Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: Verg W 11/08
Rechtsgebiete: SGB V, SGG, GVG


Vorschriften:

SGB V § 33
SGB V § 64
SGB V § 69
SGB V § 69 Satz 1
SGB V § 69 Satz 2
SGB V § 126
SGB V § 127
SGB V § 127 Abs. 1
SGB V § 127 Abs. 2
SGB V § 130a
SGB V § 130a Abs. 9
SGB V § 136
GWB § 19
GWB § 20
GWB § 21
GWB § 87
GWB § 87 Satz 1
GWB § 87 Satz 3
GWB §§ 97 ff.
GWB § 98
GWB § 98 Nr. 2
GWB §§ 102 ff.
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 116
GWB § 116 Abs. 1
GWB § 116 Abs. 3
GWB § 116 Abs. 3 Satz 2
GWB § 117
GWB § 118 Abs. 1 S. 2
GWB § 124 Abs. 2
SGG § 51
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2
SGG § 51 Abs. 2 Satz 1
SGG § 51 Abs. 2 Satz 2
SGG § 86b
GVG § 17a
GVG § 17a Abs. 4
GVG § 17a Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor: Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 12. Juni 2008 (VK 12/08) bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen drei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.

Gründe: I.

Am 21.4.2008 machte die Auftraggeberin auf ihrer Homepage ihre Absicht bekannt, zum 1.7.2008 Vereinbarungen über die Versorgung von enteral ernährten Anspruchsberechtigten mit Sondennahrung, Trinknahrung, Verbandmitteln und Hilfsmitteln zu schließen.

Die Antragstellerin forderte fristgemäß die Unterlagen ab. Unter dem 6.5.2008 übersandte ihr die Auftraggeberin einen Entwurf der zu schließenden Vereinbarung nebst drei Anlagen (Leistungsbeschreibung, Vergütung - Angebot, Feststellung der Eignung). In ihrem Anschreiben teilte die Auftraggeberin mit, dass sie voraussichtlich in der 23. und 24. KW Verhandlungen durchführen werde.

Gegenstand der Vereinbarung sind nach § 1 des Vertragsentwurfes vier Versorgungsformen - die Versorgung der Versicherten mit Sondennahrung und Verbandmitteln, die Versorgung der Versicherten mit Trinknahrung, die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 03 "Applikationshilfen" über Bolusgabe. Mit Ausnahme der Trinknahrung, für die die aktuell gültigen Apothekenpreise (AEP) anzugeben war, sollten für die übrigen Versorgungsformen Monatspauschalen angeboten werden.

Lose sollen nicht gebildet werden.

Unterteilt in Regionallose hatte die Auftraggeberin die Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 03 (Enterale Ernährung) im April des Vorjahres europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Damaliges Ziel der Ausschreibung war nach den Verdingungsunterlagen der Abschluss von (Rahmen-)Verträgen im Sinne von § 127 I SGB V zur Versorgung der Versicherten der Auftraggeberin mit Hilfsmitteln für die Enterale Ernährung in Form von Versorgungspauschalen.

Die in jenem Vergabeverfahren gestellten Nachprüfungsanträge hatte die Vergabekammer verworfen, weil die Auftraggeberin als gesetzliche Krankenkasse kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB sei. Der erkennende Senat hatte mehrere bei ihm anhängig gewordene Beschwerdeverfahren wegen eines vom OLG Düsseldorf dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegten Verfahrens (Beschluss vom 23.5.2007, Verg 5/06) bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.

Die Auftraggeberin hob daraufhin dieses Vergabeverfahren auf und machte dies im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.3.2008 bekannt.

Die Auftraggeberin will nunmehr gemäß § 127 II SGB V mit einer Vielzahl von nach § 136 SGV V geeigneten Leistungserbringern Versorgungsverträge schließen. Den Auftragswert schätzt die Auftraggeberin auf etwa 6 Mio. € netto pro Jahr.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.5.2008 rügte die Antragstellerin, die von der Auftraggeberin beabsichtigte Vergabe müsse europaweit ausgeschrieben werden. Das Vorgehen der Auftraggeberin sei nicht nach § 127 II SGB V gerechtfertigt, weil die Regelungen des GWB vorrangig seien. Die Antragstellerin forderte die Auftraggeberin auf, bis zum 13.5.2008 schriftlich zu erklären, dass sie die in der 23. und 24. KW vorgesehenen Vertragsverhandlungen nicht führen werde.

Die Auftraggeberin wies die Rüge mit Schreiben vom 13.5.2008 zurück.

Die Antragstellerin hat sodann mit anwaltlichem Schreiben vom 13.5.2008 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt, mit dem sie beanstandet hat, dass die Auftraggeberin die Verträge nicht europaweit in einem Verfahren gemäß §§ 97 ff. GWB ausschreibt. Die Auftraggeberin könne in dem von ihr betriebenen intransparenten Verfahren nach Gutdünken mit wenigen Billiganbietern Verträge abschließen; die meisten der bisherigen Anbieter blieben vertragslos und seien ab 2009 ohne Versorgungsberechtigung. Rechtsschutz gebe es faktisch nicht. Sie, die Antragstellerin, wolle als zugelassene Leistungserbringerin die Versicherten der Auftraggeberin weiterhin versorgen, so dass ihr Interesse am Abschluss eines Vertrages nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens auf der Hand liege. Ihr könne jedoch nicht zugemutet werden, sich zunächst auf ein erkennbar rechtswidriges Verfahren der Auftraggeberin einzulassen. Eine Beteiligung an diesem Verfahren könne den Mangel der unterlassenen Ausschreibung nicht heilen, jedenfalls bezogen auf die von den beabsichtigten Vereinbarungen betroffenen Versorgungsformen, die einer öffentlichen Ausschreibung zugänglich seien.

Die Auftraggeberin hat geltend gemacht, die Antragstellerin habe bei der Ausschreibung 2007 lediglich die Unterlagen abgefordert und eine nicht weiter verfolgte Rüge erhoben, jedoch kein Angebot abgegeben. Auch im vorliegenden Verfahren habe sie kein Angebot als Verhandlungsgrundlage eingereicht. Danach sei zweifelhaft, ob die Antragstellerin überhaupt einen Vertragsschluss mit ihr, der Auftraggeberin, anstrebe. Bei einer Ausschreibung wären die Chancen auf einen Vertragsschluss durch Zuschlag auf eines oder mehrere Regionallose jedenfalls geringer, als bei den in Rede stehenden Vertragsverhandlungen gemäß § 127 II SGB V, die allen im Sinne des SGB V geeigneten Leistungserbringern eine Chance böten.

§ 127 I SGB V statuiere keinen Anspruch auf Ausschreibung, dessen Verletzung erfolgreich als Vergaberechtsverstoß geltend gemacht werden könne.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag durch Beschluss vom 12.6.2008 verworfen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Antragstellerin fehle es an der gemäß § 107 II GWB erforderlichen Antragsbefugnis. Der von der Antragstellerin gerügte Vergaberechtsverstoß sei nicht geeignet, die Zuschlagschancen der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Bereits das Interesse der Antragstellerin an einem Vertragsschluss mit der Auftraggeberin erscheine fraglich. Die Antragstellerin habe sich weder im Zuge der europaweiten Vorjahresausschreibung zur Versorgung mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 03 mit Abgabe eines Angebotes dem Wettbewerb gestellt, obwohl sie seit Jahren für die Auftraggeberin als Leistungserbringern tätig sei, noch habe sie im vorliegenden Verfahren versucht, der Auftraggeberin mit einem Angebot die eigenen Preisvorstellungen als Verhandlungsgrundlage zu unterbreiten. Vielmehr scheine die Antragstellerin die seit dem 1.4.2007 geltenden geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen, die für die Versorgung mit Hilfsmitteln im Wesentlichen in den §§ 33, 126, 127 SGB V niedergelegt sind, angreifen zu wollen. Die Antragstellerin verkenne, dass die Vorgehensweise der Auftraggeberin eine Reaktion auf die gescheiterte Ausschreibung im Vorjahr sei. Die Antragstellerin, die sich der Möglichkeit zur Versorgung der Versicherten im Vorjahr bereits endgültig begeben habe, habe von der Absicht der Auftraggeberin, auf der Grundlage von § 127 II SGB V Versorgungsvereinbarungen zu schließen, erfahren und die Unterlagen abgefordert. Die Chancen der Antragstellerin, über den 31.12.2008 hinaus zur Versorgung der Versicherten der Auftraggeberin mit Hilfsmitteln berechtigt zu sein, hätten sich durch die Wahl des angegriffenen Verfahren erhöht. Sie habe daher nicht schlüssig dargelegt, inwieweit ihr dadurch kausal ein Schaden drohen könnte oder entstanden sei. Die Nachteile, die der Antragstellerin daraus erwachsen könnten, dass sie selbst keinen Vertrag mit der Auftraggeberin schließe, seien ihrem eigenen Verhalten zuzuschreiben. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sei auch nicht erkennbar, dass sie treffende vergleichbare Nachteile im Rahmen einer (Neu-)Ausschreibung der in Rede stehenden Versorgungsleistungen vermieden würden. Die Vorwürfe der Antragstellerin, die Auftraggeberin werde interessierten Leistungserbringern im Rahmen der anstehenden Vertragsverhandlungen ihre Preisvorstellungen diktieren und im Ergebnis mit einigen wenigen Billiganbietern Verträge abschließen, seien spekulativ.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der zulässigen sofortigen Beschwerde.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, sie habe ein Interesse an einer Fortsetzung ihrer jahrelangen Tätigkeit als Leistungserbringerin für Versicherte der Auftraggeberin, was allein ihrem wirtschaftlichen Interesse entspreche und deshalb auf der Hand liegen dürfte. Wenn die Antragstellerin zukünftig nur an Versicherte der Auftraggeberin liefern könne, wenn sie Vertragspartnerin der Auftraggeberin sei, komme die Nichtteilnahme an Vergabeverfahren einer Einstellung der Geschäftstätigkeit in diesem Bereich gleich. Sie habe unmittelbar nach Kenntnisnahme von der Absicht der Auftraggeberin, Vereinbarungen zu schließen, die Unterlagen angefordert und ihr Interesse dadurch auch dokumentiert. Sofern wie hier rechtswidrig kein Vergabeverfahren durchgeführt werde, bestehe nach allgemeiner Ansicht ein Interesse an dem Auftrag bei jedem Unternehmen, das an dem Vergabeverfahren teilgenommen habe. Sie, die Antragstellerin, hätte an einer (neuen) Ausschreibung wie vorgetragen teilgenommen und würde und könnte in einem förmlichen öffentlichen Ausschreibungsverfahren ein Angebot abgeben, mit dem sie Chancen auf den Zuschlag hätte. Das reiche aus zur Darlegung ihres Interesses am Auftrag. Dafür, dass sie, die Antragstellerin, sich nicht an der vor ca. 15 Monaten begonnenen Ausschreibung beteiligt habe, gebe es - die im einzelnen dargelegten - Gründe. Die Rechtsprechung, wonach es einem Bieter aus verschiedenen Gründen nicht zuzumuten sei, um jeden Preis ein Angebot abzugeben (z.B. wegen vergaberechtswidriger Nichtaufteilung in Lose oder wegen fehlerhafter Aufteilung oder wegen fehlerhafter Verwendung eines Leitproduktes), um ein Interesse an einem Angebot zu dokumentieren, sei auf die vorliegende Konstellation übertragbar: Sie, die Antragstellerin, wolle nicht die nicht mit dem Vergaberecht im Einklang stehende Art der Vertragsgestaltung und des Zustandekommens der Verträge akzeptieren, die die Auftraggeberin verlangt habe. Die Art des Vertrages und seines Zustandekommens, die die Auftraggeberin hier offeriere, sei mit den Verträgen, die als Ergebnis einer öffentlichen Ausschreibung zustande kämen, nicht zu vergleichen. Die Verträge seien inhaltlich, wirtschaftlich und in Ansehung der Art und Weise ihrer Entstehung sehr unterschiedlich. Nur die öffentliche Ausschreibung mit den Rügemöglichkeiten bei Fehlern und der Nachprüfungsmöglichkeit bringe dem Bieter und damit der Antragstellerin die Sicherheit, dass u.a.

- die Leistung präzise beschrieben werde,

- die Versorgungszahlen als Kalkulationsgrundlage mitgeteilt würden,

- keine unzulässigen Vertragsinhalte/Vertragsklauseln vorgegeben würden,

- keine unzumutbaren Anforderungen an die zu erbringenden Leistungen des Bieters gestellt werden dürften,

- die Wertungskriterien mitgeteilt würden,

- ein transparenter und insbesondere kontrollierbarer Umgang mit den Geboten der Interessenten/Bieter und damit auch dem Gebot der Antragstellerin erfolge,

- ein wenig oder nicht korruptionsanfälliges Verfahren durchgeführt werde und

- keine einseitigen Vorteile für den Auftraggeber in das Verfahren eingebaut würden, die nur das Vergaberecht verhindern könne.

Die Teilnahme an dem angegriffenen letztlich regellosen Verfahren habe alle diese wichtigen Sicherheiten für die Bieter nicht. Weiter sei es so, dass bei einer losweisen Ausschreibung der Zuschlag dem betreffenden Bieter eine Alleinstellung hinsichtlich der Lieferberechtigung in diesem Gebiet bringe, was in Verbindung mit der bei der Ausschreibung mitzuteilenden Größenangaben der vergangenen Jahre eine gute Kalkulationsgrundlage und ein attraktiver Anreiz sei. Anders sei dies bei dem von der Auftraggeberin erdachten Verfahren, mit dem sich diese in eine sehr komfortable Verhandlungssituation bringe, aus der heraus sie die Möglichkeit habe, die von ihr "gewünschten" Preise selbst zu bestimmen und durchzusetzen; dies mit der begründeten Aussicht, nicht mit Verfahrensüberprüfungen oder anderen nennenswerten Problemen rechnen zu müssen. Zwar würden auch in einer förmlichen öffentlichen Ausschreibung die zuvor bestehenden Marktpreise i.d.R. nicht erreicht, sondern deutlich unterboten werden. Dies werde jedoch dort kompensiert durch ein kontrolliertes transparentes Verfahren, durch wirksame Vertrage und von der durch den Zuschlag entstehenden "Alleinstellung" des Bieters in seinem Losbereich, die bei dem "System" der Auftraggeberin nicht gegeben sein könne.

Die Antragstellerin macht geltend, in ihren Rechten dadurch verletzt worden zu sein, dass die Auftraggeberin auf ihre Rüge hin das vergaberechtswidrige Verfahren nicht aufgehoben habe. Das genüge den Anforderungen des § 107 II GWB. Denn das Unterlassen einer gebotenen Aufhebung des förmlichen Vergabeverfahrens stelle eine Verletzung der Bieterrechte im Sinne des § 107 II GWB dar. Lägen die behaupteten Verstöße vor und bestehe der Bedarf bei der Auftraggeberin fort, so sei die Neuausschreibung die Folge der Aufhebung. Die Antragstellerin hätte dann die Chance, sich an der erneuten Ausschreibung mit einem dieser Ausschreibung entsprechenden Angebot zu beteiligen. Das müsse auch für den Fall gelten, in dem gerade keine förmliche öffentliche Ausschreibung vorgenommen worden sei und dies gerügt werde. Denn die Nichtdurchführung einer öffentlichen Ausschreibung als solche beeinträchtige per se und ersichtlich radikal die Chance, sich an einer ordnungsgemäßen Ausschreibung zu beteiligen. Damit habe der hiervon betroffene Interessent - die Antragstellerin - keine Chance, dabei für ein oder mehrere Teillose einen Zuschlag mit exklusiver Lieferberechtigung zu bekommen. In einem förmlichen Vergabeverfahren unter völlig anderen Bedingungen hätte sie, die Antragstellerin, ein Angebot abgeben können und auch gegeben. Darin liege ihr drohender Schaden. Die Stellung des Nachprüfungsantrages verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 12.6.2008 aufzuheben und abzuändern, der Auftraggeberin für das von ihr eingeleitete und vorliegend angegriffene "Vertragsvergabeverfahren außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens" Vertragsschlüsse zu untersagen und die Auftraggeberin zu verpflichten, für den Fall, dass sie weiterhin beabsichtigt, (zum 1. Juli 2008 oder zu einem späteren Zeitpunkt) Vereinbarungen abzuschließen über "die Versorgung von enteral ernährten Anspruchsberechtigten mit Sondennahrung Trinknahrung, Verbandmitteln und Hilfsmitteln", diese unter Anwendung der Bestimmungen der einschlägigen Verdingungsordnung sowie der einschlägigen Bestimmungen des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeverordnung im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens zu vergeben.

Die Antragstellerin beantragt weiter,

gemäß § 118 I 3 GWB zu beschließen, dass die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer über den Zeitpunkt gemäß § 118 I 2 GWB hinaus bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert wird.

Die Antragstellerin beantragt außerdem,

Akteneinsicht.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag gemäß § 118 I 3 GWB und die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,

2. den Antrag auf Akteneinsicht abzuweisen,

3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Auftraggeberin verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt vertiefend zur Unzulässigkeit sowie Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages aus.

II.

Der im gegenwärtigen Stadium des Beschwerdeverfahrens allein zu bescheidende Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (§ 118 I 3 GWB) hat keinen Erfolg. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 118 I 3 GWB sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 II GWB). Da das mit dem Antrag nach § 118 I 3 GWB eingelegte Rechtsmittel in der Hauptsache unbegründet ist, war entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senates (Beschluss vom 21.4.2006, Verg W 1/06) die gemäß § 118 I 2 GWB zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist endende Suspensivwirkung der sofortigen Beschwerde schon deshalb nicht zu verlängern (so auch OLG Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 24.9.2002, Verg 48/02).

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1) Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 116, 117 GWB zulässig.

Die Antragstellerin hat zulässigerweise den Rechtsweg zum Oberlandesgericht beschritten. Dies ergibt sich aus § 116 Abs. 1 und 3 Satz 1 GWB. Danach entscheidet über die sofortige Beschwerde "ausschließlich" das für den Sitz der Vergabekammer zuständige Oberlandesgericht. Nach § 116 Abs. 3 Satz 2 GWB wird bei den Oberlandesgerichten ein Vergabesenat gebildet, dessen ausschließliche Aufgabe es ist, über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammer zu entscheiden. Die Zuständigkeit des Vergabesenats knüpft dabei an rein formelle Umstände an, materiell-rechtliche Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel die Frage, ob das Verfahren eine Vergabeentscheidung im Sinne von § 97 GWB betrifft, spielen bei der Beurteilung des zuständigen Rechtsmittelgerichts keine Rolle (Beschlüsse des Senates vom 12.2.2008, Verg W 13/07, Verg W 14/07 und Verg W 18/07, insoweit auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.1.2008, VII-Verg 57/07, zitiert nach Juris Rn 18 ff.). Die Antragstellerin war nicht gehalten, gegen die Entscheidung der Vergabekammer die Sozialgerichte anzurufen.

Das Bundessozialgericht hat zwar mit Beschluss vom 22.4.2008 (B 1 SF 1/08 R) die Auffassung vertreten, dass gegen eine Entscheidung der Vergabekammer, die sich mit einem Beschaffungsvorhaben einer gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 130a SGB V befasst, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist. Es begründet seine Ansicht damit, dass die Rechtswegzuweisung nach § 116 GWB keine ausschließliche sei und spezielle Regelungen Vorrang hätten (II 4 der Entscheidungsgründe). Eine derartige Sonderregelung sei in § 130a Abs. 9 SGB V zu erblicken und ergebe sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 51 SGG. § 130a Abs. 9 SGB V weise sämtliche Streitigkeiten "in Angelegenheiten dieser Vorschrift" den Sozialgerichten zu. Der Senat geht davon aus, dass das Bundessozialgericht für den hier maßgeblichen Beschaffungsvorgang gemäß § 127 SGB V entsprechende Überlegungen anstellen und zu einer Zuständigkeit der Sozialgerichte gelangen würde (so auch OLG Rostock, Beschluss vom 2.7.2008, 17 Verg 2/08).

Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Die Auffassung des Bundessozialgerichts trägt den Besonderheiten der Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer und der Stellung der Vergabekammer als Nachprüfungsinstanz außerhalb der Entscheidungsstrukturen der öffentlichen Auftraggeber nicht ausreichend Rechnung. Der öffentliche Auftraggeber, bei dem es sich gemäß § 98 GWB durchaus auch um juristische Personen des Privatrechts handeln kann, ist "Beteiligter" des Verfahrens (vgl. § 128 Abs. 3 GWB), der im Verfahren vor der Vergabekammer unterliegen kann. Diese Position behält er auch im Beschwerdeverfahren bei. Wollte man dagegen der Auffassung des Bundessozialgerichts folgen, würde die Vergabekammer, gegen deren Entscheidung Klage vor den Sozialgerichten erhoben werden müsste, Beteiligte und damit die Stellung des öffentlichen Auftraggebers einnehmen. Das ist mit der Systematik des Nachprüfungsrechts nicht zu vereinbaren.

Es ist deshalb vom Wortlaut des § 116 Abs. 3 GWB auszugehen, wonach eine ausschließliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für die gegen Entscheidungen der Vergabekammern gerichteten sofortigen Beschwerden besteht. Die vom Bundessozialgericht angenommene Kombination einer Anwendung von Vergabenachprüfungsrecht nach dem GWB bis zur Entscheidung der Vergabekammer mit einer Fortführung des Verfahrens vor den Gerichten nach dem SGG widerspricht dem Gesetzeswortlaut und der Systematik des vierten Buchs des GWB (so auch OLG Rostock, Beschluss vom 2.7.2008, 17 Verg 2/08).

2. Die sofortige Beschwerde hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen ist bereits nicht eröffnet. Die Antragstellerin kann etwaige Vergaberechtsverstöße bei den von der Auftraggeberin beabsichtigten Vertragsabschlüssen allein vor den Sozialgerichten angreifen.

Der Senat ist befugt und verpflichtet, die Zuständigkeit der Vergabekammer zu überprüfen auch wenn diese sie bereits festgestellt hat. Gemäß § 17a Abs. 5 GVG wird die Rechtswegfrage in erster Instanz zwar mit bindender Wirkung für die Rechtsmittelinstanzen entschieden. Diese Regelung gilt jedoch hier nicht, weil die Vergabekammer kein Gericht ist (so auch OLG Rostock, Beschluss vom 2.7.2008, 17 Verg 2/08; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.11.2007).

Für die Entscheidung über die Rügen der Antragstellerin sind ausschließlich die Sozialgerichte zuständig.

Durch die Neuregelungen des Gesundheitsreformgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl. I 2477) und des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I 2626) hat der Gesetzgeber die ausschließliche Zuständigkeit der Sozialgerichte für Rechtsstreitigkeiten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auch insoweit begründet, als kartellrechtliche Ansprüche in Rede stehen. Ob hiervon abweichend bei Streitigkeiten über Angelegenheiten nach §§ 127, 130a SGB V die Zuständigkeit der Vergabekammern und -senate bei den Oberlandesgerichten nach dem vierten Buch des GWB besteht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Der Senat ist in seinen Aussetzungsbeschlüssen vom 12.2.2008 (Verg W 13/07, Verg W 14/07 und Verg W 18/07) davon ausgegangen, dass der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen eröffnet sein könnte, wenn die gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber qualifiziert werden können. Er hat eine - daneben möglicherweise bestehende konkurrierende - Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht als ausschließliche angesehen. Hieran hält der Senat angesichts der rund zwei Monate später ergangenen Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Rechtswegfrage (Beschluss vom 22.4.2008, B 1 SF 1/08 R) nicht fest.

Der Senat geht nunmehr davon aus, dass für Streitigkeiten zwischen Leistungserbringern und gesetzlichen Krankenkassen, die aus § 127 SGB V resultieren, allein die Sozialgerichte zuständig sind. Bei solchen Streitigkeiten wird kein Rechtsweg zur Vergabekammer eröffnet, die Leistungserbringer müssen vielmehr die Sozialgerichte direkt anrufen.

Rechtsgrundlage für die von der Antragstellerin angegriffene Ausschreibung ist § 127 Abs. 2 SGB V. Aus diesem Rechtsverhältnis resultierende Streitigkeiten sind gemäß der als Sonderzuweisung einzustufenden §§ 51 SGG, 69 SGB V den Sozialgerichten zugewiesen. Die ausschließliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung derartiger Vergabeverfahren ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche und privat-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Hierzu gehören auch aus Ausschreibungen nach § 127 SGB V entspringende Streitigkeiten. Eine Einschränkung der Zuständigkeit der Sozialgerichte im Hinblick auf Vergabeverfahren der gesetzlichen Krankenkassen ergibt sich aus § 51 SGG nicht.

Die Rechtswegzuweisung nach § 51 SGB wird durch § 69 SGB V bestätigt. § 69 Satz 1 SGB V sieht eine "abschließende" Regelung für Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und sonstigen Leistungser-bringern und ihren Verbänden durch das 4. Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V vor.

Mit der Neuregelung des § 69 SGB V hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Tätigkeiten der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages stehen, dem Privatrecht, insbesondere dem Wettbewerbs- und Kartellrecht, vollständig zu entziehen. Deshalb heißt es in § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG, dass bei privatrechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung § 87 GWB keine Anwendung findet. § 87 Satz 3 GWB ordnet an, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte nach § 87 Satz 1 GWB nicht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus den in § 69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen gilt, auch soweit hierdurch Rechte Dritter betroffen sind. Die Vorschrift des § 69 SGB V führt weiter dazu, dass Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer nicht nach dem UWG beurteilt werden (BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 164/03).

§ 69 SGB V kann nicht im Hinblick auf das Vergaberecht des GWB einschränkend ausgelegt werden (so aber OLG Düsseldorf, vgl. Beschluss vom 17.01.2008 - VII-Verg 57/07, zitiert nach Juris Rn 44 ff.). Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Ergänzung der Norm dahingehend, dass die §§ 19-21 GWB entsprechend gelten. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 ist § 69 Satz 2 SGB V dahingehend geändert worden, dass die Sozialgerichte gehalten sind, die §§ 19-21 GWB entsprechend anzuwenden. Dies führt im Umkehrschluss jedoch nicht dazu, dass das vierte Buch des GWB direkt anzuwenden und der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen eröffnet ist. Zwar heißt es in den Gesetzesmaterialien zu dem hier einschlägigen § 127 SGB V, dass bei den Ausschreibungen die Vorschriften des Vergaberechts anzuwenden sind (BT-Drucksache 16/3100, Zu Nummer 93, Seite 141). Dies mag dahingehend zu verstehen sein, dass die materiellen Regelungen des GWB bzw. des EU-Vergaberechts gelten. Dies ist jedoch keine Anordnung, dass die Vergabenachprüfungsinstanzen des vierten Buchs des GWB für die rechtliche Kontrolle entsprechender Ausschreibungen zuständig sein sollen.

Die Zuweisung der Nachprüfung von Auftragsvergaben im Wege der Ausschreibung ohne Rechtszersplitterung an die Sozialgerichtsbarkeit entspricht der gesetzgeberischen Systementscheidung. Die sozialrechtlichen Beziehungen zwischen Krankenkassen, Leistungserbringern und Versicherten beinhalten Besonderheiten, die besonders sachgerecht durch die Sozialgerichte entschieden werden können. Sie sind mit der Kontrolle des notwendig regulierten, speziell ausgestalteten Kassenwettbewerbs und den Eigenheiten des Gesundheitsmarktes besonders vertraut und damit bestens geeignet, die notwendige Steuerung anhand von Recht und Gesetz zu leisten (LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2007 - L 16 B 127/07 KR).

b) Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde musste auch nicht deshalb verlängert werden, weil der Senat gehalten wäre, vorab gemäß § 17a Abs. 4 GVG über den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zu entscheiden. Das Verfahren nach § 17a GVG ist in Vergabestreitigkeiten nicht eröffnet (OLG Celle, Beschluss vom 4.5.2001, 13 Verg 5/00; anders OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.1.2008, VII-Verg 57/07). Hat die Vergabekammer bereits entschieden, gibt es keine zwei konkurrierenden Rechtswege. Wer mit der Entscheidung der Vergabekammer nicht einverstanden ist, hat keine andere Möglichkeit, als sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht einzulegen, das dann seinerseits entscheidet, ob die Vergabekammer in statthafter Weise angerufen worden ist.

c) Die sofortige Beschwerde hat auch nicht deshalb Aussicht auf Erfolg, weil der Senat gehalten wäre, eine der hier in Streit stehenden Fragen dem EuGH oder dem BGH vorzulegen oder das Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGh oder des BGH auszusetzen.

aa) Die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit besteht unabhängig davon, ob Krankenkassen öffentliche Auftraggeber sind oder nicht. Der Ausgang der Beschlussvorlage des OLG Düsseldorf zur Vorabentscheidung des EuGH vom 23.05.2007 - VII Verg 50/06 beeinflusst das vorliegende Verfahren mithin nicht. An seiner bisherigen abweichenden Auffassung (Beschlüsse vom 12.2.2008, Verg W 13/07, Verg W 14/07 und Verg W 18/07) hält der Senat nicht fest.

Selbst wenn die Auslegung der Richtlinie 2004/18/EG durch den EuGH die Anwendbarkeit des europäischen Vergaberechts ergeben sollte, besagt dies nichts über den zu beschreitenden Rechtsweg und zwingt insoweit auch nicht zu einer Vorlage an den EuGH.

Insbesondere die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG, nunmehr in der Fassung vom 11.12.2007 - 2007/66/EG -, steht einer Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nicht entgegen. Zwar setzt in formeller Hinsicht das Kartellvergaberecht im GWB die vorbenannte Rechtsmittelrichtlinie um. Aber auch die Befassung der Sozialgerichte mit der gerichtlichen Kontrolle genügt europarechtlichen Vorgaben, die nicht zwingend ein Verfahren nach den §§ 102 ff. GWB fordern. Die Rechtsmittellinie sieht nicht vor, dass die Nachprüfungsverfahren bestimmten Nachprüfungsstellen zuzuweisen sind. Insbesondere ist nicht vorgegeben, dass nicht auch unterschiedliche Nachprüfungsstellen zuständig sein können.

Die §§ 97 ff. GWB stellen ein eingeschränktes Rechtsmittelsystem mit einer verwaltungsrechtlichen und - nur - einer gerichtlichen Nachprüfungsinstanz in Vergabestreitigkeiten dar. Die Vorgaben der europäischen Rechtsmittelrichtlinie sind auch im Rahmen des sozialrechtlichen Rechtsschutzes umsetzbar. Gemäß § 86b SGG können "so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden", mit denen das Verfahren zur Vergabe des Auftrages ausgesetzt werden kann und schadensersatzvorbereitende Feststellungen oder Entscheidungen getroffen werden können (Art. 2 RiLi 89/665/EWG). Die Rechtsmittelinstanz wäre ein Gericht (Art. 2 Nr. 8 RiLi 89/665/EWG). In der Rechtsmittelrichtlinie wird bisher auch kein automatischer Suspensiveffekt gefordert, den es im Sozialrecht nicht gibt.

bb) Auch eine Vorlage an den Bundesgerichtshof kommt nicht in Betracht. Der Senat weicht von keiner Sachentscheidung eines anderen Oberlandesgerichts ab. Bisher gibt es keine instanzbeendende Entscheidung eines Vergabesenates eines Oberlandesgerichts, die sich mit Verträgen gemäß § 127 SGB V und Rabatvereinbarungen gemäß § 130a SGB V befassen.

Soweit Oberlandesgerichte es für möglich gehalten haben, dass der Weg zu den Nachprüfungsinstanzen eröffnet ist, ist die für Hauptsache-Entscheidungen vorgreifliche Frage nicht geklärt, ob gesetzliche Krankenkassen öffentliche Auftraggeber sind. So hat das OLG Düsseldorf - ebenso wie der erkennende Senat - mehrere Verfahren ausgesetzt, um die Entscheidung des EuGH zu dieser Frage abzuwarten. Weder der Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf noch die Aussetzungsbeschlüsse sind Entscheidungen in der Sache.

Auch soweit Oberlandesgerichte in Streitigkeiten der vorliegenden Art den Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen nicht als eröffnet ansehen, gibt es keine Hauptsacheentscheidungen., Das OLG Karlsruhe hat seine Rechtsauffassung in dem Hinweisbeschluss vom 19.11.2007 (17 Verg 11/07) niedergelegt, es hat jedoch - soweit ersichtlich - in der Sache nicht entschieden. OLG Rostock hat mit Beschlüssen vom 2.7.2008 (17 Verg 4/07 und 17 Verg 2/08) die Rechtswegfrage dem BGH in analoger Anwendung von § 124 Abs. 2 GWB wegen Divergenz zu dem Beschluss des BSG vom 22.4.2008 (B 1 SF 1/08 R) vorgelegt. Insoweit ist der Senat nicht gebunden, weil das OLG Rostock zwar seine Rechtsauffassung bekundet, jedoch mit der Vorlage in der Sache nicht entschieden hat.

Soweit das Bundessozialgericht und andere Sozialgerichte zum Rechtsweg einer anderen als der hier vertretenen Auffassung folgen, rechtfertigt dies eine Vorlage durch den erkennenden Senat an den BGH nicht. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Düsseldorf und des OLG Rostock folgt der Senat nicht. Er hält die Vorlagen dieser Oberlandesgerichte an den BGH für unzulässig.

Nach § 124 Abs. 2 GWB ist eine Vorlage an den BGH nur dann zulässig, wenn ein Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Vorschrift trägt der Besonderheit des Rechtsmittelzuges in Vergabesachen nach dem vierten Buch des GWB Rechnung. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf beabsichtigte Abweichungen von Entscheidungen in anderen Gerichtszweigen ist weder geboten noch zulässig. Genauso wenig wie gegen Entscheidungen der Vergabekammern die Sozialgerichte angerufen werden können, kann der BGH auf eine Divergenzvorlage gemäß § 124 Abs. 2 GWB hin ohne gesetzliche Grundlage mit Wirkung für ein oberstes Bundesgericht in einem anderen Rechtsweg die Auslegung des EU-Vergaberechts festlegen. Die Zuständigkeit des BGH besteht nur innerhalb des Rechtsmittelzuges, nicht über die Grenzen der Gerichtsbarkeiten hinweg. Seine Entscheidungen binden auch nur die Vergabesenate der Oberlandesgerichte, nicht die Sozialgerichte.

d) Der Nachprüfungsantrag ist im übrigen auch deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt ist. Weder hat sie ein Interesse am Auftrag glaubhaft dargelegt noch einen ihr drohenden Schaden.

aa) Die Antragstellerin hat ihr Interesse am streitgegenständlichen Auftrag nicht schlüssig dargelegt und nachgewiesen.

Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast darf insoweit nicht überspannt werden (vgl. BVerfG v. 29.7.2004, NZBau 2004, 564; BGH v. 1.2.2005, NZBau 2005, 290). Das Interesse am Auftrag ist weit auszulegen (vgl. BVerfG v. 29.7.2004 aaO). Es liegt in der Regel vor, wenn der Antragsteller vor Stellung des Nachprüfungsantrages am Vergabeverfahren teilgenommen und einen Vergabeverstoß ordnungsgemäß gerügt hat (BVerfG v. 29.7.2004 aaO; Heiermann/Riedl/Rusam, a.a.O., Rn. 17 zu § 107 GWB m.w.N.; Kulartz/Kus/Portz, a.a.O., Rn. 13 zu § 107; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 7.5.2008, 1 Verg 5/07, UA S. 9) bzw. wenn der Antragsteller ein Angebot abgegeben hat (vgl. BGH v. 1.2.2005 aaO; BGH v. 26.9.2006 NZBau 2006, 800). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil sich die Antragstellerin nicht am Vergabeverfahren durch Abgabe eines Angebotes beteiligt hat.

Demgegenüber kann das Interesse am Auftrag nicht bereits dann bejaht werden, wenn der Antragsteller kein Angebot abgibt und anschließend das Nachprüfungsverfahren nachdrücklich betreibt und ankündigt, seine Dienste anbieten zu wollen (so aber 3. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt, Beschluss vom 9.01.2008, Az. VK 3-145/07; Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle v. 27.5.2002, Az. VK Hal 03/02, zitiert nach juris, allerdings für den Fall einer "In-House"-Vergabe; so offenbar auch OLG Koblenz v. 25.5.2000, NZBau 2000, 445, das das Rechtsschutzbedürfnis bei fehlendem Angebot im Zusammenhang mit § 107 Abs. 2 S. 2 GWB erörtert). Ein solches Verständnis, wonach also quasi der Nachprüfungsantrag bereits das Interesse am Auftrag belegen würde, ließe die im Gesetz explizit genannte Voraussetzung für die Antragsbefugnis faktisch leer laufen. Dadurch allein wird das Interesse am Auftrag vor dem Hintergrund einer zuvor an sich möglichen, jedoch unterlassenen Angebotsabgabe nicht in ausreichendem Maße belegt.

Das Rechtsschutzinteresse kann in diesen Fällen gleichwohl bejaht werden, allerdings nur dann, wenn der Antragsteller gerade durch den Vergabefehler an der Angebotsabgabe gehindert worden ist (Willenbruch/Bischoff-Kadenbach, Vergaberecht, Rn. 15 zu § 107 GWB; OLG Saarbrücken aaO; OLG Koblenz NZBau 2000, 445; Vergabekammer des Freistaates Sachsen v. 7.2.2003, Az. 1/SVK/007-03, zitiert nach juris) oder auf Grund der Vergabefehler keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hatte (EuGH v. 12.2.2004 - "Grossmann Air Service", NZBau 2004, 221, 222). Das hat die Antragstellerin jedoch nicht dargelegt. Sie kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei es aus verschiedenen Gründen nicht zumutbar, sich an dem vergaberechtswidrigen Verfahren der Auftraggeberin durch Abgabe eines Angebotes zu beteiligen. Unstreitig stand ihr wie jedem anderen interessierten Bieter die Teilnahme am von der Auftraggeberin durchgeführten Verfahren offen. Es geht hier also nicht darum, dass durch die Nichtausschreibung interessierte Bieter daran gehindert werden sollen, überhaupt Angebote abgeben zu können.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei es nicht zuzumuten, sich an dem intransparenten vergaberechtswidrigen Verfahren der Auftraggeberin zu beteiligen, in dem sie keinen vergaberechtlichen Primärrechtsschutz erlangen und die Verfahrensweise der Auftraggeberin nicht überprüfen lassen könne. Denn dies trifft nicht zu. Allenfalls dann, wenn sie die Wahl des fehlerhaften Verfahrens zur Vergabe des Auftrages des Auftrages, d.h. die unterlassene EU-weite Ausschreibung, nicht rechtzeitig gerügt hätte, könnte sie nach einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Beschluss vom 17.10.2002, 2 KartVerg 13/02 - zitiert nach juris; so auch zunächst OLG Bremen, Beschluss vom 7.11.2005, Verg 3/05) mit der Rüge der späteren Nichteinhaltung solcher Bestimmungen, die gerade nur bei gemeinschaftsweiter Ausschreibung einzuhalten sind, präkludiert sein. Zweifelhaft könnte allerdings sein, ob diese Auslegung und das damit verbundene generelle Verwehren des Zugangs des Bieters zu einer Überprüfung der Entscheidung der Vergabestelle mit dem europäischen Recht vereinbar sind. Deshalb hat das OLG Bremen seine Sache dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt (Beschluss vom 18.5.2006, Verg 3/05 - zitiert nach juris). Darauf kommt es hier jedoch nicht an, weil die Antragstellerin die Rüge der unterlassenen EU-weiten Ausschreibung rechtzeitig erhoben hat und deshalb im weiteren Vergabeverfahren auch nach der zitierten Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin keine Rechtsschutznachteile erlitten hätte. Sie hätte danach auch sämtliche weiteren ihrer Auffassung nach der Auftraggeberin unterlaufenen Vergabefehler wie unpräzise Leistungsbeschreibung, fehlende Mitteilung von Kalkulationsgrundlagen, unterlassene Mitteilung von Wertungskriterien, unterlassene losweise Ausschreibung etc. im Wege des Rechtsschutzes rügen können, ohne präkludiert zu sein.

bb) Die Antragstellerin hat auch einen ihr drohenden Schaden nicht schlüssig dargelegt.

Unstreitig war es der Antragstellerin möglich, sich durch Abgabe eines Angebotes am Verfahren der Auftraggeberin zu beteiligen, wie es weitere Interessenten getan haben. Durch die Rüge, die Leistung sei in einem falschen Verfahren ausgeschrieben worden, hätte sie keine Rechtsschutznachteile erleiden können. Eine erneute europaweite Ausschreibung des streitgegenständlichen Auftrages könnte allenfalls dazu führen, dass sich noch mehr Bieter als bisher am Vergabeverfahren beteiligen und mithin die Konkurrenz größer wird. Dass die Antragstellerin allein durch die EU-weite Ausschreibung ein anderes aussichtsreicheres Angebot hätte abgeben können, hat sie nicht schlüssig dargelegt.

Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wie die Chancen der Antragstellerin durch die unterlassene europaweite Ausschreibung des Auftrages geschmälert worden sein sollen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie ergeht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung.

Ende der Entscheidung

Zurück