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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 9 UF 69/06
Rechtsgebiete: BGB, SGB II


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2 Satz 2
SGB II § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 69/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr und den Richter am Oberlandesgericht Götsche

am 26. Juli 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten und Berufungsklägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antrag ist zurückzuweisen, da die Bedürftigkeit des Beklagten nicht ausreichend dargetan ist.

1.

Da das Institut der Prozesskostenhilfe, das eine Art Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen in Aussicht stellt, ausschließlich dazu dient, wirtschaftlich Schwachen den Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, hat die Partei zunächst ihr Vermögen vorrangig zur Finanzierung des Prozesses einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 2 ZPO), bevor die Allgemeinheit mit diesen Kosten belastet werden darf.

Eine vorhandene Lebensversicherung muss einer Verwertung zugeführt werden - sei es im Wege der Beleihung, sei es im Wege der Realisierung des Rückkaufswertes - bevor die Solidarität der Allgemeinheit durch Gewährung von Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen wird (allgemein dazu BVerwG NJW 2004, 3647, 3648; OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1651; OLG Köln, FamRZ 2004, 382; KG FamRZ 2003, 1394; AG Pforzheim FamRZ 2005, 467, 468). Daran ändert auch nichts, wenn dieses Kapital - möglicherweise - der Alterssicherung dient, da auch ein solches Kapitalvermögen einzusetzen ist (Brandenburgisches OLG OLGReport 2006, 256, 257; OLG Frankfurt FamRZ 2005, 466). Dabei kann sich die Partei auch nicht darauf berufen, dass mit der vorzeitigen Realisierung der Versicherung Verluste verbunden sind. Eine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit ist abzulehnen. Der Einsatz von Vermögenswerten ist auch dann zumutbar, wenn mit der vorzeitigen Kündigung Einbußen verbunden sind (BSG FamRB 2005, 347 für Kapitallebensversicherungen; OLG Celle FamRZ 2005, 992 für Sparguthaben; Brandenburgisches OLG OLG-Report 2006, 256, 257; i. E. auch OLG Frankfurt FamRZ 2005, 466). Zumindest bedarf es eines - hier fehlenden - eingehenden Vortrages dazu, weshalb im konkreten Fall mit der vorzeitigen Realisierung unzumutbare Kosten verbunden sind oder aus welchen sonstigen Gründen die Fortführung des Versicherung bzw. des Sparvertrages zwingend notwendig ist.

Aus dem durch die Klägerin eingereichten Schreiben vom 23. März 2005 geht hervor, dass der Beklagte eine Lebensversicherung mit der Nummer V 158681101 Tarif 0204 M sowie neben der Mutter der Klägerin einen Bausparvertrag mit der Nummer 6825722-01 führte, auf denen Guthaben zu Gunsten des Beklagten bestanden. Hierzu fehlt es an jeglichen Angaben seitens des Beklagten, der insbesondere innerhalb der Erklärung zur Prozesskostenhilfe insoweit keinerlei Angaben getätigt hat.

2.

Darüber hinaus dürfte ausweislich des Inhaltes des vorgenannten Schreibens der Klägerin vom 23. März 2005 der Beklagte auch Eigentumsrechte an dem von der Klägerin und ihrer Mutter bewohnten Grundstück ... in D... haben. Auch hierzu fehlt es an jeglichen Angaben seitens des Beklagten.

3.

Zuletzt kommt auch möglicherweise die Verwertung des Pkw Ford des Beklagten in Betracht (allgemein dazu Brandenburgisches OLG OLG-Report 2006, 256). Da sich der Beklagte auf Erwerbsunfähigkeit beruft, ist nicht erkennbar, wofür er diesen Pkw benötigt. Dies mag aber angesichts der zuvor dargestellten Umstände dahinstehen.

II.

In der Sache selbst wird auf Folgendes hingewiesen:

Soweit der Beklagte sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit beruft und dabei einerseits auf den Bezug von Leistungen nach dem ALG II und andererseits auf mangelnde Erwerbsfähigkeit insbesondere wegen langjähriger Alkoholsucht hinweist, erscheint dieses Vorbringen nicht geeignet, um die Berufung erfolgreich begründen zu können.

a.

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Beklagte sich unter Berücksichtigung der zu der Bedürftigkeitsprüfung aufgeführten Vermögenspositionen nicht als tatsächlich leistungsfähig behandeln lassen muss.

Darüber hinaus hat der Beklagte auch nicht ausreichend dazu vorgetragen, inwieweit er Nebeneinkünfte als musikalischer Alleinunterhalter oder aus vergleichbarer Tätigkeit erzielt. Die Klägerin hat ihre dahingehende Behauptung jedenfalls insoweit substanziiert, als der Beklagte Nebeneinkünfte als Alleinunterhalter auf Feiern erziele. Erst auf diese Behauptung der Klägerin hin hat der Beklagte eingeräumt, dass er einen entsprechenden Werbeaufkleber auf seinem Pkw habe und im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch erklärt, dass er vormals in einer Blaskapelle gespielt habe, diese Tätigkeit aber nicht mehr ausübe. Soweit die Klägerin nachfolgend ihre Behauptung weitergehend substanziiert hat, wonach der Beklagte beispielsweise die Weihnachtsfeier der V... in der Gaststätte "..." am 16. Dezember 2005 musikalisch begleitet habe, ist der Beklagte weiteren substanziierten Sachvortrag schuldig geblieben. Er hat lediglich noch behauptet, unentgeltlich auf privaten Feiern im Familienkreis tätig zu sein, was sich angesichts der konkreten Behauptungen der Klägerin nicht als ausreichendes Bestreiten darstellt.

Im Ergebnis mag dies hier aber dahinstehen.

b.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bis einschließlich Juli 2006 an der allgemeinen Schulausbildung teilnimmt und daher privilegiert Volljährige gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. Insoweit trifft den Beklagten grundsätzlich eine gesteigerte Erwerbobliegenheit, solange er nicht seine tatsächliche Leistungsunfähigkeit substanziiert darlegt und beweist. Der bloße Hinweis auf den Bezug von Arbeitslosengeld II genügt dieser Darlegungslast nicht (Brandenburgisches OLG, NJW-RR 2005, 949).

c.

Ebenso ist das Vorbringen des Beklagten hinsichtlich einer evtl. Erwerbsunfähigkeit nach derzeitigem Stand widersprüchlich und daher unbeachtlich. Dies gilt einerseits, weil er eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit nicht ausreichend dargetan hat, andererseits aber im Hinblick darauf, dass der Bezug der Leistungen des ALG II seine Erwerbsfähigkeit grundsätzlich indiziert.

aa.

So hat der Beklagte sich zwar insbesondere auf eine langjährige Alkoholsucht berufen, wobei zwischen den Parteien jedenfalls der hohe Alkoholkonsum unstreitig ist. Dass angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit er aber nicht in der Lage sei, einer geregelten Arbeit nachzugehen, ist von ihm weder ausreichend dargetan noch belegt. Die Bescheinigung des ihn insoweit langjährig behandelnden Dr. K... v. 7. Februar 2006 bescheinigt - soweit lesbar - wohl allein eine drohende Alkoholsucht und sagt nichts über seinen Zustand der Erwerbsfähigkeit aus. Soweit er sich während der Zeit vom 26. Januar bis 2. Februar 2006 wohl in einer Entzugsbehandlung befand, hat er ausweislich der Bescheinigung der Landesklinik L... vom 2. Februar 2006 die Entlassung entgegen ärztlichem Rat herbeigeführt. Auch der Alkoholkranke hat sich im Grundsatz einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen, um seine Leistungsfähigkeit bestmöglich herzustellen. Kommt er dem nicht nach, muss er sich grundsätzlich auch einen entsprechenden Obliegenheitsverstoß vorhalten lassen, es sei denn, die Alkoholkrankheit ist bereits so weit fortgeschritten, dass es an der hierfür notwendigen Einsichtsfähigkeit fehlt. Anhaltspunkte für ein Fehlen der Einsichtsfähigkeit auf Seiten des Beklagten bestehen aber nicht.

bb.

In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass der Beklagte Leistungen nach dem SGB II (so genannte Hartz IV-Leistungen) bezieht. Eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung für den Bezug ist die Erwerbsfähigkeit der Bezugsperson, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Dies spricht schon indiziell für eine tatsächlich bestehende Erwerbsfähigkeit; insoweit hätte es zumindest eines weitergehenden Vorbringens des Beklagten bedurft.

Ende der Entscheidung

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