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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: Kart W 4/08
Rechtsgebiete: EnWG, ZPO


Vorschriften:

EnWG § 3 Nr. 22
EnWG § 10
EnWG § 36
EnWG § 36 Abs. 1
EnWG § 110
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 569
ZPO § 938 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 2.6.2008 - 11 O 173/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 6.300,00 € festgesetzt.

Gründe: I.

Der Antragsteller ist Mieter einer Teilfläche auf dem Grundstück ... Weg 24 in G.. Den dort von ihm abgestellten gemieteten Wohnwagen nutzt er mehrere Tage in der Woche als Wohnung. Darin befinden sich elektrische Geräte, darunter ein Tiefkühlschrank und ein Kühlschrank.

Die Antragsgegnerin ist Stromversorgerin. Sie gab das Informationsblatt "Preisanpassung Strom und Änderung der Ergänzenden Bedingungen zur Stromgrundversorgungsverordnung vom 1.1.2008" heraus.

Bis zum 7.4.2008 war der Wohnwagen des Antragstellers an das Netz der Antragsgegnerin angeschlossen. Er wurde dabei über seine Vermieterin, die Firma h... Verwaltungen, versorgt. Am 7.4.2008 wurde die Zuleitung unterbrochen, so dass der Antragsteller seitdem ohne Stromanschluss ist.

Am selben Tag beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht Zossen, mit der der Antragsgegnerin untersagt werden sollte, die Stromzufuhr zu unterbrechen, und mit der ihr aufgegeben werden sollte, die bereits unterbrochene Stromzufuhr unverzüglich wieder herzustellen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Zossen durch am 22.4.2008 verkündetes Urteil (Az.: 7 C 94/08) zurück. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe weder ein vertraglicher Anspruch gegen die Antragsgegnerin noch ein Anspruch wegen verbotener Eigenmacht. Soweit der Antragsteller einen Anspruch gemäß § 36 EnWG geltend mache, sei hierfür nicht das Amtsgericht zuständig. Ausschließlich zuständig seien vielmehr die Landgerichte.

Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22.4.2008 zur Grundversorgung des Grundstücks auf. Die Antragsgegnerin teilte ihm mit Schreiben vom 28.4.2008 mit, dass sie das Grundstück nicht mit Energie beliefere. Sie bat den Antragsteller, sich mit seinem Anliegen an seinen Vermieter zu wenden.

Der Antragsteller hat vorgetragen, zur Wiederherstellung der Stromversorgung sei lediglich das Legen einer Leitung von circa fünf Metern notwendig. Die Antragsgegnerin sei gemäß § 36 EnWG verpflichtet, ihn als Haushaltskunden mit Energie zu versorgen. Eine Versorgung über die Firma h... Verwaltungen sei nicht mehr möglich, weil diese in rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Grundversorger liege.

Für den Fall, dass die Streitverkündete zu 1.) für die Stromversorgungszuleitungen zuständig sein sollte, hat der Antragsteller erklärt, dass er ihr vorsorglich den Streit verkünde.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 16.5.2008 beim Landgericht Potsdam einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, das das Verfahren mit Beschluss vom 22.5.2008 an das Landgericht Frankfurt (Oder) verwiesen hat.

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin zu gebieten, auf dem Grundstück ... Weg 24, G., die Stromversorgung wieder herzustellen.

Diesen Antrag hat das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 2.6.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, weil die verlangte Maßnahme zur Befriedigung des Antragstellers führe. In dem Verfahren der einstweiligen Verfügung könnten nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die den Anspruch sicherten, ohne die Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen. Zwar könne der Kunde sein Recht auf Wiederherstellung eines unterbrochenen Versorgungsanschlusses durch einstweilige Verfügung durchsetzen. Dies setze jedoch voraus, dass er auf eine Erfüllung dringend angewiesen sei. Dies habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Nach eigenem Vorbringen nutze er den Wohnwagen nicht ständig, sondern nur zeitweilig als Wohnung. Darüber hinaus habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin zustehe. Er habe als Nichtkunde keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin. Sei die Vermieterin alleinige Vertragspartnerin, fehle dem Mieter der Verfügungsanspruch. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, warum eine Versorgung über die Vermieterin nicht gewährleistet werden könne. Schließlich habe der Antragsteller einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Er habe mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen Monat seit Erlass des Urteils des Amtsgerichts Zossen zugewartet.

Gegen diesen Beschluss, ihm zugestellt am 5.6.2008, hat der Antragsteller mit bei Gericht am 19.6.2008 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 26.6.2008 begründet.

Der Antragsteller macht geltend, er sei als Frührentner besonders auf eine ruhige und stressfreie Umgebung angewiesen. Eine gleichartige Erholungsmöglichkeit biete ihm seine Stadtwohnung in B. nicht. Eine Stromversorgung über seine Vermieterin sei nicht möglich, weil diese gleichfalls ohne Strom sei. Er habe auch nicht einen Monat zugewartet, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt habe. Das Urteil des Amtsgerichts Zossen sei ihm erst am 22.4.2008 zugestellt worden.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.6.2008 nicht abgeholfen und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Oberlandesgericht hat den Antragsteller darauf hingewiesen, dass es seit dem 1.9.2008 einen neuen Grundversorger gebe. Der Antragsteller hat erklärt, dass er dieser Gesellschaft den Streit verkünde.

Hierzu trägt er vor, es sei ihm objektiv nicht möglich, die Antragsgegnerin zweifelsfrei zu benennen. Er habe sich mittlerweile an verschiedene Gesellschaften innerhalb des Konzerns, dem die Antragsgegnerin angehöre, gewandt, um die begehrte Stromversorgung als Endverbraucher durchzusetzen. Er sei bislang an der undurchsichtigen Gesellschaftsstruktur des Konzerns gescheitert, der aus mindestens 28 separaten Gesellschaften bestehe. Auf sämtliche Anfragen an verschiedene Gesellschaften innerhalb des Konzerns reagiere grundsätzlich die Antragsgegnerin. Soweit diese sich als Sach- und Streitherr geriere, müsse sie sich auch gefallen lassen, allein oder vorrangig in Anspruch genommen zu werden.

Der Anspruchsteller trägt weiter vor, die Stromversorgung sei auf dem Grundstück selbst, nicht auf dem Nachbargrundstück unterbrochen worden. Dort befinde sich der Anschlusskasten. Die Antragsgegnerin habe die Stromversorgung in die vorhandene Zähleranschlusssäule bereits aufgenommen, sich jedoch geweigert, mit ihm, dem Antragsteller, einen Stromlieferungsvertrag als Grundversorger einzugehen. Es handele sich nicht um ein privilegiertes Stromnetz, sondern um eine Endverbraucherstelle. Er könne als Mieter nicht über den Vermieter zum Eintritt in eine Einkaufsgemeinschaft mit allen anderen Mietern gezwungen werden. Er müsse die Möglichkeit haben, unter den in Deutschland vorhandenen 800 Stromlieferanten frei auszuwählen.

II.

Die gemäß den §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers war zurückzuweisen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist zulässig.

Zwar ist der ausdrücklich formulierte Antrag sprachlich so gefasst, dass er auf Befriedigung und damit auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. Der Antragsteller hat jedoch in seinem Vortrag zum Ausdruck gebracht, dass er auch mit einer einstweiligen Verfügung zufrieden gestellt werden würde, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, ihm vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens Strom zu liefern. Das ist ein "Weniger" als die Hauptsache. Eine derart verstandenes Rechtsschutzziel ist zulässig (vgl. Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, EnWG, § 36 Rn 227).

Das Gericht kann in einem derartigen Fall die begehrte einstweilige Verfügung dem Rechtsschutzziel entsprechend fassen, weil es im Verfahren der einstweiligen Verfügung, anders als im Hauptsacheverfahren, nicht streng an die Anträge gebunden ist. Es kann nach freiem Ermessen bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind, § 938 Abs. 1 ZPO. Wenn wie hier der Antragsteller sein Rechtsschutzziel angibt, kann das Gericht die insoweit notwendigen Maßnahmen anordnen.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verfügungsgrund gefehlt hat. Der Antragsteller hat nicht in einer Weise mit der Geltendmachung seiner Ansprüche zugewartet, dass ihm das Bedürfnis, seine Ansprüche im Verfahren der einstweiligen Verfügung vorläufig zu sichern, abgesprochen werden kann. Der Antragsteller hat am Tage der Stromunterbrechung beim Amtsgericht Zossen eine einstweilige Verfügung beantragt. Über Ansprüche wegen behaupteter verbotener Eigenmacht der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht durch am 22.4.2008 verkündetes Urteil entschieden. Der Antragsteller hat dieses Urteil offenbar zum Anlass genommen, am selben Tag erneut an die Antragsgegnerin heranzutreten und diesmal unter Hinweis auf § 36 EnWG einen Anschluss an das Stromversorgungsnetz zu begehren. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.4.2008, mit dem diese explizit die Belieferung mit Strom ablehnte. Zwischen diesem Zeitpunkt und dem Tag des Eingangs des erneuten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht am 16.8.2008 lag weniger als ein Monat. Durch ein derartig kurzes Zuwarten ist die Annahme der Dringlichkeit nicht widerlegt.

Es besteht jedoch kein Verfügungsanspruch gemäß § 36 EnWG. Nach dieser Norm haben Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller Haushaltskunde i. S. der Legaldefinition des § 3 Nr. 22 EnWG ist und damit grundsätzlich Anspruchsberechtigter i. S. von § 36 EnWG.

Ob der Umstand allein, dass bisheriger Stromkunde sein Vermieter und er selbst lediglich Mieter ist, den Anspruch hindert, erscheint zweifelhaft. Seit der Normierung einer allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht in § 10 EnWG 1998 bzw. nunmehr in § 36 EnWG kann die verbreitete Rechtsprechung nicht ohne weiteres Bestand haben, nach der der Mieter, wenn der Vermieter alleiniger Vertragspartner des Versorgungsunternehmens ist, grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiederherstellung eines unterbrochenen Versorgungsanschlusses hat (so z. B. LG Frankfurt (Oder), NJW-RR 2002, 803 ohne § 36 EnWG zu erwähnen, kritisch auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. § 940 Rn 8 Stichwort "Energielieferung"). Der Wortlaut des § 3 Nr. 22 i. V. m. § 36 EnWG gibt eine solche Beschränkung der Rechte des Haushaltskunden nicht her. Diese Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden.

Es muss auch nicht entschieden werden, ob es sich bei dem Stromnetz, an das der Antragsteller angeschlossen werden möchte, um ein privilegiertes Stromnetz gemäß § 110 EnWG handelt, bei dem Ansprüche gemäß § 36 EnWG ausgeschlossen sind. Aus dem Vortrag des Antragstellers erschien es immerhin denkbar, dass er über ein derartiges Netz versorgt wird. Diese Frage muss jedoch nicht abschließend geklärt werden.

Jedenfalls ist die Antragsgegnerin nicht passiv legitimiert. Denn sie ist nicht mehr Grundversorgerin.

Zur Versorgung gemäß § 36 Abs. 1 EnWG verpflichtet ist lediglich derjenige, der die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt, die allgemeinen Bedingungen und Preise öffentlich bekannt gibt und im Internet veröffentlicht.

Wie sich aus dem vom Antragsteller vorgelegten Preisblatt mit Stand zum 1.1.2008 ergibt, war die Antragsgegnerin zu Jahresbeginn Grundversorgerin. Sie war deshalb nach dem Gesetz verpflichtet, alle Haushaltskunden im Netzgebiet des Konzerns zu versorgen. Die Streitverkündete zu 1.) kam dagegen nicht als Anspruchsschuldnerin in Betracht, weil sie - wie ihre Firma erkennen lässt - ein Netz betreibt. Wegen des Entflechtungsgebotes kommen Netzbetreiber als Grundversorger nicht in Betracht (Salje, EnWG 2006, § 36 Rn 8).

Die Antragsgegnerin ist jedoch seit dem 1.9.2008 nicht mehr Grundversorgerin. Im Internet ist auf der Seite ..., aufzurufen unter der Internetseite ... unter dem Link "Bekanntgabe der Grundversorgungs- und Ersatzversorgung", ein Dokument veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass die Streitverkündete zu 2.) ab dem 1.9.2008 von der Antragsgegnerin die Versorgung von Haushaltskunden in Niederspannung und Niederdruck übernimmt. Die Streitverkündete zu 2.) gibt darin bekannt, dass ein Wechsel des Grundversorgers von der Antragsgegnerin auf sie selbst erfolgt ist. Damit können Ansprüche aus § 36 Abs. 1 EnWG nur noch gegen die Streitverkündete zu 2.) geltend gemacht werden. Eine Art "Rechtsscheinhaftung" der Antragsgegnerin sieht das Gesetz nicht vor. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es nicht möglich wäre, aus öffentlich zugänglichen Quellen zweifelsfrei festzustellen, wer Grundversorger ist. Dem Gericht ist dies schließlich auch gelungen.

Trotz eines entsprechenden Hinweises des Senates hat der Antragsteller den jetzigen Grundversorger nicht als Antragsgegner in Anspruch genommen, sondern ihm lediglich den Streit verkündet. Gegen Streitverkündete kann das Gericht keine einstweilige Verfügung erlassen.

Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Antrag in der gestellten Form Erfolg haben kann, insbesondere ob der Antragsteller die Wiederherstellung der Versorgung des gesamten Grundstücks verlangen kann, obwohl er nur einen Teil nutzt, oder ob sein Anspruch nicht vielmehr dahin geht, dass der Grundversorger seinen Wohnwagen auf dem Grundstück zu den bekannt gegebenen Bedingungen mit Strom zu versorgen hat.

Soweit der Antragsteller in seinem letzten Schriftsatz sich erstmalig auch auf einen Anspruch wegen verbotener Eigenmacht beruft, kann dies dem Verfügungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen. Über einen entsprechenden Anspruch hat im Eilverfahren bereits das Amtsgericht Zossen entschieden, so dass insoweit bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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