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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 10 AZR 597/06
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT Anlage 1a Teil II Abschnitt G Protokollnotiz Nr. 1
Betreute Wohngemeinschaften, in denen vier bis sieben geistig behinderte Menschen untergebracht sind, können Einrichtungen sein, die mit einem Heim vergleichbar sind.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Parallelsachen 20. Februar 2008 - 10 AZR 597 (führend, vorliegend), 692, 701, 721, 903, 904, 905, 906, 929, 997, 1010, 1011/06 -

10 AZR 597/06

Verkündet am 20. Februar 2008

In Sachen

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler sowie den ehrenamtlichen Richter Petri und die ehrenamtliche Richterin Rudolph für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 18. Mai 2006 - 14 Sa 481/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT.

Der 1960 geborene Kläger ist seit dem 1. April 1986 bei der Beklagten als Angestellter in der Tätigkeit eines Erziehers beschäftigt. Er bezieht derzeit Vergütung nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 5 Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT. Er war in unterschiedlichem Maße teilzeitbeschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) geltenden Fassung gilt.

Der Kläger hatte bis einschließlich September 2002 die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT erhalten. Diese lautet:

"Der Angestellte ... erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120 DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind ..."

Ab Oktober 2002 zahlte die Beklagte die Zulage entsprechend ihrer Ankündigung vom 18. März 2002 nicht mehr. Der Kläger machte die Weiterzahlung der Zulage ab dem 1. Oktober 2002 mit mehreren Schreiben aus dem Oktober 2002 und November 2004 sowie Juni 2005 geltend.

Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH, die sich der Betreuung, Erziehung und Förderung geistig behinderter Menschen widmet. Sie betreibt und betreut seit ca. 20 Jahren Wohngemeinschaften in Berlin. Derzeit sind es 42 Wohngemeinschaften mit insgesamt 207 Wohnplätzen für behinderte Menschen. Der Kläger ist in der Wohngemeinschaft 15 (WG 15) gemeinsam mit einer weiteren Mitarbeiterin beschäftigt. Sie untersteht dem Leitungsbereich 18 der Beklagten, zu dem noch acht weitere Wohngemeinschaften und eine Wohnstätte gehören. Letztere unterliegt einer "Heimordnung" und wird von der Beklagten als Heim im tariflichen Sinne angesehen. Die in ihr beschäftigten Mitarbeiter erhalten die Heimzulage.

Die Beklagte wird durch die Sozialleistungsträger öffentlich gefördert.

Mit der zuständigen Senatsverwaltung für Soziales des Landes Berlin vereinbarte die Beklagte unter dem 21. Juli 2003 eine Leistungsbeschreibung für Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung - Leistungspflicht II gem. § 93 BSHG (Dieser Vorschrift entspricht seit dem 1. Januar 2005 § 75 Abs. 3 SGB XII). In ihr sind Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen der Beklagten beschrieben. Art der Leistung ist danach die Eingliederungshilfe. Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung, die in betreuten Wohngemeinschaften leben, haben Anspruch auf Maßnahmen der Eingliederungshilfe gem. §§ 39/40 BSHG, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Betreuung in Wohngemeinschaften ist danach eine ambulante (sozial-)pädagogische Hilfe zum selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Eine betreute Wohngemeinschaft ist eine Form des Zusammenlebens von vier bis sechs - in Ausnahmefällen bis zu sieben - behinderten Menschen, die die Möglichkeit für einen befristeten als auch für einen unbefristeten Aufenthalt der Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderungen zulässt. Das Betreuungsangebot besteht für erwachsene Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung beiderlei Geschlechts. Weiter heißt es:

"2.2 Art und Umfang des Betreuungsbedarfs

Es werden Angebote für Menschen mit Behinderungen vorgehalten, deren Betreuungsbedarf Leistungen der

- Information, Assistenz und Hilfestellung

- der stellvertretenden Ausführung / Begleitung

umfasst und die keine Betreuung rund um die Uhr benötigen. In Teilbereichen liegen häufig auch Bedarfe an intensiver Förderung / Anleitung und umfassender Hilfestellung vor.

Häufig ist mittelfristig eine Verselbständigung durch geeignete pädagogische Angebote möglich. Es können jedoch aufgrund der Art und Schwere der Behinderung in verschiedenen Hilfebereichen auch dauerhaft Hilfeleistungen erforderlich bleiben.

Der Personenkreis hat einen kontinuierlichen Bedarf an pädagogischen Hilfen in vielen der Aktivitäts- und Hilfebereiche. Eine täglich mehrstündige Betreuung ist erforderlich.

Der Leistungstyp umfasst die Hilfebedarfsgruppen I - IV.

In der Regel liegt eine externe Tagesstruktur vor.

Wenn bei Mehrfachbehinderungen auch eine seelische Behinderung gegeben ist, muss die geistige und/oder körperliche Behinderung im Vordergrund stehen.

Nicht enthalten in dieser Leistung sind Hilfen zu täglichen Verrichtungen, auf die ggf. einzelne Bewohner einen Anspruch nach § 14 SGB XI haben.

3. Ziel der Leistung

3.1 Normalisierung und Selbstbestimmung

Orientiert am Normalisierungsprinzip sollen Wohngemeinschaften Menschen mit Behinderung eine Wohnmöglichkeit bieten, wo sie die erforderlichen Hilfen erhalten, um möglichst weitgehend selbstbestimmt leben zu können.

3.2 Leben in der Gemeinschaft

Ziel der Betreuungsarbeit in Wohngemeinschaften ist vor allem, den Menschen mit Behinderung ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend zu einer größtmöglichen Selbständigkeit zu verhelfen und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu unterstützen.

4. Inhalt und Umfang der Leistung

4.1 Betreuung als ein geplanter Prozeß

Aufbauend auf den Kompetenzen des einzelnen Menschen mit Behinderung sowie unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstands und seines Hilfebedarfs in den verschiedenen Lebensbereichen wird der Prozess der Betreuung geplant und begleitet.

Gezielte, spezielle Förderangebote, die sich nach den individuellen Bedürfnissen des einzelnen behinderten Bewohners, der einzelnen Bewohnerin mit Behinderung richten, werden in Hilfeplänen detailliert beschrieben.

4.2 bedarfsgerechte Hilfen

Aus den Zielen der Betreuungsarbeit ergeben sich mit individuell unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, Intensität und Dauer Angebote der Information, Assistenz und Hilfestellung sowie der stellvertretenden Ausführung, der Begleitung, der intensiven Förderung / Anleitung und umfassenden Hilfestellung

- zum Erwerb bzw. Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten im persönlichen und lebenspraktischen Bereich, mit dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit des Bewohners, der Bewohnerin bei der alltäglichen Lebensführung und der individuellen Basisversorgung

- zur persönlichen Lebensgestaltung sowie zur Entwicklung und Erfüllung individueller Bedürfnisse

- zur Gestaltung sozialer Beziehungen innerhalb und außerhalb der Wohngemeinschaft,

- zur Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben,

- zur Kommunikation und Orientierung

- zur Förderung der emotionalen und psychischen Entwicklung

- bei der Gesundheitsförderung und -erhaltung (z.B. Sorge für regelmäßige ärztliche und zahnärztliche Versorgung, Sicherstellung der notwendigen therapeutischen Versorgung, Begleitung zu Ärzten und Therapeuten, Unterstützung bei der Einnahme der verordneten Medikamente, pflegerische Assistenz etc.),

- bei der Förderung in Arbeit oder Beschäftigung,

- bei der Freizeitgestaltung und bei Reisen, sowohl bei gemeinschaftlichen als auch individuellen Aktivitäten,

- bei Behördengängen, Arztbesuchen, persönlichen Besorgungen.

Der Träger gewährleistet die Realisierung von Leistungen nach SGB XI, soweit ein Anspruch besteht und diese durch externe Anbieter erbracht werden."

Unter Punkt 4.3 heißt es:

"Den Bewohnern und Bewohnerinnen einer Wohngemeinschaft ist eine angemessene Mitwirkung in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten bei der Betreuung und Förderung einzuräumen. Eltern bzw. den gesetzlichen Betreuern/Betreuerinnen der Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderung ist eine angemessene Mitwirkung zu ermöglichen."

Gem. Punkt 4.4 sind Dokumentationen der Arbeiten in allen wesentlichen Punkten vorzunehmen. Nach Punkt 4.6 ergeben sich die Einzelheiten zur geplanten Ausgestaltung der Betreuungsleistungen für eine Wohngemeinschaft aus der Konzeption, die vom Träger zu erstellen und mit der Fachabteilung der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung abzustimmen ist. In der für die WG 15 erstellten Konzeption heißt es: "1.1 Art und Ziel des Angebots

Die Wohngemeinschaft 15 der L gGmbH ist eine teilbetreute Wohngemeinschaft für erwachsene Menschen mit vorwiegend geistiger Beeinträchtigung und hat vier Wohnplätze. Es besteht die Möglichkeit sowohl eines befristeten als auch eines unbefristeten Aufenthaltes. Die Betreuung in der Wohngemeinschaft ist eine ambulante sozialpädagogische Hilfe zum selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.

Ziel der Betreuungsarbeit im Bereich der Wohngemeinschaften ist es, anknüpfend am Hilfebedarf des/der Einzelnen, jede(n) Betreute(n) bei der Führung eines möglichst selbstbestimmten Lebens individuell zu unterstützen.

Gleichzeitig wird durch dieses Wohnangebot die Integration in das gesellschaftliche Leben gefördert.

Das Leben in einer Wohngemeinschaft gilt als ambulante Maßnahme der Eingliederungshilfe. Jede/r BewohnerIn, die/der sich nicht durch sein Vermögen oder das seiner/ihrer Eltern selbst unterhalten kann, erhält Hilfe zum Lebensunterhalt durch das zuständige Sozialamt. Miete und Betreuungskosten werden ebenfalls, sofern Bedürftigkeit vorliegt, übernommen.

...

2.1 Beschreibung der Zielgruppe

Die Wohngemeinschaft 15 der L gGmbH ist eine teilstationär betreute Wohneinrichtung für erwachsene Menschen mit vorwiegend geistiger Beeinträchtigung. Die Wohnplätze stehen für Menschen zur Verfügung, die auf regelmäßige, vor allem pädagogische und lebenspraktische Hilfen angewiesen sind, jedoch keine Betreuung rund um die Uhr oder ständige Pflege benötigen.

Begleitende Ursachen für den Hilfebedarf können neben der geistigen Behinderung sein:

- Behinderung durch soziale Umstände

- Sprachbehinderung

- psychische Probleme und/oder psychische Erkrankung

- Sinnesbehinderungen

- Anfallsleiden

- chronische Erkrankungen

- Körperbehinderungen

- Verhaltensauffälligkeiten

Das Altersspektrum der Bewohner/innen ist lediglich durch das Mindestalter, in der Regel 18 Jahre, nach unten begrenzt. Wir achten darauf, dass das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Männern und Frauen möglichst ausgeglichen ist. Eine weitere Voraussetzung, die der/die Bewerber/in erfüllen sollte, ist die Anspruchsberechtigung nach § 39/40 BSHG.

Die BewohnerInnen sollten möglichst einer Beschäftigung nachgehen oder dieses anstreben. Sie sollten morgens, eventuell nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, ohne Hilfe der BetreuerInnen zurecht kommen, das bedeutet alleine aufstehen, sich Frühstück machen und zur Arbeit gehen können. Ganz wichtig ist auch die Bereitschaft, in einer Gruppe leben zu wollen, Betreuung anzunehmen und sich an der Organisation des gemeinsamen Haushalts zu beteiligen.

Die Bewohner/innen der Wohngemeinschaft kommen entweder aus ihren Familien oder aus anderen Einrichtungen. Einige haben eine gesetzliche Betreuung, andere nicht.

...

3. Beschreibung der Leistungen, Angebote und Methoden

...

Das Betreuungsprinzip ist: Hilfestellung oder stellvertretende Ausführung nur da, wo unbedingt notwendig, stattdessen alltagsbegleitendes Lernen, das von Ermutigung und Motivation, konkreter praktischer Anleitung, Einüben und Hilfestellung, über die bewusste Organisation oder Gestaltung von Lernsituationen, bis hin zu Strukturierung und Kontrolle durch die BetreuerInnen reichen kann.

Dazu gehört auch die Förderung von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten und die Stärkung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewusstseins über das Leben in der Wohngruppe und die persönliche Auseinandersetzung mit den MitbewohnerInnen und BetreuerInnen. Außer der konkreten praktischen Anleitung und Hilfestellung oder der Unterstützung in Form von Begleitung bei Einkäufen, Arztbesuchen, Freizeitaktivitäten o.ä. kommen Gruppengesprächen, vor allem aber auch Einzelgesprächen eine besondere Bedeutung zu.

...

Wir bieten Förderung in Form von Anleitung, Hilfestellung, Unterstützung und Beratung u.a. in folgenden Bereichen an:

3.2 Alltägliche Lebensführung

- Anleitung und Hilfestellung bei der Zubereitung von Haupt- und Zwischenmahlzeiten, der Planung und Durchführung des Lebensmitteleinkaufs, der Wäschepflege, bei der Gestaltung und Reinigung des eigenen Zimmers und der gemeinsam genutzten Räume u.a.m. Die Teilnahme an der gemeinsamen Haushaltsführung wie Einkaufen, Kochen, Küchendienst, Saubermachen usw. ist für alle BewohnerInnen verbindlich.

- Hilfestellung und Unterstützung beim Umgang mit Geld, z.B. in Form von Einteilung des monatlich zur Verfügung stehenden Taschengeldes bei Bedarf, bei der Führung des eigenen Kontos, auf dem alle Einnahmen wie Sozialhilfe, Lohn, Bekleidungsgeld usw. eingehen und alle Ausgaben wie Miete, Lebenshaltungskosten u.a. per Überweisung geleistet werden u.a.m.

- Hilfe und Unterstützung beim Umgang mit Institutionen, wie z.B. Hilfen bei der Beantragung persönlicher und finanzieller Hilfen nach dem BSHG, die stellvertretende Erledigung oder gegebenenfalls Weiterleitung von Behördenangelegenheiten oder die Begleitung zu Terminen bei Ämtern u.a.m.

- Zusammenarbeit mit den gesetzlichen BetreuerInnen

- Begleitung und Beratung bei Einkäufen wie z.B. Bekleidung, kleinere und größere Anschaffungen usw.

3.3 Individuelle Basisversorgung ...

3.4 Gestaltung sozialer Beziehungen ...

3.5 Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben ...

3.6 Kommunikation und Orientierung ...

3.7 Emotionale und psychische Entwicklung ...

3.8 Gesundheitsförderung und -erhaltung ...

3.9 Umgang mit Krisen ...

3.10 Umgang mit Süchten ..."

Unter Punkt 5 "Organisation der Versorgung" heißt es:

"5.2 Haushaltsführung

Was die finanzielle Haushaltsführung betrifft, beteiligt sich jede/r BewohnerIn anteilig an den Haushaltskosten der Wohngemeinschaft und zahlt am Monatsanfang einen festgesetzten Betrag auf das Haushaltskonto der WG ein. Die Gruppenkasse wird von den BetreuerInnen verwaltet, Einnahmen und Ausgaben werden transparent dokumentiert.

Die Teilnahme an hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Einkaufen, Zubereiten von warmen Mahlzeiten, Küchendienst, Wäsche waschen, Reinigung der gemeinsam genutzten Räume usw. ist für alle BewohnerInnen verbindlich. Die BetreuerInnen geben dabei individuelle Hilfestellung mit dem Ziel, dass die BewohnerInnen so selbständig wie möglich werden können, statt versorgt zu werden. Falls notwendig, werden Arbeiten, die die BewohnerInnen nicht alleine ausführen und nicht lernen können, stellvertretend erledigt. Die Organisation des Haushalts, die Verteilung der Aufgaben u.a.m. werden auf der wöchentlich stattfindenden Bewohnerbesprechung besprochen. ...

6. Regeltagesablauf

In der Wohngemeinschaft 15 gibt es keine für alle verbindlichen Aufsteh-, Schlafens- oder Essenszeiten, sondern jede/r strukturiert seinen Tagesablauf nach individuellen Terminen wie Arbeitszeit, Verabredungen, Elternbesuche, Besuch eines Freizeitclubs, Arzttermine u.a.m. Dennoch findet viel Gruppenleben statt z.B. nach der Arbeit zusammensitzen und miteinander reden, gemeinsames Abendessen in der Woche, gemeinsames Mittagessen am Wochenende, die wöchentlich stattfindende Bewohnerbesprechung, bei der die Woche geplant und strukturiert wird, Aufgaben und Dienste verteilt und Probleme besprochen werden. Am Wochenende werden von den BetreuerInnen Aktivitäten angeboten wie Kino- und Theaterbesuche, Spaziergänge, Besuch von Veranstaltungen, Tagesausflüge, Schwimmen gehen usw., je nach Bedürfnissen und Interessen der BewohnerInnen. Einige BewohnerInnen besuchen regelmäßig die L-Disco und die Bewohnerdelegiertenbesprechung des WG-Bereichs der L.

Verbindlich für alle ist die Teilnahme an hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Einkaufen, Kochen, Küchendienst, Putzen der Gemeinschaftsräume u.a.m. Diese werden in der Regel in der Woche an bestimmten Tagen mit individueller Unterstützung und Hilfestellung der BetreuerInnen erledigt.

6.1 Tabellarische Darstellung eines Regeltagesablaufs

 5 Uhr - 7 UhrAufstehen, Frühstück machen, zur Arbeit gehen
 Am Wochenende wird von ca. 11 Uhr bis 13 Uhr gekocht, danach meistens mit allen, die Lust dazu haben, etwas unternommen wie Kaffeetrinken gehen, Museums- oder Kinobesuch, Spazierengehen, andere WGs besuchen u.v.a.m.
ab 15.45 UhrFeierabend - in der WG mit den BetreuerInnen und MitbewohnerInnen zusammensitzen, sich entspannen, Kaffee trinken, sich unterhalten, Tageserlebnisse austauschen
ab ca. 16.15 UhrErledigung von Aufgaben und Ämtern wie Küchendienst, Einkaufen gehen, Zimmer aufräumen u.a.m.
 Wahrnehmung von z.B. Arztterminen, Verabredung mit den BetreuerInnen zu besonderen Einkäufen, Einzelgesprächen usw.
ca. 18.30 Uhr gemeinsames Abendessen
ab ca. 19.00 UhrFernsehen, Musik hören, Freund besuchen u.a.m.

6.2 Betreuungszeiten

Grundsätzlich wird der Dienstplan und die Anwesenheit der BetreuerInnen in der WG bedarfsgerecht und flexibel gestaltet, z.B. bei Urlaub oder Arztterminen der Bewohnerinnen.

Unsere Kernarbeitszeit liegt in den Nachmittags- und Abendstunden, zwischen 13 und 19 Uhr. Zusammenhangsarbeiten wie administrative Aufgaben, Teamsitzungen, Supervision, Kontakte zu Angehörigen und gesetzlichen BetreuerInnen u.a.m werden wenn möglich in den Zeiten erledigt, in denen die BewohnerInnen nicht anwesend sind.

Es gibt keine BezugsbetreuerInnen und keine Nachtwache.

..."

Unter Punkt 7 "Personal" heißt es, dass in der WG 15 eine Diplompädagogin und ein Erzieher arbeiten, die beide langjährige Erfahrung in der Wohngruppenbetreuung von Menschen mit geistiger Behinderung und/oder psychischer Beeinträchtigung haben und dass anteilig zu jeder Wohngemeinschaft eine Verwaltungskraft und eine Leitung gehört, der die Dienst- und Fachaufsicht obliegt.

In Punkt 9.2 "Dienstbesprechungen" ist geregelt, dass einmal pro Woche eine Teambesprechung stattfindet, in der alle inhaltlichen, organisatorischen und pädagogischen Fragen besprochen, geklärt und geplant werden. Ungefähr alle sechs Wochen oder bei Bedarf nimmt die Leitung an diesen Besprechungen zur inhaltlichen Abstimmung, Zielvereinbarung und Beratung teil.

In der Stellenbeschreibung für "ErzieherInnen mit staatlicher Anerkennung oder sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben" heißt es: "8.1. Pädagogische/Organisatorische Aufgaben Der/die Stelleninhaber/in

8.1.1. stellt eine angemessene Ernährung, ggf. Diät, für Menschen mit Behinderung sicher,

8.1.2. gibt den Menschen mit Behinderung die individuell notwendige Unterstützung bei der Körperpflege

8.1.3. erledigt Einkäufe und Besorgungen für die Gruppe und bezieht individuell die behinderten Menschen mit ein,

8.1.4. führt Reinigungs- und hauswirtschaftliche Arbeiten in seiner/ihrer Gruppe aus

8.1.5. beobachtet den Gesundheitszustand der Menschen mit Behinderung und veranlasst in Krankheitsfällen eine ärztliche Untersuchung, begleitet sie erforderlichenfalls zum Arzt,

8.1.6. veranlasst jährlich eine zahnärztliche sowie die Krebsvorsorgeuntersuchung,

8.1.7. verabreicht Medikamente bzw. überwacht die Einnahme von Medikamenten nach ärztlicher Anordnung und dokumentiert diese,

8.1.8. übernimmt bei chronischen, nicht übertragbaren Erkrankungen der Menschen mit Behinderung, deren Versorgung, soweit es keine Erkrankungen sind, die einen Krankenhausaufenthalt erfordern,

8.1.9. stellt den Bedarf der Menschen mit Behinderung an Hilfsmitteln fest, gibt diesen weiter zwecks Beantragung an die zivilrechtlichen Betreuer und leistet Hilfe bei der praktischen Umsetzung der Versorgung,

8.1.10. gibt Anregung und Hilfestellung zu einer individuellen und gemeinsamen Freizeitgestaltung, ermöglicht die Teilnahme am öffentlichen Leben, z.

B. plant und beantragt Gruppen- und ggf. Einzelreisen, begleitet die Menschen mit Behinderung bei Bedarf zu individuellen Zielorten, geht mit ihnen spazieren, zum Sport;

8.1.11. organisiert die Beförderung der behinderten Menschen zu Arbeits- und Beschäftigungsstellen sowie zu individuellen Zielorten nach Bedarf.

8.1.12. nimmt die Aufsichtspflicht für die Menschen mit Behinderung in seinem/ihrem Aufgabenbereich wahr."

Unter Punkt 8.3. "Pädagogik/konzeptionelle Arbeit" heißt es, dass der Stelleninhaber die Konzeption durch ein Höchstmaß an qualifizierter Arbeit umzusetzen habe und gemeinsam mit den Teamkollegen/innen eine Gruppenkonzeption erstelle, die auf das Konzept der Einrichtung abzustimmen sei, und diese weiterentwickele. Punkt 8.4. "Administrative Aufgaben" regelt: "Der/die Stelleninhaber/in ...

8.4.3. erstellt und verwaltet den Gruppenetat zweckentsprechend

8.4.4. verwaltet und rechnet den monatlichen Barbetrag der BewohnerInnen ab

8.4.5. beantragt und rechnet Bekleidungsgelder ab

8.4.6. führt ein Kassenbuch"

Unter Punkt 13. "Entscheidungskompetenzen des/der Stelleninhaber/in" heißt es in Punkt 13.5. "Wahrnehmung der Aufsichtspflicht für die behinderten Menschen im Aufgabenbereich".

Zwischen der Beklagen und den Bewohnern wird jeweils ein Formularvertrag "für einen Wohnplatz in einer Wohngemeinschaft" und ein formularmäßiger Nutzungsvertrag (Untermietvertrag) für Wohngemeinschaften vereinbart. In § 1 Ziffer 2 des Wohnplatzvertrages sind die Leistungen der Beklagten aufgeführt. In § 9 ist vereinbart, dass sich die Vertragspartner den Grundsätzen für Wohneinrichtungen der Beklagten in ihrer jeweiligen aktuellen Fassung verpflichtet fühlen und sich bemühen, diese anzustreben. § 8 regelt, dass die Fachgebietsleitung aus pädagogischen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen und sozialen Gesichtspunkte einen Umzug veranlassen kann. Hierbei werden nach Möglichkeit die Wünsche des/der Bewohners/in berücksichtigt.

In einer formularmäßigen Anlage zu § 2 des Vertrages für Wohngemeinschaften ist zwischen dem Bewohner und der Beklagten die Höhe des einzuzahlenden Haushaltsgeldes vereinbart.

Der Kläger macht rückständige Zulagen für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2006 geltend und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. Februar 2006 die streitige Heimzulage zu zahlen.

Der Kläger ist der Ansicht, die WG 15 sei eine einem Heim vergleichbare Einrichtung im Sinne der Protokollnotiz. Bereits aus der Konzeption der WG 15 ergebe sich, dass bestimmte Regeln und eine bestimmte Konzeption einzuhalten seien. Diese seien auch verbindlich. Auf Grund ihrer Behinderungen seien die Bewohner nicht in der Lage, eigene Regeln aufzustellen und ihr Leben selbst zu bestimmen. Die zusätzlich von allen zu beachtenden Regeln seien:

- Alkoholverbot bis 19 Uhr

- Rauchverbot in den Gemeinschaftsräumen

- vorherige Anmeldung neuer Besucher bei den Betreuern

- Übernachtungsbesuch nur nach vorherigem Kennenlernen und nach Absprache mit den Betreuern

- Haushaltsdienste an festgelegten Wochentagen

- Zuteilung des Taschengeldes durch den Betreuer

Weitere individuelle Regeln für einzelne Bewohner seien

- sofortige Rückkehr nach der Arbeit in die WG bzw. Meldepflicht bei Verspätungen

- tägliches Duschen

- tägliches Wechseln der Unterwäsche

- Anwesenheit in der WG spätestens ab 22 Uhr

Die Betreuer seien gehalten, ihre private Telefonnummer in der WG zu hinterlassen, die von Bewohnern angerufen werde, wenn jemand etwa nachts nicht zu einer bestimmten Uhrzeit zurückkomme.

Die Bewohner bedürften auf Grund der Behinderungen einer hinreichenden Kontrolle, Motivation und Strukturierung. Nur weil sich im Laufe der Jahrzehnte eine konzeptionelle und pädagogische Fortentwicklung der Behindertenarbeit ergeben habe, indem statt der historisch begründeten Vorstellung eines Heimes nunmehr ein liberales und modernes Leitbild die Arbeit bestimme, entfalle nicht der Anspruch auf die Heimzulage. Weil Tagesstrukturen, Regeln und Konfliktlösungsmechanismen nicht mehr autoritativ durchgesetzt würden, seien die Belastungen für die dort Beschäftigten nicht geringer.

Die Bewohner der WG 15 seien auf Grund teilweise fehlender Kritikfähigkeit und ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage, sich mit Konflikten konstruktiv auseinanderzusetzen bzw. diese sogar selbst zu lösen. Deshalb würden die Konflikte in der Regel immer an die Betreuer herangetragen, um sie zu lösen. In Gesprächen mit den Beteiligten würden dann Lösungsmöglichkeiten durch den Betreuer erarbeitet.

Die typischen belastenden Konflikte zwischen den wechselseitigen Ansprüchen der Behinderten im Sinne eines gedeihlichen Zusammenlebens zu vermitteln und die Strukturen im Sinne der Gesamtkonzeption aufrechtzuerhalten, seien die permanenten Anforderungen an den Kläger. Dieses entspreche wesentlich eher den Belastungen in einem Heim als bei Besuchen von zu Betreuenden in ihrer Wohnung, um mit ihnen Termine zu verabreden sowie Ratschläge und Hilfestellungen zu geben.

Ziel der Betreuung in der WG 15 sei eine Selbständigkeit der Abend- und Freizeitgestaltung bzw. der selbständigen Planung von Aktivitäten. Dieses Ziel entspreche aber nicht der erreichten Realität. Entscheidend sei, ob das Leben in der WG 15 eher von den Betreuern oder von den Bewohnern bestimmt werde.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.963,24 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.771,49 Euro seit dem 6. November 2005 und auf einen Betrag von 191,75 Euro seit dem 6. April 2006 zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklage verpflichtet ist, an ihn seit dem 1. Februar 2006 die Zulage nach dem ersten Halbsatz der Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Wohngemeinschaften seien keine Einrichtungen, die mit einem Heim vergleichbar seien. Die Bewohner seien keiner fremdbestimmten Ordnung unterworfen. Die Konzeption und die Leistungsbeschreibung stellten lediglich Betreuungsmöglichkeiten dar, die nicht sämtlich verwirklicht seien. In weiten Teilen beschreibe das Konzept lediglich die tatsächliche Situation wie etwa die finanzielle Beteiligung an der Haushaltsführung. Die Verwahrung des Geldes durch den Betreuer sei nur ein Angebot der Beklagten. Die Wohngemeinschaft könne andere Regelungen treffen. In der Konzeption seien nur allgemeine akzeptierte Grundbedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens wiedergegeben. Ziel der Arbeit sei die Normalisierung, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Integration der Behinderten. Die Bewohner seien auch tatsächlich fähig, den Anforderungen an ein Leben, das sich durch ein gesteigertes Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung auszeichne, gerecht zu werden. Die Betreuer sollten diesen schwierigen Prozess unterstützen, ohne ihn zu bestimmen. Vorgaben zur persönlichen Lebensführung gebe es nicht. Die Bewohner gingen seit Jahren einer Beschäftigung nach und verbrächten den Großteil des Tages ohne Betreuung. Sie seien zu tiefgehenden, jahrelangen Beziehungen in der Lage. Sie könnten auch einfachste Regeln für den täglichen Umgang und die Haushaltsführung aufstellen und einen Haushalt organisieren. Wenn die Bewohner wie alle Menschen im Zuge des Zusammenlebens Konflikte und Probleme zu bewältigen hätten, könne ihnen dadurch nicht ein selbstbestimmtes Leben abgesprochen werden. Die vom Kläger behaupteten Regeln entsprächen dem Maß dessen, was ohnehin für alle am gesellschaftlichen Leben teilnehmenden Menschen gelte. Die Bewohner gestalteten ihren Tagesablauf frei. Wenn ein Bewohner nicht zur Arbeit gehen wolle und sich auch nach Hilfe des Betreuers weiterhin weigere, sei das seine autonome Entscheidung. Der Betreuer habe weder die Aufgabe noch die Mittel zur Sanktionierung. Die Entscheidungen der Bewohner seien auch im Hinblick auf den Umgang und die Verwendung von Geld autonom. Soweit die Beklagte hierbei Aufgaben übernehme, geschehe dies auf Grund vertraglicher Regelung. Dienstpläne gebe es nicht. Sie seien auch nicht vom Kläger zu überwachen. Der Betreuer habe Absprachen zu fördern, weil diese üblich und notwendig seien. Die Bewohner seien aber grundsätzlich frei in der Entscheidung, wann sie sich wo aufhielten und wann sie die Wohngemeinschaft aufsuchten und verließen. Auch das Mitbringen von Besuch stehe ihnen uneingeschränkt frei. Wenn die Betreuer über bestimmte außergewöhnliche Abwesenheiten informiert würden, sei dies Folge ihres Fürsorgeauftrags. Diesen hätten die Betreuer im Rahmen ihrer Unterstützungsleistungen wahrzunehmen. Eine Überwachung stelle dies nicht dar. Die Beklagte habe eine klare Anweisung erteilt, dass die Betreuer keine eigenen Ordnungsvorschriften oder Regeln in den Wohngemeinschaften erlassen dürften. Dies widerspreche den in der Konzeption festgelegten Prinzipien. Sofern die Bewohner eine Ordnung aufstellen wollten, könnten sie dies tun. Sofern die Betreuer ihre Aufgaben in der Wohngemeinschaft anders interpretierten, sei dies rechtlich unerheblich. Ihre Aufgaben seien ausschließlich durch die Stellenbeschreibung festgelegt. Die genannte Aufsichtspflicht beziehe sich auf die der Beklagten obliegende Fürsorgepflicht. Der Betreuer habe bei auftretendem Pflegebedarf externe Hilfe einzuschalten. Es bestehe auch die Aufgabe, die Bewohner vor Verwahrlosung zu schützen. Wenn ein Bewohner nicht die für ein Leben in der Wohngemeinschaft erforderliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit besitze, sei ein Wechsel in eine andere Einrichtung zu prüfen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger erfülle alle Voraussetzungen für den Bezug der Heimzulage, da die von ihm betreute Wohngemeinschaft eine vergleichbare Einrichtung im Sinne der Protokollnotiz sei. Die Unterbringung der Bewohner diene mindestens einem Erziehungszweck. Es könne dahinstehen, ob sie auch einem pflegerischen Zweck diene. Zur Erziehung gehörten alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungs-(Entwicklungs-)Vorgang beeinflussten. Erziehung sei nicht nur gegenüber Kindern und Jugendlichen möglich. Wenn der Kläger den Bewohnern so viel Unterstützung wie nötig bei so wenig Einflussnahme wie möglich anzubieten habe, um so bei den geistig behinderten Menschen die Entwicklung eines Höchstmaßes an Kompetenz zu fördern, diene dies auch unter dem Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe dem Entwicklungsvorgang sowie der Bildung der Entscheidungsfähigkeit und damit der Erziehung der behinderten Menschen. Die Wohngemeinschaft sei einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim vergleichbar. Wenn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf abstelle, dass ein Heim dadurch gekennzeichnet sei, dass die dort in der Regel in größerer Zahl lebenden Menschen in eine nicht durch sie selbst sondern typischerweise durch die Heimleitung gesetzte Ordnung eingebunden seien, die darauf gerichtet sein müsse, die mit der ständigen Unterbringung verfolgten Zwecke zu verwirklichen, verkenne dies, dass die Tarifvertragsparteien bei der Formulierung der Protokollnotiz Nr. 1 nicht auf das Vorliegen einer fremdbestimmten Ordnung abgestellt hätten und dieser Begriff auch nicht geeignet sei, die Vielfältigkeit der Organisationsformen der Betreuung und Erziehung in der heutigen Zeit abschließend zu kategorisieren. Die Beklagte bemühe sich zwar, ohne vorgegebene Ordnung im klassischen Sinne die Wohngemeinschaften zu organisieren, dies sei aber auf Grund der beschränkten Fähigkeiten der Bewohner jedenfalls in der WG 15 gar nicht möglich. Sowohl die Konzeption wie auch der Vertrag für einen Wohnplatz und die Stellenbeschreibung des Klägers enthielten gewisse Ordnungselemente bzw. setzten diese voraus. Um eine klassische Heimordnung handele es sich allerdings nicht. Allerdings sei für alle Bewohner die Teilnahme an hauswirtschaftlichen Arbeiten verbindlich und diese Aufgaben seien in der Regel in der Woche an bestimmten Tagen mit individueller Unterstützung und Hilfestellung der Betreuer zu erledigen. Aufgabe des Klägers sei es, die Konzeption entsprechend seiner Stellenbeschreibung mit einem Höchstmaß an qualifizierter Arbeit umzusetzen. Wenn er dabei keine klassischen Sanktionen sondern "pädagogische Tricks" anwende, sei dies Teil der qualifizierten Arbeit des Klägers. Dies sei ein Ordnungselement für das Zusammenleben. Auch das Einzahlen der Haushaltskosten auf ein Konto und die Verwaltung der Gruppenkasse durch die Betreuer und die Dokumentation der Einnahmen und Ausgaben stellten Ordnungselemente dar. Selbst wenn der Maßnahme eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liege, gehe dies deutlich über beispielsweise die Verwalterpflichten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft hinaus. Die Bewohner hätten sich zudem verpflichtet, die Grundsätze für Wohneinrichtungen anzuerkennen und sich zu bemühen, diese anzustreben. Die Beklagte habe sich Sanktionen in § 8 des Wohnplatzvertrages vorbehalten, indem dort vereinbart sei, dass die Fachgebietsleitung aus pädagogischen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen einen Umzug des Bewohners veranlassen könne. Wenn aber ein Puzzle verschiedener Ordnungselemente keine klassische Heimordnung ergebe, müsse ein anderes Kriterium für die Annahme eines Heimes gesucht werden. Die Geschichte der Vorschrift spreche dafür, dass die Tarifvertragsparteien ab dem 1. Januar 1991 den früher engeren Anwendungsbereich der Protokollnotiz hätten erweitern wollen und damit anerkannt hätten, dass es zwischen klassischer Heimerziehung einerseits und dem betreuten Einzelwohnen andererseits mittlerweile auch Wohnzwischenformen gebe, die ebenfalls eine erhebliche zusätzliche Belastung für das pädagogische Personal darstellten. Der gewählte offene Begriff habe den Anwendungsbereich der Protokollnotiz auch auf zukünftige Änderungen der Betreuungsformen ausdehnen wollen. Das klassische Heim sei zweifelsfrei unter die Protokollnotiz zu subsumieren, das echte betreute Einzelwohnen sei dies nicht. Wenn die Zulagenberechtigung davon abhänge, dass "überwiegend" die besondere Klientel in der Wohnform untergebracht sein müsse, müssten es zwangsläufig mindestens zwei Bewohner sein. Auch greife beim betreuten Einzelwohnen der Zweck der Heimzulage nicht ein. Die Wohngemeinschaften hingegen seien Teil eines Einrichtungsganzen, das in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht der Beklagten als Einrichtungsträger zugeordnet werden könne, die die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Hilfebedürftigen übernehme. Damit sei der Charakter der Wohngemeinschaft eher einem Heim vergleichbar als dem betreuten Einzelwohnen. Es sei nicht glaubhaft, wenn die Beklagte behaupte, dass die Bewohner selbst für ihre tägliche Lebensführung verantwortlich seien. Es sei nämlich sonst nicht plausibel, dass zwei Betreuungskräfte ausschließlich für vier Bewohner eingesetzt würden. Auch die überreichten Unterlagen zeigten, dass die Gesamtverantwortung bei der Beklagten liege. Die Bewohner könnten beispielsweise im Hinblick auf eine grob fahrlässige Vernachlässigung der Aufsichtspflicht selbst kündigen oder bei Fehlverhalten von der Beklagten in eine andere Einrichtung "versetzt" werden. Der Zweck der Heimzulage bestätige dies. Mit der Zulage sollten zusätzliche Belastungen ausgeglichen werden, die im Gegensatz zum betreuten Einzelwohnen oder in einer ambulanten Einrichtung in einer Dauerwohngruppe anfielen. Auch in einer Wohngemeinschaft könnten Konfrontationen und Konflikte durch das Zusammenleben der Bewohner entstehen. Die Tarifvorschrift enthalte kein quantitatives Moment.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis und weiten Teilen der Begründung stand.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Heimzulage. Die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II G der Anlage 1a zum BAT sind erfüllt.

1. Der Kläger ist als Angestellter im Sozial- oder Erziehungsdienst tätig, wenn er in einer Wohngemeinschaft mit überwiegend behinderten Menschen iSd. § 39 BSHG bzw. § 53 SGB XII arbeitet. Die dort wohnenden Menschen sind auch zum Zwecke der Erziehung ständig untergebracht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet "Erziehen" jemandes Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden Bd. 3 Stichwort "Erziehen"). Synonyme des Begriffs aus dem sprachlichen Alltag sind: "leiten, anleiten, ausbilden, anlernen, einweisen, einführen, vorbereiten, vorbilden, schulen, unterrichten, lehren, bilden, belehren, unterweisen, beleuchten, weisen, anweisen, erklären, aufklären, einprägen, einschärfen, beibringen" (Bauer Lexikon des Sozial- und Gesundheitswesens 2. Aufl. Bd. 1 Stichwort "Erziehen"). Unter Erziehung kann verstanden werden die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen, mündigen Menschen, wobei unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden wird, selbständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erziehung erfasst damit alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungsvorgang (Entwicklungsvorgang) beeinflussen. Zur Erziehung gehören außer der - regelmäßig im Wege des Unterrichts dargebotenen - Wissensvermittlung die Willensbildung und die Charakterbildung (Wissensbildung; Tätigkeiten, die darauf zielen, dass sich der Erzogene selbst zu sehen und zu beurteilen lernt; Bildung der Entscheidungsfähigkeit; das Lernen, Entscheidungen als rationale Akte zu steuern, Folgen zu bedenken usw.) (BFH 21. November 1974 - II R 107/68 - Rn. 8, BFHE 115, 64). Erziehung kann auch gegenüber Erwachsenen stattfinden; auch diese können in ihrer Persönlichkeit noch geformt und ihre Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter gefördert werden (vgl. BAG 9. Dezember 1992 - 7 ABR 3/92 - für die Frage des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG). Erziehung im engeren Sinne ist die im praktischen Umgang durch Einwirkung, Übung und Gewährung bewirkte innere Formgebung des Charakters. Dem steht es inhaltlich gleich, wenn unter "erziehen" die Bildung und Entwicklung von Geist und Charakter verstanden wird (BAG 2. April 1981 - 2 AZR 963/78 -).

Dem entsprechen die selbst gesetzten Ziele der Beklagten, die sie beispielsweise in der mit dem Senat des Landes Berlin vereinbarten Leistungsbeschreibung niedergelegt hat. Hier ist in Ziff. 2.2 von einer mittelfristigen Verselbständigung durch geeignete pädagogische Angebote die Rede. Der Personenkreis habe einen kontinuierlichen Bedarf an pädagogischen Hilfen in vielen der Aktivitäts- und Hilfebereiche. Damit beschreibt die Beklagte ihr Angebot als pädagogisch, dh. die Erziehung betreffend. Als Ziel der Leistung wird Normalisierung und Selbstbestimmung genannt sowie das Leben in der Gemeinschaft, wonach Menschen mit Behinderung ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend zu einer größtmöglichen Selbständigkeit verholfen werden soll und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft unterstützt werden sollen. Dabei ist die Betreuung ein geplanter Prozess, der in Hilfeplänen individuell detailliert beschrieben wird. Es soll dabei Hilfestellung geleistet werden zum Erwerb bzw. zum Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten im persönlichen und lebenspraktischen Bereich, mit dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit der Bewohner bei der täglichen Lebensführung und der individuellen Basisversorgung. Es soll Förderung/Anleitung und umfassende Hilfestellung zur Gestaltung sozialer Beziehungen innerhalb und außerhalb der Wohngemeinschaft gegeben werden, weiterhin zur Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, zur Kommunikation und Orientierung und zur Förderung der emotionalen und psychischen Entwicklung. Auch in der Konzeption heißt es, dass die Betreuung eine ambulante sozialpädagogische Hilfe zum selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sei. Dies sind Ziele, die die Behinderten in ihrer Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter fördern wollen. Die Begriffsmerkmale der Erziehung sind damit erfüllt.

2. Der Kläger ist auch in einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 beschäftigt.

a) Die Tarifvertragsparteien haben den unbestimmten Rechtsbegriff "vergleichbare Einrichtung (Heim)" im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 nicht definiert. Was sie darunter verstehen, ist durch Auslegung des Tarifvertrages und der dazu vereinbarten Protokollnotizen zu ermitteln.

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 - 4 AZR 814/98 - BAGE 93, 229, zu 3 a der Gründe).

bb) Enthält ein Tarifvertrag unbestimmte Rechtsbegriffe, haben die Tatsachengerichte bei der Subsumtion einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35).

b) Der Überprüfung nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.

aa) Die Wohngemeinschaft, in der der Kläger tätig ist, ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein "Heim", da es sich um eine Wohnung handelt, in der jemand lebt und "zu Hause" ist und zu der er eine gefühlsmäßige Bindung hat (st. Rspr. vgl. BAG 26. Mai 1993 - 4 AZR 130/93 - BAGE 73, 191; 23. Februar 2000 - 10 AZR 82/99 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 26). Die Bewohner der von der Beklagten betreuten Wohngemeinschaften wohnen dort, sie sind dort zu Hause und haben eine gefühlsmäßige Bindung zu ihrer Wohnung. Unschädlich ist es, dass die Bewohner nicht rund um die Uhr vollstationär versorgt werden, sondern nur zu bestimmten Tageszeiten (BAG 27. September 2000 - 10 AZR 640/99 - ZTR 2001, 177).

bb) Jedoch erfüllt nicht jede beliebige Wohnstätte, sondern nur eine mit Erziehungsheimen oder Kinder- und Jugendwohnheimen vergleichbare Einrichtung die Voraussetzungen der Protokollnotiz. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Begriff der einem Heim vergleichbaren Einrichtung ausdrücken wollen, dass damit ein Zweck verfolgt werden muss, der über die Zur-Verfügung-Stellung einer bloßen Unterkunft hinausgeht. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung als weiteres Kriterium eines Heims gefordert, dass es sich um eine räumlich und organisatorisch zusammenhängende Einrichtung handeln muss, in der eine - in der Regel größere - Zahl von Menschen lebt, die in eine nicht durch sie selbst gesetzte Ordnung eingebunden sind und die sich an Regeln halten müssen, die typischerweise durch eine Heimleitung festgesetzt werden. Es hat dies damit begründet, dass das Erfordernis einer durch eine Leitung vorgegebenen Ordnung der Einrichtung nicht nur aus der tariflich notwendigen Vergleichbarkeit mit einem Erziehungsheim, Kinder- oder Jugendwohnheim folge, sondern insbesondere auch durch den Zweck der Unterbringung bedingt sei. Erziehung, Ausbildung oder Pflege erforderten die Verwirklichung eines von der Leitung der Einrichtung vorgegebenen Konzepts, dessen Einhaltung organisatorisch sichergestellt werden solle. Eine Organisationsform, mit der im Wesentlichen nur begleitende Selbsthilfe erreicht werden solle, vermöge diese Voraussetzung nicht zu erfüllen (23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35). Der Heimcharakter gehe dabei nicht schon dadurch verloren, dass Bewohner in kleineren Einheiten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst versorgten und ihr Zusammenleben in begrenztem Maße teilweise selbst organisierten (BAG 27. September 2000 - 10 AZR 640/99 - ZTR 2001, 177).

cc) An diesen Erfordernissen ist festzuhalten. Ihnen entsprechen auch die Organisation und Konzeption der Wohngemeinschaften der Beklagten.

(1) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien nach der Neufassung der Protokollnotiz im Jahr 1991 einen offeneren Heimbegriff schaffen wollten, um damit den Kreis der Zulagenberechtigten zu erweitern. Die Konzeptionen von Betreuung und Erziehung behinderter Menschen sind ständig im Fluss und führen zu den verschiedensten Formen und Einrichtungen, in denen pädagogische und soziale Konzepte umgesetzt werden.

Richtig ist auch, dass die Tarifvorschrift nur geringe quantitative Anforderungen stellt. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann auch eine - quantitativ nicht näher definierte - Wohngemeinschaft ein Heim sein. Erziehungsheime werden heute stärker strukturiert zum einen als heilpädagogisches Heim, das Entwicklungsstörungen zu begegnen sucht, und zum anderen als Wohngemeinschaft, in der eine Gruppe selbstverantwortlich in Partnerschaft mit einem Sozialpädagogen ihr Zusammenleben gestaltet (Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Stichwort "Erziehungsheim"). Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 20. April 1994 (- 10 AZR 276/93 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11) nicht ausgeschlossen, dass es sich bei neun zusammenlebenden Behinderten um ein Wohnheim im Sinne der Protokollnotiz handeln könne. Wenn in den Wohngemeinschaften der Beklagten vier bis sieben Behinderte untergebracht sind, schließt dies für sich nicht aus, dass es sich um einem Heim vergleichbare Einrichtungen handeln kann. Aus der Tarifvorschrift geht nur hervor, dass die Zulagenberechtigung davon abhängig ist, dass "überwiegend" die näher bestimmten Personengruppen in der Wohnform untergebracht sein müssen.

Es kommt nicht allein darauf an, in welchem Maße die Bewohner behindert sind bzw. auf welchen Gebieten sie Defizite haben. Verschiedenartige und unterschiedlich intensive Betreuung kann jeweils in verschiedenen Einrichtungstypen ausgeübt werden, wobei aber der Charakter der Einrichtung unterschiedlich sein kann (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35). Der Umgang mit einem wegen der Art und der Schwere der Behinderung besonders schwierigen Klientenkreis als solchem löst den Zulagenanspruch nicht aus, weil diese Erschwernis durch die Eingruppierung bereits erfasst und vergütet wird. Dennoch können aus der Art und Schwere der Behinderung Schlüsse auf die Fähigkeit der Bewohner gezogen werden, ihr Leben frei bestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten.

(2) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die typischerweise von einer Heimleitung festgesetzte Ordnung, in die die Bewohner der Wohnstätte eingebunden sein müssen, kein geeignetes Abgrenzungskriterium sei. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Beklagte eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Behinderten übernommen habe. Dem Landesarbeitsgericht ist zuzugestehen, dass neuartige Konzeptionen immer wieder zu Grenzfällen führen, in denen die bisher gefundenen Kriterien in Frage gestellt und auf ihre weitere Tauglichkeit überprüft werden müssen.

Das Kriterium der Gesamtverantwortung ist aber nicht geeigneter als das der vorgegebenen Ordnung, um ein Heim von dem betreuten Einzelwohnen abzugrenzen, für das jedenfalls kein Zulagenanspruch bestehen kann. Der Begriff der Gesamtverantwortung ist noch weniger subsumtionsfähig als der einer Heimordnung und führt eher zu Unschärfen als zur Klärung. Jede Art von Betreuung schafft Verantwortung, ohne dass deren Umfang zu messen wäre und daran die Feststellung geknüpft werden könnte, ob ein Heim vorliegt oder nicht.

Demgegenüber fordert die Protokollnotiz, dass die Einrichtung mit Erziehungs-, Kinder- oder Jugendwohnheimen vergleichbar sein muss. Diese Heime sind durch mehr oder weniger strikte Ordnungen und Regeln des Zusammenlebens geprägt. Gerade im Hinblick auf die einzuhaltende Ordnung entstehen die Konflikte, deren Vermeidung und Lösung die besonderen Erschwernisse verursacht, die die Zulage ausgleichen will. Daran ist festzuhalten.

dd) Eine Ordnung dieser Art liegt vor.

(1) Eine "Heimordnung" muss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein. Der Senat hat immer wieder betont, dass es sich um eine solche Ordnung handeln muss, die "typischerweise" durch eine Heimleitung festgesetzt wird.

Dies schließt nicht aus, dass in bestimmten Fällen eine Heimleitung dies nicht vorgibt oder die Regeln so aufgestellt werden, dass sie sich aus einem Mosaik von Vorschriften und Einschränkungen ergeben, die in verschiedenen Quellen zu finden sind.

Es ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch unerheblich, ob Verhaltensvorschriften und Aufsichts- und Kontrollrechte, die Ordnungselemente enthalten, der Fürsorgepflicht oder vertraglichen Vereinbarungen mit den Bewohnern oder deren gesetzlichen Vertretern geschuldet sind. Auch in klassischen Erziehungs-, Kinder- oder Jugendwohnheimen werden Ordnungen nicht als Selbstzweck aufgestellt, sondern dienen der Fürsorge für die Bewohner und der Erfüllung der auf welche Art auch immer geschlossenen vertraglichen Verpflichtungen der Betreuungseinrichtung. Die Regeln sollen nicht der Schikane, sondern dem Wohl der Bewohner dienen.

(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es durchaus eine organisatorische Leitungsebene, die als "Heimleitung" im klassischen Sinne angesehen werden kann. Aus den Konzeptionen geht hervor, dass jeweils mehrere Wohngemeinschaften von einer Person geleitet werden, die ua. nach bestimmten Verfahren über die Aufnahme und damit über die Zusammensetzung der Wohngemeinschaft entscheidet und auch sonstige Leitungsfunktionen erfüllt, ua. die Dienst- und Fachaufsicht über die Betreuer ausübt und regelmäßig an Dienstbesprechungen teilnimmt, wodurch sowohl die trägerinterne Einbindung der Wohngemeinschaft (Besprechen von die Gesamtorganisation betreffenden Themen) als auch der Austausch mit anderen Wohngemeinschaften gewährleistet wird.

(3) Für eine erhebliche Beschränkung der Selbstbestimmtheit der Lebensweise der Wohngemeinschaftsbewohner und damit eine vorgegebene Ordnung sprechen sowohl Teile der Konzeption der Beklagten als auch die Stellenbeschreibung des Klägers und der Nutzungsvertrag nebst Anlagen zwischen den Bewohnern und der Beklagten. Gemäß dem letzteren haben die Betreuer die "Aufsichtspflicht" über die Bewohner wahrzunehmen. Tun sie dies nicht oder vernachlässigen sie diese Pflicht grob fahrlässig, können Bewohner kündigen und haben möglicherweise Schadensersatzansprüche. Auch in der Stellenbeschreibung der Erzieher ist unter den pädagogisch/organisatorischen Aufgaben erwähnt, dass diese die Aufsichtspflicht für die Menschen mit Behinderung in ihrem Aufgabenbereich wahrnehmen. Eine Aufsicht über erwachsene Menschen setzt voraus, dass diese mindestens teilweise nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbstbestimmt zu regeln und dies auch nicht tun. Insoweit ist die Darstellung der Beklagten, wonach die in den Wohngemeinschaften lebenden Menschen im Wesentlichen ihren eigenen Willen verwirklichen und dabei nur Hilfe erhalten, nicht plausibel. Wäre dies der Fall, so wären nicht zwei Betreuer während der ganzen Woche für vier Bewohner erforderlich.

Wenn in der Leistungsbeschreibung verlangt wird, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern eine angemessene Mitwirkung in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten bei der Betreuung und Förderung einzuräumen sei, spricht schon dies gegen eine Selbstbestimmtheit. Jemand, der mitwirkt - und zwar "angemessen" und nur in den seine Interessen berührenden Angelegenheiten -, bestimmt gerade nicht selbst.

Ein wesentliches Ordnungselement ist, dass die Bewohner verpflichtet sind, sich an den hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Einkaufen, Kochen, Küchendienst, Waschen und Putzen zu beteiligen. Das wird in den Punkten 3.2, 5.2 und 6 der Konzeption jeweils betont und stellt ein zentrales Anliegen zur Förderung der Eingliederung der Behinderten dar. Die Bewohner müssen nachdrücklich auf diese Verpflichtung hingewiesen werden, weil es nicht selbstverständlich ist, dass sie sich aus eigenem Antrieb so organisieren, dass diese Aufgaben des täglichen Lebens zwanglos erfüllt werden.

Außerdem hat die Fachgebietsleitung das Recht, aus pädagogischen und sonstigen schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen und sozialen Gesichtspunkte einen Umzug zu veranlassen. Dass diese Art der Aufsicht auch ausgeübt wird, zeigt die von dem Kläger vorgelegte "Abmahnung" eines Bewohners. In ihr wird gerügt, dass Absprachen und Termine nicht eingehalten worden seien und der Bewohner sich nicht an hauswirtschaftlichen Tätigkeiten beteiligt habe.

Gegen die Selbstbestimmtheit des Zusammenlebens der Bewohner spricht weiterhin die Regelung, wonach die Bewohner sich verpflichten, der für sie zuständigen Betreuungsperson ihre Zimmer zugänglich zu machen. Dies geht über das normale Zugangsrecht des Vermieters weit hinaus und ist dem Gedanken geschuldet, dass Aufgabe der Betreuer ua. ist, die Verwahrlosung eines Bewohners auch in seinem eigenen nur von ihm selbst genutzten Zimmer zu verhindern.

Ebenfalls spricht gegen die von der Beklagten reklamierte weitgehende Selbständigkeit der Bewohner und ihre freiwillige Regelungskompetenz ihres Zusammenlebens, dass es zu den Aufgaben der Betreuer gehört, eine Gruppenkasse zu verwalten, in die die Bewohner laut Vertrag verpflichtet sind, bestimmte Beträge einzuzahlen. Die Beklagte hat vorgetragen, dies sei in den freien Willen der Bewohner gestellt. Dies widerspricht sowohl den Nutzungsverträgen als auch der Stellenbeschreibung der Betreuer, auf die die Beklagte sonst ausschließlich abstellen möchte, um deren Kompetenzen und Tätigkeiten zu beschreiben. In der Stellenbeschreibung ist ausdrücklich geregelt, dass die Betreuer den monatlichen Barbetrag der Bewohner zu verwalten und abzurechnen, ebenso Bekleidungsgelder zu beantragen und abzurechnen und ein Kassenbuch zu führen haben. Dies sind Dinge, die in einer normalen Wohngemeinschaft selbstbestimmt organisiert werden. Die Bewohner haben hingegen jedenfalls rechtlich gar nicht die Möglichkeit, sich wegen ihrer finanziellen Angelegenheiten anders zu entscheiden. Ließe die Beklagte oder ließen die Betreuer dies zu, würden sie ihre Aufsichtspflicht verletzen. Die Beklagte geht dabei offensichtlich davon aus, dass die zu betreuenden Behinderten in finanziellen Dingen nicht völlig verantwortungsbewusst handeln können. Dem entsprechen die vertraglichen und dienstrechtlichen Vorgaben der Beklagten.

(4) Unerheblich ist es, ob die Bewohner - mit oder ohne Hilfe der Betreuer - eine sogenannte "WG-Ordnung" ausdrücklich oder konkludent aufgestellt haben. Weder die Stellenbeschreibung noch die Konzeption noch die Nutzungsverträge sehen eine solche WG-Ordnung vor. Allerdings wird auch ohne eine solche Ordnung von den Bewohnern erwartet, dass sie sich telefonisch melden, wenn sie nach 22:00 Uhr nach Hause kommen. Die Betreuer haben ihre private Telefonnummer in den jeweiligen Wohnungen hinterlassen, damit sie benachrichtigt werden, wenn ein Bewohner nicht oder zu spät nach Hause kommt oder Krisen entstehen. Dies macht zum einen deutlich, dass die Aufsichtspflicht der Betreuer auch über ihre Arbeitszeit hinausgeht, und zum anderen, dass Zweifel an der Fähigkeit der Bewohner, über ihr Leben frei selbst zu bestimmen, angebracht sind.

(5) Dieses Ergebnis widerspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Allerdings befinden sich die Bewohner nicht in einer zusammenhängenden Einrichtung, in der verschiedene kleinere Einheiten, die sich in begrenzter Weise selbst verwalten, zusammenleben und einer einheitlichen Hausordnung unterworfen sind, wie dies der Entscheidung vom 23. Oktober 2002 (- 10 AZR 60/02 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35) zugrunde lag.

Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2002 (- 10 AZR 518/01 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 34) Jugendwohngemeinschaften, die in von einem Heim in verschiedene Wohngebiete ausgelagerten Wohnungen lebten, den Heimcharakter abgesprochen. Er hat angenommen, dass solche Einheiten in eine organisatorisch zusammenhängende Einrichtung eingebunden sein müssten, um noch als Heim im Tarifsinn gelten zu können. Die in begrenztem Maße selbst zu setzenden Regeln fänden ihre Grenze in der für die gesamte Einrichtung geltenden Ordnung. Erst wenn sich die vom Kläger jenes Verfahrens betreute Gruppe in einer Wohneinheit innerhalb eines Heims befunden hätte, wären die Bewohner von weiteren Regeln als den selbst gesetzten betroffen. Aus den unvermeidlichen Kontakten mit den übrigen Heimbewohnern könnten mehr und andere Konflikte entstehen, als innerhalb der relativ überschaubaren Einheit der Jugendwohngemeinschaft. Die wechselseitige soziale Kontrolle von Heimbewohnern untereinander verbunden mit Kontrolle und Betreuung durch das Heimpersonal unterschieden sich qualitativ von den Verhältnissen einer Wohngemeinschaft in einer separaten Wohnung. Auf diesen Unterschieden beruhte gerade das Erziehungskonzept im dort entschiedenen Fall. Die betreuten Personen hatten das Stadium der Heimunterbringung hinter sich. Sie waren für reif und fähig befunden worden, ihr Leben in höherem Maße selbst zu gestalten.

Auch in der Entscheidung vom 27. September 2000 (- 10 AZR 640/99 - ZTR 2001, 177), hatte der Senat bereits darauf hingewiesen, dass nur die überwiegende Tätigkeit im dort zu beurteilenden Wohnheim, in dem die überwiegende Zahl der betreuten Rehabilitanden wohnte, und nicht eine Tätigkeit in den außerhalb des Wohnheims bestehenden Wohngruppen den Zulagenanspruch auslösen konnte. Beide Entscheidungen beruhten aber auf der Annahme, dass die außerhalb gelegenen Wohneinheiten gerade einer selbstbestimmten Ordnung unterlagen. Die genannten Erschwernisse können aber auch innerhalb einer Wohngemeinschaft entstehen, in der mehrere betreuungsbedürftige Personen und ihre Betreuer Konflikten unterliegen, die durch die aufgestellte Ordnung gelöst oder vermieden werden. Die Einhaltung dieser Ordnung sollen die Betreuer gewährleisten.

(6) Das Wohnkonzept der Beklagten in ihren 42 betreuten Wohngemeinschaften ist eher vergleichbar mit denjenigen Fällen, in denen ein Heimcharakter auch für kleinere Einheiten bejaht worden war. Die Bewohner der Wohngemeinschaften versorgen sich zwar in begrenztem Maße selbst und erhalten Hilfe dabei. Teilweise können Einzelne dies nicht oder nur unzulänglich und sind daher auf verstärkte Hilfe angewiesen. Das Konzept beruht gerade darauf, dass Bewohner mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen im Zusammenleben die Selbständigkeit anderer fördern können, wenn sie Dinge beherrschen, die den anderen mangeln. Die Betreuer leisten dabei Hilfe, indem sie Defizite ausgleichen und das Konzept zur Förderung der Selbständigkeit innerhalb der gesetzten Ordnung durchsetzen. Die Bewohner sind aber noch nicht soweit - und werden es zum Teil niemals sein -, dass sie im betreuten Einzelwohnen leben könnten. Das Konzept mag zwar darauf abzielen, gerade dies zu ermöglichen, es ist aber deutlich, dass es noch des betreuten und geordneten Zusammenwohnens bedarf, um dies zu erreichen.

Ende der Entscheidung

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