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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: Verg W 11/06
Rechtsgebiete: VwGO, GWB, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 73
VwGO § 154 Abs. 3
VwGO § 162 Abs. 3
GWB § 105 Abs. 1
GWB § 109
GWB § 119
GWB § 124 Abs. 2 S. 1
GWB § 128
GWB § 128 Abs. 1
GWB § 128 Abs. 3
GWB § 128 Abs. 3 S. 1
GWB § 128 Abs. 3 S. 2
GWB § 128 Abs. 4
GWB § 128 Abs. 4 S. 2
GWB § 128 Abs. 4 S. 3
VwVfG § 80
VwVfG § 80 Abs. 1
VwVfG § 80 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 80 Abs. 2
VwVfG § 80 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 11/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die Vergabe Sammlung, Beförderung und Verwertung von Papier, Pappe und Kartonagen des A... (kommunaler Anteil),

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

am 16.05.2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Brandenburg beim Ministerium für Wirtschaft vom 10.11.2006 - 2 VK 44/06 - teilweise abgeändert.

Die Antragstellerin hat die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Auftraggeber schrieb im Juni 2006 den Dienstleistungsauftrag "Sammlung, Beförderung sowie die Verwertung von Papier und Pappe und Kartonagen (kommunaler Anteil) im Verbandsgebiet des A... ab dem 1.7.2007 mit einer Vertragslaufzeit von drei Jahren aus. Sieben Bieter gaben Angebote fristgerecht ab, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene.

Mit Schreiben vom 25.9.2006 informierte der Auftraggeber die Bieter über den beabsichtigten Zuschlag an die Beigeladene. Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 2.10.2006 die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung wegen Verletzung sowohl des Wettbewerbs- wie des Transparenzgrundsatzes gerügt. Sie hat geltend gemacht, sie habe das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben, auf das sie den Zuschlag erhalten müsse.

Mit Schreiben vom 5.9.2006 hat die Antragstellerin die Nachprüfung der beabsichtigten Vergabeentscheidung beantragt.

Nach Einsicht in die Vergabeakte hat die Antragstellerin zudem geltend gemacht, das Angebot der Beigeladenen müsse ausgeschlossen werden, weil es auf einer verbotenen Mischkalkulation beruhe.

Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 6.11.2006 zum Nachprüfungsantrag der Antragstellerin und zu den weiteren Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten Stellung genommen. Sie hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig angesehen, weil das Angebot der Antragstellerin auszuschließen gewesen sei. Die Antragstellerin habe weder die geforderten Referenzen vorgelegt, noch die Legitimation der das Angebot unterzeichnenden Personen nachweisen können. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet.

An der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 10.11.2006 hat die Beigeladene teilgenommen, ohne einen Sachantrag zu stellen.

Die 2. Vergabekammer des Landes Brandenburg beim Ministerium für Wirtschaft hat mit Beschluss vom 10. November 2006 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Nach Nr. 2 des Tenors des Beschlusses trägt die Antragstellerin die Kosten (Gebühren und Auslagen). In Nr. 4 des Beschlusstenors hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes des Auftraggebers erforderlich war.

Gegen Punkt 4 des Beschlusses hat die Beigeladene sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie erreichen will, dass die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig erklärt wird und der Antragstellerin die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen auferlegt werden. Die Beigeladene ist der Auffassung, die Voraussetzungen dafür, der Antragstellerin aus Billigkeitsgründen in entsprechender Anwendung von § 162 III VwGO die ihr, der Beigeladenen, im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen, lägen vor. Die Antragstellerin habe sich mit dem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zur Beigeladenen gestellt. Außerdem habe sie, die Beigeladene, zwar keine Anträge gestellt, jedoch das Verfahren wesentlich gefördert, was ausreichend sei. Sie, die Beigeladene, habe sich zur Wahrung ihrer Rechte eines anwaltlichen Bevollmächtigten bedienen müssen, da sie weder über Erfahrung mit den prozessualen Besonderheiten des Nachprüfungsverfahrens, noch über eine eigene Rechtsabteilung verfüge.

Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie ist der Auffassung, die Beigeladene habe keinen Anspruch auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Kosten. Ein solcher Aufwendungsersatzanspruch sei nur zu rechtfertigen, wenn diesem Anspruch ein Risiko gegenüberstehe, die Kosten selbst zu tragen. Im Rahmen des § 128 III GWB trage die Beigeladene jedoch nicht die Kosten. Im Sinne von § 128 III GWB unterliege die Beigeladene nicht im Nachprüfungsverfahren. Obsiegender und Unterliegender seien jeweils Antragsteller und Antragsgegner. Wenn jedoch der Beigeladene regelmäßig nicht das Risiko einer Kostenlast trage, sei es unbillig, ihm für den Fall des Obsiegens des Antragsgegners einen Aufwendungsersatzanspruch zuzuerkennen. Zudem sei ein solcher Aufwendungsersatzanspruch des Beigeladenen aufgrund der besonderen prozessualen Situation des Vergabenachprüfungsverfahrens abzulehnen. Regelmäßig könnten mehrere Bieter beigeladen werden. Dem Antragsteller sei es regelmäßig nicht möglich, vorab festzustellen, wie viele anderen Bieter durch seinen Nachprüfungsantrag in eigenen Rechten betroffen werden könnten und wie viele andere Personen dem Nachprüfungsverfahren beigeladen würden. Würde der Beigeladene regelmäßig einen eigenen Aufwendungsersatzanspruch gegen den unterliegenden Antragsteller haben, würde dies ein unwägbares Risiko bei der Stellung eines Nachprüfungsantrages darstellen und daher die vom Gesetzgeber gewollte niedrige Schwelle zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens heraufsetzen.

Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung, dass nach § 162 III VwGO dem Beigeladenen, der einen eigenen Antrag stellt, die außergerichtlichen Kosten zu ersetzen seien, sei die sofortige Beschwerde unbegründet, weil die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt habe. Die Beigeladene habe sich auch nicht am Verfahren aktiv beteiligt oder das Verfahren wesentlich gefördert. Die Rolle der Beigeladenen sei untergeordnet und nicht wesentlich förderlich gewesen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 116 I, 117 GWB) ist begründet. In Abänderung der Kostenentscheidung der Vergabekammer sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen. Der Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes durch die Beigeladene notwendig war, bedarf es nicht.

1. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen sind der Antragstellerin aufzuerlegen.

1.1. Die Vergabekammer hat in der angefochtenen Entscheidung keine Kostengrundentscheidung dahin getroffen, dass die Antragstellerin die - notwendigen - Kosten der Beigeladenen zu erstatten hätte und aus der die Beigeladene einen Kostenerstattungsanspruch herleiten könnte.

Zwar lautet die Kostenentscheidung der Vergabekammer in Nr. 2 des Tenors allgemein dahin, dass die Kosten (Gebühren und Auslagen) die Antragstellerin trägt. Dieser Tenor und die Begründung der Kostenentscheidung, wonach sie auf § 128 III und IV GWB beruht, lässt aber darauf schließen, dass damit nur eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (§ 128 III 1 GWB), die aus Gebühren und Auslagen bestehen (§ 128 I 1 GWB), getroffen worden ist. Im Weiteren wird unter Nr. 4 des Tenors der angefochtenen Entscheidung lediglich festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes auf Seiten des Auftraggebers erforderlich war. Auch in einer Zusammenschau von Nr. 2 und Nr. 4 ist danach allenfalls lediglich eine Kostengrundentscheidung zugunsten des Auftraggebers getroffen worden. Denn die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes auf Seiten des Auftraggebers erforderlich war, setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus, das nur gegeben ist, wenn dem Auftraggeber auf Grund einer entsprechenden Kostenentscheidung ein Kostenerstattungsanspruch zusteht. Die Feststellung der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes des Auftraggebers ergibt nur Sinn, wenn dem Auftraggeber die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen auch zu erstatten sind. Eine vergleichbare Entscheidung zugunsten der Beigeladenen hat die Vergabekammer jedoch nicht getroffen.

1.2. Die Beigeladene begehrt mit der Beschwerde auch die Kostengrundentscheidung, dass die Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu erstatten hat.

Zwar hat die Beigeladene ausdrücklich nur beantragt, festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch sie erforderlich war. Vor dem vorstehend unter Nr. 1 erläuterten Hintergrund, dass eine solche Feststellung nur Sinn macht, wenn der Beigeladenen auch ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragstellerin zusteht und die Beigeladene demzufolge nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag hat, ergibt sich jedoch bereits, dass die Beigeladene mit ihrer sofortigen Beschwerde auch eine Kostengrundentscheidung dahin erstrebt, dass die Antragstellerin ihre, der Beigeladenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu tragen hat. Das ergibt sich auch aus ihrem Beschwerdevorbringen, in dem sie als Beschwer durch den angefochtenen Beschluss geltend macht, dass sie nach der Entscheidung der Vergabekammer verpflichtet sei, die Kosten ihres Verfahrensbevollmächtigten selbst zu tragen. Im Weiteren begründet die Beigeladene, warum die Antragstellerin verpflichtet sei, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen zu erstatten.

1.3. Die Antragstellerin hat in entsprechender Anwendung von § 162 III VwGO aus Gründen der Billigkeit die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

a) In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschluss vom 12.2.2002, Verg W 9/01 - zitiert nach Juris) schließt sich der Senat der Rechtsprechung der Vergabesenate an, nach der der unterliegende Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 162 III VwGO aus Gründen der Billigkeit die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer zu tragen hat, wenn sich der Antragsteller mit dem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zum Beigeladenen gestellt und der Beigeladene sich darüber hinaus aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat, indem er Anträge nebst Begründungen hierfür gestellt oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.2.2006, VII-Verg 57/05 und VII-Verg 61/05, Beschluss vom 12.1.2006, VII-Verg 86/05, Beschluss vom 30.8.2005, VII-Verg 61/03, Beschluss vom 5.8.2005, VII-Verg 31/05, Beschluss vom 22.7.2005, VII-Verg 28/05; Beschluss vom 17.5.2004, VII-Verg 12/03; BayObLG, Beschluss vom 20.1.2003, Verg 29/02, Beschluss vom 22.11.200, Verg 26/02, Beschluss vom 11.12.2001, Verg 15/01; OLG München, Beschluss vom 6.2.2006, Verg 23/05; KG, Beschluss vom 15.3.2004, 2 Verg 17/03; OLG Celle, Beschluss vom 27.5.2003, 13 Verg 11/03; OLG Schleswig, Beschluss vom 2.8.2004, 6 Verg 15/03; OLG Bremen, Beschluss vom 24.6.2003, Verg 3/03; OLG Rostock, Beschluss vom 9.9.2003, 17 Verg 3/03 - jeweils zitiert nach Juris).

aa) Ein Erstattungsanspruch eines Beigeladenen ist in § 128 GWB nicht ausdrücklich vorgesehen. § 128 III GWB regelt lediglich die Pflicht zur Tragung der Kosten der Vergabekammer. Nach § 128 IV 2 GWB sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des "Antragsgegners" zu erstatten. Zwar findet über die Verweisung in § 128 IV 3 GWB auf § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder in Brandenburg § 80 VwVfGBbg Anwendung. Allerdings ist auch dort ein Erstattungsanspruch eines Beigeladenen nicht geregelt. Hieraus folgt aber nicht, dass eine Kostenerstattung zugunsten eines Beigeladenen in der Regel überhaupt nicht in Betracht kommt. Denn hinsichtlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen besteht eine planwidrige Regelungslücke, die über eine entsprechende Anwendung von § 162 III VwGO zu schließen ist.

bb) Normzweck der Regelung des § 80 VwVfG und gleichlautend auch des § 80 VwVfGBbg ist, dem Widerspruchsführer im Falle seines Obsiegens die Erstattung seiner Kosten durch den Rechtsträger der Ausgangsbehörde ähnlich dem gerichtlichen Urteil in einem öffentlichrechtlichen Verfahren zu ermöglichen. Im Rahmen der Doppelstellung des Widerspruchsverfahrens als abschließendes Verwaltungsverfahren einer Behörde und zugleich als Sachentscheidungsvoraussetzung für den Verwaltungsprozess ist die Kostenentscheidung nur unter dem Aspekt des abschließenden Verwaltungsverfahrens relevant. Erhebt der Widerspruchsführer Klage beim Verwaltungsgericht, so wird auch über die Kosten des Vorverfahrens vom Gericht entschieden (Fehling/Kastner/Wahrendorf - Kastner, VwVfG/VwGO, Rn. 1 zu § 80 VwVfG).

cc) Dementsprechend besteht für einen Anspruch eines Drittbeteiligten auf Erstattung der Gebühren und Auslagen seines im isolierten Vorverfahren / Widerspruchsverfahren hinzugezogenen Verfahrensbevollmächtigten keine bundesrechtliche Rechtsgrundlage und ist insbesondere § 162 Abs. 3 VwGO nicht entsprechend anwendbar (BVerwG, Urteil vom 5.9.1984, 6 C 30/83 - zitiert nach Juris). Gleiches gilt für die Rechtslage im Land Brandenburg, die insoweit mit der bundesrechtlichen Rechtslage auf Grund gleichlautender Regelungen übereinstimmt. Für den Drittbeteiligten eines Widerspruchsverfahrens besteht mangels ausdrücklicher Rechtsgrundlage selbst dann kein Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen seines Verfahrensbevollmächtigten, wenn die Widerspruchsbehörde die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erklärt hat (BVerwG, Urteil vom 22.5.1986, 6 C 40/85 - zitiert nach Juris).

dd) Andererseits ist der Drittbeteiligte eines Widerspruchsverfahrens dafür auch keinem Kostenrisiko hinsichtlich der Kosten des isolierten Vorverfahrens / Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Denn nach § 80 I VwVfG sowie dem gleichlautenden § 80 I VwVfGBbg können entweder im Falle des Erfolges des Widerspruches nur die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, oder im Falle des Misserfolges des Widerspruches nur der Widerspruchsführende zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsführenden bzw. der Behörde verpflichtet werden.

ee) Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unterscheidet sich bereits grundsätzlich wesentlich vom verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren. Zwar erlässt auch die Vergabekammer als Verwaltungsbehörde in dem als Verwaltungsverfahren ausgestalteten Nachprüfungsverfahren einen Verwaltungsakt (§ 114 III 1 GWB). Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ist andererseits aber wesentlich einem Gerichtsverfahren ähnlich. Ausdruck dessen ist bereits die kontradiktorische Ausgestaltung des Verfahrens. Die beanstandete Vergabeentscheidung wird zudem nicht von einer Widerspruchsbehörde gemäß § 73 VwGO, regelmäßig die übergeordnete Behörde (§ 73 I Nr. 1 VwGO), u.U. sogar die Ausgangsbehörde (§ 73 I Nr. 2 VwGO), überprüft, sondern von einer einheitlich zur Überprüfung von Verwaltungsakten dieser Art unabhängig von der Ausgangsbehörde bestimmten Behörde. Die Vergabekammer entscheidet einem Gericht vergleichbar, wenn sie gemäß § 105 I GWB ihre Tätigkeit im Rahmen der Gesetze unabhängig und in eigener Verantwortung ausübt. Sie ist also, obwohl Teil der Verwaltung, nicht weisungsgebunden. Ihre Mitglieder sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

ff) Zudem unterscheidet sich die vorstehend unter lit. aa) bis dd) geschilderte Rechtslage nach § 80 VwVfG bzw. § 80 VwVfGBbg von der Rechtslage nach § 128 GWB, der in § 128 IV 3 GWB auf die vorgenannten Bestimmungen verweist. Denn ein Beteiligter des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer, zu denen auch der Beigeladene gehört (§ 109 Satz 1 GWB), kann gemäß § 128 III 1 GWB mit den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) im Sinne von § 128 I GWB belastet werden, wenn er unterliegt. Auch ein Beigeladener kann aber unterliegen. Die im Beschluss vom 3.8.1999 (6 Verg 1/99 - zitiert nach Juris) vertretene Rechtsauffassung, wonach der Beigeladene nicht als Unterliegender im Sinne von § 128 III GWB angesehen werden kann und ihm deshalb keine außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Verfahren der Vergabekammer auferlegt werden können, gibt der Senat auf.

Jedenfalls ein Beigeladener, der sich mit eigenen Sachanträgen aktiv am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt, hat den entsprechenden Kostenanteil zu tragen, wenn und soweit in der Hauptsache entgegen dem Antrag des Beigeladenen entschieden worden ist.

Das ergibt sich nach einer Auffassung aus einer analogen Anwendung der Vorschrift des § 154 III VwGO (OLG Jena, Beschluss vom 4.4.2003, 6 Verg 4/03 - zitiert nach Juris; so auch Weyand, Vergaberecht, 2. Aufl., Rn. 2866 f. zu § 128 GWB m.w.N.), nach einer anderen Auffassung unmittelbar aus § 128 III 2 und IV 2 GWB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.6.2000, Verg 6/00).

gg) Regelt der Gesetzgeber abweichend von ansonsten in Bezug genommenen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen einerseits in § 128 III 1 GWB ein den Beigeladenen im Falle des Unterliegens treffendes Kostenrisiko, so liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, wenn er andererseits mangels ansonsten in Bezug genommener verwaltungsrechtlicher Bestimmungen nicht zumindest dem obsiegenden Beigeladenen die Möglichkeit eröffnet, seine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen erstattet zu erhalten. Diese planwidrige Regelungslücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 162 III VwGO zu schließen, der hierfür eine auf diese Situation übertragbare sachgemäße Regelung enthält. Danach sind die außergerichtlichen bzw. hier die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen im Rahmen des einem Gerichtsverfahren ähnlichen Vergabekammerverfahrens nur erstattungsfähig, wenn sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt.

In Übereinstimmung mit der bereits zitierten Rechtsprechung der Vergabesenate erachtet es der Senat als billig, dem unterliegenden Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 162 III VwGO die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer dann aufzuerlegen, wenn sich der Antragsteller mit dem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zum Beigeladenen gestellt und der Beigeladene sich darüber hinaus aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat, indem er Anträge nebst Begründungen hierfür gestellt oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat.

b) Die Voraussetzungen, unter denen nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen die Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu erstatten hat, liegen vor.

aa) Die Antragstellerin ist mit ihrem Nachprüfungsantrag erfolglos geblieben.

bb) Die Antragstellerin hat sich bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zur Beigeladenen gestellt, indem sie geltend gemacht hat, das Angebot der Beigeladenen sei zwingend von der Wertung auszuschließen.

cc) Schließlich hat sich die Beigeladene jedenfalls dadurch wesentlich verfahrensfördernd am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt, indem sie sich in ihrem 11-seitigen Schriftsatz vom 6.11.2006 ausführlich zu Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrages geäußert und sich dabei nicht lediglich die Ausführungen des Auftraggebers zu Eigen gemacht hat.

2. Für die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene erforderlich war, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Einer solchen Feststellung bedarf es nicht zur Erreichung des von der Beigeladenen erstrebten Rechtsschutzzieles, der Durchsetzung eines Kostenerstattungsanspruches gegen die Antragstellerin.

Der Umfang der zu erstattenden Kosten wird im Wortlaut des § 128 IV 2 GWB allerdings nur lückenhaft erfasst, indem allein auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners und ergänzend auf § 80 VwVfGBbg abgestellt wird. Damit fehlt - ausdrücklich - eine Regelung zu den Kosten der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts des Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren. Aus § 80 I 1, II, III 2 VwVfgBbg ergibt sich dazu unmittelbar kein Aufschluss, weil diese Bestimmungen einen "erfolgreichen" Widerspruch und dort nur die Kosten des Widerspruchsführers betreffen und damit die hier relevante Frage der (Anwalts-)Kosten eines Beigeladenen ebenfalls nicht regeln.

Der mit seinem Nachprüfungsantrag unterliegende Antragsteller hat dem Beigeladenen bei Vorliegen der geschilderten Voraussetzungen alle wegen seiner Teilnahme an dem Nachprüfungsverfahren entstehenden Kosten zu erstatten, also auch dessen Anwaltskosten. Gegen die Notwendigkeit der Anwaltskosten des Beigeladenen könnte nur eingewandt werden, dass im Verfahren vor der Vergabekammer kein Anwaltszwang herrscht. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber allerdings allein in Bezug auf einen von der Vergabestelle hinzugezogenen Rechtsanwalt Rechnung getragen (§§ 128 IV 3 GWB, § 80 III 2 VwVfGBbg); für die Kosten des Anwalts eines Beigeladenen fehlt eine entsprechende Regelung. Aus diesem Fehlen ist weder abzuleiten, dass diese Kosten von vornherein nicht erstattungsfähig sind, noch ist anzunehmen, dass ihre Erstattungsfähigkeit von einer (ausdrücklichen) Entscheidung im Beschluss der Vergabekammer abhängig ist. Beides widerspräche der Grundregel, dass Anwaltskosten einer obsiegenden Partei stets zu erstatten sind (§ 91 II 1 ZPO, § 162 I 1 VwGO); diese Grundregel gilt in Vergabesachen erweiternd auch für den beigeladenen "Beteiligten" (§ 109 GWB), dem aus Billigkeitsgründen ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsteller zugebilligt worden ist (im Anschluss an OLG Schleswig, Beschluss vom 2.8.2004, 6 Verg 15/03 im Fall des obsiegenden Beigeladenen - zitiert nach Juris).

3. Einer Vorlage an den BGH gemäß § 124 II 1 GWB bedarf es nicht. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.8.2003, VII-Verg 1/02) ab. Der erkennende Senat hatte über einen Kostenerstattungsanspruch des Beigeladenen zu entscheiden, nicht wie das OLG Düsseldorf darüber, ob der Beigeladene Kosten anderer Beteiligter des Vergabenachprüfungsverfahrens zu erstatten hat.

III.

1. Da die Beigeladene mit ihrem Rechtsmittel Erfolg hat, hat die Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 91 I ZPO die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu tragen. Die der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten sind hiervon nicht ausgenommen. Das vergaberechtliche Beschwerdeverfahren ist anders als das erstinstanzlich vor der Vergabekammer durchzuführende Nachprüfungsverfahren ein streitiges Verfahren vor einem ordentlichen Gericht. Das hat zur Folge, dass auch das Unternehmen, das gemäß § 109 GWB von der Vergabekammer beigeladen worden ist und das die damit durch § 119 GWB begründete Stellung als Beteiligte am Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem es Rechtsmittel zum Beschwerdegericht einlegt, beim Beschwerdegericht Schriftsätze einreicht, an einer mündlichen Verhandlung teilnimmt oder sich sonstwie in außergerichtlichen Kosten verursachender Weise am Beschwerdeverfahren beteiligt, die Grundsätze in Anspruch nehmen kann, die für dieses Prozessverfahren hinsichtlich der Kostentragung gelten. Auf eine Billigkeitsentscheidung, wie sie § 162 III VwGO bei außergerichtlichen Kosten eines im Verwaltungsprozess Beigeladenen vorsieht, kommt es dann nicht an (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 9.2.2004, X ZB 44/03, Rn. 41 - zitiert nach Juris). Da sich gemäß § 120 I GWB Beteiligte, die nicht juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, vor dem Beschwerdegericht durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, gehören zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren notwendigen Kosten die insoweit aufzuwendenden Gebühren und Auslagen des von der Beigeladenen hinzugezogenen Rechtsanwalts, ohne dass es eines besonderen Ausspruches bedürfte.

2. Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 I 1 GKG, ausgehend von den geschätzten Kosten der Beigeladenen für die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes.

Ende der Entscheidung

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