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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.07.2000
Aktenzeichen: 10 ABR 47/99
Rechtsgebiete: GTV


Vorschriften:

GTV § 2 Abs. 2
Leitsätze:

Angestellte im Einzelhandel in Rheinland-Pfalz, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und auch keine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, sind gemäß § 2 Abs. 2 GTV in die Gehaltsgruppe I einzugruppieren, auch wenn die von ihnen ausgeübte Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale einer höheren Gehaltsgruppe erfüllt.

Aktenzeichen: 10 ABR 47/99 Bundesarbeitsgericht 10. Senat Beschluß vom 19. Juli 2000 - 10 ABR 47/99 -

I. Arbeitsgericht Beschluß vom 22. Januar 1999 Koblenz - 2 BV 1745/98 -

II. Landesarbeitsgericht Beschluß vom 21. September 1999 Rheinland-Pfalz - 2 TaBV 11/99 -


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

10 ABR 47/99 2 TaBV 11/99 Rheinland-Pfalz

Verkündet am 19. Juli 2000

Susdorf, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Beschlußverfahren

mit den Beteiligten

Antragsteller,

Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer,

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Anhörung vom 19. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Jobs und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt, den ehrenamtlichen Richter Schaeff und die ehrenamtliche Richterin Tirre beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. September 1999 - 2 TaBV 11/99 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin gerichtlich zu ersetzen ist.

Der Antragsteller (Arbeitgeber) betreibt bundesweit ein Einzelhandelsunternehmen auf dem Drogeriesektor, ua. auch eine Verkaufsstelle in K. Der Antragsgegner ist der für diesen Bezirk gewählte Betriebsrat. Der Arbeitgeber hatte sich entschlossen, die Angestellte von G. als Verkaufsstellenverwalterin in die Verkaufsstelle in K. zu versetzen. Frau G. war seit dem 1. September 1997 als Verkäuferin/Kassiererin bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und wies im Zeitpunkt der beabsichtigten Versetzung auch keine dreijährige Berufstätigkeit auf.

Mit Schreiben vom 8. Mai 1998 hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Versetzung und zur Eingruppierung der Mitarbeiterin G. als Verkaufsstellenverwalterin in die Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 1. Mai 1998 (im Folgenden: GTV) an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Eingruppierung mit dem Hinweis, daß nach § 3 GTV eine Verkaufsstellenverwalterin nach der Gehaltsgruppe IV zu vergüten sei. Der Versetzung stimmte er zu.

Im Hinblick auf die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin G. begehrt der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Mitarbeiterin G. sei nach § 2 Abs. 2 GTV in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I GTV einzugruppieren. Diese Tarifnorm sei eine Sonderbestimmung für solche Mitarbeiter des Einzelhandels, die über keine Berufsausbildung verfügen und auch keine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können. Bei fehlender abgeschlossener Berufsausbildung erfolge erst nach dreijähriger Berufstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 GTV eine Eingruppierung entsprechend der Tätigkeit in eine der in § 3 aufgeführten Gehaltsgruppen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin G in die Gehaltsgruppe I, erstes Tätigkeits-/Berufsjahr, des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Regelung in § 2 Abs. 2 GTV gelte nur für die Eingruppierung in die Gehaltsgruppen I und II GTV bei einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit. Da die Tätigkeit als Verkaufsstellenverwalterin die Merkmale der Gehaltsgruppe IV erfülle, sei die Arbeitnehmerin von Groningen in diese Gehaltsgruppe einzugruppieren.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I GTV ersetzt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Abweisungsbegehren weiter. Der Arbeitgeber bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die Arbeitnehmerin von Groningen ist zutreffend gemäß § 2 Abs. 2 GTV in die Gehaltsgruppe I einzugruppieren, so daß dem Betriebsrat kein Recht zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung nach § 99 Abs. 2 BetrVG zusteht. Die Zustimmung war daher gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Ersetzung der Zustimmung damit begründet, daß nach § 2 Abs. 2 GTV Angestellte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden. Unbeachtlich sei, daß nach § 3 GTV in die Gehaltsgruppe I nur Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit einzugruppieren sind. § 2 Abs. 2 GTV enthalte keine Verweisung auf § 3 GTV, sondern regele nur die Rechtsfolge der Gehaltsgruppe I für den Fall, daß Angestellte weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufsausbildung nachweisen können. Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung sei es, Angestellten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, erst nach einer Tätigkeit von drei Jahren den Angestellten gleichzustellen, die diese Eingruppierungsvoraussetzungen erfüllen und damit je nach ihrer Tätigkeit in höhere Gehaltsgruppen einzugruppieren seien.

2. Diese Ausführungen sind rechtsfehlerfrei.

a) Der GTV lautet, soweit vorliegend von Interesse:

"§ 2 - Eingruppierung und Einstufung

1. Die Angestellten werden entsprechend ihrer Tätigkeit und unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 9 MTV in eine der in § 3 aufgeführten Gehaltsgruppen eingruppiert.

2. Angestellte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, werden ab 01.05.1991 in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I eingruppiert. Ab dem 5. Tätigkeitsjahr erfolgt der Übergang in die Gehaltsgruppe II 4.

3. Angestellte mit einer der Tätigkeit entsprechenden zweijährigen Berufsausbildung werden nach bestandener Abschlußprüfung in das 1. Berufsjahr, Angestellte mit einer der Tätigkeit entsprechenden dreijährigen Berufsausbildung nach bestandener Abschlußprüfung in das 3. Berufsjahr der Gehaltsgruppe II eingestuft. Die davor liegenden Berufsjahre gelten als zurückgelegt.

4. Ungelernte Aushilfen mit bis zu drei Monaten befristeten Verträgen erhalten bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres 90% der Gehaltsgruppe I.

§ 3 - Gehaltsgruppen

Gehaltsgruppe I

Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können.

Gehaltsgruppe II

Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit,

z.B.: ...

Gehaltsgruppe III

...

Gehaltsgruppe IV

Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisung und mit entsprechender Verantwortung für ihren Tätigkeitsbereich

a) ohne oder mit in der Regel bis zu vier unterstellten vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen;

b) mit in der Regel mehr als vier unterstellten vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen.

z.B.: Substitutin: 1. Verkäuferin/Lagererste mit Einkaufs- oder Dispositionsbefugnis, Verwalten und Leiten von Filialen ..."

b) Die Arbeitnehmerin G. ist in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I einzugruppieren. Dies ergibt die Auslegung von § 2 Abs. 2 GTV. Danach werden Angestellte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können in diese Gehaltsgruppe eingruppiert.

Bei der Angestellten G. sind diese Voraussetzungen gegeben. Sie ist als angestellte Verkaufsstellenverwalterin in einer Verkaufsstelle des Antragstellers tätig. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und wies im Zeitpunkt der beabsichtigten Versetzung auch keine dreijährige Berufstätigkeit auf.

c) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats war die Angestellte, obwohl als Verkaufsstellenverwalterin tätig, nicht nach dem Fallgruppenbeispiel "Verwalten und Leiten von Filialen" gemäß § 3 in die Gehaltsgruppe IV einzugruppieren. Gemäß § 2 Abs. 2 GTV kommt es für die Eingruppierung nicht auf die auszuübende Tätigkeit an.

§ 2 GTV bestimmt in seinem Regelungsbereich für die Eingruppierung unterschiedliche Voraussetzungen und regelt unterschiedliche Rechtsfolgen. Gemäß § 2 Abs. 1 erfolgt die Eingruppierung grundsätzlich entsprechend der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (§ 9 Ziff. 2 MTV) in eine der in § 3 aufgeführten Gehaltsgruppen. Insoweit werden Angestellte durch die ausdrückliche Verweisung auf § 3 GTV in eine der dort aufgeführten Gehaltsgruppen eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale bzw. Richtbeispiele sie erfüllen. Davon zu unterscheiden sind die Eingruppierungen nach den Absätzen 2 - 4. Insoweit handelt es sich abweichend von § 2 Abs. 1 GTV um Ausnahmeregelungen für Fälle ohne abgeschlossene Berufsausbildung bzw. ohne eine dreijährige Berufstätigkeit sowie nach erfolgreicher Abschlußprüfung. Gemäß Abs. 2 erfolgt bei fehlender Berufsausbildung bzw. ohne eine dreijährige Berufstätigkeit die Eingruppierung in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I. Abs. 3 regelt die Fälle einer zwei- bzw. dreijährigen Berufsausbildung und entsprechender Tätigkeit. Nach bestandener Abschlußprüfung erfolgt die Eingruppierung in das 1. bzw. 3. Berufsjahr der Gehaltsgruppe II. Nach Abs. 4 werden ungelernte Aushilfen mit befristeten Arbeitsverträgen der Gehaltsgruppe I zugeordnet. Daraus wird ersichtlich, daß bei solchen Eingruppierungen mangels einer ausdrücklichen Verweisung auf § 3 GTV die in § 3 GTV genannten Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppen I bis IV unbeachtlich sind. Bei einer Eingruppierung nach § 2 Abs. 2 GTV kommt es somit nicht darauf an, welche Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind. Die Tarifvertragsparteien haben bei diesen Eingruppierungen die Gehaltsgruppen durch Rechtsfolgenverweisung bestimmt.

Die Angestellte G. ist somit für die Dauer der ersten drei Jahre ihrer Tätigkeit als Verkaufsstellenverwalterin gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GTV in die Gehaltsgruppe I einzugruppieren.

Ende der Entscheidung

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