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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 10.02.1999
Aktenzeichen: 10 ABR 42/98
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 99 Abs. 2
BetrVG § 99 Abs. 4
ArbGG § 83 a Abs. 2
ArbGG § 83 a Abs. 3
Leitsatz:

Beantragt der Arbeitgeber gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Eingruppierung eines Arbeitnehmers und erklärt er das Beschlußverfahren für erledigt, weil der Arbeitnehmer im Laufe des Beschlußverfahrens aus dem Betrieb ausgeschieden ist, ist das Verfahren auch dann einzustellen, wenn der Betriebsrat der Erledigung widerspricht (im Anschluß an BAGE 65, 105 = AP Nr. 3 zu § 83 a ArbGG 1979).

Aktenzeichen: 10 ABR 42/98 Bundesarbeitsgericht 1. Senat Beschluß vom 10. Februar 1999 - 10 ABR 42/98 -

I. Arbeitsgericht Hannover - 7 BV 17/96 - Beschluß vom 14. April 1997

II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen - 4 (16 a) TaBV 37/97 - Beschluß vom 13. Juli 1998


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Eingruppierung - Zustimmungsersetzungsverfahren - Ausscheiden des Arbeitnehmers

Gesetz: BetrVG § 99 Abs. 2 und Abs. 4; ArbGG § 83 a Abs. 2 und Abs. 3

10 ABR 42/98 4 (16 a) TaBV 37/97 Niedersachsen

Im Namen des Volkes! Beschluß

Verkündet am 10. Februar 1999

Susdorf, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Beschlußverfahren unter Beteiligung

pp.

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 10. Februar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Freitag, die Richter Hauck und Böck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schmidt und Paul beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Von Rechts wegen!

Gründe:

I. Die Antragstellerin (im folgenden: Arbeitgeberin), eine deutsche Großbank, streitet mit dem Betriebsrat ihrer Niederlassung Hannover über die tarifgerechte Eingruppierung der Arbeitnehmerin W .

Die Arbeitgeberin veränderte im Jahre 1995 die Konzeption für ihre Geschäftsstellen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren diese in der Regel wie folgt besetzt:

- Geschäftsstellenleiter

- Privatkundenbetreuer

- Kundenberater

- Schaltermitarbeiter und

- z.T. Kassierer.

Nach der Umstrukturierung sind die Geschäftsstellen der Arbeitgeberin und die dort beschäftigten Mitarbeiter nur noch für die sog. Privatkunden (PK) zuständig. Für die sog. Vermögensberatungskunden (VK) erledigen sie lediglich noch das Tagesgeschäft. Privatkunden und Vermögensberatungskunden werden danach unterschieden, daß letztere ein erheblich höheres Finanzvolumen mit der Arbeitgeberin abwickeln. Diese werden außerhalb des Tagesgeschäfts durch Vermögensberatungsstellen (VK-Stellen) betreut, die teilweise räumlich in den Geschäftsstellen angesiedelt sind, jedoch nicht dem Geschäftsstellenleiter unterstehen.

In den Geschäftsstellen werden jetzt nur noch folgende Funktionen ausgeübt:

- PK-Geschäftsstellenleiter

- ggf. Vertreter des Geschäftsstellenleiters

- Finanzberater

- Servicemitarbeiter.

Für die Finanzberater sind Aufgaben, welche bis 1995 Kundenberater und Schaltermitarbeiter wahrgenommen haben, teilweise zusammengefaßt und in starkem Umfange normiert worden.

Mit Schreiben vom 8. August 1996, dem Betriebsrat frühestens am 12. August 1996 zugegangen, beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Umgruppierung der Angestellten W als Finanzberaterin in die Tarifgruppe 6 des Manteltarifvertrages vom 24. August 1978 für das private Bankgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) in den Grenzen bis zum 2. Oktober 1990 (im folgenden nur: MTV).

Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom 19. August 1996 die Zustimmung zur Eingruppierung in die Tarifgruppe 6 MTV mit der Begründung, diese Eingruppierung sei tarifwidrig, weil die Mitarbeiterin tarifgerecht in die Tarifgruppe 7 MTV einzugruppieren sei; sie übe nämlich die Tätigkeit einer Kundenberaterin aus.

Die Arbeitgeberin hatte vor dem Arbeitsgericht beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin W in die Tarifgruppe 6 MTV zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin W in die Tarifgruppe 6 MTV ersetzt. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens kündigte die Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1997.

Die Arbeitgeberin hat im Termin zur Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht am 8. Juni 1998 die Hauptsache für erledigt erklärt. Der Betriebsrat hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt, den Beschluß des Arbeitsgerichts abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag auf Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrages weiter, während die Arbeitgeberin zum einen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt und zum anderen das Verfahren für erledigt erklärt.

II. Das Zustimmungsersetzungsverfahren war vom Senat einzustellen, da es erledigt ist.

1. Die Arbeitgeberin hat in der Anhörung vom 8. Juni 1998 vor dem Landesarbeitsgericht die Hauptsache für erledigt erklärt, weil die Arbeitnehmerin W ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1997 gekündigt habe. Diese Erledigungserklärung hat die Arbeitgeberin in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1998 wiederholt.

Da der Betriebsrat der Erledigungserklärung widersprochen hat, ist durch den Senat zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist.

2. Erledigende Ereignisse in diesem Sinne sind nach Rechtshängigkeit eingetretene tatsächliche Umstände, auf Grund derer der Antrag des Arbeitgebers als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müßte, unabhängig davon, ob der Antrag ursprünglich zulässig oder begründet war. Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, so ist ebenso wie bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 83 a Abs. 2 ArbGG) oder einer fingierten Zustimmung zur Erledigungserklärung (§ 83 a Abs. 3 ArbGG) das Verfahren einzustellen (st. Rechtsprechung seit:

BAGE 65, 105 = AP Nr. 3 zu § 83 a ArbGG 1979; zuletzt BAG Beschluß vom 27. August 1996 - 3 ABR 21/95 - AP Nr. 4 zu § 83 a ArbGG 1979).

Eine Erledigungserklärung in der Rechtsbeschwerdeinstanz setzt allerdings voraus, daß die Rechtsbeschwerde zulässig ist. Daß sie erst nach Eintritt des erledigenden Ereignisses eingelegt worden ist, steht dem nicht entgegen (BAGE 77, 165 = AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung).

Vorliegend bestehen gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde keine Bedenken.

3. Das Ausscheiden der Arbeitnehmerin W aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1997 stellt ein erledigendes Ereignis dar.

Die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG stellt die Äußerung einer Rechtsansicht dar. Diese ist für die Betriebspartner nur solange von Bedeutung, wie der von der Eingruppierung betroffene Arbeitnehmer noch im Betrieb beschäftigt ist (BAGE 65, 105, aaO).

Die Frage, ob der aus dem Betrieb ausgeschiedene Arbeitnehmer früher zutreffend eingruppiert war, hat allenfalls Bedeutung für den individualrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe. Dieses Interesse des Arbeitnehmers ist jedoch für das Verhältnis der Betriebspartner zueinander bedeutungslos. Würde das Gericht noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses darüber entscheiden, ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert hat, d.h. ob der Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers begründet war oder nicht, würde diese Entscheidung dem Arbeitgeber oder dem Betriebsrat lediglich bestätigen, daß er Recht gehabt hat. Dafür ist jedoch das Beschlußverfahren nicht gegeben (BAGE 65, 105, aaO).

4. Die Arbeitnehmerin W ist im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfahrens aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

Damit ist das Rechtsschutzinteresse der Arbeitgeberin an der Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin W in die Tarifgruppe 6 MTV entfallen.

Mit ihrem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG verfolgt die Arbeitgeberin das Ziel, daß durch einen Zustimmungsersetzungsbeschluß die Eingruppierung der Arbeitnehmerin W , deren betriebsverfassungsrechtliche Wirksamkeit wegen der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats in der Schwebe ist, für zulässig erklärt und damit letztlich betriebsverfassungsrechtlich "sanktioniert" wird.

An einer solchen "Sanktionierung" hat ein Arbeitgeber aber regelmäßig dann kein rechtliches Interesse mehr, wenn der Arbeitnehmer, um dessen Ein- oder Umgruppierung gestritten wird, aus seinem Betrieb ausgeschieden ist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber besondere Umstände darlegt, aus denen sich für ihn ausnahmsweise ein Feststellungsinteresse an einer gerichtlichen Entscheidung über eine Zustimmungsersetzung ergibt. Ein solches Feststellungsinteresse hat die Arbeitgeberin vorliegend aber nicht behauptet. Vielmehr hat sie durch ihre Erledigungserklärung klargestellt, daß sie kein Interesse mehr an einer gerichtlichen Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG hat.

5. Ob der Betriebsrat seinerseits auf Grund seines Mitbeurteilungsrechts bei der Eingruppierung ein Interesse daran hat, daß festgestellt wird, ob die von der Arbeitgeberin ursprünglich geplante Eingruppierung der Arbeitnehmerin W zutreffend war, ist entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts nicht von Bedeutung.

Da die Rechtsprechung davon ausgeht, daß ein erledigendes Ereignis dann anzunehmen ist, wenn nach Rechtshängigkeit tatsächliche Umstände eingetreten sind, auf Grund derer der Antrag des Antragstellers als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müßte, kann es nur darauf ankommen, ob die antragstellende Arbeitgeberin noch ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens hat, nicht jedoch darauf, ob der beteiligte Betriebsrat seinerseits ein Interesse an der weiteren Durchführung des von der Arbeitgeberin eingeleiteten Verfahrens hat.

Lediglich dann, wenn der Betriebsrat ein Verfahren nach § 101 BetrVG gegen eine vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angestrebt hat, kann sich die auch vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 3. Mai 1994 (BAGE 77, 1 = AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung) angesprochene Rechtsfrage stellen, ob der Betriebsrat nach dem Ausscheiden des von der personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers noch ein Interesse an der Durchführung des Verfahrens hat oder ob sich dieses erledigt hat.

Ende der Entscheidung

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