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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.11.2001
Aktenzeichen: 9 WF 189/01
Rechtsgebiete: FGG, RPflG, BGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 56 g Abs. 5 Satz 1
FGG § 67 Abs. 3
FGG § 67 Abs. 3 Satz 3
RPflG § 11 Abs. 1
BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 4
BGB § 1836 a
BVormVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 189/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 8. Mai 2001, ergänzt durch das Schreiben vom 19. Oktober 2001, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 24. April 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

am 30. November 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Es verbleibt bei der Festsetzung aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 27. März 2001.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 Satz 3, 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG statthafte sofortige Beschwerde, deren Zulassung das Amtsgericht in dem Tenor der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich ausgesprochen hat, ist nur teilweise zulässig.

Soweit der Beteiligte zu 1. mit seinem Schreiben vom 19. Oktober 2001 (Bl. 113 d. A.) die eingelegte sofortige Beschwerde erweitert hat, ist seine sofortige Beschwerde unzulässig. Mit Beschluss vom 27. März 2001 (Bl. 82 d. A.) hat das Amtsgericht dem Beteiligten zu 2. eine Vergütung von 940,12 DM zuerkannt. Eine teilweise Abänderung dieses Beschlusses, wie durch den Beteiligten zu 1. mit dem Schreiben vom 19. Oktober 2001 begehrt, kommt nicht in Betracht, da dieser Beschluss bereits unanfechtbar und damit rechtskräftig ist.

Dabei kann dahinstehen, ob die Rechtskraft hinsichtlich des Beschlusses vom 27. März 2001 nicht schon mit dem Ablauf des 16. April 2001 aufgrund der unter dem 2. April 2001 erfolgten Zustellung an den Beteiligten zu 2. (vgl. Bl. 85 d.A.) eingetreten ist. Dem Eintritt der Rechtskraft steht zunächst nicht entgegen, dass der Beschluss vom 27. März 2001 ausweislich seines Tenors lediglich eine vorläufige Festsetzung enthält. Aus den Gründen dieses Beschlusses geht hervor, dass die Festsetzung von 940,12 DM endgültig sein sollte; lediglich hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages ist eine weitergehende Entscheidung vorbehalten worden. Dem entspricht es auch, dass dieser Beschluss eine Rechtsmittelbelehrung enthält; auch hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls hinsichtlich des festgesetzten Betrages eine endgültige Festsetzung erfolgen sollte.

Der Beteiligte zu 1., dem der Beschluss am 29. März 2001 zugestellt worden ist (Bl. 84 d.A.), hat sich gegen diesen Beschluss zunächst nicht gewandt. Soweit der Beteiligte zu 2. mit Schreiben vom 8. April 2001 (Bl. 86 d.A.) "sofortige Beschwerde" eingelegt hat, ist dies am ehesten als Antrag auf Entscheidung über seine über die festgelegte Vergütung hinausgehende Vergütung anzusehen, wie aus der Begründung der "sofortigen Beschwerde" - bei der es sich im Übrigen um eine befristete Erinnerung gem. § 11 Abs. 1 RPflG als statthaftem Rechtsbehelf handeln würde - darstellt. Damit wäre mit Ablauf des 16. April 2001 die Rechtskraft eingetreten.

Jedenfalls aber hat sich der Beteiligte zu 1. zunächst nur gegen die im angefochtenen Beschluss vom 24. April 2001 festgesetzte Vergütung von 255 DM gewandt und ausdrücklich die Festsetzung auf die Vergütung von 940,12 DM gemäß dem Beschluss vom 27. März 2001 beantragt. Damit hat er seine Beschwerde ausdrücklich beschränkt, zumal die Erweiterung in dem Schreiben vom 19. Oktober 2001 nicht mehr innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen (der angefochtene Beschluss, für den ein Zustellnachweis fehlt, ist dem Beteiligten zu 1. ausweislich seiner Beschwerdeschrift spätestens am 8. Mai 2001 zugegangen) eingegangen ist. Spätestens mit dem Ablauf dieser Beschwerdefrist ist daher auch die Rechtskraft hinsichtlich des Beschlusses vom 27. März 2001 eingetreten.

Dem Verfahrenspfleger steht nach §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG, 1908 i Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen entsprechend §§ 1835 Abs. 1 und 4 BGB und eine Vergütung entsprechend §§ 1836 a BGB, 1 BVormVG zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (vgl. auch BT-Drucks. 13/7158, S. 15).

Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Dies lässt erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes tritt und an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen hat. Der Verfahrenspfleger hat also nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (ausdrücklich BVerfG FamRZ 1999, 85, 87); er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist - kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen (BT-Drucks. 13/4899, S. 130). All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes; seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist derjenigen eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar. Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, als "reiner Parteivertreter" sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen; insbesondere hat er keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (SchlHOLG, OLGR 2000, 177 ff.; KG FamRZ 2000,1300; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293, 1294).

Mit Schreiben vom 19. November 2000 (Bl. 65 d. A.) begehrt der Beteiligte zu 2. die Erstattung einer Vergütung auch für solche Tätigkeiten, die über seinen Aufgabenbereich als Verfahrenspfleger des Kindes hinausgehen. Die über die bereits mit dem Beschluss vom 27. März 2001 bewilligten Kosten hinausgehenden Kosten beruhen ausweislich der Aufstellung des Beteiligten zu 2. unter weiterer Berücksichtigung der Begründung seiner "sofortigen Beschwerde" vom 8. April 2001 darauf, dass Gespräche mit den Eltern des betroffenen Kindes stattgefunden haben. Dies geht aber über den zuvor beschriebenen Aufgabenbereich, der sich allein auf die Erforschung und Darstellung des Kindeswillens und dessen Übermittlung an das Gericht bezieht, hinaus. Die Kontakte zu dritten Personen dienen letztendlich der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung und betreffen damit nicht den Kompetenzbereich des Verfahrenspflegers. Zwar hat der Verfahrenspfleger das Recht und die Pflicht, sich mit allen am Verfahren beteiligten Personen und Institutionen und insbesondere den insoweit abgegebenen Stellungnahmen auseinanderzusetzen. Dabei soll er jedoch nicht eigenständig die erzieherischen und sozialen Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes und gegebenenfalls bestehende weitere Hilfemöglichkeiten mit den weiteren Verfahrensbeteiligten erörtern oder erforschen. Dies überschreitet erkennbar die dem Verfahrenspfleger zugewiesene Aufgabenstellung (KG a.a.O. S. 1301 - zur Aufstellung von Hilfeplänen). Danach kann dem Beteiligten zu 2. für diese Tätigkeiten weder eine Vergütung noch der Ersatz darauf entfallender Aufwendungen zuerkannt werden, soweit dies nicht bereits mit dem vorangegangenen Beschluss vom 27. März 2001 erfolgt ist.

Dem steht nicht entgegen, dass die das Verfahren leitende Amtsrichterin dem Beteiligten zu 2. ihre Einschätzung und Erwartung darüber, dass dieser zur Erkundung des wahren Kindeswillens Gespräche mit den Eltern führen müsse, dargelegt hat. Der Verfahrenspfleger ist selbständiger Beteiligter des Verfahrens, der - wie bereits geschildert - einem Verfahrensbevollmächtigten gleich kommt. Insoweit hat er eigenverantwortlich zu prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den wahren Willen des Kindes zu ermitteln. Mitteilungen der Einschätzungen dritter Personen, so auch der am Verfahren Beteiligten und insbesondere der verfahrensleitenden Richter, binden ihn nicht. Solche Äußerungen mögen nützliche Anhaltspunkte dafür geben, welche Maßnahmen gegebenenfalls notwendig sein können, haben aber keine darüber hinausgehende Wirkung. Vergütet wird nur der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand; insoweit ist der geltend gemachte (Zeit-)Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (vgl. - für den Betreuer - BayObLG BtPrax 2001, 76, 77; Jürgens/Kröger/Marschner/ Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 4. Aufl. 1999 S. 111). Hierfür ist ein objektiver Maßstab anzusetzen, der sich nicht allein auf die Einschätzung des Verfahrenspflegers oder einer dritten Seite begründen kann.

Zwar mag in Einzelfällen auch das Gespräch mit Dritten aus objektiver Sicht erforderlich sein, um den wahren Willen des Kindes zu ermitteln. Insbesondere in streitig geführten Sorge- oder Umgangsverfahren, in denen das Kind nach dem Eindruck des Verfahrenspflegers einem erheblichen Loyalitätskonflikt gegenüber den Eltern ausgesetzt ist, mag die Ermittlung des wirklichen Willens nur durch Gespräche mit den Eltern möglich sein. Da solche Kontakte aber nicht der typischen Aufgabenstellung des Verfahrenspflegers entsprechen und es sich dabei eher um Ausnahmefälle handelt, ist die Notwendigkeit solcher Maßnahmen durch den Verfahrenspfleger auch im Einzelnen darzustellen und zu begründen. An derartigen Darlegungen fehlt es hier jedenfalls, zumal das Verfahren auch von seinen Schwierigkeiten her sich nicht als so schwerwiegend darstellt, dass derartige außergewöhnliche Maßnahmen des Verfahrenspflegers erforderlich erscheinen.

Ende der Entscheidung

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