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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2001
Aktenzeichen: 9 WF 28/01
Rechtsgebiete: ZPO,


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 3
ZPO § 621 e Abs. 2
BKGG § 1 bis 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
9 WF 28/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht 53 F 107/94 Amtsgericht Cottbus

Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 5. Februar 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 4. Januar 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Surkau und den Richter am Amtsgericht Götsche

am 12. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass ab dem 1. Februar 2001 statt einer Monatsrate von 190 DM eine solche von 150 DM festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweisen Erfolg.

1.

Das Amtsgericht hat zu Recht gegen die Antragsgegnerin eine monatliche Rate festgesetzt. Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Dies ist hier der Fall; gegenüber ihrer erstmaligen Antragstellung bezieht die Antragsgegnerin nunmehr Erwerbseinkünfte, wie aus den von ihr vorgelegten Bezügemitteilungen hervorgeht.

Unter Berücksichtigung der von ihr vorgelegten Bezügemitteilung für Dezember 2000 folgt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 3.073,73 DM. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind diesem Einkommen die gezahlten Kindergeldbeträge nicht hinzuzurechnen.

Die Berücksichtigung des gezahlten Kindergeldes ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, das Kindergeld sei zum Einkommen desjenigen Elternteils hinzuzurechnen, an den es ausgezahlt wird (OLG Nürnberg FamRZ 2000,102; OLG Schleswig SchlHA 2000, 47; OLG München FamRZ 1999, 598; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 1603 f.; OLG Naumburg FamRZ 1998, 488; OLG Hamm FamRZ 1991, 1209; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Auflage 2001 Rz. 19 zu § 115; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999 § 115 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Auflage 2001 Rz. 28 zu § 115; MünchKomm-Wax, ZPO, 2. Aufl. 2000 Rz. 13 zu § 115; Musielak-Fischer, ZPO, 2. Aufl. 2000 § 115 Rz. 4; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl. 1999 Rz. 231); ferner auch, daß die Anrechnung teils beim Vater und teils bei der Mutter zu erfolgen hat (OLG Bamberg FamRZ 1984, 606f; Wieczorek/Schütze-Steiner, ZPO, 3. Aufl. 1994 § 115 Rz. 4). Demgegenüber wird von einem Teil der Rechtsprechung die Anrechnung des Kindergeldes als einzusetzendes Einkommen insgesamt verneint (LAG Rheinland-Pfalz RPfleger 1998,164; OLG Rostock OLG-NL 1995, 88; OLG Celle JurBüro 1992, 186, 187; OLG Schleswig JurBüro 1988, 1538; LAG Bremen MDR 1986, 434; OLG Düsseldorf FamRZ 1982, 513, 514).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Kindergeld wird im Gegensatz zur Sozialhilfe unabhängig von der Bedürftigkeit der Eltern geleistet; nach den §§ 1 bis 3 BKGG stellt das Kindergeld eine Maßnahme des allgemeinen Familienlastenausgleiches dar, bei dem es auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern grundsätzlich nicht ankommt. Mit dem Bezug des Kindesgeldes sollen nicht die persönlichen Bedürfnisse des Berechtigten befriedigt, sondern die Gewährleistung des Kindesunterhalts durch den Natural- oder Barunterhaltspflichtigen erleichtert werden. Es handelt sich deshalb um eine zweckbestimmte Sozialleistung, bei der die Vermutung der Vorteilszuwendung zugunsten des Kindes besteht (BVerwGE 39, 314, 317) und die deshalb von der gesetzlichen Konzeption her nicht dazu dienen soll, einen Prozeß der Eltern zu finanzieren. Wegen der mit der Leistung des Kindesgeldes an den berechtigten Elternteil insoweit tatsächlich bewirkten und aus Sicht des Gesetzgebers bezweckten Verringerung von dessen Unterhaltslast erscheint dem Senat eine Nichtberücksichtigung des staatlichen Kindergeldes als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO selbst dann gerechtfertigt, wenn das Kindergeld anderweitig verwandt wird.

Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO sind monatlich in Abzug zu bringen der Freibetrag von 275,00 DM für Erwerbstätige, der Grundfreibetrag für die Antragsgegnerin selbst von 676,00 DM und für den Sohn von 475,00 DM, Mietzinszahlungen von 415,00 DM sowie Heizungskosten von 150,00 DM, die Krankenversicherungsbeiträge mit 258,01 DM, zudem weitere Versicherungsbeiträge von umgerechnet 124,23 DM. Als monatliche berufsbedingte Aufwendungen sind der Gewerkschaftsbeitrag von 9,58 DM sowie die Fahrtkosten von 220,00 DM anzurechnen. Hiernach verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 470,91 DM, was entgegen der Festsetzung des Amtsgerichts zu einer Rate von lediglich 150,00 DM/monatlich führt.

Darüber hinausgehende Abzüge sind nicht vorzunehmen. Soweit die Antragsgegnerin weitere Wohnkosten geltend gemacht hat, handelt es sich um die übrigen Nebenkosten der Wohnung, die das Amtsgericht zu Unrecht ebenfalls abgezogen hat, da diese Kosten nicht zur Wohnung und zu den Heizungskosten im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO zählen. Die weiteren aus ihrer Erklärung sich ergebenden Kosten (Zollkleiderkasse, Taschengeld und Monatskarte für Kind, Kabelanschlussgebühr, Stellplatz für Pkw, Rundfunk und Energieversorgungskosten) stellen dagegen solche des allgemeinen Lebensbedarfs dar, die aus den Freibeträgen bzw. nach der Anrechnung verbleibenden Beträgen zu begleichen sind. Soweit dagegen die Antragsgegnerin Darlehensverbindlichkeiten von 100,00 DM gegenüber ihren Eltern und von 338,97 DM für einen aufgenommenen Pkw-Kredit geltend macht, hat das Amtsgericht zu Recht deren Abzugsfähigkeit abgelehnt, da die Kosten erst nach Anhängigkeit des Verfahrens entstanden sind und deshalb keine Berücksichtigung finden können. Hinzu kommt, dass die Darlehensrate von 100,00 DM in keiner Weise glaubhaft gemacht worden ist. Für die Fahrtstrecke zur Arbeitsstelle fehlt es dagegen an einem ausreichend substantiierten Vortrag dazu, dass diese tatsächlich nicht durch öffentliche Verkehrsmittel zurückgelegt werden kann; eine Glaubhaftmachung ist auch insoweit nicht erfolgt, weshalb auch nicht überprüft werden kann, ob diese Darlehensverbindlichkeit zwingend notwendig aufgenommen werden musste.

2.

Die abändernde Entscheidung verstösst auch nicht gegen die in § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO getroffenen Regelung, mit der sich das Amtsgericht nicht auseinander gesetzt hat. Hiernach ist eine Änderung zum Nachteil der Partei ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung und sonstigen Beendigung des Verfahrens 4 Jahre vergangen sind.

Zwar ist die angefochtene Entscheidung mehr als 4 Jahre nach der rechtskräftigen Entscheidung des hiesigen Verfahrens ergangen. Die Frist des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO beginnt mit dem Ende des Rechtsstreits, d.h. mit der Verkündung des letzten Urteils oder der anderweitigen letzten Entscheidung in dem Verfahren (MünchKomm-Wax a. a. O. § 120 Rn. 21; Zöller/Philippi a. a. O. § 120 Rn. 26). Damit begann die Frist hier am 7. November 1996 zu laufen; an diesem Tage ist der das Verfahren beendende Beschluss des Senates zu dem von der Antragsgegnerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung zum Sorgerecht eingelegten Rechtsmittel (befristete Beschwerde gemäß § 621 e ZPO) verkündet worden. Da der Senat die Revision nicht zugelassen hatte, trat mit der Verkündung zugleich die Rechtskraft dieser Entscheidung ein, § 621 e Abs. 2 ZPO. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Cottbus ist dagegen erst unter dem 4. Januar 2001 und damit nach Ablauf der 4-Jahresfrist erlassen worden.

Gleichwohl kann sich die Antragsgegnerin auf diese Frist nicht berufen, da ihr insoweit kein Vertrauensschutz zusteht. Ist das Änderungsverfahren so zeitig eingeleitet worden, dass es bei einer unverzüglichen Antwort der Partei innerhalb der Frist hätte abgeschlossen werden können, dann darf auch nach Fristablauf eine Änderung zum Nachteil der Partei beschlossen werden (OLG Naumburg, FamRZ 1996, 1425; Münch/Komm-Wax und Zöller-Philippi, jeweils a.a.O.). Bereits mit Verfügung vom 27. September 2000 (Bl. 51 d.A.) hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin zur Ergänzung ihrer Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert, ohne dass die Antragsgegnerin dem innerhalb der gesetzten Monatsfrist nachgekommen ist. Erst auf die weitere Aufforderung des Amtsgerichtes vom 15. November 2000, der Antragsgegnerin zugestellt am 20. November 2000, ist die Antragsgegnerin dem nachgekommen, wobei sie auch hier die gesetzte Frist um 2 Tage überschritten hat. Bei zügiger Bearbeitung durch die Antragsgegnerin hätte dagegen das Verfahren noch vor Fristablauf abgeschlossen werden können.

Zwar hat das Amtsgericht seine erste Aufforderung vom 27. September 2000 (Abgangsvermerk: 29. September 2000) noch an die alte Adresse der Antragsgegnerin (B Straße in C ) gerichtet. Nach Aktenlage ist jedoch davon auszugehen, dass dieses Schreiben, dem ein Vordruck mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt war, der Antragsgegnerin tatsächlich zugegangen ist, da sie die Erklärung auf die zweite Aufforderung hin sodann unterschrieben und ausgefüllt zurückgesandt hat. Hinzu kommt, dass nach dem Vermerk Blatt 55 d.A. der Wohnungswechsel erst zum 1. Oktober 2000 stattfand, so dass bei normalem Postverlauf auch noch mit einer Zustellung an die alte Adresse gerechnet werden konnte.

Ende der Entscheidung

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