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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 9 UF 171/06
Rechtsgebiete: BGB, VAÜG, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 1587 Abs. 2
VAÜG § 1 Abs. 4
VAÜG § 2 Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 93 a Abs. 1
ZPO § 114
ZPO § 119 Abs. 1
ZPO § 119 Abs. 1 Satz 2
GKG § 8
GKG § 49 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 171/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 4. Oktober 2006 gegen die in dem am 1. September 2006 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Senftenberg betreffend den Versorgungsausgleich getroffene Regelung durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr und den Richter am Oberlandesgericht Schollbach

am 16. November 2006

im schriftlichen Verfahren

beschlossen:

Tenor:

Auf die befristete Beschwerde wird das angefochtene Urteil betreffend die Regelung zum Versorgungsausgleich abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird ausgesetzt.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat auch in der Sache Erfolg. Zu Recht hat sie sich darauf berufen, das Amtsgerichts habe den Versorgungsausgleich zu Unrecht bereits jetzt durchgeführt.

Die Antragstellerin hat während der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB (1. März 1986 bis 31. August 2005) ausweislich der Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 13. Februar 2006 angleichungsdynamische Anwartschaften in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in Höhe von monatlich 71,03 €, denen Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG i.V.m. § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) und nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in Höhe von monatlich 2,15 €, denen Entgeltpunkte zugrunde liegen (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB), erworben.

Der Antragsgegner hat ausweislich der berichtigten Auskunft der Beteiligten zu 2. vom 28. September 2006 während der vorbenannten Ehezeit angleichungsdynamische Anwartschaften in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in Höhe von monatlich 422,27 €, denen Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen, und nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in Höhe von monatlich 0,52 €, denen Entgeltpunkte zugrunde liegen, erworben.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bestehen auch keine Bedenken an der Richtigkeit dieser Auskunft für den Antragsgegner. Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde damit begründet, dass in der früheren Auskunft aufgrund einer falschen Datenübermittlung Rentenanwartschaften fehlerhaft berücksichtigt worden seien und demzufolge eine Berichtigung erforderlich sei. Zwar ist dem Antragsgegner insoweit zuzustimmen, dass die Beteiligte zu 2. nicht ausdrücklich mitgeteilt hat, worin konkret die fehlerhafte Berücksichtigung zu sehen ist. Jedoch ergibt sich aus den vorliegenden Rentenauskünften, dass der Antragsgegner während der Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 25. April 2004 Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit bezogen hat und darüber hinaus einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung nachgegangen ist. In der Auskunft vom 2. Dezember 2005 sind diese Zeiten als solche im früheren Bundesgebiet, in der nunmehr berichtigten Auskunft hingegen als solche im Beitrittsgebiet berücksichtigt worden. Dies führt in logischer Konsequenz zur Erhöhung der angleichungsdynamischen und zur Verringerung der nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft vom 28. September 2006 begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem in der Folgesache Kindesunterhalt eingereichten Bescheid des Arbeitsamtes C... vom 26. April 2004 (Bl. 41 SH-UK), dass der Antragsgegner während der Zeit der Arbeitslosigkeit tatsächlich in den neuen Bundesländern wohnhaft war. Der Vortrag des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren ist daher unbeachtlich, da er seine Auffassung, dass die ursprüngliche Auskunft richtig sei, nicht weiter begründet hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

Bei dieser Sachlage kann gemäß § 2 Abs. 1 VAÜG der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden. Nach dieser Vorschrift ist der Versorgungsausgleich vor der Einkommensangleichung nur dann durchzuführen, wenn

1. die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anwartschaften minderer Art erworben haben und

a) nur angleichungsdynamische Anwartschaften zu berücksichtigen sind oder

b) der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anwartschaften auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erworben hat.

2. Die Voraussetzungen der Nr. 1 nicht vorliegen, aus einem im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht aufgrund des Versorgungsausgleichs jedoch Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären.

Da der Antragsgegner lediglich über die werthöheren angleichungsdynamischen Anwartschaften verfügt, liegen diese Voraussetzungen nicht vor, sodass die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG auszusetzen ist.

Nach der Einkommensangleichung gemäß § 1 Abs. 4 VAÜG ist das ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen. Antragsberechtigt sind u.a. die Ehegatten. Das Familiengericht soll das ausgesetzte Verfahren binnen 5 Jahren nach der Einkommensangleichung von Amts wegen wieder aufnehmen (§ 2 Abs. 3 VAÜG).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93 a Abs. 1 ZPO, 8 GKG. Die Entscheidung zum Beschwerdewert beruht auf § 49 Nr. 1 GKG.

II.

Dem Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war nicht stattzugeben, da die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorliegen.

Zwar wäre ihm grundsätzlich gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO notwendige Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen eine eingelegte befristete Beschwerde zu bewilligen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn lediglich ein Träger der gesetzlichen Versorgungssysteme Rechtsmittel eingelegt hat, da der am Verfahren über den Versorgungsausgleich beteiligte Ehegatte im Rahmen eines solchen Beschwerdeverfahrens lediglich eine verfahrensbegleitende Beteiligung wahrnimmt. Demzufolge kann ihm weder Prozesskostenhilfe bewilligt, noch ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, da er nicht die Stellung eines Antragsgegners im Sinne der §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO einnimmt.

Nach ihrem Sinn und Zweck greifen die §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO nur für den Gegner eines eingelegten Rechtsmittels ein. An dieser Stellung fehlt es aber dann, wenn ein gesetzlicher Versorgungsträger das Beschwerdeverfahren führt und ein am Verfahren beteiligter Ehegatte mangels aktiver Beteiligung nicht wie ein Rechtsmittelgegner auftritt. Da das Beschwerdegericht auf die zulässige Beschwerde des Versorgungsträgers von Amts wegen ohne Bindung an die gestellten Anträge zur Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher Gesichtspunkte gehalten ist, ist eine aktive Beteiligung der Ehegatten an dem Verfahren auch nicht geboten. Daher käme selbst eine Anschlussbeschwerde des Ehegatten mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht in Betracht (vgl. insgesamt Brandenburgisches OLG, OLG-Report 2003, 400 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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