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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 9 WF 30/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG, KostO, RVG


Vorschriften:

BGB § 1626 a
BGB § 1666
BGB § 1666 a
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 620 c Satz 1
ZPO § 620 d Satz 1
ZPO § 621 g
FGG § 13 a
KostO § 30
KostO § 131 Abs. 2
RVG § 24 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 26. Januar 2009 - Az. 35 F 262/08 - insoweit aufgehoben, als der Kindesmutter die elterliche Sorge hinsichtlich der in dem Beschluss näher benannten Aufgabenkreise für die Kinder A. und F. N. entzogen und auf das Jugendamt des Landkreises . als Vormund übertragen worden sind.

Der Kindesmutter wird - im Wege der vorläufigen Anordnung - aufgegeben

- den kontinuierlichen Besuch von A. und F. in der Kindertagesstätte "K." und die Wahrnehmung der erforderlichen therapeutischen Behandlungstermine für die Kinder zu gewährleisten und ein etwaiges krankheitsbedingtes Fernbleiben eines Kindes alsbald bekannt zu geben und

- mit dem Jugendamt im Interesse der Förderung der Entwicklung ihrer Kinder zusammenzuarbeiten und konkrete Hilfestellung auch in Bezug auf das eigene Erziehungsverhalten anzunehmen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Kindesmutter wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in O. bewilligt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die - nicht verheirateten - Eltern des am .... November 2000 geborenen B. N., der am .... September 2003 geborenen A. N. und des am .... September 2006 geborenen F. N.. Eine Sorgeerklärung nach § 1626 a BGB haben die Kindeseltern nicht abgegeben.

Die Kindesmutter hat sich erstmals im Sommer 2007 Hilfe suchend an das Jugendamt gewandt, weil sie insbesondere mit der Erziehung ihres ältesten Sohnes überfordert war. Im Oktober 2007 ist B. N. sodann mit Einverständnis der Kindesmutter zunächst in einer Einrichtung und seit dem 25. November 2007 und fortdauernd bis heute in einer Pflegefamilie fremduntergebracht worden.

Ende November 2007 kam es im Zusammenhang mit einem durch Hinweise von Nachbarn auf eine Kindeswohlgefährdung veranlassten unangemeldeten Hausbesuch seitens des Jugendamtes zu einer psychischen Drucksituation bei der Kindesmutter, die notärztlich/ambulant behandelt werden musste und Anlass für das Jugendamt war, an jenem Tag auch die beiden jüngeren Kinder in Obhut zu nehmen. In der Folgezeit hat das Amtsgericht allerdings mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 im Verfahren der einstweiligen Anordnung und schließlich mit Beschluss vom 24. Januar 2008 in der Hauptsache - jeweils Aktenzeichen 35 F 356/07 des Amtsgerichts Oranienburg - Entscheidungen über das elterliche Sorgerecht für die Kinder als nicht veranlasst angesehen. A. und F. sind deshalb im Dezember 2007 in den mütterlichen Haushalt zurückgeführt worden.

Veranlasst durch einen Bericht des Jugendamtes vom 20. Oktober 2008, in dem - nach einem Wechsel in der Zuständigkeit des fallzuständigen Jugendamtsmitarbeiters zum 28. August 2008 - mitgeteilt wird, dass die Kindesmutter von der bis dato umfangreich gewährten ambulanten Sozialpädagogische Familienhilfe habe "nur unzureichend profitieren", insbesondere "keine konstanten Strukturen für Familien entwickeln" können, und nunmehr eine weitere Zusammenarbeit mit dem Jugendamt insgesamt ablehne, hat das Amtsgericht von Amts wegen ein Verfahren nach §§ 1666, 1666 a BGB eingeleitet. Das Jugendamt hat in dem Bericht ausgeführt, dass "weder eine stabile Tagesstruktur noch eine altersgemäße Anregung der Kinder (...) durch die Hilfe erreicht worden" sei und dringend der Frage nachzugehen sei, ob die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter "als Basis für die förderliche Entwicklung der Kinder ausreichend erscheint".

Nach Anhörung der Kinder B. und A. N. am 19. November 2008 (Bl. 19 ff. d.A.), Einholung einer Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom 23. November 2008 (Bl. 31 a ff. d.A.) und Anhörung derselben und der Mitarbeiter des Jugendamtes am 26. November 2008 (Bl. 32 f. d.A.) sowie der Kindesmutter am 17. Dezember 2008 (Bl. 35 f. d.A.) und schließlich des Kindesvaters am 23. Januar 2009 (Bl. 72 d.A.) hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für alle drei Kinder hinsichtlich der Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, Kita-, Schul-, Hort- sowie Sportangelegenheiten, Entwicklungsförderung und Hilfen zur Erziehung entzogen und auf das Jugendamt übertragen, das zu diesem Zweck als Vormund bestellt wurde. Es gebe greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Kindesmutter nicht uneingeschränkt erziehungsfähig sei, neben Schwächen in der alltäglichen Versorgung und Erziehungsarbeit insbesondere erhebliche Defizite in der Befähigung zur Entwicklungsförderung bestünden. Tatsächlich seien gerade auch bei den jüngeren beiden Kindern bereits erhebliche Entwicklungsverzögerungen festzustellen, die es dringend zu beseitigen gelte, so dass zur Vermeidung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Kindeswohls das elterliche Sorgerecht im erkannten Umfang zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen sei.

Gegen diese ihr am 30. Januar 2009 zugestellte Entscheidung hat die Kindesmutter mit einem am selben Tage eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 13. Februar 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie rügt mit näherer Darlegung die Unverhältnismäßigkeit der Entscheidung und erstrebt die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses, soweit das elterliche Sorgerecht für die in ihrem Haushalt lebenden Kinder A. und F. betroffen ist.

Die Verfahrenspflegerin hat in ihrer Stellungnahme vom 4. März 2009 die Begutachtung der Kindesmutter auf ihre Erziehungsfähigkeit hin befürwortet, zugleich aber an ihrer Einschätzung dahin festgehalten, dass eine die Herausnahme der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt rechtfertigende akute Kindeswohlgefährdung nicht vorliege.

Das Jugendamt hat in seiner Stellungnahme vom 2. März 2009 auf die in der Person der Kindesmutter liegenden Defizite im Erziehungsverhalten verwiesen, denen allein durch therapeutische Maßnahmen bei den Kindern und die Sicherstellung des Kindergartenbesuches nicht abgeholfen werden könne und deren Beseitigung eine innere Bereitschaft zur Akzeptanz bestehender Probleme und der Notwendigkeit einer Veränderung im eigenen Verhalten der Kindesmutter voraussetze, die bislang nicht im erforderlichen Umfang festzustellen gewesen sei. Das Jugendamt wiederholt die bereits im Oktober letzten Jahres ausgesprochene Empfehlung zur Einholung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens. Eine ausdrückliche Erklärung zu der vom Gericht beschlossenen und hier angefochtenen einstweiligen Entziehung von Teilen des Sorgerechts hat das Jugendamt nicht abgegeben.

II.

Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter ist gemäß § 621 g ZPO in Verbindung mit §§ 620 c Satz 1, 620 d Satz 1 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Beschwerde hat auch in der Sache weitestgehend Erfolg.

Die Voraussetzungen einer Entziehung von Teilen des elterlichen Sorgerechts für die Kinder A. und F. gemäß § 1666 BGB sind - soweit dies im summarisch zu führenden Anordnungsverfahren geprüft werden kann - derzeit nicht gegeben. Mit dem Amtsgericht und dem Jugendamt ist zwar davon auszugehen, dass es greifbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass in der Person der Kindesmutter jedenfalls im Bereich der Förderfähigkeit und der Interaktions- und Grenzsetzungskompetenz gravierende Defizite vorhanden sein dürften, die die sich als Kindeswohl gefährdend erweisen könnten, weil sie die gesunde Entwicklung der Kinder zu unabhängigen, selbständigen und gleichzeitig verantwortungsvollen Persönlichkeiten nicht sicherstellen können.

Allerdings ist wegen des verfassungsrechtlich geregelten Erziehungsvorrangs der Eltern ein Eingreifen des Staates, insbesondere mit den Mitteln des Entzugs des elterlichen Sorgerechts oder von Teilen davon, nur bei einer nachhaltigen und schwerwiegenden Kindeswohlgefährdung gerechtfertigt. Die Eltern, ihre Werte und ihre Verhaltensweisen gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Deshalb darf in den Kern der Personensorge nur bei striktester Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden. Insbesondere für die Trennung des Kindes von den Eltern, die im Ergebnis der hier angefochtenen Entscheidung zu erwarten steht, reicht es nicht aus, wenn das Kind woanders (nur) besser erzogen oder gefördert würde (vgl. BVerfG FamRZ 1982, 567; BayObLG NJW-RR 1990, 70; OLG Köln FamRZ 2004, 827).

Im konkreten Fall steht fest, dass die Kindesmutter im Sommer des Jahres 2008 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Jugendamt rundheraus abgelehnt hat, ohne dass für diesen Rückzug plausible Gründe vorgebracht worden sind. Dies ist - insoweit teilt der Senat die Bedenken des Jugendamtes und des Amtsgerichts uneingeschränkt - deshalb äußerst bedenklich, weil die Kindesmutter jedenfalls in der Vergangenheit unstreitig zeitweise mit der Erziehung ihrer Kinder, hier insbesondere des ältesten Sohnes, überfordert gewesen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass vergleichbare Situationen von Überforderung bei Auseinandersetzungen insbesondere mit dem Kindesvater oder auch dem Großvater mütterlicherseits, die es wiederholt gegeben hat, nicht erneut auftreten und ggf. auch in Übergriffen gegen die jüngeren beiden Kinder, die es bisher nach Aktenlage allerdings tatsächlich nicht gegeben hat, münden könnten. Es kommt hinzu, dass jedenfalls bei der heute 5 1/2-jährigen A., aber auch bereits bei F. nicht unerhebliche Entwicklungsdefizite im sprachlichen, motorischen und kognitiven Bereich festzustellen sind, die zumindest möglicherweise in einer nicht hinreichend förderlichen familiären Umgebung ihre Ursache haben könnten. Die unstreitige zeitweise Überforderung der Kindesmutter, die zumindest bei B. mit deutlichen Schwächen in der Interaktions- und Grenzsetzungsfähigkeit einhergegangen ist, was wiederum den Schluss zulässt, dass in vergleichbaren Situationen bei den anderen Kindern in ähnlich unzureichender Art und Weise reagiert wird, begründet immerhin ernsthafte Zweifel an der uneingeschränkten Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter, denen nachzugehen zweifelsohne geboten ist.

Soweit das Jugendamt daneben allerdings - trotz nachhaltiger, im Ergebnis jedoch fruchtloser sozialpädagogischer Familienhilfe zwischen August 2007 und August 2008 - Schwächen der Kindesmutter auch in der Beziehungsfähigkeit, der Vorbildfähigkeit, im Alltagsmanagement und mit Blick auf Strukturen und Rituale anführt, bleibt dieser Vorhalt abstrakt-generell und so nicht nachvollziehbar, weil er durch konkrete Umstände nicht untermauert wird. Die sehr kritische Einschätzung, dass die Kindesmutter bisher von der Hilfeleistung nahezu gar nicht hat profitieren können (und wollen), überrascht zumindest mit Blick auf die - unbestritten seitens der Kindesmutter behauptete - noch im Mai 2008 ernsthaft in Aussicht genommene Rückführung von B. in den mütterlichen Haushalt. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem die außerordentlich kritische Einschätzung des MSV e.V. Frauenhaus O. vom 25. Februar 2008 (Bl. 28 f. der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Oranienburg, Az. 35 F 238/08) bereits bekannt gewesen ist. Nach Lage der Akten, einschließlich der diesseits beigezogenen in der angefochtenen Entscheidung zitierten weiteren Vorverfahren, hat es seit Mai 2008 eigentlich kein besonderes Ereignis gegeben, das den ganz erheblichen Sinneswandel des Jugendamtes in Bezug auf die Erziehungskompetenz der Kindesmutter plausibel erklären würde - mit Ausnahme der nicht näher begründeten Weigerung der Kindesmutter, mit dem Jugendamt auch zukünftig zu kooperieren. Dies war - hier ist dem Jugendamt und dem Amtsgericht beizupflichten - angesichts der zumindest nicht auszuschließenden Gefährdung des Kindeswohls im Haushalt der Kindesmutter bei ausbleibender/verweigerter Hilfestellung durch geeignetes Fachpersonal durchaus alarmierend. Allerdings hat die Kindesmutter zwischenzeitlich - sei es auch zunächst nur unter dem Druck des Verfahrens - ihre Weigerungshaltung aufgegeben und Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Berücksichtigt man weiter, dass es in der jüngeren Vergangenheit offensichtlich gelungen ist, die kontinuierliche therapeutische Behandlung der Kinder und den regelmäßigen Besuch der Kindertagesstätte sicherzustellen und außerdem die notwendigen Maßnahmen für das Erreichen des Integrationsstatus` der Kinder einzuleiten, so ist jedenfalls festzustellen, dass die Kindesmutter erhebliche Anstrengungen unternommen hat, den Entwicklungsrückständen der jüngeren Kinder im Rahmen derzeit bestehender Möglichkeiten abzubauen.

Der Senat verhehlt nicht, dass auch er Zweifel hat, ob die Kindesmutter tatsächlich eine eigene innere Überzeugung von der Erforderlichkeit einer Veränderung auch des eigenen Verhaltens und der Notwendigkeit, fachlich versierte Unterstützung nicht nur einfach passiv zuzulassen, sondern als echte Hilfestellung in der Bewältigung des familiären Alltags wahrzunehmen und im Interesse des Wohlergehens ihrer Kinder, die ihr zweifelsohne sehr am Herzen liegen, aktiv an einer letztlich für alle Beteiligten angenehmen und förderlichen Gestaltung des Familienlebens teilzunehmen. Mit dem Jugendamt geht auch der Senat davon aus, dass die therapeutische und sozialpädagogische Behandlung der Kinder außer Haus allein die hier im Raum stehenden Probleme nicht wird lösen können; vielmehr wird die Kindesmutter hier zur Wahrnehmung einer eigenen Verantwortung für die kindgerechte Entwicklung von A. und F. befähigt werden müssen. Allerdings wird die Hilfestellung sehr speziell an bisher nicht hinreichend substantiierte konkrete Bedürfnisse der Familie und insbesondere die spezifischen intellektuellen Fähigkeiten der Kindesmutter anknüpfen müssen; eine zu akademisch gehaltene Vorgehensweise wird im vorliegenden Fall scheitern müssen.

Angesichts der zumindest inzwischen wieder glaubhaft vermittelten Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und der derzeit offenbar recht konstant funktionierenden sozialen Kontakte der Kinder außerhalb des mütterlichen Haushalts, die die Annahme rechtfertigen, dass schwerwiegende Betreuungsdefizite, die ein weitergehendes Eingreifen erforderlich machen würden, umgehend zutage träten, ist bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine vorläufige Entziehung von Teilen des elterlichen Sorgerechts für A. und F. nicht geboten oder auch nur gerechtfertigt.

Dies gilt umso mehr, als das Gericht die mit einer - hier zumal erneuten - Herausnahme der beiden Kinder aus dem mütterlichen Haushalt einhergehenden Nachteile in seine Erwägungen überhaupt nicht eingeschlossen hat. Es liegt auf der Hand, dass die wiederholte Trennung der beiden noch recht kleinen Kinder, die nach Aktenlage ein sehr inniges Verhältnis zu ihrer Mutter haben, ihrerseits mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen für ihre geistig-seelische Entwicklung einhergeht, die nach Überzeugung des Beschwerdesenates durch einen vermeintlichen Zeitgewinn bei dem Erreichen "notwendige(r) Entwicklungsziele in absehbarer Zeit" nicht aufgewogen werden können.

Gerade in den Fällen, in denen eine akute Kindeswohlgefährdung (etwa durch körperliche Misshandlung oder starke Vernachlässigung o.ä.) nicht vorliegt, sondern man sich im Grenzbereich mit gleitenden Übergängen hin zu einer echten Schädigung des Kindeswohls bewegt, gebietet der Erziehungsvorrang der Kindeseltern eine besonders kritische Prüfung der Frage, ob im Wege einer einstweiligen Anordnung das Sorgerecht oder Teile davon entzogen werden können oder müssen. Selbstverständlich bleibt die Erfahrung, dass zwischen als Kindeswohlgefährdung zu wertenden - nicht pathologisch oder sonst determinierten - Entwicklungsdefiziten oder sonstigen Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Einschränkungen oder Unvermögen in der Erziehungsfähigkeit der Eltern ein innerer Zusammenhang bestehen kann. Gerade in diesem Bereich ist aber in erster Linie Sachaufklärung geboten, die insbesondere auch die Frage einschließt, ob einzig durch Entzug des elterlichen Sorgerechts oder von Teilbereichen davon, Abhilfe geschaffen werden kann oder mildere Maßnahmen ausreichen. Immerhin sollte auch durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 nicht die Eingriffsschwelle bei der Kindeswohlgefährdung herabgesetzt werden (BT-Drucks. 16/6815, S. 14).

Nicht nur als Appell und als ständige Mahnung, sondern zur Sicherstellung einer im weiteren Verlauf des Hauptsacheverfahrens kontinuierlichen Unterstützung sowohl der Kindesmutter als auch der weiteren Entwicklung der Kinder war allerdings der Beteiligten zu 1. im Wege der vorläufigen Anordnung ausdrücklich die Auflage zur kontinuierlichen Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und der Gewährleistung des Kindergartenbesuchs und der Inanspruchnahme der therapeutischen Behandlungen der Kinder zu erteilen. Bei der gegebenen Sachlage kann dadurch nach Auffassung des Senates hinreichend sicher gestellt werden, dass den Kindern nicht während der Dauer des Verfahrens nachhaltige und schwerwiegende Gefahren für ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohl drohen.

Eine Kostenentscheidung nach § 13 a FGG ist nicht veranlasst. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Die Festsetzung des Beschwerdewertes entspricht den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO unter analoger Anwendung des § 24 Satz 1 RVG.

Ende der Entscheidung

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