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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2009
Aktenzeichen: 9 WF 15/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 620 c
ZPO § 621 g
BGB § 1666 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die am .... Januar 1989 geborene Mutter der betroffenen Kinder ist für diese jeweils allein sorgeberechtigt. Sie lebte bis zum Jahresende 2008 mit dem Vater des Kindes Lu., Herrn C. M., in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammen. Nunmehr bewohnt sie eine eigene Wohnung unter der genannten Anschrift.

Die Kindesmutter, die über keine abgeschlossene Schul- und keine Berufsausbildung verfügt, lebte in den ersten Monaten nach der Geburt von L. im Haushalt ihrer eigenen Mutter, die noch zu Zeiten ihrer Minderjährigkeit Erziehungshilfe in Anspruch genommen hatte, die jedoch wegen fehlender Mitwirkung der Tochter abgebrochen wurde.

Am 06.06.2007 kam es zu einem Vorfall, in dessen Verlauf der wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Beteiligte zu 2) damit drohte, die Kindesmutter, das Kind und sich selbst zu erschießen.

Im August 2007 wandte sich der Kindesvater an das Jugendamt, weil er die Kindesmutter mit der Erziehung und Versorgung von L. für überfordert erachtete, das Kind aber auch nicht mehr in der Obhut der Großmutter, der gegenüber er Vorwürfe von Alkoholmissbrauch erhob, wissen wollte. Es kam zu einem vorübergehenden Zerwürfnis zwischen Großmutter und Kindesmutter, die beide ein weiteres Zusammenleben in einer Wohnung ablehnten. Im Oktober 2007 konnte die Kindesmutter eine eigene 3-Zimmer-Wohnung in C. beziehen, in der sie mit dem Beteiligten zu 2. zusammenlebte. Ihr wurde Hilfe zur Erziehung in Form eines Erziehungsbeistandes gewährt. Diese Hilfe zeigte jedoch besonders in Hinblick auf Ordnung und Sauberkeit in der Wohnung mangels zuverlässiger Mitwirkung der Kindesmutter nicht den gewünschten Erfolg. Zumindest bei drei Hausbesuchen am 27. November 2007, 29. Februar und 11. März 2008 erachteten Mitarbeiter des Jugendamtes den Zustand der Wohnung für unhygienisch und mit dem Wohl des dort lebenden Kleinkindes nicht vereinbar. Dies wurde auf die Hundehaltung in der Wohnung, starkes Rauchen der Kindesmutter in den Räumlichkeiten und mangelnde Ordnung zurückgeführt. Risiken für das Kind wurden in einer lose an die Wand gelehnten Flurgarderobe sowie den Zugang zum ungeschützten Herdanschluss und zu Medikamenten gesehen.

Sowohl während der zweiten Schwangerschaft als auch nach der Geburt Lu.s stellte die Kindesmutter das Rauchen nicht ein; das Krankenhaus verließ sie vorzeitig entgegen ärztlichem Rat. Die zur Unterstützung eingeschaltete Hebamme schilderte die Kindesmutter gegenüber dem Jugendamt im Hinblick auf vereinbarte Termine als unzuverlässig, die Wohnung als verschmutzt. Bei einem unangemeldeten Hausbesuch am 23. Juli 2008 fand sich die Wohnung stark verschmutzt, mit Hundehaaren in allen Räumlichkeiten, auch im Kinderzimmer, schmutzigen Windeln und vollen Mülltüten auf dem Boden sowie großen Mengen schmutziger Wäsche. Nach Androhung der Herausnahme der Kinder aus der Familie gelang es vornehmlich dem Beteiligten zu 2. die Wohnung kurzfristig in einen ordentlichen Zustand zu bringen. Die Kindesmutter lehnte weitere Hilfen, insbesondere die Unterbringung in einem Mutter-Kind-Haus, ab. Daraufhin wurde der zeitliche Umfang des Erziehungsbeistandes erhöht und die Hilfsmaßnahme auf zwei Personen ausgedehnt.

Nach Kündigung des Mietverhältnisses wegen fortgesetzter Beschwerden der Mitbewohner über Lärmbelästigung und erforderliche Polizeieinsätze fand die Kindesmutter im Oktober 2008 eine neue Unterkunft im Stadtteil S.. Auch dort lebte sie mit dem Beteiligten zu 2. zusammen, der dem Jugendamt gegenüber Alkoholprobleme mit anschließender erhöhter Gewaltbereitschaft einräumte und schließlich den Erziehungsbeistand am 17. und 19. November 2008 darüber informierte, dass der Familie kein Geld zum Kauf ausreichender Lebensmittel zur Verfügung stand. Dies bestätigte sich ebenso wie ein wiederum unhygienischer Zustand der Wohnung bei einem daraufhin durchgeführten Hausbesuch. Demzufolge nahm das Jugendamt am 19. November 2008 die betroffenen Kinder gegen den Willen der Mutter in Obhut und stellte unter dem Datum des 21. November 2008 beim Amtsgericht Cottbus in der Hauptsache einen Antrag auf Entzug des vollständigen Sorgerechts sowie im Wege einstweiliger Anordnung den auf Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Gesundheitsfürsorge und zur Beantragung von Sozialleistungen.

Nach Anhörung aller Beteiligten am 04.12.2008 entzog das Amtsgericht Cottbus mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 der Kindesmutter für die betroffenen Kinder das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und zur Beantragung von Sozialleistungen vorläufig und bestellte das Jugendamt der Stadt C. zum Ergänzungspfleger. Zur Begründung dieser Entscheidung im Wege einstweiliger Anordnung bezog sich das Amtsgericht vorrangig auf die aus seiner Sicht fehlende Eigenmotivation der Kindesmutter, die wirksame Hilfeleistungen, wie etwa die Aufnahme in ein Mutter-Kind-Haus, ablehne.

Gegen diese ihr am 30. Dezember 2008 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin eingehend beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 13. Januar 2009 sofortige Beschwerde eingelegt und ihr Rechtsmittel im Wesentlichen damit begründet, dass sie sich nun nach Trennung vom Vater der jüngeren Tochter und Bezug einer anderen Wohnung auf eigene Füße gestellt habe. Probleme aus früheren Zeiten seien für den jetzigen vorläufigen Entzug von Teilen des Sorgerechts irrelevant. Bis auf einen Einzelfall bestreitet sie einen desolaten Zustand ihrer Wohnung. Zu keinem Zeitpunkt seien die Töchter unterernährt gewesen. Sie selbst habe nur die Aufnahme in ein Mutter-Kind-Haus, nicht aber sonstige Hilfe abgelehnt, die ihr bisher nur in unzureichender Form gewährt worden sei. Sie könne ihre Kinder, die unter der Trennung litten, sehr wohl ordnungsgemäß selbst versorgen.

Von den durch das Beschwerdegericht angehörten übrigen Beteiligten haben die Verfahrenspflegerin unter dem Datum des 23. Januar 2009 und das Jugendamt der Stadt C. unter dem Datum des 5. Februar 2009 Stellungnahmen im Sinne der angefochtenen Entscheidung abgegeben und im Übrigen darauf verwiesen, dass seit der Inobhutnahme der Kinder die Besuche der Mutter bei ihnen nur unregelmäßig erfolgt seien.

II.

Die nach §§ 621 g, 620 c ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Kindesmutter führt in der Sache nicht zum Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht ihr im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig (bis zur Entscheidung in der Hauptsache) die genannten Teile des elterlichen Sorgerechts entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen, wobei es gleichzeitig in der Hauptsache die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter angeordnet hat.

Gem. § 1666 Abs. 1 BGB hat das Gericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, soweit das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes / der Kinder durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.

Die gebotene summarische Prüfung dieser Voraussetzungen im einstweiligen Anordnungsverfahren führt hier dazu, eine entsprechende Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen. Insoweit besteht auch zur Überzeugung des Beschwerdegerichts die Befürchtung, dass ohne Erlass der Entscheidung vor der abschließenden Klärung eine nachhaltige Beeinträchtigung des Kindeswohls eintreten könnte.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Dass sich die Wohnsituation für die Kinder im Haushalt der Mutter in der Vergangenheit insbesondere unter hygienischen Gesichtspunkten als unzuträglich darstellte, kann zur Überzeugung des Beschwerdegerichts als erwiesen angesehen werden, wie sich nicht nur aus den Berichten über mehrere Hausbesuche des Jugendamtes, sondern auch aus den Stellungnahmen der Erziehungsbeistände und weiterer Dritter, wie etwa der Hebamme und der die Herausnahme begleitenden Polizeibeamten ergibt. Dort wird sämtlich über auch die Räumlichkeiten der Kinder betreffende Verunreinigungen nicht nur infolge der Hundehaltung, sondern auch durch nicht beseitigte Abfälle und herumliegende schmutzige Windeln berichtet. Angesichts dieser wiederholt angetroffenen Umstände kann auch nicht von einem Einzelfall - wie die Beschwerdeführerin behauptet - ausgegangen werden. Insoweit vermag das schlichte Bestreiten der Kindesmutter die detaillierten Berichte von dritter Seite nicht zu widerlegen. Offensichtlich ist es ihr aus eigener Initiative bislang nicht gelungen, ihr häusliches Wohnumfeld in einem Zustand zu halten, wie er schon unter gesundheitlichen Aspekten für den Aufenthalt eines Kleinkindes und eines Säuglings erforderlich ist. Hieran vermochte auch die Unterstützung durch ihre Mutter, zu deren eigenen gesundheitlichen Problemen die Beschwerdeführerin keine Erklärung abgegeben hat, und diejenige des bisherigen Lebensgefährten, der insoweit nach den Schilderungen der Mitarbeiter des Jugendamtes eher einen positiven Einfluss ausübte, etwas zu ändern. Von daher erlauben weder die Abschaffung der Hunde noch die Trennung vom bisherigen Partner die zuverlässige Prognose, dass sich das neue Wohnumfeld der Kindesmutter, zu dem im Einzelnen keine weiteren Erläuterungen gemacht wurden, in eine für den Aufenthalt der Kinder zuträglicheren Weise gestalten würde. Bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdeführerin, dass die unbestrittenen in der früheren Wohnung vorhandenen Gefahrenquellen (ungesicherte Garderobe und Herdanschluss) nicht etwa beseitigt worden wären oder werden sollten, sondern dass das Risiko vielmehr dadurch nicht realisiere, dass die Kinder stets beaufsichtigt worden seien, wofür wohl gerade innerhalb des häuslichen Umfelds kaum eine Garantie übernommen werden kann.

Ebenso erwiesener Maßen unzutreffend ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, die gesundheitliche Betreuung der Kinder sei in ihrem Haushalt gewährleistet gewesen. Vielmehr wurde bei Lu. eine vaginale Infektion festgestellt, der die Kindesmutter trotz entsprechender Hinweise keine Beachtung schenkte. Die ältere Tochter L. leidet unter Atemwegsproblemen, die die Kindesmutter indes nicht veranlassten, für eine rauchfreie Umgebung des Kindes zu sorgen. Außerdem wurden bei der Inobhutnahme der Mädchen unterbliebene Impfungen und kinderärztliche Untersuchungen registriert. Im Übrigen mag selbstverständlich in der Entscheidungsfreiheit der Kindesmutter liegen, wie nach der Geburt von Lu. geschehen, für sich selbst ärztliche Ratschläge abzulehnen und eine Klinik vorzeitig zu verlassen. Bei von ihr selbst angeführten vorhandenen eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen spricht dies allerdings nicht für ein besonderes Verantwortungsbewusstsein in dem Sinne, dass gerade Kleinkinder eine gesundheitlich stabile Mutter zur Versorgung benötigen. Dass die Kinder bei ihrer Herausnahme aus dem mütterlichen Haushalt keine Anzeichen von Unterernährung aufwiesen, kann angesichts ihres geringen Alters noch keineswegs als Beleg dafür angesehen werden, dass ihre kindgerechte Ernährung stets sichergestellt war. Aus den Bitten um Hilfe im Hinblick auf die Beschaffung von Lebensmitteln des Beteiligten zu 2. und den Erkenntnissen des Hausbesuches vom 19.11.2008 ergibt sich ein anderes Bild, dem die Beschwerdeführerin substantiiert nicht entgegengetreten ist.

Schließlich trifft es auch nicht zu, dass die Beschwerdeführerin von den ihr angebotenen Hilfsmaßnahmen lediglich die Aufnahme in ein Mutter-Kind-Haus abgelehnt hat. Auch bei der ihr gewährten Hilfe zur Erziehung in Form des Erziehungsbeistands hat sie jedenfalls der Person und den für notwendig erachteten Maßnahmen gegenüber ganz erhebliche Vorbehalte zum Ausdruck gebracht. Sämtliche zu ihrer Unterstützung eingeschalteten Drittpersonen haben von extremer Unzuverlässigkeit bei der Wahrnehmung von Terminen berichtet, was letztlich immer wieder dazu geführt hat, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeigen konnten. Insoweit erscheint es zur Beurteilung der Gesamtsituation durchaus von Bedeutung, auch das Verhalten der Kindesmutter in früherer Zeit in die Erwägungen mit einzubeziehen. Dabei bestätigt sich der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Eindruck fehlender Motivation der Kindesmutter, für die in der Vergangenheit angetroffenen, dem Wohl ihrer Kinder abträglichen Situation, nachhaltig nach einer Veränderung zu suchen. Von daher bleibt das Ergebnis der im Rahmen des Hauptsacheverfahrens veranlassten Überprüfung ihrer Erziehungseignung abzuwarten, bevor ggf. über eine Rückführung der beiden Töchter in den mütterlichen Haushalt entschieden werden kann. Innerhalb des summarischen einstweiligen Anordnungsverfahrens genügen die vorliegenden Hinweise jedenfalls, um den vorgenommenen Entzug der Teilbereiche der elterlichen Sorge zu gebieten.

Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht - § 620 g ZPO.

Ende der Entscheidung

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