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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 10 AZR 228/01
Rechtsgebiete: TV Lohn/West


Vorschriften:

Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder (TV Lohn/West) vom 5. Mai 1998 § 2
Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder (TV Lohn/West) vom 5. Mai 1998 § 3
Kraftfahrer in einem Bauunternehmen, die ihre Arbeit am Bauhof beginnen und beenden und von dort ihre Fahrtanweisungen erhalten, haben als "Kraftfahrer der Bauhöfe" keinen Anspruch auf den Bauzuschlag, soweit sie keine Arbeitsstunden auf Baustellen leisten.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

10 AZR 228/01

Verkündet am 5. Dezember 2001

In Sachen

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt, die ehrenamtlichen Richter Hermann und Ohl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachen vom 2. März 2001 - 10 Sa 451/99 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Der Kläger ist seit 1979 als Kraftfahrer bei der Beklagten tätig. Das Arbeitsverhältnis unterfällt kraft beiderseitiger Tarifbindung den Tarifverträgen des Baugewerbes. Bis zum 31. März 1998 erhielt er den Gesamttarifstundenlohn nach Berufsgruppe M IV 2 von 23,68 DM brutto, der sich aus dem Tarifstundenlohn von 22,37 DM brutto und dem Bauzuschlag von 1,31 DM brutto zusammensetzte. Zum 1. April 1998 wurde der Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe (TV Lohn/West) geändert. Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger auch nach dem 1. April 1998 noch der jeweils aktuelle Tarifstundenlohn zuzüglich Bauzuschlag oder im Wege der Besitzstandswahrung nur noch der bis 31. März 1998 geltende Gesamttarifstundenlohn von 23,68 DM brutto zusteht. Der TV Lohn/West 1998 bestimmt diesbezüglich:

"§ 2 Lohnregelung

...

(2) Der Arbeitnehmer erhält einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 5,9 v.H. seines Tarifstundenlohnes (Bauzuschlag). Der Bauzuschlag wird gewährt zum Ausgleich der besonderen Belastungen, denen der Arbeitnehmer insbesondere durch den ständigen Wechsel der Baustelle (2,5 v.H.) und die Abhängigkeit von der Witterung außerhalb der gesetzlichen Schlechtwetterzeit (2,9 v.H.) ausgesetzt ist; er dient ferner in Höhe von 0,5 v.H. dem Ausgleich von Lohneinbußen, die sich in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit ergeben.

...

§ 3 Löhne für stationär beschäftigte Arbeitnehmer

(1) Arbeitnehmer, die in dem jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum arbeitszeitlich überwiegend nicht auf Baustellen, sondern stationär, insbesondere in Bauhöfen und Werkstätten einschließlich Produktionsstätten für Fertigteile oder als Kraftfahrer der Bauhöfe und der Fahrdienste beschäftigt werden, erhalten, wenn sie nach dem 31. März 1998 eingestellt wurden, den Tarifstundenlohn gemäß § 2 Abs. 5, nicht jedoch den Bauzuschlag. Für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden erhalten diese Arbeitnehmer den Tarifstundenlohn und den Bauzuschlag (Gesamttarifstundenlohn).

(2) Die in Abs. 1 genannten Arbeitnehmer, die am 31. März 1998 bereits beschäftigt waren, haben Anspruch auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesamttarifstundenlöhne. Ab 1. April 2000 erhalten sie den dann geltenden Tarifstundenlohn, nicht jedoch den Bauzuschlag. ... Für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden erhalten diese Arbeitnehmer den jeweils geltenden Stundenlohn und den jeweils geltenden Bauzuschlag (Gesamttarifstundenlohn)."

Der Kläger hat mit seiner am 28. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und nachfolgenden Klageerweiterungen die Zahlung des Bauzuschlags für die Zeit von April bis September 1998 in rechnerisch unstreitiger Höhe geltend gemacht.

Im streitbefangenen Zeitraum transportierte der Kläger Baumaterialien von Lieferfirmen oder dem Bauhof der Beklagten mit dem LKW im öffentlichen Straßenverkehr auf die jeweilige Baustelle oder den Bauhof. Er transportierte ferner ebenfalls im öffentlichen Straßenverkehr Aushub von den Baustellen zwischen verschiedenen Baustellen oder zur Deponie. Der LKW des Klägers war - wie alle übrigen von der Beklagten betriebenen LKW - auf dem Bauhof stationiert. Die LKW wurden nachts auf dem Bauhof abgestellt. Die Einteilung der Fahrten erfolgte morgens vom Bauhof aus.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er sei kein "Kraftfahrer der Bauhöfe und der Fahrdienste" im Sinne der tariflichen Regelung. Kraftfahrer der Bauhöfe seien nur die Kraftfahrer, deren Arbeitsfeld und Tätigkeitsschwerpunkt unmittelbar an den Bauhof gebunden seien. Allein die Arbeiten, die auf Bauhöfen erbracht würden, seien ohne Bauzuschlag zu vergüten. Kraftfahrer der Fahrdienste seien solche Arbeitnehmer, die zum Beispiel in der Hauptverwaltung eines Betriebes tätig und überwiegend mit Versorgungs- und Botenfahrten beschäftigt seien.

Der Kläger hat beantragt

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 193,95 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. August 1998 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 44,28 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1998 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 69,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Dezember 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, dem Kläger stehe der Bauzuschlag nicht mehr zu. Er sei Kraftfahrer der Bauhöfe. Diesem Begriff unterfielen alle Kraftfahrer, die nicht als Baustellenfahrer auf Baustellen tätig seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Einverständnis der Parteien vom Arbeitsgericht Heilbronn in einem gleichgelagerten Verfahren eingeholte Auskünfte des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. vom 14. Juli 1999, des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes vom 16. Juli 1999 sowie des Landesverbandes Baden-Württemberg der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 13. Juli 1999 verwertet und auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.

Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei Kraftfahrer des Bauhofs und habe deshalb seit 1. April 1998 einen Anspruch auf den Bauzuschlag nur noch für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden. Die einschlägigen Tarifvertragsbestimmungen seien dahin auszulegen, daß nur solche Kraftfahrer den Bauzuschlag durchgehend erhalten sollten, die zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit direkt und unmittelbar auf Baustellen tätig seien, also auf Großbaustellen Material und Aushub innerhalb der Baustelle ohne Benutzung des öffentlichen Straßenraums transportierten. Zwar seien Kraftfahrer an sich nicht "stationär" tätig. Die Tarifvertragsparteien hätten insoweit aber an den Bauhof als Ausgangs- und Endpunkt der Tätigkeit der Fahrer angeknüpft. Bestätigt werde die vom Wortlaut ausgehende Auslegung durch Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, mit der der Lohnkostenabstand zu den nicht den Tarifverträgen des Baugewerbes unterfallenden Speditionsunternehmen verringert und so der Trend zur Ausgliederung von Fuhrparks gestoppt werden sollte. Auch seien Kraftfahrer wie der Kläger, die bei ihren Fahrten überwiegend das öffentliche Straßennetz benutzten, nicht in gleicher Weise von den witterungsbedingten Belastungen und dem Schwanken der Arbeitsbedingungen betroffen, wie die direkt auf unterschiedlichen Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer; eben dem Ausgleich dieser spezifischen Belastungen diene aber der Bauzuschlag. An welchen Tagen er wie viele Stunden direkt auf Baustellen tätig gewesen sei, habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt, weshalb der Klage auch nicht teilweise habe stattgegeben werden können.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung.

1. Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend von den nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Auslegung von Tarifverträgen geltenden Grundsätzen ausgegangen (vgl. zB BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 132). Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "stationär" in § 3 TV Lohn/West nicht, daß nur solche Kraftfahrer von der Gewährung des Bauzuschlags ausgenommen werden sollten, die zeitlich überwiegend Fahrzeuge innerhalb des Bauhofs bewegen. Ein solcher, vom Kläger im übrigen nicht belegter Wille der Tarifvertragsparteien hat im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.

Für Kraftfahrer des Baugewerbes ist es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt hat, typisch, daß sie den Bauhof verlassen und Transporte vom und zum Bauhof, von und zu den Baustellen und zwischen einzelnen Baustellen unter Benutzung des öffentlichen Straßenraums durchführen. § 3 Abs. 1 TV Lohn/West nimmt nach seinem Wortlaut nicht etwa nur Kraftfahrer in Bauhöfen, sondern im Gegensatz zum Wortlaut bei anderen dort stationär beschäftigten Arbeitnehmern Kraftfahrer der Bauhöfe von der Gewährung des Bauzuschlags aus. Diese werden den stationär in Bauhöfen eingesetzten Arbeitnehmern gleichgestellt, ohne daß ihre Zuordnung zum Bauhof davon abhängig gemacht würde, daß sie zeitlich überwiegend für Fahrten innerhalb des Bauhofs eingesetzt werden. Auch der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts geht in seinem Urteil vom 25. Oktober 2000 (- 4 AZR 572/99 - AP § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 239 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 100, zu 4 b der Gründe) davon aus, daß bei den in § 3 Abs. 1 Satz 1 TV Lohn/West genannten Fahrern eine stationäre Tätigkeit im Sinne des Tarifvertrages vorliegt.

Die im Gegensatz zur Ansicht des Klägers vorgenommene Auslegung des Landesarbeitsgerichts wird ferner dadurch gestützt, daß den Kraftfahrern der Bauhöfe und den in Bauhöfen stationär beschäftigten Arbeitnehmern auch die Kraftfahrer der Fahrdienste gleichgestellt werden. Mit "Fahrdienst" wird gewöhnlich die Tätigkeit von im öffentlichen Verkehrswesen Beschäftigten, zB von Busfahrern bezeichnet (Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Band 2 S 648). Übertragen auf "Fahrdienste" des Baugewerbes geht es um die Tätigkeiten von Fahrern zB in der Hauptverwaltung von Bauunternehmen, die für die Beförderung von Personen und für Versorgungs- und Botenfahrten eingesetzt werden. Ein solcher Fahrdienst ausschließlich innerhalb eines - auch großen - Bauhofs bzw. einer Produktionsstätte erscheint kaum vorstellbar und wäre jedenfalls so ungewöhnlich, daß es insoweit einer eindeutigen Regelung bedurft hätte, wenn die Tarifvertragsparteien nur die Kraftfahrer derartiger Fahrdienste vom Bauzuschlag hätten ausnehmen wollen.

2. Ob, wie wohl das Landesarbeitsgericht angenommen hat, auch ein Kraftfahrer im Sinne von § 3 Abs. 1 TV Lohn/West dem Bauhof zuzuordnen und von der Gewährung des Bauzuschlags ausgenommen wäre, der zeitlich überwiegend für Fahrten zwischen Baustellen unter Benutzung des öffentlichen Straßenraums eingesetzt wird, bedarf keiner Entscheidung. Einen solchen Sachverhalt hat der Kläger nicht behauptet.

3. Soweit die Revision für die Zuordnung der Kraftfahrer zum Bauhof bzw. zur Baustelle darauf abstellen will, ob die Fahrtätigkeit im Dienste der Funktion des Bauhofs, nämlich der Lagerung von Baustoffen, erfolgt, oder ob sie der Errichtung der Bauwerke dient, findet sich dafür in § 3 Abs. 1 TV Lohn/West ebenfalls kein Anhaltspunkt. Die Tarifvertragsparteien haben nicht etwa Kraftfahrer für (Zwecke der) Bauhöfe von der Gewährung des Bauzuschlags ausgenommen, sondern allgemein die Kraftfahrer der Bauhöfe. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge ist somit unbeachtlich.

4. Schließlich würde es auch zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn für die Zuordnung entsprechend der Ansicht des Landesverbandes Baden-Württemberg der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 13. Juli 1999 vorrangig oder zusätzlich darauf abgestellt würde, ob die Kraftfahrer ihre Weisungen vom Bauhof oder aber von auf den Baustellen tätigen Polieren erhalten. Unstreitig erhielt der Kläger seine Weisungen, auch für Fahrten zwischen verschiedenen Baustellen oder von Baustellen zur Deponie, vom Disponenten des Bauhofs, sei es mittels der ihm bei Arbeitsbeginn am Bauhof gegebenen Fahraufträge oder per Funk.

5. Im übrigen geht auch der Kläger von dem in der Tarifauskunft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. vom 14. Juli 1999 bestätigten Sinn und Zweck der Tarifnorm aus, durch Verminderung der Lohnkosten dem Trend zur Ausgliederung ua. des Fuhrparks der Bauunternehmen und der damit verbundenen Flucht aus den Bautarifverträgen entgegenzuwirken. Es liegt auf der Hand, und wurde vom Landesarbeitsgericht zutreffend dargestellt, daß dieser Zweck des Tarifvertrages mit der vom Kläger erstrebten Interpretation des Begriffs "Kraftfahrer der Bauhöfe" nicht erreicht werden könnte. Der vom Kläger negierte Zweck des Bauzuschlags, mit dem unmittelbaren Einsatz auf wechselnden Baustellen verbundene besondere Belastungen auszugleichen, denen Kraftfahrer wie der Kläger nicht im gleichen Maße ausgesetzt sind, ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 2 TV Lohn/West.

6. Soweit schließlich das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, an welchen Tagen er mit wie vielen Stunden direkt auf Baustellen gearbeitet habe, so daß der Klage auch nicht teilweise habe stattgegeben werden können, läßt dies Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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