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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: Verg W 19/07
Rechtsgebiete: GWB, VOL/A, VgV


Vorschriften:

GWB § 98
GWB § 98 Nr. 2
GWB § 107 Abs. 3 S. 1
GWB § 107 Abs. 3 S. 2
GWB § 118
GWB § 118 Abs. 1 S. 2
GWB § 118 Abs. 1 S. 3
GWB § 128 Abs. 3 S. 1
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a
VgV § 3 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 19/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 03 (Enterale Ernährung) im Land Brandenburg, Lose 1 - 14,

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard und den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig

am 10. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 11. September 2007 (VK 37/07) bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Dem Antragsteller wird aufgegeben, sich bis zum 2.11.2007 zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 5. April 2007 die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 03 (Enterale Ernährung) im Land Brandenburg für den Zeitraum 1. August 2007 bis 31. Dezember 2008 mit der aus Punkt II.2.2 der Vergabebekanntmachung ersichtlichen Option der Verlängerung bis 31. Dezember 2009, aufgeteilt in 14 Lose, im Offenen Verfahren aus. Zuschlagskriterium sollte der niedrigste Preis sein. Die Auftraggeberin bestimmte als Schlusstermin für den Eingang der Angebote zunächst den 18. Mai 2007.

Unter Punkt 12 des Angebotsvordruckes - "Preis für Versorgungspauschalen (VP) für das hier eingetragene Los für Zeitraum 01.08.1007 bis 31.12.2008 und optional für Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2009 sowie Preise für Nasensonden" - wies die Auftraggeberin darauf hin, dass sämtliche Preise (VP und Nasensonde) verbindlich anzubieten seien. Ein Los gelte nur dann als angeboten, wenn der Preis für den optionalen Verlängerungszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 und für die Nasensonden angegeben sei.

Auf Grund einer Vielzahl von Nachfragen änderte die Auftraggeberin den Schlusstermin zur Abgabe von Angeboten auf den 4. Juni 2007 ab. Der Antragsteller gab rechtzeitig ihr Angebot für sieben Lose ab. Gegenstand seines Angebotes waren Nettokosten pro Versorgungspauschale sowie für 1 Stück Nasensonde ausschließlich für den Zeitraum 1. August 2007 bis 31. Dezember 2008. Für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 gab der Antragsteller keine Preise an.

Mit Schreiben vom 25. Juli 2007 informierte die Auftraggeberin den Antragsteller unter Hinweis auf den Angebotsvordruck, dass sie sein Angebot in Wertungsstufe 1 auf Grund fehlender Preisangaben für den optionalen Verlängerungszeitraum von der weiteren Wertung ausgeschlossen habe. Das Angebot habe daher nicht auf Stufe 4 gewertet werden können. Die Auftraggeberin verwies außerdem darauf, dass die fachliche Leitung nicht dargelegt worden sei.

Der Antragsteller rügte die Vorgehensweise der Auftraggeberin mit Schreiben vom 1. August 2007. Die Bestimmung des optionalen Verlängerungszeitraumes sei unwirksam. Die Ausschreibung beziehe sich nur auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2008. Es handele sich dem Wortlaut nach um eine Option und damit nicht um eine verbindliche Zusage an den den Zuschlag erhaltenden Bieter. Potentielle Bieter seien zudem für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 ausgeschlossen. Dass der Bieter ein verbindliches Angebot abgeben solle, die Auftraggeberin sich demgegenüber nicht binden wolle, stelle eine unzulässige Benachteiligung aller Bieter dar. Es sei klar ersichtlich gewesen, dass B... M... fachlicher Leiter sein solle.

Die Auftraggeberin half der Rüge des Antragstellers nicht ab.

Am 16. August 2007 hat der Antragsteller bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gestellt. Ergänzend hat er die Auffassung vertreten, das Erfordernis von Preisangaben für einen Verlängerungszeitraum verstoße gegen das Transparenzgebot. Durch die Vorgehensweise der Auftraggeberin werde die Chancengleichheit aller Bieter beeinträchtigt. Es bleibe offen, ob es sich lediglich um eine Option handele, oder um einen verbindlichen Zeitraum.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Nachprüfung der Ausschreibung der A... B... Verfahren 2007/S 77-081731, medizinische Hilfsmittel, PG 03.

Die Auftraggeberin hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Auftraggeberin notwendig war.

Die Auftraggeberin hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Vergabe des streitgegenständlichen Auftrages könne nicht Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens sein. Sie, die Auftraggeberin, sei keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Im Übrigen sei das Angebot des Antragstellers zu Recht ausgeschlossen worden.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 11. September 2007 den Nachprüfungsantrag verworfen und dem Antragsteller die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Auftraggeberin sei keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 GWB. Die Kostenentscheidung hat die Vergabekammer auf § 128 III 1 GWB gestützt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller hält den Nachprüfungsantrag unverändert für zulässig und die Auftraggeberin für eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 GWB. Er meint außerdem, die Kostenentscheidung sei falsch, weil das Nachprüfungsverfahren allein von der Auftraggeberin auf Grund ihres Hinweises für Rechtsbehelfe und Verweises auf das Nachprüfungsverfahren in den Ausschreibungsunterlagen ausgelöst worden sei.

Der Antragsteller beantragt,

1. dem Nachprüfungsantrag stattzugeben,

hilfsweise, die Angelegenheit an die Vergabekammer des Landes Brandenburg zurückzuverweisen,

2. gemäß § 118 GWB die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung durch das Beschwerdegericht wiederherzustellen.

Die Auftraggeberin verweist auf ihren Vortrag vor der Vergabekammer.

II.

Der im gegenwärtigen Stadium des Beschwerdeverfahrens allein zu bescheidende Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (§ 118 I 3 GWB) hat keinen Erfolg. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 118 I 3 GWB sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 II GWB). Ist das mit dem Antrag nach § 118 I 3 GWB eingelegte Rechtsmittel in der Hauptsache voraussichtlich unbegründet, ist nach der Rechtsprechung des Senates (Beschluss vom 21.4.2006, Verg W 1/06) die gemäß § 118 I 2 GWB zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist endende Suspensivwirkung der sofortigen Beschwerde schon deshalb nicht zu verlängern (so auch OLG Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 24.9.2002, Verg 48/02). Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat nach Lage der Dinge keine Aussicht auf Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob die Auftraggeberin öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 GWB ist.

1. Der Nachprüfungsantrag des Antragtellers kann im Ergebnis jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die Auftraggeberin das Angebot des Antragstellers in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der ersten Wertungsstufe wegen fehlender Angaben gemäß § 25 Nr. 1 I lit. a VOL/A ausgeschlossen hat. Der Antragsteller hat die zwingend geforderten Preisangaben für den optionalen Vertragszeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2009 nicht gemacht, so dass das Angebot des Antragstellers mit denen anderer Bieter nicht vergleichbar ist.

2. Die Preisangaben des Antragstellers für den optionalen Vertragszeitraum waren auch nicht deshalb entbehrlich und der Ausschluss seines Angebotes wegen fehlender Preisangaben nicht deshalb vergaberechtswidrig, weil die Ausschreibung des Auftrages mit dem optionalen Vertragszeitraum ein Vergaberechtsfehler gewesen wäre. Einen solchen Vergaberechtsfehler hat der Antragsteller nicht rechtzeitig gerügt, so dass der Nachprüfungsantrag darauf nicht zulässig gestützt werden kann.

Dass die Auftraggeberin sich die Option der Vertragsverlängerung für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2009 vorbehielt, war aus der Vergabebekanntmachung ersichtlich. Deshalb hatte der Antragsteller, wenn der Vorbehalt einen Vergabefehler darstellte, diesen nicht nur gemäß § 107 III 1 GWB unverzüglich nach Erkennen, sondern gemäß § 107 III 2 GWB als aus der Bekanntmachung erkennbaren Fehler bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe zu rügen, spätestens jedoch bis zu dem letzten von der Auftraggeberin bestimmten Termin zur Angebotsabgabe am 4.6.2007. Da der Antragsteller dies unterließ, ist er mit dieser Rüge ausgeschlossen (§ 107 III 2 GWB). Unabhängig davon liegt ein Vergaberechtsfehler nicht vor. Optionsrechte, auch Optionen für Vertragsverlängerungen, sind vergaberechtlich zulässig. Das ergibt sich bereits aus Artikel 9 I 2. Satz der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sowie aus dem daran angepassten § 3 VI VgV, die bestimmen, wie der Wert eines Auftrages mit Optionsrechten oder Vertragsverlängerungen zu schätzen ist.

3. Darauf, ob das Angebot des Antragstellers außerdem wegen fehlender Angabe der fachlichen Leitung auszuschließen ist, kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.

4. Die Kostenentscheidung der Vergabekammer ist richtig. Der Antragsteller hat die Kosten aus § 128 III 1 GWB zu tragen, weil er unterlegen ist. Dahinstehen kann die umstrittene Frage, ob Billigkeitsgesichtspunkte angesichts des klaren Wortlauts von § 128 III 1 GWB überhaupt berücksichtigt werden können. Selbst wenn man dies annehmen würde, kann der Auftraggeberin nicht vorgeworfen werden, sie habe für den Fall, dass sie keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 GWB sei, eine unrichtige Belehrung über Rechtsschutzmöglichkeiten gegen ihre Vergabeentscheidungen erteilt und dadurch die Einleitung eines unzulässigen Nachprüfungsverfahrens durch den Antragsteller veranlasst. Die Auftraggeberin hat nicht vergaberechtliche Pflichten verletzt und die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens durch den Antragsteller nicht zu verantworten, weil die Frage, ob Krankenkassen öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 GWB sind, von Vergabesenaten der Oberlandesgerichte bisher unterschiedlich beantwortet und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie ergeht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung.

Ende der Entscheidung

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