird das Gericht über eine etwaige Fortdauer der Haft über diesen Zeitpunkt hinaus entscheiden. Der Betroffene wird schon jetzt aufgefordert, sich hierzu gegebenenfalls rechtzeitig zu äußern."

d)

In den "Gründen" der mit der Erstbeschwerde angefochtenen Entscheidung heißt es, die beteiligte Ausländerbehörde habe folgendes vorgetragen:

"siehe Anlage I".

Dem Beschluss ist die als "Anlage" (ohne römische Ordnungsziffer) bezeichnete Begründung des Haftantrages in vollem Wortlaut (einschließlich der Unterschrift des antragenden Beamten) in Fotokopie beigefügt. Die ansonsten nur aus vorformulierten Textbausteinen bestehende Begründung des Beschlusses, die als Haftgrund lediglich "§ 57 Abs. 2 AuslG" nennt, ist nur der maschinenschriftliche Satz hinzugefügt: "Die Abschiebung ist ohne Inhaftierung unmöglich und verhältnismäßig."

IV.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihr steht nicht das Verbot der isolierten Anfechtung einer Kostenentscheidung im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 22 a Abs. 1 FGG, entgegen Ist nämlich in einem solchen Verfahren eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über den Kostenpunkt isoliert anfechtbar, § 20 a Abs. 2 FGG. Das gilt auch, wenn - wegen Erledigung des Verfahrensgegenstandes - erst in der (Erst-) Beschwerdeinstanz die Entscheidung über den Kostenpunkt ergeht (vgl. Keidel/Zimmermann, FGG, 14. Aufl., § 20 a FGG Rn. 19 a; Saage/Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 16 FEVG Rn. 1 m. w. N.).

Die Beschwerdesumme von mehr als 200,00 DM ist offensichtlich erreicht (vgl. § 112 BRAGO).

V.

Die Rechtsbeschwerde erweist sich auch als begründet.

Zwar ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als nicht mit Gründen versehen, § 551 Nr. 7 ZPO, anzusehen. Auch fehlen in der angefochtenen Entscheidung die hinreichenden tatsächlichen Feststellungen für die richtige Rechtsanwendung. Doch hält es der Senat - insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen unter III., wie dort bereits ausgeführt - für unvermeidbar, von der an sich gebotenen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung an das Landgericht aus folgenden Gründen abzusehen:

1.

Das Landgericht hat mit seiner Auslagenentscheidung die Erstattung komme "unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht" ganz offensichtlich gegen das Gesetz entschieden. Das Gegenteil schreibt § 16 FEVG vor. Nach dieser Vorschrift sind - zwingend (Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 16 FEVG Rn. 3) - die Auslagen des Betroffenen der antragstellenden Behörde aufzuerlegen, wenn sich erweist, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages auf Freiheitsentziehung nicht vorlag. Das gilt - selbstverständlich - nicht nur dann, wenn der Antrag auf Freiheitsentziehung abgelehnt wird (wie es die Vorschrift normiert), sondern auch dann, wenn der von dem Antrag Betroffene freigelassen wird, bevor - im Instanzenzug - eine solche Entscheidung getroffen werden kann und deshalb im Beschwerderechtszug der Verfahrensgegenstand als solcher sich erledigt hat (Saage/Göppinger a. a. O.; Marschner/Volckart a. a. O. Rn. 2), wobei es auf den ausdrücklich gestellten Antrag, die Auslagenentscheidung zu treffen, nicht einmal ankäme.

2.

Das Landgericht hat - als Erstbeschwerdegericht - gemeint, die Haftanordnung des Amtsrichters sei "zu Recht" erfolgt. Diese Rechtsmeinung ist irrig und von tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.

a)

Das Landgericht hat schon nicht bedacht, dass das Verfahren des Amtsrichters an schwerwiegenden Mängeln leidet und sich eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der Haftanordnung aus den Akten nicht feststellen lässt.

Das "Protokoll" (Bl. 75 d. A.) selbst weist die Verkündung des Beschlusses nicht aus. Das folgende Aktenblatt ist weder datiert, noch vom Richter und der Protokollführerin unterzeichnet. Eine förmliche Zustellung des Beschlusses ist nicht nachgewiesen. Hinzu kommt, dass das "Protokoll" erst nach Einlegung der Erstbeschwerde (Bl. 83 f.) um wesentliche Teile seines Inhaltes "ergänzt" worden ist (Bl. 84 R d. A.).

Ferner belegen das Protokoll selbst und die weiteren aus den Akten ersichtlichen Umstände, dass der Amtsrichter den aus § 5 FEVG sich ergebenden Anforderungen nicht genügt hat. Er hat entweder den Betroffenen nicht ausreichend angehört oder - falls das doch geschehen sein sollte - das Ergebnis der Anhörung nicht genügend protokolliert und - augenscheinlich - nicht einmal den protokollierten Inhalt der Angaben des Betroffenen zur Kenntnis genommen. Der Beschluss geht darauf nur mit dem bereits vorformulierten Satz ein. der Betroffene habe "nichts vorgetragen, was die Darlegungen des Ausländeramtes wesentlich zu entkräften vermochte". Das ist nicht nur unzureichend, weil nichtssagend, sondern sogar sachverhaltswidrig. Wie nicht zuletzt die Angabe des "letzten Wohnsitzes" im angefochtenen Beschluss belegt, muss der Amtsrichter hiervon bei der Anhörung Kenntnis erlangt haben, ohne dass er dies protokolliert hätte. Ob dieser Umstand der Anordnung der Sicherungshaft entgegensteht oder warum das nicht der Fall sein sollte, lässt sich den Gründen des amtsrichterlichen Beschlusses nicht entnehmen. Außerdem ergibt sich aus dem Akteninhalt, dass die jetzige Ehefrau des Betroffenen bei der Anhörung zugegen war. Ungeachtet der Frage, ob der Amtsrichter nicht - in mindestens entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 2 FEVG - auch die damalige Verlobte (und künftige Ehefrau) des Betroffenen förmlich hatte anhören müssen, ist die Angabe des Betroffenen "ich will heiraten" protokolliert. Diese Angabe bezog sich - ersichtlich - auf die anwesende Verlobte. Folglich hätte der Amtsrichter prüfen müssen, ob diese Angabe der Anordnung von Sicherungshaft entgegensteht, oder - falls das zu verneinen wäre - die Gründe dafür anzugeben gehabt. An demselben Begründungsmangel leidet denn auch die landgerichtliche Entscheidung.

Schließlich haben weder das Amtsgericht noch das Landgericht einen weiteren Umstand gewürdigt, den der Betroffene bei seiner Anhörung zu Protokoll gegeben hat. Danach will er "in den letzten 2 Jahren illegal in H gelebt" haben, er sei erst "vor ca. 2 Wochen" wieder nach Deutschland eingereist. Trifft das zu, dann liegt auf der Hand, dass die vom Amtsrichter unkritisch seiner Entscheidung zugrunde gelegten "Darlegungen der Ausländerbehörde" schon aus tatsächlichen Gründen, erst recht aber aus - noch zu erörternden - rechtlichen Erwägungen die Anordnung der Sicherungshaft nicht rechtfertigen konnte.

b)

Das Landgericht hat weiter nicht bedacht, dass die Haftanordnung so, wie sie vom Amtsgericht ausgesprochen ist, nicht hätte ergehen dürfen.

Die Dauer der Sicherungshaft ist in jedem Falle konkret festzulegen (Saage/Göppinger a. a. O., § 1 FEVG Rn. 17 m. w. N.). Der Amtsrichter hat indes - dem Wortlaut seiner Entscheidung nach - Sicherungshaft von unbestimmter Dauer, d. h. zeitlich unbegrenzt, angeordnet.

Die gegenteilige "Feststellung" in der Erstbeschwerdeentscheidung ist aktenwidrig. Sie lässt sich namentlich nicht aus der weiteren - ebenfalls vorformulierten - "Androhung" herleiten, das Gericht werde "bis zu" einem bestimmten Datum "über eine etwaige Fortdauer der Haft über diesen Zeitpunkt hinaus" entscheiden, der Betroffene werde "schon jetzt" aufgefordert, sich "hierzu gegebenenfalls rechtzeitig zu äußern". Abgesehen davon, dass es für eine solche "Androhung" und Aufforderung eine gesetzliche Handhabe nicht gibt - wegen der Besonderheiten der Freiheitsentziehung nach § 57 AuslG findet eine Prüfung der Fortdauer nicht von Amts wegen, § 9 FEVG, sondern nur auf Antrag statt (vgl. Saage/Göppinger a. a. O., § 9 FEVG Rn. 1) -, enthält auch dieser Teil der Beschlussformel eine konkrete Festlegung der Dauer der Sicherungshaft nicht. Auch aus den Entscheidungsgründen lässt sich eine solche nicht herleiten.

c)

Schließlich genügt die Begründung der angefochtenen Entscheidung den an sie zu stellenden Anforderungen nicht. Sie erschöpft sich in formelhaften Wendungen, in die lediglich die - einseitige (und wie bereits angedeutet: unrichtige) - Sachdarstellung der Ausländerbehörde "eingerückt" ist. Eine rechtliche Subsumtion dieser - wie erwähnt unzureichenden - Sachdarstellung unter das Gesetz fehlt völlig. Der Amtsrichter hat nicht einmal angegeben, welchen der in § 57 AuslG enumerativ aufgezählten Haftgründe er seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Eine solche Entscheidung ermöglicht eine rechtliche Überprüfung nicht und wäre vom Erstbeschwerdegericht, hätte sich der Verfahrensgegenstand nicht in der Hauptsache erledigt, aufzuheben gewesen, vorbehaltlich eigener Feststellungen des Erstbeschwerdegerichts und darauf gründender eigener Sachentscheidung (entsprechend § 540 ZPO).

3.

Das Landgericht hat in seiner Erstbeschwerdeentscheidung den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG angenommen. Das ist rechts fehlerhaft, beruht aber jedenfalls auf unzureichender Sachverhaltserfassung.

Nach der herangezogenen Vorschrift ist ein Ausländer in Sicherungshaft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort geändert hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zu Unrecht angenommen. Nach den Angaben des Betroffenen vor dem Amtsrichter ist er - wenn auch nach Ablauf der Ausreisefrist und früherem Aufenthaltswechsel - tatsächlich aus Deutschland ausgereist und hat sich 2 Jahre lang in H aufgehalten. Erst danach ist er wieder nach Deutschland eingereist. Gegenteiliges hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Voraussetzungen dieses Haftgrundes liegen deshalb nicht vor. Möglicherweise würde der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG vorgelegen haben. Feststellungen hierzu hat das Landgericht aber ebenfalls nicht getroffen.

4.

Das Landgericht hat weiter ausgeführt, der von ihm angenommene Haftgrund gebiete "zwingend" die Anordnung der Sicherungshaft. Das beruht auf Rechtsirrtum (vgl. BVerfG NVwZ-Beilage 8/94, 57 f.). Die Anordnung der Sicherungshaft ist unzulässig, wenn dies - ausnahmsweise - zur Sicherung der Abschiebung nichts beitragen kann und/oder dazu nicht "erforderlich" ist. Für den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG ist das in Satz 3 der Vorschrift sogar ausdrücklich vom Gesetz vorgeschrieben.

Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung vor allem die Besonderheiten des Falles nicht beachtet. Der Betroffene ist freiwillig bei der Ausländerbehörde erschienen. Schon das ist ein gewichtiges Indiz gegen die Annahme, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Spätestens mit der Beschwerdebegründung hat der Betroffene zudem - unwiderlegt - geltend gemacht, dies sei geschehen, weil er für die beabsichtigte und unmittelbar bevorstehende Eheschließung seine Personalpapiere benötigte. Tatsächlich hat die Eheschließung innerhalb weniger als dreier Wochen nach der Haftanordnung stattgefunden. Damit ist die Ernsthaftigkeit der - auch schon bei der Anhörung vor dem Amtsrichter bekundeten - Absicht zur Eheschließung hinreichend belegt. Die Haftanordnung hätte - jedenfalls bei gehöriger Sachaufklärung - von vornherein nicht ergehen dürfen und (ohne das erledigende Ereignis der Freilassung) vom Landgericht aufgehoben werden müssen.

5.

Da nach alledem die Voraussetzungen für die Haftanordnung schon bei ihrem Erlass nicht vorgelegen haben, fallen Gerichtskosten nicht an. § 14 Abs. 2, 3 FEVG (vgl. Saage/Göppinger a. a. O., § 14 FEVG Rn. 1).

Zugleich folgt daraus, dass nach dem Ergebnis des Verfahrens ein begründeter Anlass zur Stellung des Haftantrages nicht vorgelegen hat. Zwar ist ein "begründeter Anlass" nicht schon deshalb zu verneinen, weil etwa die materiell-rechtlichen Anordnungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Vielmehr kommt es darauf an, wie die Behörde den Sachverhalt zur Zeit der Antragstellung beurteilen durfte bzw. musste, wenn sie alle ihr zuzumutenden Ermittlungen angestellt hätte (Marschner/Volckart a. a. O. Rn. 3). Der Sachverhaltsermittlungspflicht ist die Ausländerbehörde indes ersichtlich entweder nicht gehörig nachgekommen, oder sie hat - wahrscheinlich - den bereits ihr mitgeteilten Sachverhalt unvollständig - und damit objektiv unrichtig - in ihrem Haftantrag dargestellt. Es wäre in höchstem Maße lebensfremd, annehmen zu wollen, der Betroffene habe bei der Ausländerbehörde nicht den wahren Grund seiner Vorsprache angegeben. Dann wusste die Ausländerbehörde aber, dass der Betroffene beabsichtigte, alsbald die Ehe mit seiner jetzigen Ehefrau zu schließen, dass er deshalb bereits beim Standesamt war und der Eheschließung - offenbar - nur noch entgegenstand, dass der Betroffene nicht im Besitz seiner Personalpapiere war. Zumindest hätte die Ausländerbehörde dies bei gehöriger Befragung des Betroffenen schon vor der Antrag Stellung erfahren. Erst recht gilt dies für den Zeitpunkt der Anhörung des Betroffenen, bei der die jetzige Ehefrau zugegen war. Spätestens jetzt hätte die Ausländerbehörde allen Anlass gehabt, auch die Verlobte (und spätere Ehefrau) des Betroffenen zu befragen. Hätte sie dies getan, so hätte sie den am Vortage per Telefax beim Amtsgericht eingereichten Antrag zurücknehmen können und müssen.

Nach alledem sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen - zwingend - der antragstellenden Ausländerbehörde aufzuerlegen. Das gilt auch für die Auslagen des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

VI.

Eine weitere Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 14 FEVG).

Beschwerdewert: bis 600,00 DM.

Ende der Entscheidung

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