Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.05.2004
Aktenzeichen: 9 WF 103/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 115 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 115 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1360 a Abs. 3
BGB § 1360 a Abs. 4
BGB § 1361 Abs. 1
BGB § 1361 Abs. 2
BGB § 1361 Abs. 4 Satz 3
BGB § 1613
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 103/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 10. März 2004 gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 6. Februar 2004, Az.: 32 F 215/03, durch die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin

am 27. Mai 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluss teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... aus ... für die erste Instanz insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt, als sie für den Zeitraum vom 19. März 2003 bis einschließlich Mai 2004 die Zahlung von 1.630,57 EUR sowie ab Juni 2004 die Zahlung von monatlichem Trennungsunterhalt in Höhe von 155,26 EUR begehrt.

Es werden monatliche Raten in Höhe von 115 EUR festgesetzt.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag und die weitergehende sofortige Beschwerde werden zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft, sowie fristgerecht innerhalb der Notfrist von einem Monat gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden und damit zulässig.

2.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

a.

Gemäß § 114 ZPO ist der Antragstellerin für die beabsichtigte Unterhaltsklage in dem im Schriftsatz vom 30. Januar 2004 enthaltenen Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Ihre Rechtsverfolgung nach § 1361 Abs.1 BGB hat insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg.

(1)

Die über die Trennung hinaus grundsätzlich beide erwerbstätigen Eheleuten verfügen über ein für die Unterhaltsberechnung maßgebliches Gesamteinkommen von 2.110,38 EUR.

Der Antragsgegner erzielt nach der vorgelegten Gehaltsbescheinigung vom 24. März 2003 (Bl. 9 d.A.) über ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 1.478,03 EUR (März 2002 bis Februar 2003 = 17.736,36 EUR). Hiervon sind nicht die in Höhe von 225 EUR geltend gemachten Aufwendungen für den PKW-Kredit abzusetzen, da der Antragsgegner diese trotz mehrfachen Hinweises nicht belegt hat. Dementsprechend sind lediglich pauschal 241,96 EUR (60 km x 18,33 Tage x 0,22 EUR) für die Fahrtaufwendungen zu berücksichtigen, neben denen Kreditraten für den PKW im Übrigen nicht abgezogen werden können. Die Pauschale von 0,22 EUR je gefahrenen Kilometer umfasst neben den Verbrauchskosten auch die Anschaffungskosten.

Weitere, grundsätzlich abzugsfähige ehebedingte Schulden hat der Antragsgegner trotz gerichtlichen Hinweises nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen substanziiert, sodass die hierfür geltend gemachten 55,74 EUR monatlich ebenfalls nicht in Abzug gebracht werden können. Es verbleibt nach der derzeitigen Sachlage ein einzusetzendes Einkommen von 1.236,07 EUR.

Der Antragstellerin ist als gelernten Friseuse im Ansatz ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest 920,33 EUR zuzurechnen, da sie keinerlei Darlegungen zur Erfüllung ihrer Erwerbsobliegenheit nach § 1361 Abs.2 BGB machte. Es ist nicht erkennbar, dass sie sich seit ihrer Arbeitslosigkeit hinreichend um eine ihren Bedarf deckende Erwerbstätigkeit bemühte. Die Antragstellerin hat hierzu keine Angaben gemacht. Da die eheliche Lebensgemeinschaft überwiegend durch eine Doppelverdienerehe geprägt war, ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin auch zumutbar.

Der Senat geht dabei in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine ungelernte Frau in der Lage ist, ein monatliches Nettoeinkommen von 1.800 DM (= 920,33 EUR) zu erzielen. Dass die Antragstellerin bei ihrer früheren Arbeitgeberin durchschnittlich lediglich 669,34 EUR (8.032,09 EUR : 12) erzielte, steht dem nicht entgegen. Die Erwerbsobliegenheit beinhaltet auch, sich um einen hinreichend entlohnten Arbeitsplatz zu bemühen. Zu Gunsten der Antragstellerin sind von diesem fiktiven Einkommen 5 % für berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen, sodass 874,31 EUR als einzusetzendes Einkommen verbleiben.

Danach ergibt sich ein Gesamteinkommen der Eheleute von 2.110,38 EUR (1.236,07 EUR + 874,31 EUR), aus dem sich ein Unterhaltsbedarf für die Antragstellerin in Höhe von 904,45 EUR (= 3/7) ermitteln lässt. Ihren Bedarf vermag die Antragstellerin in Höhe von 749,19 EUR (6/7 von 874,31 EUR) durch eigene Einkünfte zu decken, sodass ein Restunterhaltsanspruch in Höhe von 155,26 EUR verbleibt. Diesen kann der Antragsgegner auch ohne Beeinträchtigung des Selbstbehalts von 925 EUR leisten (1.236,07 EUR - 850 EUR = 386,07 EUR).

(2)

Aufgrund des umfassenden Titulierungsinteresses der Antragstellerin steht den Erfolgsaussichten der auf zukünftige Zahlungen gerichteten Klage auf Trennungsunterhalt nicht entgegen, dass der Antragsgegner sich freiwillig zur Zahlung von monatlich 50 EUR bereit erklärt hat und diese auch seit Juni 2003 tatsächlich zahlt.

(3)

Die Antragstellerin kann gemäß den §§ 1361 Abs.4 Satz 3, 1360 a Abs.3, 1613 BGB auch Unterhalt für den Zeitraum ab dem 19. März 2003 verlangen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bedarf es keiner Mahnung eines konkreten Unterhaltsbetrages. Es genügt vielmehr ein erkennbar auf die Zahlung von Trennungsunterhalt gerichtetes Auskunftsverlangen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners. Ein solches Verlangen enthält des Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 12. März 2003, das dem Antragsgegner am 19. März 2003 zugegangen ist.

Ausgehend von einem monatlichen Anspruch auf Trennungsunterhalt bis zur rechtskräftigen Scheidung in Höhe von 155,26 EUR ergibt sich für den Monat März 2003 ein Anspruch auf Zahlung von 56,93 EUR, für die Monate April 2003 und Mai 2003 in Höhe von 310,52 EUR und für den Zeitraum von Juni 2003 bis einschließlich Mai 2004 (12 Monate) unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung von monatlich 50 EUR in Höhe von weiteren 1.263,12 EUR (= 12 x 105,26), mithin insgesamt 1.630,57 EUR als rückständigen Unterhalt.

3.

Aufgrund des Vermögens im Sinne des § 115 ZPO darstellenden Prozesskostenvorschussanspruches (vgl. hierzu. Beschluss vom 3. Februar 2003, Az.: 9 WF 219/02) der Antragstellerin gegen den Antragsgegner sind monatliche Ratenzahlungen von 115 EUR festzusetzen.

Ein bestehender und unschwer durchsetzbarer Prozesskostenvorschussanspruch eines Ehegatten gegen den von ihm getrennt lebenden anderen Ehegatten nach den §§ 1361 Abs. 4 Satz 3, 1360 a Abs. 4 BGB stellt einen nach § 115 Abs.2 Satz 1 ZPO im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzusetzenden Vermögensteil dar (OLG Zweibrücken, Rpfl 2002, 368), der gegenüber dem Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorrangig ist (Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Auflage, § 1360 a, Rn. 8 m.w.N.).

Zweifel an der Bedürftigkeit der Antragstellerin bestehen nicht. Sie ist zwar ausgeschlossen, wenn die Leistung des Prozesskostenvorschusses nicht der Billigkeit entspricht (OLG Koblenz, Rpfl 1992, 527; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Auflage, Rn. 240). Insoweit kann sich die Antragstellerin jedoch nicht auf die im Rahmen der Prozesskostenhilfe unzulässige Zusammenrechnung der Einkünfte der Ehegatten nach § 115 Abs. 4 ZPO berufen. Die besondere Bedeutung der Vorschusspflicht liegt gerade darin, einen Ausgleich für die unterbleibende Zusammenrechnung der Einkommen beider Ehegatten im Rahmen der Prozesskostenhilfe vorzunehmen (Künzl/Koller, a.a.O., Rn. 237). Das Abstellen auf die Einkünfte des Antragstellers ist mithin nicht unbillig.

Da die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten Anspruchsvoraussetzung ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 3467), ist er nur insoweit vorschusspflichtig, als er die Kosten für einen eigenen Prozess aufbringen müsste (Künzl/Koller, a.a.O., Rn. 243).

Insoweit wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss bereits entfällt, wenn dem Inanspruchgenommenen seinerseits Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre. Dem an sich Vorschussberechtigten müsse in diesen Fällen Prozesskostenhilfe allein seinen finanziellen Verhältnissen entsprechend bewilligt werden; er könne nicht auf einen Vorschussanspruch verwiesen werden (OLG Bamberg. FamRZ 2000, 1093; OLG Zweibrücken, JurBüro 200, 483 m.w.N.). Diese Ansicht übersieht jedoch, dass aufgrund nach der Tabelle in § 115 ZPO eröffneten Ratenzahlungsmöglichkeiten in sehr weitgehendem Maße Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann. Hierdurch wird jedoch die Frage des Bestehens eines Prozesskostenvorschussanspruches in unzulässiger Weise mit der Frage der Bedürftigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung vermengt. Dem Anliegen, den Vorschussverpflichteten nicht in gleicher Weise wie im Rahmen der Prozesskostenhilfe zum Einsatz seiner Einkünfte und seines Vermögens zu zwingen, ist vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass im Rahmen des Anspruchsumfanges unterhaltsrechtliche Maßstäbe heranzuziehen sind (OLG Köln, FamRZ 1999, 792; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Auflage, Rn. 371; Künzl/Koller, a.aO., Rn.245). Die Gefahr, die Sozialhilfebedürftigkeit des Prozesskostenvorschusspflichtigen herbeizuführen, besteht infolge der Zubilligung eines angemessenen Selbstbehaltes nicht.

Die Voraussetzung der Leistungsfähigkeit bedeutet nicht, dass der Vorschusspflichtige die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin in einer Summe aufbringen können muss. Der Hinweis darauf, dass die Gerichtskasse und der Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwalt Zahlung der Prozesskosten in einer Summe verlangen kann, genügt nicht (erkennender Senat, a.a.O, Beschluss vom 3. Februar 2003, Az.: 9 WF 219/02, S. 4 m.w.N.). Die Leistungsfähigkeit ist auch gegeben, wenn der Betrag in mehreren Raten aufgebracht werden kann (OLG Köln FamRZ 1999, 792, OLG Köln MDR 1995, 209, OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 757, Künzl/Koller, a.a.O., Rn. 244 m.w.N. auch zur Gegenansicht). Diesbezüglichen Bedenken wird schon dadurch Rechnung getragen, dass dem Vorschussberechtigten Prozesskostenhilfe unter Auferlegung einer Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe der vom Vorschusspflichtigen fiktiv zu erbringenden Prozesskostenhilferaten gewährt wird. Insoweit übernimmt die öffentliche Hand im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes die Kostenlast, so dass es aus Sicht des Vorschussberechtigten unerheblich ist, ob der Gerichtskostenvorschuss oder der an den Rechtsanwalt zu zahlende Vorschuss in einer Summe zu leisten ist (OLG Zweibrücken, FamRZ 1997, 757). Zugleich wird der auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses in Anspruch genommene Ehegatte nicht übermäßig belastet. Der Vorschussanspruch ist seinerseits von vornherein auf die Höhe der fiktiv zu erbringenden monatlichen Prozesskostenhilferaten begrenzt (erkennender Senat, Beschluss vom 3. Februar 2003 zu 9 WF 219/02 m.w.N; OLG Köln, OLG-Report 2002, 77; OLG Thüringen, FamRZ 1998, 1302 f).

Die Leistungsfähigkeit des getrennt lebenden Ehegatten ist mithin anhand dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu prüfen (OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1100; OLG Nürnberg, NJW-RR 1995, 330). Nach den vorstehenden Ausführungen verfügt der Antragsgegner über ein verbleibendes Nettoeinkommen in Höhe von 1.236,07 EUR, das gemäß § 115 Abs.1 Satz 2 ZPO um den eigenen Freibetrag in Höhe von derzeit 364 EUR sowie den Erwerbsfreibetrag in Höhe von 144 EUR sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung zu reduzieren ist. Weitere abzugsfähige Verbindlichkeiten des Antragsgegners hat die Antragstellerin ausdrücklich bestritten. Geht man von Wohnkosten in Höhe von 400 EUR aus, verbleiben 328,07 EUR, was nach der Tabelle zu § 115 ZPO zu einer monatlichen Rate in Höhe von 115 EUR führt.

Diese Zahlung von 115 EUR beeinträchtigt auch nicht die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners, da nach Abzug sowohl des Trennungsunterhalts von 155,26 EUR monatlich als auch des Prozesskostenvorschusses von 115 EUR der nach Ziffer 21.4 der Unterhaltsrichtlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1. Juli 2003, mit 850 EUR anzusetzende angemessene Selbstbehalt gewahrt bleibt.

Ende der Entscheidung

Zurück