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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2004
Aktenzeichen: 9 UF 154/03
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB, VAÜG


Vorschriften:

ZPO § 621 e
ZPO § 623 Abs. 1 Satz 3
FGG § 12
FGG § 53b
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587a
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 2
VAÜG § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 154/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristeten Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 2. vom 12. bzw. 13. August 2003 gegen die zum Versorgungsausgleich getroffene Regelung in dem am 10. Juli 2003 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Oranienburg durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 16. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die zum Versorgungsausgleich in Ziff. II. des Tenors des angefochtenen Urteils getroffene Regelung wird aufgehoben.

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Oranienburg zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 1.374,84 €.

Gründe:

Die gemäß § 621 e ZPO zulässigen befristeten Beschwerden haben in der Sache insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht führen. Das Verfahren zum Versorgungsausgleich leidet an einem schweren Verfahrensmangel, da das Amtsgericht den Grundsatz der Amtsermittlung in nicht hinreichender Weise beachtet hat.

1.

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist im Scheidungsfall von Amts wegen zu betreiben; es bedarf für die Durchführung des Versorgungsausgleiches insbesondere keines Antrages der Eheleute oder eines sonstigen Beteiligten, § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Da sich das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des FGG bestimmt (§ 621 Abs. 1 Ziff. 6, § 621 a Abs. 1 ZPO), gilt für die Ermittlungen von Amts wegen § 12 FGG. Hiernach hat das Gericht die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben.

Die Ermittlungspflichten aus § 12 FGG betreffen sämtliche Umstände, die die Höhe und die Art und Weise des Versorgungsausgleiches betreffen können. Für das Verfahren über den Versorgungsausgleich hat dies zunächst zur Folge, dass das Amtsgericht sämtliche im Rahmen des Versorgungsausgleiches nach § 1587a BGB möglicherweise zu berücksichtigenden Rechte und deren Dynamik (dazu BGH FamRZ 1998, 424 f.) zu ermitteln und sodann zu überprüfen hat, ob diese Anrechte tatsächlich dem Versorgungsausgleich unterfallen, da nur so die von Amts wegen zu treffende Entscheidung über den Versorgungsausgleich ordnungsgemäß vorbereitet werden kann. Zur Erfüllung dieser Pflichten hat das Amtsgericht bei allen in Betracht kommenden Beteiligten des Versorgungsausgleichsverfahrens gem. § 53b FGG entsprechende Auskünfte einzuholen (zum Ganzen Brandenburgisches OLG, FamRZ 2002, 168).

2.

Dem ist das Amtsgericht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Auf Seiten der Antragstellerin sind - möglicherweise - nicht sämtliche in Betracht kommenden Versorgungsanrechte ermittelt worden.

Das Amtsgericht hat nach dem Erhalt der Auskunft der Beteiligten zu 3. vom 22. November 2002 (Bl. 28 d. A.) keine weitergehenden Ermittlungen hinsichtlich der zugunsten der Antragstellerin bestehenden fondsgebundenen Rentenversicherung (Vers.-Nr.: ...) angestellt. Weitergehende Ermittlungen waren jedoch erforderlich, da nach derzeitigem Stand zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass diese Versicherung in den Versorgungsausgleich fällt.

Im Versorgungsausgleich ist diese Versicherung im Grundsatz schon deswegen zu berücksichtigen, weil sie als fondsgebundene Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung geführt wird und daher grundsätzlich dem Versorgungsausgleich unterfällt, sofern nicht ein Kapitalrecht besteht und sofern nicht ein solches bereits ausgeübt ist. Dies gilt auch, sofern es sich hierbei um einen so genannten "Riester-Vertrag" handeln sollte. Versicherungsprodukte der Riesterrente sind ebenfalls im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen (Bergschneider, Familienrechtliche Konsequenzen der so genannten Riester-Rente, FamRZ 2003, 1609, 1612).

Da Versicherungsbeginn dieser Versicherung der 1. Juli 2002 ist und da das Ehezeitende i. S. d. § 1587 Abs. 2 BGB der 31. August 2002 ist, wie das Amtsgericht zutreffend errechnet hat, ist die Versicherung auch mit dem noch zu ermittelnden Wert anzusetzen. Dabei ist zwar nicht auszuschließen, dass wegen der kurzen Laufzeit von lediglich zwei Monaten, die für den Ehezeitanteil hier maßgebend sind, kein Deckungskapital vorhanden ist. Andererseits ist es auch nicht ausgeschlossen, dass insbesondere auf Grund der Besonderheiten der so genannten Riester-Rente - so es sich denn um eine solche handelt -, bei der die Vertragsabschlusskosten über einen längerfristigen Zeitraum gestreckt werden, bereits in den ersten Monaten sich ein Deckungskapital - anders als bei sonstigen Versicherungsverträgen - ansammelt. Letztendlich ist dies eine Frage der Bewertung der erworbenen Anwartschaften.

Jedenfalls hat der Hinweis der Beteiligten zu 3. in ihrem Schreiben vom 22. November 2002 (Bl. 28 d. A.), dass wegen der Schwankungen der Fondsanteile keine Angaben über die Höhe des Guthabens gemacht werden können, nicht zur Folge, dass die aus der Versicherung herrührenden Anwartschaften nicht im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind. Dies ist letztlich eine Frage der Bewertung von fondsgebundenen Rentenversicherungen, weshalb zumindest eine erneute Rückfrage bei der Beteiligten zu 3. notwendig ist.

Wegen der vorzunehmenden Ermittlungen, die - je nach ihrem Ausgang - weitere Ermittlungen nach sich ziehen können, hat der Senat eine eigene Entscheidung nicht als sachdienlich angesehen.

3.

In der Sache selbst sei noch auf folgendes hingewiesen:

a.

Zunächst hat das Amtsgericht im Tenor nicht berücksichtigt, dass sich die Übertragung von Anwartschaften in Höhe von monatlich 114,57 € auf angleichungsdynamische Anwartschaften bezieht und dass daher auch die Umrechnung in Entgeltpunkte/Ost zu erfolgen hat.

b.

Nach derzeitigem Stand stellt sich die Ausgleichsbilanz wie folgt dar:

Antragstellerin

- angleichungsdynamische Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 535,98 € (Bl. 38 d. A.)

- private Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 3., Vers.-Nr.: ... mit einem Deckungskapital von 5.543,70 € zum 1. September 2002 (Bl. 59 a d. A.)

- ggf. weitere private Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 3., Vers-Nr.: ... (Bl. 28 d. A.).

Antragsgegner

- angleichungsdynamische Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 282,35 € (Bl. 53 d. A.)

- nichtangleichungsdynamische Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 5,07 € (Bl. 53 d. A.)

- private Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 4. mit einem Deckungskapital von 4.168,90 € (Bl. 29 d. A., Berechnungsmethode I.).

Zunächst ist hinsichtlich der bei der Beteiligten zu 3. mit einem Deckungskapital von 5.543,70 € bestehenden privaten Rentenversicherung der Antragstellerin eine Umwertung dieser Rentenversicherung vorzunehmen. Dies hat das Amtsgericht bislang unterlassen.

Ferner ist für die fondsgebundene Rentenversicherung der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 3. ebenfalls eine entsprechende Umwertung vorzunehmen, so denn nach den noch ausstehenden Ermittlungen sich ein Deckungskapital ergeben sollte.

Die so umgewerteten Anrechte sind in ihrer Summe der Summe der nichtangleichungsdynamischen Anrechte des Antragsgegners, die sich aus den nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung und den umgewerteten Anwartschaften der privaten Rentenversicherung ergeben, gegenüberzustellen.

Ergibt sich dann, dass die Summe der nichtangleichungsdynamischen Anrechte der Antragstellerin höher ist als diejenige des Antragsgegners, so ist der Versorgungsausgleich nur hinsichtlich des Ausgleichs der angleichungsdynamischen Anrechte durchzuführen und hinsichtlich des Ausgleichs der nichtangleichungsdynamischen Anrechte wegen § 4 Abs. 1 VAÜG der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorzubehalten (Götsche, Die Praxis des Versorgungsausgleichs in den neuen Bundesländern, FamRZ 2002, 1235, 1239).

Sofern dagegen die Summe der nichtangleichungsdynamischen Anrechte des Antragsgegners höher ist, wie es bei der fehlerhaften Sachbehandlung durch das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung der Fall war, müsste der Versorgungsausgleich ausgesetzt werden, da dann der Antragsgegner zwar die höheren nichtangleichungsdynamischen, aber die geringeren angleichungsdynamische Anrechte hätte, § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG. Auch insoweit stellt sich die angefochtene Entscheidung als fehlerhaft dar.

4.

Der Senat weist erneut darauf hin, dass es aus Klarstellungsgründen ratsam erscheint, die am Verfahren über den Versorgungsausgleich formell beteiligten Versorgungsträger in das Rubrum des Urteils aufzunehmen (vgl. auch insoweit bereits Brandenburgisches OLG, FamRZ 2002, 168, 169), wie dies auch der allgemeinen familiengerichtlichen Praxis entspricht.

Ende der Entscheidung

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