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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 26.01.1999
Aktenzeichen: 2 AZR 134/98
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, BBiG


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 111 Abs. 2 Satz 5
BBiG § 3 Abs. 2
BBiG § 15 Abs. 4
Leitsatz:

Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung sind auch auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden, sofern nicht gemäß § 111 Abs. 1 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuß stattfinden muß (Bestätigung der Senatsrechtsprechung Urteil vom 13. April 1989 - 2 AZR 441/88 - BAGE 61, 258 = AP Nr. 21 zu § 4 KSchG).

Aktenzeichen: 2 AZR 134/98 Bundesarbeitsgericht 2. Senat Beschluß vom 26. Januar 1999 - 2 AZR 134/98 -

I. Arbeitsgericht Senftenberg - 5 Ca 811/97 - Urteil vom 29. April 1997

II. Landesarbeitsgericht Brandenburg - 5 Sa 367/97 - Urteil vom 10. Oktober 1997


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Berufsausbildungsverhältnis, Klagefrist

Gesetz: KSchG §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2; ArbGG § 111 Abs. 2 Satz 5; BBiG § 3 Abs. 2, § 15 Abs. 4

2 AZR 134/98 5 Sa 367/97 Brandenburg

Im Namen des Volkes! Beschluß

In Sachen

pp.

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts am 21. Januar 1999 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Der Kläger hat nach § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe:

I. Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch über die Kosten des Rechtsstreits, nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Der 1978 geborene Kläger stand bei der Beklagten, bei der mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig sind, seit 14. August 1995 in einer Berufsausbildung zum Fliesenleger. Mit Schreiben vom 27. Januar 1997 kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos mit der Begründung, der Kläger habe wiederholt gegen seine Mitteilungspflicht im Krankheitsfall verstoßen, am 13. Januar 1997 unentschuldigt gefehlt und den Wochenzettel für die fragliche Woche falsch ausgefüllt, was sie als vorsätzlichen Betrug ansehe. Der Kläger hat sich gegen die am 31. Januar 1997 zugegangene Kündigung mit seiner am 6. März 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewendet. Er hält die Kündigung für rechtsunwirksam und hat geltend gemacht, die Klagefrist der § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG gelte für ihn als Auszubildenden nicht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, wegen Fehlens eines Schlichtungsausschusses hätte vom Kläger die Klagefrist eingehalten werden müssen. Das Arbeitsgericht hat antragsgemäß festgestellt, daß das Ausbildungsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 27. Januar 1997 aufgelöst worden ist und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Nachdem der Kläger zwischenzeitlich seine Ausbildung beendet hat, haben die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger aufzuerlegen.

1. Bei beiderseitiger Erledigungserklärung entscheidet das Gericht nach § 91 a ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Die Ermessensentscheidung nach § 91 a ZPO dient dabei nur dazu, die Kosten des erledigten Verfahrens unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Parteien nach den Grundsätzen der Billigkeit zu verteilen.

2. Unter Berücksichtigung dieses Beurteilungsmaßstabs hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 13. April 1989 - 2 AZR 441/88 - BAGE 61, 258 = AP Nr. 21 zu § 4 KSchG 1969; vom 5. Juli 1990 - 2 AZR 53/90 - AP Nr. 23 zu § 4 KSchG 1969; vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 1998 - 2 AZR 741/97 - RzK IV 3a Nr. 30) sind die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundende Klageerhebung (§ 4, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG) auch auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden, sofern nicht gemäß § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuß stattfinden muß. Mit der Fristenregelung von § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG verfolgt der Gesetzgeber den Regelungszweck, eine schnelle und endgültige Klärung der Wirksamkeit nicht nur der dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegenden ordentlichen, sondern auch der außerordentlichen Arbeitgeberkündigung herbeizuführen. Der Zwang zur fristgebundenen Klageerhebung liegt insgesamt betrachtet im wohlverstandenen Interesse beider Arbeitsvertragsparteien, indem er eine schnellere und bessere Klärung ermöglicht, ob es bei der Kündigung bleibt oder nicht. Dieses Interesse an der raschen und endgültigen Klärung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer einmal ausgesprochenen Kündigung besteht grundsätzlich auch bei der außerordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses (Senatsurteil vom 5. Juli 1990 - 2 AZR 53/90 -, aaO). Dafür, daß dies der Gesetzgeber so gesehen hat, spricht insbesondere, daß nach dem Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zum Berufsbildungsgesetz vom 4. Juni 1969 (BT-Drucks. V/4260, S. 5 f.) das Kündigungsschutzgesetz zu den arbeitsrechtlichen Rechtsvorschriften gerechnet wird, die durch § 3 Abs. 2 BBiG auch in einem Berufsausbildungsverhältnis anwendbar sein sollen.

b) Der überwiegende Teil der Literatur folgt der Senatsrechtsprechung und spricht sich für eine Anwendbarkeit der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch im Berufsausbildungsverhältnis aus (Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 13 Rz 32; Löwisch, KSchG, 7. Aufl., § 13 Rz 5; KR-Friedrich, 5. Aufl., § 13 KSchG Rz 36; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 111 Rz 3; GK-ArbGG/Ascheid, Stand Dezember 1998, § 111 Rz 30; KPK-Bengelsdorf, Teil H, § 13 KSchG Rz 8). Teilweise wird sogar in dem hier nicht vorliegenden Fall des Bestehens eines Ausschusses nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG die Anwendung der Klagefrist der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG befürwortet (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 111 Rz 25; Hauck, ArbGG, § 111 Rz 6; wohl auch Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 174, VII 6 c, S. 1464; dagegen die Senatsrechtsprechung, zuletzt Urteil vom 17. Juni 1998 - 2 AZR 741/97 -, aaO).

c) Soweit vom Landesarbeitsgericht und in der Literatur (KR-Weigand, 5. Aufl. §§ 14, 15 BBiG Rz 123; ErfK/Ascheid, § 4 KSchG Rz 7; HK/Dorndorf, KSchG, 2. Aufl., § 13 Rz 25 ff.; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 1051 b; Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., Vorbem. BBiG Rz 14; Vollkommer, Anm. zu EZA § 4 KSchG n.F. Nr. 39) gegen die Senatsrechtsprechung zur Anwendbarkeit der Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes auf Berufsausbildungsverhältnisse Bedenken geltend gemacht werden, hat sich der Senat mit den vorgebrachten Argumenten zum überwiegenden Teil schon in seinem Urteil vom 5. Juli 1990 (aaO) auseinandergesetzt.

aa) Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, es fehle eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Anwendbarkeit der Klagefrist der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Berufsausbildungsverhältnisse, trifft so nicht zu. Berufsausbildungsverhältnisse sind Arbeitsverhältnisse im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, auf die die §§ 1 ff. KSchG Anwendung finden, soweit sich nicht aus dem Berufsbildungsgesetz etwas anderes ergibt. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten ausdrücklich bei der Berechnung der Mindestgröße des Betriebes ausnimmt, also davon ausgeht, daß auch die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten grundsätzlich zu den Arbeitnehmern im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes zählen. Nichts anderes ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zum Berufsbildungsgesetz. Zudem ergibt sich aus dem Bericht des federführenden Bundestagsausschusses, daß auch der Gesetzgeber des Berufsbildungsgesetzes grundsätzlich von einer Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, also auch der §§ 4, 13 KSchG auf Berufsausbildungsverhältnisse ausging.

bb) Kaum zu überzeugen vermag der Begründungsansatz des Arbeitsgerichts, das Berufsbildungsgesetz dränge für das Berufsausbildungsverhältnis im Gegensatz zu einem normalen Arbeitsverhältnis gerade nicht auf eine schnelle Klärung der Frage, ob gegen eine außerordentliche Kündigung Klage erhoben werde oder nicht. Betrachtet man den Sinn und Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses, dem Auszubildenden in einem fest umrissenen Zeitraum eine breit angelegte berufliche Grundausbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, so spricht dies dafür, daß eine schnelle Klärung, ob eine fristlose Kündigung ein Berufsausbildungsverhältnis beendet hat oder nicht, hier noch dringender notwendig ist als in einem normalen, auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis. Ein möglicherweise monatelanger Schwebezustand nach einer fristlosen Kündigung, während dessen wegen der Ungewißheit über die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses keine Ausbildung stattfindet, ist in besonderer Weise geeignet, den Ausbildungserfolg zu gefährden. Daß der Gesetzgeber für die Anrufung des Schlichtungsausschusses nach § 111 ArbGG keine besondere Frist festgesetzt hat, spricht nicht dafür, daß er die beschleunigte Klärung der Wirksamkeit einer Kündigung in einem Berufsausbildungsverhältnis nicht für erforderlich angesehen hat. Die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 4 BBiG zeigt vielmehr, daß der Gesetzgeber die Anrufung des Schlichtungsausschusses sogar schon vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung für ratsam angesehen hat. Für die Anrufung des Arbeitsgerichts nach einem Spruch des Ausschusses ist die Klagefrist sogar gegenüber der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG auf zwei Wochen abgekürzt (§ 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG).

d) Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die bisherige Senatsrechtsprechung differenziere hinsichtlich des Zugangs zum Gericht in verfassungswidriger Weise zwischen Berufsausbildungsverhältnissen in Bezirken, in denen ein Schlichtungsausschuß bestehe, und solchen, in denen ein derartiger Ausschuß nicht gebildet sei, trifft es zwar zu, daß das Rechtsstaatsprinzip auch im Verfahren vor den Arbeitsgerichten erfordert, den Zugang zu den Gerichten allen Bürgern auf möglichst gleichmäßige Weise zu eröffnen (BVerfG Beschluß vom 11. Februar 1987 - 1 BvR 475/85 - BVerfGE 74, 228, 234). Darüber hinaus ist gerade der Auszubildende besonders schutzbedürftig. Diese Grundsätze lassen sich aber ohne eine vom Wortlaut der §§ 13, 4 KSchG abweichende Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes durch die jedenfalls gebotene großzügige Anwendung der Möglichkeit der nachträglichen Klagezulassung nach § 5 KSchG verwirklichen. Unverschuldete Versäumnisse bei der Einhaltung der Klagefrist sind nach § 5 KSchG heilbar, wobei das jugendliche Alter und die Unerfahrenheit eines Auszubildenden im Arbeitsleben unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben angemessen berücksichtigt werden können. Ein Antrag auf nachträgliche Zulassung ist aber hier durch den schon bei Klageerhebung rechtskundig vertretenen Kläger nicht gestellt worden.

e) Da der Kläger die Klage nicht nach § 4 Satz 1 i.V. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben hat, galt die Kündigung nach der bisherigen Rechtsprechung, von der abzuweichen nach alledem kein Anlaß besteht, nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Damit war die Beklagte auch nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.

Ende der Entscheidung

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