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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.07.2006
Aktenzeichen: 9 UF 107/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1569
BGB §§ 1570 ff.
BGB § 1572
BGB § 1573
BGB § 1573 Abs. 1
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1573 Abs. 4
BGB § 1573 Abs. 4 S. 1
BGB § 1579
BGB § 1580
BGB § 1605
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 107/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr und den Richter am Oberlandesgericht Götsche

am 21. Juli 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin vom 14. Juni 2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Einlegung einer Berufung gegen das am 1. Juni 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oranienburg (Az.: 34 F 110/05) wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antrag ist mangels der notwendigen Erfolgsaussichten (§§ 114, 119 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

A.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Auskunft zur Geltendmachung nachehelichen Unterhaltes.

Die Klägerin ist am ... 1950 geboren. Im Jahr 1972 schloss sie die Ehe mit dem Beklagten, aus der zwei mittlerweile volljährige Söhne hervorgegangen sind. Im November 1984 wurde die Ehe mit Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg rechtskräftig geschieden.

Die Klägerin hat bereits früher Zahlung nachehelichen Unterhaltes von dem Beklagten begehrt. Mit dem am 15. Juli 1987 verkündeten Urteil des KG Berlin (Az.: 3 UF 5188/86) wurde der Beklagte u. a. zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente an die Klägerin in Höhe von 670 DM ab Juli 1987 verurteilt. Zu dieser Zeit lebten die beiden Söhne im Haushalt der Klägerin und wurden von dieser betreut und versorgt. In einem weiteren vor dem AG Charlottenburg geführten Verfahren (Az.: 171 F 1302/89) verglichen sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem AG dahin, dass die Klägerin auf ihre Rechte aus dem vorgenannten Urteil des KG Berlin ab März 1989 verzichtete.

Die Klägerin hatte von 1980 bis 1983 aushilfsweise gearbeitet. Anschließend begann sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Ab 1989 ging sie einer Beschäftigung in der häuslichen Krankenpflege nach, zunächst für 20 Stunden, ab 1990 sodann für 30 Stunden, jeweils wöchentlich. Diese Tätigkeit übte sie bis in das Jahr 2001 aus. Anschließend meldete sie sich arbeitslos und nahm an verschiedenen ABM-Maßnahmen teil. Aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen war sie in der Vergangenheit mehrfach arbeitsunfähig erkrankt.

Der Beklagte ist durchgängig erwerbstätig.

Die Klägerin hat behauptet, erwerbsunfähig erkrankt zu sein; wegen der Einzelheiten wird auf das Widerspruchsschreiben ihrer Rentenberaterin vom 1.12.2005 Bezug genommen. Ihr Stammrecht auf Unterhalt sei ihrer Auffassung nach trotz des langen Zeitablaufes nicht erloschen, weshalb der Beklagte ihr zunächst Auskunft und entsprechend einen sich daraus ergebenden Unterhalt schulde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Verurteilung des Beklagten zur Erteilung von Auskunft über seine Einkünfte für die Zeit von April 2004 bis einschließlich März 2005 begehrt.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage begehrt und insoweit die Auffassung vertreten, einerseits könne der Klägerin aufgrund des langen Zeitablaufs ein Unterhaltsanspruch nicht mehr zustehen, andererseits komme sie ihrer Erwerbsobliegenheit nicht nach.

Mit dem am 1. Juni 2006 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht Oranienburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Auskunftsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, da aus keinem in Betracht kommenden Tatbestand sich ein Unterhaltsanspruch gemäß den §§ 1570 ff. BGB ergebe.

Gegen dieses Urteil beabsichtigt die Klägerin die Einlegung der Berufung, für die sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

B.

Die Auskunftsklage ist nach derzeitigem Stand unbegründet, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat. Der Klägerin steht kein Auskunftsanspruch wegen eines Anspruches auf nachehelichen Unterhalt gemäß §§ 1580, 1605 BGB gegen den Beklagten zu.

Der Auskunftsanspruch nach §§ 1580, 1605 BGB bezweckt, dem Unterhaltsgläubiger die notwendigen Informationen für die Berechnung seines Unterhaltsanspruches zu verschaffen. Der Auskunftsanspruch setzt daher das Bestehen eines Unterhaltsanspruches voraus. Jedoch bedarf es in der Regel keines substanziierten Vortrages zu dem Unterhaltsanspruch, da regelmäßig erst nach Erteilung der Auskunft feststeht, ob ein solcher Unterhaltsanspruch überhaupt besteht. Seiner Darlegungslast genügt der Unterhaltsgläubiger daher im Normalfall dadurch, dass er auf das in Betracht kommende Unterhaltsrechtsverhältnis hinweist und in allgemeiner Hinsicht den Grund für die Inanspruchnahme auf Unterhalt nennt.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn die tatsächlichen und persönlichen Verhältnisse der Parteien es nahe legen, dass die Auskunft den Unterhaltsanspruch nicht tangieren kann. Da der Zweck der Auskunftsverpflichtung Informationsverschaffung ist, muss eine Beeinflussung des Unterhaltsanspruches durch die zu erteilende Auskunft überhaupt möglich sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn ein solcher Unterhaltsanspruch erkennbar ausgeschlossen ist, sei es, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 1570 - 73 BGB fehlen, sei es, weil der Anspruch erkennbar gemäß § 1579 BGB verwirkt ist (allgemein dazu Wendl/Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rn. 662). Legen die tatsächlichen Verhältnisse es nahe, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht und daher die Auskunft diese auch nicht beeinflussen kann, bedarf es eines weitergehenden Vortrages des sich eines Auskunftsanspruches berühmenden Ehegatten.

Insoweit bedarf schon einerseits aufgrund des langen Zeitablaufes seit Scheidung der Parteien, die bereits über 21 Jahre zurückliegt, andererseits aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin in 1989 und damit vor rd. 17 Jahren auf einen bestehenden Unterhaltstitel verzichtet und seither auch keinen Unterhalt mehr von dem Beklagten verlangt hat, einer über den in üblichen Fallgestaltungen hinausgehenden Darlegungslast hinsichtlich des Bestehens eines Unterhaltsanspruches. Dieser erhöhten Darlegungslast ist die Klägerin nicht nachgekommen, wie die nachfolgenden Ausführungen des Senats zeigen. Es ist nicht erkennbar, dass zugunsten der Klägerin ein Unterhaltstatbestand der §§ 1570 ff BGB eingereift.

Unterhaltshaltsansprüche gemäß §§ 1570 BGB (Kindesbetreuung) bzw. 1571 BGB (Altersunterhalt) scheiden angesichts nicht mehr gegebener Betreuungsbedürftigkeit der volljährigen Kinder sowie des Alters der Klägerin von 56 Jahren aus, wie auch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat.

III.

Unterhaltsansprüche gemäß §§ 1572 (Krankheitsunterhalt) bzw. 1573 Abs. 1, Abs. 2 BGB (Erwerbslosigkeits-/Aufstockungsunterhalt) scheiden ebenfalls erkennbar aus, da der erforderliche Einsatzzeitpunkt jeweils nicht gewahrt ist.

1.

Die Unterhaltstatbestände setzen grundsätzlich voraus, dass sie tatbestandlich bei Eintritt eines Einsatzzeitpunktes vorliegen. Als Einsatzzeitpunkte kommen der Tag der Rechtskraft der Ehescheidung, das Ende der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes, das Ende der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung sowie der Wegfall der Voraussetzungen für den Anspruch nach § 1573 BGB in Frage (vgl. dazu Kalthoener/ Büttner/Niepmann, die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rn. 421).

Hier kann nicht festgestellt werden, dass ein in Betracht kommender Unterhaltstatbestand bei Vorliegen eines solchen Einsatzzeitpunktes bereits erfüllt war.

2.

Soweit die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit behauptet, ist diese Krankheit erst nach einem der vorgenannten Einsatzzeitpunkte aufgetreten, soweit dies vorliegend beurteilt werden kann; jedenfalls fehlt es insoweit an jeglichem Sachvortrag der darlegungsbelasteten Klägerin.

3.

Dass ein Anspruch nach § 1573 BGB bestand, ist dagegen in keiner Weise nachvollziehbar, schon da die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien nach dem Jahr 1989 nicht bekannt sind. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass ein so genannter Anschlussunterhalt an einen vormals bestehenden und nachträglich entfallenden Unterhaltstatbestand voraussetzt, dass sich die Unterhaltstatbestände lückenlos aneinander reihen (OLG Düsseldorf, OLGReport 1999, 188). Es ist aber in keiner Weise erkennbar, dass nach 1989 Unterhaltstatbestände zugunsten der Klägerin vorlagen, noch, dass sich diese sich zeitlich lückenlos aneinander gereiht haben.

IV.

Ist aber seit 1989 nicht erkennbar, dass zugunsten der Klägerin ein Unterhaltstatbestand gegeben war, kann nicht festgestellt werden, dass überhaupt noch ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten besteht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin nach 1989 wieder erwerbstätig war und daher ihrer Verpflichtung aus § 1569 BGB, ihren Lebensbedarf selbständig sicherzustellen, nachgekommen ist.

1.

Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, nach der bei Sicherstellung des Bedarfes durch eigene Einkünfte der Unterhaltsanspruch vollständig entfällt - auch für die Zukunft -. Nach dem Grundgedanken des § 1569 BGB muss aber ein Unterhaltsberechtigter, der wieder ins Erwerbsleben eingegliedert war und deshalb keinen Unterhaltsanspruch mehr besaß, den Wegfall der Unterhaltspflicht gegen sich gelten lassen. Dies gilt selbst dann, wenn er aufgrund unvorhergesehener Ereignisse erneut bedürftig wird, z. B. durch Verlust seines Arbeitsplatzes; dieses Risiko hat er dann selbst zu tragen (BGH FamRZ 1988, 701, 702).

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 1573 Abs. 4 BGB vorliegen. Danach kann der geschiedene Ehegatte auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern, § 1573 Abs. 4 S. 1 BGB. Übt er dagegen längere Zeit, d. h. regelmäßig mehr als zwei Jahre, eine Erwerbstätigkeit aus, die zu seinem vollen Unterhalt ausreicht, so entsteht ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 4 BGB auch dann nicht mehr, wenn die Erwerbstätigkeit nachfolgend nicht mehr ausgeübt werden kann (vgl. auch OLG Bamberg, FamRZ 1997, 819).

2.

Unter Berücksichtigung dessen muss angesichts der tatsächlichen Verhältnisse des vorliegenden Falls davon ausgegangen werden, dass die Klägerin durch ihre Erwerbstätigkeit seit 1989 ihren Unterhaltsbedarf nachhaltig gesichert hatte.

Für die Beurteilung, ob der Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert war, ist maßgebend, ob diese im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektivem Maßstab oder allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft anzusehen war (vgl. auch BGH, FamRZ 1988, 791). Insoweit ist bekannt, dass die Klägerin nach 1989 zunächst 20-Wochen-Arbeitsstunden und etwa ab 1990 30-Wochen-Arbeitsstunden gearbeitet hat. Da sie im Zuge dessen zudem auf ihre Rechte aus dem früheren Unterhaltstitel über immerhin 670 DM monatlichen Unterhalt verzichtet hatte, spricht dies schon indiziell dafür, dass sie ihren Lebensbedarf durch ihre Erwerbstätigkeit gedeckt hatte. Erst recht gilt dies angesichts dessen, dass sie den Beklagten nachfolgend über einen Zeitraum von etwa 16 Jahren nicht mehr auf Unterhalt in Anspruch genommen hat. Angesichts einer Dauer von 12 Jahren eigener Erwerbstätigkeit (1989 bis 2001) bestehen keine Bedenken an der nachhaltigen Sicherung des Bedarfs im dargestellten Sinne. Zumindest hätte es eines eingehenden Vortrages der Klägerin bedurft, dass trotz dieser auf der Hand liegenden Umstände sie ihren Lebensbedarf nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern anderweitig gedeckt hat. Dafür fehlt es aber einerseits an entsprechendem Vortrag, andererseits sind Anhaltspunkte anhand der Aktenlage dafür auch nicht erkennbar.

Nach alledem besteht erkennbar keine Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Durchführung der Berufung. Dies führt zum Versagen der begehrten Prozesskostenhilfe.

Ende der Entscheidung

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