Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2001
Aktenzeichen: 9 Wx 54/00
Rechtsgebiete: FGG, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 56 g Abs. 5 Satz 1
FGG § 69 e Satz 1
FGG § 29 Abs. 2
FGG § 56 g Abs. 5 Satz 2
BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2
BVormVG § 1
BVormVG § 1 Abs. 2 Satz 1
BVormVG § 1 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 Wx 54/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Betreuungssache

hat der 9. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin vom 21. September 2000 gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 5. September. 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Surkau und den Richter am Amtsgericht Götsche

am 22. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Betreuerin ist zulässig. Gegen Beschwerdeentscheidungen über die Vergütung von Betreuern findet gem. §§ 56 g Abs. 5 Satz 1, 69 e Satz 1, 29 Abs. 2 FGG die sofortige weitere Beschwerde statt, die das Landgericht in seinem Beschluss hinsichtlich der Einstufung der Beteiligten zu 2) nach ihrer Qualifikation zugelassen hat (§§ 69 e Satz 1, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Die sofortige weitere Beschwerde ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat im Ergebnis jedoch keinen Erfolg.

Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist die Überprüfung, ob die Entscheidung der Vorinstanz gesetzmäßig ist. Das heißt, die tatsächlichen Feststellungen und die tatsächliche Würdigung des Landgerichts sind auf Rechtsfehler zu überprüfen. Eine Gesetzesverletzung ist dann anzunehmen, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 550 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Betreuerin eine Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen ist, da diese die Betreuung berufsmäßig führt und der Betreute mittellos ist (§§ 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, 1836 a BGB). Die Höhe der Vergütung ist für die erforderliche Zeit entsprechend der Qualifikation des Betreuers zu bemessen (§ 1 Abs. 1 BVormVG). Abweichend von dem Mindeststundensatz in Höhe von 35,00 DM können erhöhte Stundensätze gezahlt werden, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine diese Ausbildung vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Dabei kommt es nicht darauf an. ob die besonderen Kenntnisse für das konkrete Betreuungsverfahren von Nutzen sind, wenn die erworbenen Fachkenntnisse für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG). Besondere Kenntnisse sind Fähigkeiten, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und regelmäßig nicht durch Lebenserfahrung erworben werden, also solche Kenntnisse, die über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann. Nutzbar im Sinne dieser Vorschrift sind die Fachkenntnisse dann, wenn sie betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Als betreuungsrelevant in diesem Sinne sind daher regelmäßig Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft anzunehmen. Darüber hinaus kommt Rechtskenntnissen eine Bedeutung zu. Es ist auch nicht erforderlich, dass die konkrete Betreuung sämtliche Kenntnisse erfordert (vgl. insgesamt BayObLG NJWE-FER 2000, 87; OLG Dresden NJWE-FER 2000, 207; Thüringer OLG FG Prax 2000, 110; Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., Rz. 9 zu § 1836).

Ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erfüllt sind, unterliegt der Beurteilung des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dessen Würdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen. Insoweit ist daher zu prüfen, ob der Tatrichter einen der unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zu Stande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Wertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt, gegen die Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., Rz. 30 ff. zu § 27; Jansen, FGG, 2. Aufl., Rz. 27 zu § 27).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Betreuerin erworbene Hochschulausbildung als "Diplom-Staatswissenschaftler" den vorgenannten Voraussetzungen nicht gerecht wird. Entgegen der Auffassung der Betreuerin kommt es für die Einstufung nicht auf die darüber hinaus erworbene Berufserfahrung bzw. ihre langjährige Tätigkeit als Betreuerin an.

Soweit das Landgericht darüber hinaus davon ausgegangen ist, dass die von der Betreuerin erworbenen Kenntnisse im Staats- und Gesellschaftsrecht der früheren DDR sowie das schwerpunktmäßige Studium des Marxismus-Leninismus nicht genügen, um die Anforderungen an besondere für die Führung von Betreuungen nutzbaren Kenntnisse zu erfüllen, lassen diese Feststellungen keinen Rechtsfehler erkennen. Dies wird seitens der Beschwerdeführerin auch mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde nicht angegriffen. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, dass die für die Betreuung besonders nutzbaren Kenntnisse im Rahmen ihrer Ausbildung im Wirtschafts-, Arbeits-, Agrar- und Familienrecht sowie im Verwaltungsrecht erworben worden sind. Darüber hinaus seien auch die im Rahmen ihrer absolvierten pädagogisch-psychologischen Ausbildung erworbenen Kenntnisse nutzbar.

Das Landgericht hat sich auch mit diesen absolvierten Ausbildungsschwerpunkten in nicht zu beanstandener Weise auseinander gesetzt.

Danach hat es zu Recht festgestellt, dass die Betreuerin ausweislich des vorgelegten Abschlusszeugnisses lediglich ausgewählte Probleme des Wirtschafts-, Arbeits-, Agrar- und Familienrechts als Ausbildungsschwerpunkt belegt hatte. Schon aus der Zusammenfassung der verschiedenen Rechtsgebiete und der Beschränkung auf ausgewählte Probleme lässt sich entnehmen, dass nicht die Vermittlung von juristischen Grundkenntnissen und damit das Erlernen "des juristischen Handwerks" Gegenstand dieses Studiums gewesen sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Ausbildungsgegenstand nur die Problemstellungen gewesen sein dürften, die sich für die staatliche Verwaltung der früheren DDR im Rahmen dieser Rechtsgebiete ergeben haben. Inwieweit das im Jahre 1975 vermittelte Verwaltungsrecht der DDR, zu dem mangels Vorhandenseins eines Verwaltungsgerichtswesens lediglich die Kenntnisse über den Aufbau und die innerstaatlichen Verwaltungsstrukturen gehört haben, nunmehr für die Führung von Betreuungen noch nutzbar sein sollten, erschließt sich nicht. Der Betreuerin ist insoweit zuzustimmen, dass vom Vorliegen besonderer Kenntnisse dann auszugehen wäre, wenn sie die Grundlagen des Rechts studiert und insoweit das "juristische Handwerk" erlernt hätte, dann hätte nicht ausschließlich auf die in der früheren DDR obligatorischen Studienfächer wie z. B. Marxismus-Leninismus abgestellt werden können. Jedoch hat sie gerade nicht Rechtswissenschaft studiert, sondern ihre Ausbildung als Staatswissenschaftlerin absolviert. Dass es in diesem Rahmen auch zur Behandlung ausgewählter Fragen des Rechts gekommen ist, kann nicht bezweifelt werden. Jedoch ist dieser Teil der Ausbildung nur von untergeordneter Bedeutung gewesen, so dass die zusätzlich vermittelten Kenntnisse nicht als besonders nutzbar i. S. d. § 1 BVormVG angesehen werden können.

Eine anderweitige Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Betreuerin darüber hinaus pädagogisch-psychologische Grundfragen der staatlichen Leitung vermittelt bekommen hat. Auch insoweit ist festzustellen, dass es sich lediglich um Grundfragen in der Ausbildung gehandelt hat und diese darüber hinaus auf die staatliche Leitung, das heißt auf die Führung innerhalb der Verwaltungsstrukturen, begrenzt gewesen ist. Dass es sich um besondere Kenntnisse, die über ein Grundwissen hinausgehen, gehandelt hat, ist daher nicht anzunehmen.

Da die Betreuerin demnach nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG erfüllt, war ihre weitere Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Im Übrigen wird der Beschluss des Landgerichts mit der sofortigen weiteren Beschwerde nicht angegriffen, so dass der Senat zu keiner weiteren Entscheidung berufen ist. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten hat, dass die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 BVormVG keine Anwendung zu finden habe, wird klarstellend darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung der mindestens zweijährigen berufsmäßigen Führung von Betreuungen nicht davon abhängig sein dürfte, dass der Betreuer in derselben Betreuungssache bereits vor dem 1. Januar 1999 tätig war (Beschluss des Senats vom 13. September 2000 - 9 Wx 28/00; OLG Hamm NJWE-FER 2000, 59).

Ende der Entscheidung

Zurück