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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: 9 UF 148/04
Rechtsgebiete: RegelbetragsVO, BGB, ZPO, EGZPO, UVG


Vorschriften:

RegelbetragsVO § 2
BGB § 242
BGB § 362
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1603 Abs. 2 S. 3
BGB § 1612 a
BGB § 1612 b Abs. 5
ZPO § 139
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 323 Abs. 1
ZPO § 323 Abs. 4
ZPO § 533
ZPO § 538 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 9
UVG § 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

9 UF 148/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Berufung des Beklagten vom 20. Juli 2004 gegen das am 18. Juni 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oranienburg (Az.: 35 F 16/04) auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das angefochtene Urteil wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der am 27. Februar 1997 vor dem Amtsgericht Oranienburg geschlossene Vergleich (Az. 33 F 143/93) wird für die Zeit ab Juli 2002 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet ist, Unterhalt wie folgt zu zahlen:

an den Kläger zu 1.

einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von Juli 2002 bis einschließlich Februar 2005 in Höhe von 6.198,13 €; ab März 2005 einen laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages gemäß § 2 der Regelbetragsverordnung der 3. Altersstufe abzüglich des gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergeldes, jeweils monatlich im voraus;

an den Kläger zu 2.

einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von Juli 2002 bis einschließlich Februar 2005 in Höhe von 3.440,87 €; ab März 2005 einen laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages gemäß § 2 der Regelbetragsverordnung der 3. Altersstufe abzüglich des gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergeldes, jeweils monatlich im voraus.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den L... O... für den Zeitraum Juli 2002 bis November 2002 insgesamt 670 € sowie für den Zeitraum Februar 2004 bis Oktober 2004 insgesamt 1.305 € zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger je zu 7 % und der Beklagte zu 86 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Berufungswert beträgt 5.939,06 €.

Gründe:

A.

Von der Darstellung der gerichtlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da gemäß § 26 Nr. 9 EGZPO eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die vor dem 1. Januar 2007 verkündeten Berufungsurteile des Oberlandesgerichts nicht zulässig ist.

B.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als sie die Erhöhung des titulierten Unterhalts für den Zeitraum März 2002 bis Juni 2002 betrifft; im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

I.

Die durch den Beklagten primär begehrte Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits kommt nicht in Betracht. Da die Sache entscheidungsreif ist, scheidet eine Zurückverweisung gemäss § 538 Abs. 2 ZPO aus. Damit kommt es nicht darauf an, dass das Amtsgericht aufgrund nichtöffentlicher Verhandlung gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (§§ 169 S. 1, 170 S. 2 i. V. m. 23 b Abs. 1 Nr. 5 GVG) verstoßen hat. Dahinstehen kann daher ebenfalls, ob das Amtsgericht - wie durch den Beklagten gerügt - gegen seine aus § 139 ZPO folgende Prozessleitungspflicht verstoßen hat.

II.

Die Abänderungsklage ist gemäss § 323 Abs. 1, Abs. 4 ZPO zulässig. Auch die durch die Kläger in der Berufungsinstanz beantragte Klageänderung - teilweise Zahlung an den L... O...- ist zulässig. Bedenken an der Sachdienlichkeit gemäß § 533 ZPO bestehen aufgrund der Einheitlichkeit der Klageforderung und der Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits nicht.

Die Abänderungsklage ist auch - mit Ausnahme des Zeitraums März bis Juni 2002 - begründet. Die wesentlichen Veränderungen folgen aus dem langen Zeitablauf seit dem Abschluss des abzuändernden Vergleiches, den mehrfachen Veränderungen der Bedarfssätze, dem höheren Alter der beiden Kläger und der Neuregelung der Kindergeldanrechnung.

1.

Anspruchsgrundlage für den Regelbetrag sind die §§ 1601 ff., 1612 a BGB. Der am 14. März 1990 geborene Kläger zu 1. ist zunächst in die 2. Altersstufe und ab 1. März 2002 sodann in die 3. Altersstufe einzugruppieren. Der am 30. Oktober 1992 geborene Kläger zu 2. ist ebenfalls zunächst in die 2. Altersstufe und ab 1. Oktober 2004 sodann in die 3. Altersstufe einzugruppieren.

Daraus ergeben sich folgende Regelbeträge:

Kläger zu 1.

 ZeitraumRegelbetrag
1. März 2002 bis 30. Juni 2003249,00 €
ab 1. Juli 2003 262,00 €

Kläger zu 2.

 ZeitraumRegelbetrag
1. März 2002 bis 30. Juni 2003211,00 €
1. Juli 2003 bis 30. September 2004222,00 €
ab 1. Oktober 2004262,00 €

Auf die dem Kläger zu 2. in der Zeit von März 2002 bis Juni 2003 zustehenden Ansprüche ist gemäss § 1612 b Abs. 5 BGB ein anteiliges Kindergeld von 3 € monatlich anzurechnen, es verbleiben ihm daher in dieser Zeit 208 € monatlicher Unterhalt.

2.

Für diese Unterhaltsansprüche ist der Beklagte leistungsfähig. Soweit er sich auf Leistungsunfähigkeit berufen hat, ist sein Vorbringen unsubstantiiert, was zu Lasten des für seine Leistungsunfähigkeit zur Zahlung des Regelbetrages im vollen Umfange darlegungs- und belasteten Beklagten geht.

a.

Um überprüfen zu können, ob der Beklagte ganz oder teilweise leistungsunfähig ist, bedarf es eines eingehendes Vortrages zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Dem ist er bereits hinsichtlich seiner Einkommensverhältnisse nicht in ausreichendem Umfange nachgekommen, da die konkrete Höhe der von ihm derzeit erzielten Einkünfte unbekannt ist. So fehlt es gänzlich an Belegen über die von ihm bezogene Arbeitslosenhilfe bzw. das nach der Auskunft seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2005 vor dem Senat nunmehr bezogenen Arbeitslosengeldes II. Bescheide oder andere Belege hat er nicht vorgelegt. Es kann daher nicht der genaue Umfang der von ihm bezogenen Leistungen bestimmt werden. Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar, wie das Amtsgericht in der Begründung der angefochtenen Entscheidung von einer monatlichen Arbeitslosenhilfe von 520 € ausgehen konnte.

Zwar ist zu vermuten, dass der Beklagte auf Grund der insbesondere im Rahmen der Prüfung des Bezuges von Arbeitslosengeld II umfangreichen Durchleuchtung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse in tatsächlicher Hinsicht nicht leistungsfähig sein könnte. Abschließend kann dies aber erst beurteilt werden, wenn der Beklagte die Bescheide vorlegt, aus denen sich seine laufenden Einnahmen und sonstigen Vermögensverhältnisse ergeben. Erst bei einem entsprechenden substantiierten Vorbringen kann überprüft werden, ob bestimmte Einkünfte bzw. Vermögenswerte vorhanden sind, die zwar für die Bemessung des Arbeitslosengeldes II keine Rolle spielen, in unterhaltsrechtlicher Sicht aber einzusetzen sind. Dabei ist zu beachten, dass es hier um Unterhalt in Höhe des Regelbetrages und damit um einen unterhalb des Existenzminimums liegenden Unterhaltsbetrag für die Kläger geht. Hierfür hat der Beklagte in zumutbarer Weise sämtlich Einkünfte und Vermögenswerte einzusetzen, um so diese Regelbeträge befriedigen zu können. Soweit daher im Rahmen vom Arbeitslosengeld II. gewisse laufende Einkünfte keine Berücksichtigung finden oder soweit einzelne Vermögenswerte wie z. B. Lebensversicherungen teilweise anrechnungsfrei bleiben, gilt dies nicht für den Anspruch der minderjährigen Kinder auf den Regelbetrag. Gleiches gilt auch, soweit dem Kläger neben dem "reinen" Arbeitslosengeld II. weitere Leistungen als Wohnzuschuss oder dergleichen zufließen. Darüber hinaus ist unbekannt, ob der Kläger nicht auch über Wohneigentum verfügt, welches im Rahmen von Arbeitslosengeld II. unberücksichtigt bleiben kann, zur Befriedigung der klägerischen Ansprüche aber gleichwohl einzusetzen wäre.

Nach alledem fehlt es bereits an der ausreichenden Darlegung der tatsächlichen Leistungsunfähigkeit, weshalb sich der Kläger allein deswegen zur Zahlung des Unterhaltes als leistungsfähig behandeln lassen muss.

b.

Selbst wenn aber der Beklagte in tatsächlicher Hinsicht leistungsunfähig wäre, müsste er sich gleichwohl zur Zahlung der Regelbeträge als fiktiv leistungsfähig behandeln lassen.

Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung auf Grund der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft trifft. Legt der für seine die Zahlung der Regelbeträge betreffende Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastete Unterhaltsverpflichtete nicht dar, dieser Obliegenheit vollständig gerecht geworden zu sein, so muss er sich so behandeln lassen, als ob er über ein solch hohes Einkommen verfügt, welches ihm die Zahlung der Regelbeträge ermöglicht.

Ein gemäß § 1603 Abs. 2 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger hat sich intensiv, d.h. unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten um die Erlangung eines hinreichend entlohnten Arbeitsplatzes zu bemühen. Er muss alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt des Kindes verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen, um ein die Zahlung der Regelbeträge sicherstellendes Einkommen zu erzielen. Bei eigener Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um eine Erwerbsstelle zu bemühen; bei Arbeitsstellen mit geringeren Einkommen ist entweder eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten (Brandenburgisches OLG FuR 2004, 38; FamRB 04, 216 [Götsche]; NJWE-FER 01, 8 und 70).

An einem Verstoß mangels ausreichender Darlegung bestehen keine Bedenken. Es fehlt an jeglicher näherer Darlegung des Klägers dazu, welche konkreten Bemühungen er zum Finden eines Arbeitsplatzes angestellt hat. Erst wenn aber ein konkreter Vortrag vorliegt, kann im Einzelnen überprüft werden, in welcher tatsächlichen Höhe der Beklagte ein Einkommen in Abhängigkeit von seinen persönlichen Fähigkeiten erzielen könnte. Die abstrakten Ausführungen des Beklagten im Rahmen seiner Berufungsbegründung über die von ihm erzielbaren Einkünfte als Facharbeiter im Metallgewerbe im Tarifgebiet B.... gehen insoweit fehl. Einerseits ist er nicht berechtigt, sich allein auf den Bereich des Metallgewerbes bei seiner Arbeitssuche zu beschränken, vielmehr muss er unter Zurückstellung seiner persönlichen Freiheit jegliche zumutbare Tätigkeit annehmen. Andererseits ist er nicht auf das Tarifgebiet B... beschränkt, vielmehr hat er sich zumindest nach einer gewissen Zeit großräumig, insbesondere im gesamten Bundesgebiet, zu bewerben. Ob hieraus möglicherweise sogar die Verpflichtung folgen kann, eine Auslandstätigkeit anzunehmen, kann für die Beurteilung des Falles auf Grund der in jeglicher Hinsicht fehlenden Erwerbsbemühungen des Beklagten dahinstehen.

Selbst wenn den Ausführungen des Beklagten zu folgen und diesem nur ein monatliches Nettoeinkommen von 1.079,69 € als höchstmöglich erzielbares Einkommen aus einer Tätigkeit in seinem erlernten Beruf zurechenbar wäre, müsste er sich als fiktiv leistungsfähig behandeln lassen. Neben einer solchen Haupttätigkeit wäre er zusätzlich gehalten, Nebenbeschäftigungen auszuüben, um die Unterhaltsansprüche beider Kinder befriedigen zu können. Im Rahmen dessen ist ihm nahezu jegliche Nebentätigkeit zumutbar, beispielsweise auch das Austragen von Zeitungen in den frühen Morgenstunden. Da er jedoch unter Berücksichtigung der höchstmöglichen Regelbeträge beider Kläger (2 x 262 €) unter Berücksichtigung seines Selbstbehaltes von 775 € lediglich 220 € monatlich zu den zuvor dargestellten 1.079,69 € netto hinzuverdienen müsste, ist erkennbar, dass ein solcher Betrag unschwer aus einer Nebentätigkeit erworben werden kann.

In diesem Zusammenhang kann sich der Beklagte auch nicht auf das Bestehen einer weiteren Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter A... G..., geboren am 4. Mai 1999, berufen. Insoweit hätte es eines Vortrages dazu bedurft, dass der Beklagte tatsächlich barunterhaltspflichtig gegenüber dieser Tochter ist bzw. würde, so er denn eine Erwerbstätigkeit gefunden hätte. Dies setzt voraus, dass die Tochter ihren Barunterhalt nicht bereits auf Grund der Einkünfte ihrer Mutter befriedigen könnte. In diesem Falle, insbesondere bei hohen Einkünften der Kindesmutter, wäre der Beklagte eventuell auf Grund der Regelung des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB von der ihn an sich treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit befreit. Bei nicht außergewöhnlich hohen Einkünften der Kindesmutter käme dagegen die Bemessung einer zwischen beiden Elternteilen zu verteilende Barunterhaltsquote in Betracht, die möglicherweise an einer fiktiven Leistungsfähigkeit des Beklagten nichts ändern würde.

Zwar spricht die grundsätzliche Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse eines Lebens-partners bei der Bemessung von Arbeitslosengeld II. dafür, dass auch die neue Lebenspartnerin nicht in übermäßig guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Letztendlich kann dies aber erst abschließend beurteilt werden, wenn hierzu konkrete Angaben des Beklagten vorliegen.

Auf diese Umstände, die sowohl das mangelnde Vorbringen zu seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit bzw. zu den Einkommensverhältnissen seiner Lebenspartnerin als auch seine mangelnden Erwerbsbemühungen betreffen, hat der Senat den Beklagten anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2005 hingewiesen. Sein Vorbringen hat der Beklagte jedoch gleichwohl nicht vertieft; die Gewährung einer Frist für ergänzendes Vorbringen habe er nicht beantragt.

3.

Für die Zeit vor Juli 2002 ist der Anspruch auf Erhöhung des titulierten Unterhalts verwirkt, § 242 BGB.

Rückständiger Unterhalt unterliegt der Verwirkung, sofern sich seine Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung (Verwirkung) als unzulässig darstellt, wenn also besondere Zeit- und Umstandsmomente erfüllt sind, § 242 BGB (BGHZ 84, 280, 282). Da eine Verjährung von Kindesunterhaltsansprüchen bis zur Volljährigkeit wegen Hemmung (§ 204 BGB a. F., § 207 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB n. F.) nicht in Betracht kommt, sind an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 1988, 370, 372; OLG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 69). Dies folgt aus dem Umstand, dass von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden kann, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruches bemüht. Tut er dies nicht, erweckt sein Verhalten in aller Regel den Eindruck, er sei nicht bedürftig. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Unterhaltsansprüche zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen können, die auch die Leistungsfähigkeit für den laufenden Unterhalt gefährden. Je nachdem kommt daher eine Verwirkung (frühestens) nach einem Jahr, spätestens aber nach drei Jahren in Betracht (Brandenburgisches OLG FamRZ 2004, 972; JAmt 2001, 376, 377).

Das Umstandsmoment erfordert besondere Umstände, auf Grund derer sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten kann, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend macht (BGH FamRZ 1988, 370, 372). Sieht ein Unterhaltsgläubiger von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche ab, erweckt sein Verhalten regelmäßig den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Diese Grundsätze gelten auch, soweit es rechtshängige oder titulierte Forderungen betrifft. Es gibt keinen Rechtssatz dahin, dass solche Forderungen nicht der Verwirkung unterliegen (OLG Schleswig NJWE-FER 2000, 27; i. E. auch OLG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 69, 70). Gerade in Fällen titulierter Forderungen kann auf Grund des Absehens des Gläubigers von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche nach Treu und Glauben der Eindruck der Nichtgeltendmachung erweckt werden, da die Durchsetzung titulierter Forderungen jedenfalls in der Regel näher liegt als bei nicht titulierten Forderungen (BGH NJWE-FER 1999, 269; Brandenburgisches OLG FamRZ 2004, 972; JAmt 2001, 376, 377; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1163; a. A. OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 859). Gleiches gilt dann, wenn - wie es hier der Fall ist - der Unterhaltsgläubiger die Erhöhung titulierter Unterhaltsforderungen begehrt.

Eine Erhöhung der im abzuändernden Vergleich titulierten Unterhaltsansprüche haben die Kläger erstmals auf Grund des im Juni 2003 dem Beklagten zugegangenen Aufforderungsschreibens begehrt. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen sind damit alle über ein Jahr zurückliegenden Unterhaltsansprüche, also alle vor Juli 2002 datierenden und damit die hier für den Zeitraum März bis Juni 2002 geltend gemachten Unterhaltsansprüche, verwirkt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger in der Vergangenheit mehrfach gegenüber dem Beklagten die Vollstreckung der titulierten Ansprüche betrieben haben. Hierdurch haben die Kläger allein zum Ausdruck gebracht, dass es ihnen um die bereits titulierten Unterhaltsansprüche geht. Gerade deshalb war aber für den Beklagten nicht erkennbar, dass die Kläger darüber hinaus weitere Unterhaltsansprüche, die sie letztendlich lediglich im Wege einer Abänderungsklage durchsetzen konnten, begehren. 4.

Im Zeitraum Dezember 2002 bis einschließlich Januar 2004 hat der Beklagte die im Vergleich titulierten Unterhaltsansprüche teilweise erfüllt, § 362 BGB. Unstreitig hat er monatlich 300 € von Dezember 2002 bis März 2003, 450 € im Mai 2003, 250 € im Juni 2003, 350 € im Juli 2003, 300 € im August 2003, 250 € im September 2003, 150 € im November 2003, 50 € im Dezember 2003 und 250 € im Januar 2004 gezahlt. Insgesamt hat der Beklagte danach 3.750 € an Zahlungen geleistet.

Auf entsprechende Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2005 hat der Beklagte keine nähere Aufteilung der gezahlten Beträge vorgenommen. Daher ist der jeweilige Zahlbetrag entsprechend der Höhe der für die Zeit von Dezember 2002 bis Januar 2004 festgestellten Unterhaltsansprüche quotenmäßig auf beide Kläger zu verteilen; nach diesem Maßstab haben die Kläger ihre Klage zurückgenommen. Dies führt zu einer Aufteilung im Verhältnis 54,13 % zugunsten des Klägers zu 1. und 45,87 % zugunsten des Klägers zu 2.. Auf die Ansprüche des Klägers zu 1. sind deshalb 2.029,87 € (54,13 % von 3.750,00 €), auf die Ansprüche des Klägers zu 2. sind 1.720,13 € (45,87 % von 3.750,00 €) anzurechnen.

5.

Soweit Unterhaltsvorschusszahlungen erfolgt sind, hat der Beklagte auf Grund des in § 7 Abs. 1 UVG geregelten Überganges des Unterhaltsanspruchs in Höhe der geleisteten Zahlungen nunmehr an die Unterhaltsvorschusskasse, hier den L... O..., zu zahlen. Für den vor Juli 2003 geleisteten Unterhaltsvorschuss kommt auf Grund des mangelnden Erfolges des Abänderungsklage eine Zahlung an die Unterhaltsvorschusskasse nicht in Betracht. Für die Zeit ab Juli 2003 dagegen sind Unterhaltsvorschusszahlungen allein noch an den Kläger zu 2. geflossen. In der Zeit von Juli 2002 bis November 2002 waren dies insgesamt 670 € (5 Monate zu je 134 € Unterhaltsvorschuss), in der Zeit von Februar 2004 bis Oktober 2004 insgesamt 1.305 € (9 Monate zu 145 € Unterhaltsvorschuss).

6.

Es ergeben sich für die Rückstände (Juli 2002 bis einschließlich Februar 2005) folgende Summen:

Dem Kläger zu 1. stehen insgesamt 8.228,00 € zu (Juli 2002 bis Juni 2003 jeweils 249 € monatlich; Juli 2003 bis Februar 2005 jeweils 262 € monatlich). Abzüglich anzurechnender Zahlungen des Beklagten von 2.029,87 € verbleiben 6.198,13 €.

Dem Kläger zu 2. stehen insgesamt 7.136,00 € zu (Juli 2002 bis Juni 2003 jeweils 208 € monatlich; Juli 2003 bis September 2004 jeweils 222 € monatlich; Oktober 2004 bis Februar 2005 jeweils 262 € monatlich). Abzüglich anzurechnender Zahlungen des Beklagten von 1.720,13 € und abzüglich der geleisteten Unterhaltsvorschüsse von 670 € bzw. von 1.305 € verbleiben 3.440,87 €

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 2, 100 Abs. 2 ZPO. Ein erhebliches Abweichen i.S.v. § 100 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Der Berufungswert folgt aus § 42 Abs. 1, Abs. 5 GKG.

Aus Klarstellungsgründen hat der Senat den Tenor insgesamt neu gefasst. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass für vergangene Unterhaltszeiträume eine Bezifferung des geschuldeten Unterhalts vorzunehmen ist; nur hinsichtlich zukünftiger Unterhaltszahlungen ist die Tenorierung eines Prozentsatzes zulässig (vgl. insgesamt Brandenburgisches OLG NJW-RR 03, 292).

Ende der Entscheidung

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