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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 2 AZR 148/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG nF § 4
KSchG nF § 7
BGB § 242
Der Arbeitnehmer kann die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist auch nach der am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neufassung von § 4 KSchG außerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

2 AZR 148/05

Verkündet am 15. Dezember 2005

In Sachen

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert und Schmitz-Scholemann sowie die ehrenamtlichen Richter Thelen und Dr. Bartel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. November 2004 - 9 Sa 1854/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen von Annahmeverzugsansprüchen über den Beendigungszeitpunkt ihres Arbeitsverhältnisses nach einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung.

Die Klägerin war seit 1996 bei der Beklagten als Hauspflegerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 6. Februar 2004.

Die Klägerin erhob gegen diese Kündigung innerhalb der Frist des § 4 KSchG keine Klage. Unter dem 26. Januar 2004 äußerte sie gegenüber der Beklagten die Kündigung sei unwirksam. Im Rahmen außergerichtlicher Korrespondenz äußerte der Klägervertreter Anfang März 2004, er gehe von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 6. Februar 2004 aus und forderte die Beklagte auf, die bis zum 6. Februar 2004 ausstehende Vergütung zu zahlen.

Mit der Mitte März erhobenen Klage hat die Klägerin - soweit noch von Interesse - die Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 13. Januar 2004 bis zum 31. März 2004 geltend gemacht. Wegen der gesetzlichen Kündigungsfrist von zwei Monaten sei das Arbeitsverhältnis erst zum 31. März 2004 beendet worden. Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nF gelte nicht für die fehlerhafte Berechnung der Kündigungsfrist. Die Kündigung sei dahin auszulegen, dass sie erst zum nächst zulässigen Zeitpunkt habe wirken sollen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 3.264,96 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 22. März 2004 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 6. Februar 2004 beendet. § 4 Satz 1 KSchG nF beziehe sich auch auf die fehlerhafte Kündigungsfrist.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang von 1.088,32 Euro (Zeitraum vom 13. Januar 2004 bis 6. Februar 2004) brutto nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1.317,44 Euro brutto (für die Zeit bis 31. März 2004) nebst Zinsen zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fehlerhafte Berechnung der Kündigungsfrist brauche auch nach der Neufassung des § 4 KSchG nicht innerhalb von drei Wochen geltend gemacht zu werden. Es liege kein "anderer Unwirksamkeitsgrund" im Sinne der Neuregelung vor, jedenfalls sei die Kündigungserklärung interessengerecht dahin auszulegen, dass die "richtige" Kündigungsfrist gemeint sei. Die Beklagte habe eine "betriebsbedingte" Kündigung erklärt und damit eindeutig eine ordentliche Kündigung ausgesprochen. Die Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zeige, dass sie sich an eine Kündigungsfrist habe halten wollen. Die Klägerin habe auch nicht auf eine Klageerhebung verzichtet oder dieses Recht verwirkt. Ihr stünden deshalb Ansprüche auf Entgeltfortzahlung für die Zeit ihrer Erkrankung bis zum 16. Februar 2004 sowie Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs der Beklagten für die Zeiträume vom 17. Februar bis 3. März 2004 und 25. März bis 31. März 2004 zu.

B. Dem stimmt der Senat zu.

I. Die Klägerin hat Anspruch auf die vom Landesarbeitsgericht für die Zeit vom 7. Februar 2004 bis 31. März 2004 ausgeurteilten Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs der Beklagten bzw. wegen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung nicht auf Grund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG nF am 6. Februar 2004 sein Ende gefunden. Die Klägerin war nicht gehindert, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist auch außerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend zu machen.

1. Gem. § 4 Satz 1 KSchG nF muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Mit dieser, am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung des § 4 Satz 1 KSchG nF auf Grund des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) wird die Verknüpfung von Klagefrist und Wirksamkeitsfiktion, § 7 KSchG nF, auf Unwirksamkeitsgründe außerhalb des materiellen Kündigungsgrundes (§ 1 Abs. 2 KSchG, § 626 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG) ausgedehnt. Offen war hierbei bislang, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist auch außerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG nF geltend gemacht werden kann.

2. Diese Frage bejaht der Senat.

a) Dafür spricht schon der Wortlaut der Norm (Hanau ZIP 2004, 1169, 1175; KR-Spilger 7. Aufl. § 1a KSchG Rn. 67; zu § 4 Satz 1 KSchG aF wohl auch BAG 12. Januar 1994 - 4 AZR 152/93 - AP BGB § 622 Nr. 43 = EzA BGB § 622 nF Nr. 47, zu B I 3 der Gründe). Der Arbeitnehmer, der lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, will gerade nicht die Sozialwidrigkeit oder die Unwirksamkeit der Kündigung als solche festgestellt wissen. Er geht im Gegenteil von der Wirksamkeit der Kündigung aus. Er will geltend machen, sie wirke allerdings zu einem anderen Zeitpunkt als es nach Auffassung des Arbeitgebers der Fall ist. Dem lässt sich in diesem Zusammenhang nicht entgegenhalten, der Arbeitnehmer, der die Einhaltung der Kündigungsfrist erstrebe, mache, wenn sich sein Klageziel rechtsdogmatisch nur durch Umdeutung der Kündigung nach § 140 BGB begründen lasse, notwendigerweise auch die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Denn § 4 Satz 1 KSchG erfasst eine solche Geltendmachung der Unwirksamkeit als eines Begründungselementes nicht. Das zeigt die in § 4 Satz 1 KSchG vorgegebene Formulierung des Feststellungsantrags. Sie geht dahin, dass das Arbeitsverhältnis "nicht aufgelöst" ist. Die "Nichtauflösung" des Arbeitsverhältnisses entspricht aber nicht dem Klageziel desjenigen, der die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist rügt. Er ist ganz im Gegenteil der Auffassung, das Arbeitsverhältnis werde durch die Kündigung sehr wohl aufgelöst. Die Anwendung des § 4 Satz 1 KSchG auf diesen Fall würde der Klagepartei also eine auf ihr Begehren nicht zugeschnittene Feststellungsklage aufzwingen, obwohl sie ihr eigentliches Klageziel - wie etwa im vorliegenden Fall - durch einen bezifferten Zahlungsantrag genau und vollständig beschreiben kann.

b) Die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt diesen Befund. Es war das erklärte Ziel des Gesetzes, "alsbald Klarheit über den Fortbestand oder die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses" zu erhalten (BT-Drucks. 15/1204 S. 2). Weiter führt die Begründung zum "Entwurf eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt" (BT-Drucks. 15/1204 S. 9 f.) aus:

"Nach bisherigem Recht gilt die Dreiwochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers (§ 4 Abs. 1 Satz 1) nur für die Geltendmachung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nach § 1, der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 13 Abs. 1 und einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter (§ 113 Abs. 2 der Insolvenzordnung). Für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung aus anderen Gründen ist keine Frist festgelegt. Aus anderen Gründen kann eine Kündigung rechtsunwirksam sein, z.B. wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, wegen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 4 BGB, wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) wie § 9 des Mutterschutzgesetzes, § 18 des Bundeserziehungsgeldgesetzes oder § 85 SGB IX (schwerbehinderte Menschen) sowie bei Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegt das Klagerecht in diesen Fällen der Verwirkung. Wann das Klagerecht verwirkt, richtet sich nach Zeit- und Umstandsmoment im Einzelfall. Die Rechtsprechung zur Frage des maßgebenden Zeitablaufs schwankt zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten."

Auf S. 13 heißt es:

"Mit der Änderung der Vorschrift wird festgelegt, dass für alle Fälle der Rechtsunwirksamkeit der Arbeitgeberkündigung eine einheitliche Klagefrist gilt. Der Arbeitnehmer muss die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung unabhängig von dem Grund der Unwirksamkeit innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung geltend machen. Das gilt auch für Änderungskündigungen. Die bisher nur für sozial ungerechtfertigte Kündigungen (§ 1 Abs. 2 und 3), für außerordentliche Kündigungen im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (§ 13 Abs. 1) sowie für Kündigungen durch den Insolvenzverwalter (§ 113 Abs. 2 der Insolvenzordnung) geltende dreiwöchige Klagefrist wird auch auf die Kündigungen erstreckt, die aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind, z.B. wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, wegen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 4 BGB, wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) wie § 9 des Mutterschutzgesetzes, § 18 des Bundeserziehungsgeldgesetzes oder § 85 SGB IX (schwerbehinderte Menschen) sowie wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) (Übersicht in KR-Friedrich 5. Aufl. § 13 Abs. 3 KSchG Rz. 177 ff.)."

Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solche im Blick hatte, nicht aber die isolierte Geltendmachung der Kündigungsfrist ausschließen wollte.

c) In diesem Sinne weist auch Hanau (ZIP 2004, 1169) darauf hin, dass es der Sache nach nicht um den Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, wenn der Streit nur die Einhaltung der Kündigungsfrist betrifft (vgl. auch Bauer/Krieger NZA 2004, 77 f.). § 4 Satz 1 KSchG wolle seinem Sinn und Zweck nach in der Frage des Bestandes des Arbeitsverhältnisses schnelle Klarheit schaffen. Das gelte jedoch nicht auch für Abwicklungs- und Übergangsprobleme (ebenso Däubler AiB 2005, 387, 392; derselbe in Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 6. Aufl. § 13 KSchG Rn. 31; KR-Spilger 7. Aufl. § 1a KSchG Rn. 67): Die richtige Dauer der Frist setze keine Prüfung der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung voraus.

d) Diese Auslegung des Gesetzes steht in Übereinstimmung mit der deutlich überwiegenden Auffassung zu der vergleichbaren Streitfrage, ob die inzwischen wieder aufgehobene Regelung des § 113 Abs. 2 InsO Anwendung fand, wenn der Insolvenzverwalter bei einer ordentlichen Kündigung die für das Arbeitsverhältnis geltende Kündigungsfrist nicht einhielt. Überwiegend wurde dies mit der Begründung verneint, dass die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Vielmehr sei die Kündigung wirksam und beende das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Termin (Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 113 InsO Rn. 48; Kiel/Koch Die betriebsbedingte Kündigung Rn. 504; Bichlmeier/Engberding/Oberhofer Insolvenzhandbuch 2. Aufl. S. 505; Müller NZA 1998, 1315, 1317; Lakies RdA 1997, 145, 147; Schaub DB 1999, 217, 220).

e) Die Gegenansicht verweist sowohl zu § 113 Abs. 2 InsO als auch zu § 4 KSchG nF darauf, dass die verfristete Kündigung nur deshalb die Beendigung zum nächstzulässigen Termin herbeiführe, weil sie gem. § 140 BGB in eine fristgemäße Kündigung umgedeutet werden könne. Die Umdeutung setze aber die Unwirksamkeit der Erklärung voraus, so dass die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist innerhalb der Klagefrist geltend gemacht werden müsse (ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 113 InsO Rn. 36). Spreche ein Arbeitgeber eine Kündigung zu einem bestimmten Termin aus, liege darin die Erklärung, dass er das Arbeitsverhältnis zu diesem Termin beenden wolle. Etwas anderes gelte dann, wenn ein Arbeitgeber von vornherein nicht zu einem bestimmten Termin, sondern zum nächstzulässigen Termin kündige (vgl. mit Unterschieden im Einzelnen: Zimmer FA 2004, 34, 36; ErfK/Ascheid 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 2; Bader NZA 2004, 65, 68; BBDW/ Wenzel KSchG Stand September 2005 § 4 Rn. 35b; LAG Rheinland-Pfalz 17. Februar 2005 - 8 Sa 921/04 - nicht rechtskräftig, Az. beim BAG - 2 AZR 215/05 -; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 11. Aufl. § 136 Rn. 16). Linck führt aus, einen Erfahrungssatz, der Arbeitgeber wolle immer mit der zutreffenden Frist kündigen, gebe es nicht. Lägen für einen solchen Willen keine Anhaltspunkte vor, führe der Weg zur Einhaltung der Kündigungsfrist über § 140 BGB und damit auch über § 4 Satz 1 KSchG.

f) Diesen Auffassungen vermag sich der Senat indes nicht anzuschließen. Vielmehr erfasst - wie schon ausgeführt - § 4 Satz 1 KSchG bereits von seinem Wortlaut her nicht die Geltendmachung der "Unwirksamkeit" als dogmatischem Zwischenschritt im Rahmen des § 140 BGB. Abgesehen davon ist eine ordentliche Kündigung in aller Regel als zum zutreffenden Termin ausgesprochen auch dann auszulegen, wenn sie ihrem Wortlaut nach zu einem früheren Termin gelten soll. Diese Auffassung ist auch im Schrifttum vorherrschend (vgl.: Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 363; Quecke RdA 2004, 86, 97 f., 100; Lakies NJ 2004, 150, 155; Raab RdA 2004, 321, 326; Kampen/Winkler AuR 2005, 171, 174; Dollmann DB 2004, 2073, 2077 f.; KR-Friedrich 7. Aufl. § 13 KSchG Rn. 225; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1736; KR-Rost 7. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b) und hat die besseren Gründe für sich.

aa) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat Kündigungen, bei der die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist nicht gewahrt war, als jeweils zum nächstzulässigen Termin wirkend angesehen, ohne sich zunächst festzulegen, ob dieses Ergebnis durch eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB oder durch Umdeutung nach § 140 BGB zu erzielen war (4. Februar 1960 - 3 AZR 25/58 - BAGE 9, 36, 40; Senat 18. April 1985 - 2 AZR 197/84 - AP BGB § 622 Nr. 20 = EzA BGB § 622 nF Nr. 21, zu II 1 c und e der Gründe). Im Urteil vom 13. Juli 1989 (- 2 AZR 509/88 -) führte der Senat aus, die Nichteinhaltung gesetzlicher oder tarifvertraglicher Kündigungsfristen sei ein sonstiger Mangel der Kündigung iSd. § 13 Abs. 3 KSchG. Der Mangel führe jedoch nicht zur völligen Unwirksamkeit der Kündigung; sie sei in eine zum nächstzulässigen Termin ausgesprochene Kündigung umzudeuten (§ 140 BGB). Der Fristenverstoß könne außerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG geltend gemacht werden (so auch zur Änderungskündigung BAG 12. Januar 1994 - 4 AZR 152/93 - AP BGB § 622 Nr. 43 = EzA BGB § 622 nF Nr. 47, zu B I 3 a der Gründe; vgl. auch 16. Juni 1999 - 4 AZR 191/98 - BAGE 92, 41).

bb) Die Auslegung geht der Umdeutung vor (BGH 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98 - ZIP 2001, 305, 307 (Prozesserklärung); Palandt-Heinrichs BGB 64. Aufl. § 140 Rn. 4; Staudinger/Roth (2003) § 140 Rn. 7; Erman/Palm BGB 10. Aufl. § 140 Rn. 5; Soergel/Hefermehl 13. Aufl. § 140 Rn. 1; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 471; so auch zum Problem der Auslegung bzw. Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche: von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 13 Rn. 42; KR-Friedrich 7. Aufl. § 13 KSchG Rn. 76; APS-Biebl 2. Aufl. § 13 KSchG Rn. 35; Schmidt NZA 1989, 661, 663; ebenso Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 11. Aufl. § 136 Rn. 16). Sofern sich bereits durch die Auslegung der Willenserklärung der objektive Bedeutungsgehalt einer mit falscher Frist ausgesprochenen Kündigungserklärung dahin erschließt, dass eine Kündigung mit der gesetzlich, tariflich oder einzelvertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist ausgesprochen sein soll, bedarf es des Umweges über die Umdeutung nicht. Der Auslegung steht auch nicht grundsätzlich das Bestimmtheitsgebot entgegen (vgl. hierzu BAG 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 -). Aus der Kündigungserklärung muss sich nur ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll und ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist (BAG 13. Januar 1982 - 7 AZR 757/79 - BAGE 37, 267; Quecke BB 2004, 2073, 2077; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 177).

cc) Die somit vorrangige Auslegung hat zu ermitteln, wie der Empfänger der Kündigungserklärung diese aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens des Kündigenden unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben vernünftigerweise verstehen konnte. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung ihrer objektiven, normativen Bedeutung, die beide Parteien gegen sich gelten lassen müssen. Dabei ist sowohl die Verständnismöglichkeit des Empfängers als auch das Interesse des Erklärenden daran zu berücksichtigen, dass sich der Empfänger darum bemüht, die Erklärung nicht misszuverstehen. Der Empfänger darf sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern muss seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen (Senat 12. Januar 1984 - 2 AZR 366/82 -). Die Auslegung hat sich dabei an dem Grundsatz auszurichten, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH 14. Juli 1995 - V ZR 31/94 - NJW 1995, 3183; 10. März 1994 - IX ZR 152/93 - NJW 1994, 1537; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Busche 4. Aufl. § 133 Rn. 56 mwN). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnung nur die außerordentliche oder die ordentliche, dh. fristgerechte Kündigung zur Verfügung stellt. Die außerordentliche Kündigung - ob mit oder ohne Auslauffrist - muss hinreichend deutlich erklärt sein (BAG 13. Januar 1982 - 7 AZR 757/79 - BAGE 37, 267). Daher genügt selbst die Erkennbarkeit des Willens des Erklärenden, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden, dann nicht, wenn diese Erklärung die Deutungsmöglichkeit einschließt, die sofortige Beendigung solle durch einen Beendigungstatbestand eintreten, der das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht voraussetzt, wie es zB bei der Berufung auf die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags aus Formmängeln oder bei der Anfechtung der Fall ist. Erst recht muss in allen Fällen, in denen nicht einmal die sofortige Vertragsbeendigung angestrebt wird (zB durch Einhaltung der Kündigungsfrist oder einer kürzeren Frist, Gewährung einer Auslauffrist), zweifelsfrei der Wille erkennbar werden, aus wichtigem Grunde zu kündigen (BAG 13. Januar 1982 - 7 AZR 757/79 - BAGE 37, 267).

dd) Verbindet deshalb der Kündigende mit der Kündigung einen Zeitpunkt, zu dem die Kündigung in der Zukunft wirken soll, kann hierin grundsätzlich keine außerordentliche Kündigung gesehen werden, wenn der Kündigende nicht gleichzeitig deutlich macht, dass es sich dabei lediglich um eine Auslauffrist zu einer außerordentlichen Kündigung handelt. Es liegt dann folgerichtig eine ordentliche Kündigung vor. Bei dieser Art der Kündigung ist für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren will, da er auf Grund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden ist (so im Ergebnis auch KR-Friedrich 7. Aufl. § 13 KSchG Rn. 225; Raab RdA 2004, 321, 326; Quecke RdA 2004, 86, 98; Dollmann BB 2004, 2073, 2077, 2078; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 363).

ee) Zu bedenken ist auch, dass es sich bei der Angabe des Zeitpunkts, zu dem die Kündigung wirken soll, letztendlich nur um eine Aus- bzw. Folgewirkung der Entscheidung handelt, dass überhaupt gekündigt wird (vgl. Hanau ZIP 2004, 1169, 1175). Die Frist ist deshalb grundsätzlich nur ein Berechnungsfaktor (Raab RdA 2004, 321, 325). Die Angabe des Kündigungstermins ist damit regelmäßig eher eine "Wissenserklärung" (vgl. zu Wissenserklärungen zB Senat 21. April 1983 - 2 AZR 125/81 -; BAG 26. August 1998 - 7 AZR 259/97 -; Staudinger/Marburger BGB (2002) § 781 Rn. 27). Besonders deutlich wird dies in den Fällen, in denen der Kündigende zudem deutlich macht, dass die Wiedergabe eines Datums, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll, aus einer vorangegangenen Berechnung folgt - zB durch die Formulierung "Hiermit kündige ich Ihnen ordentlich zum nächst zulässigen Termin. Das ist meines Wissens der (konkreter Zeitpunkt)" (so auch Raab RdA 2004, 321, 326; vgl. auch Kampen/Winkler AuR 2005, 171, 172 ff.).

ff) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass in all den Fällen, in denen sich bei fehlerhaft zu Grunde gelegter Kündigungsfrist die Kündigungserklärung dahin auslegen lässt, dass eine fristwahrende Kündigung ausgesprochen sein sollte, eine Umdeutung nach § 140 BGB nicht erforderlich ist. Nur dann, wenn sich aus der Kündigung und der im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles ein Wille des Arbeitgebers ergibt, die Kündigung nur zum erklärten Zeitpunkt gegen sich gelten zu lassen, scheidet eine Auslegung aus (so auch Dollmann BB 2004, 2073, 2077 f. und Raab RdA 2004, 321, 326; aA Matthiessen/Shea AuA 2005, 208). Der Kündigungstermin wäre dann ausnahmsweise integraler Bestandteil der Willenserklärung und müsste innerhalb der Klagfrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen werden. Dann scheidet aber auch eine Umdeutung aus, da ein derart klar artikulierter Wille des Arbeitgebers nicht den Schluss auf einen mutmaßlichen Willen, wie ihn § 140 BGB erfordert, zulässt.

gg) In Anwendung dieser Grundsätze stimmt der Senat dem Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Auslegung der Kündigungserklärung zu. Das Landesarbeitsgericht hat aus der Formulierung "betriebsbedingte Kündigung" geschlossen, dass eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden sollte. Zudem zeige die Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen, dass die Beklagte sich an eine Kündigungsfrist habe halten wollen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der aus der Kündigungserklärung erkennbare Wille ging dahin, eine ordentliche Kündigung unter Wahrung der einzuhaltenden Kündigungsfrist auszusprechen. Diese beträgt gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB zwei Monate zum Monatsende, da die Klägerin länger als fünf Jahre bei der Beklagten beschäftigt war.

hh) Die Klägerin hat auf Grund des Schreibens ihres Prozessbevollmächtigten vom 4. März 2004 auch weder auf das Recht zur Klageerhebung verzichtet noch dieses verwirkt.

(1) Im Schreiben vom 4. März 2004 ist kein Klageverzicht auf Vergütungsansprüche für die Zeit nach dem 6. Februar 2004 bis zum 31. März 2004 zu sehen. Durch die Formulierung "... gehen wir davon aus, dass das Arbeitsverhältnis ... rechtswirksam zum 06. Februar 2004 beendet wurde, da gegen diese Kündigung nicht fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben wurde. (...) endete somit ohne Abfindungszahlung zum 06. Februar 2004." macht der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit (vgl. hierzu Senat 20. Juni 1985 - 2 AZR 427/84 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1; 3. Mai 1979 - 2 AZR 679/77 - BAGE 32, 6) ersichtlich, dass er - unabhängig vom "Ob" der tatsächlichen und rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses - auf weitergehende Ansprüche und eine dazu nötige Klageerhebung verzichtet. Dies könnte allenfalls für die ausdrücklich angeführte Abfindungszahlung zutreffen. Dagegen enthält das Schreiben nicht einmal die Erklärung, keine Kündigungsschutzklage oder allgemeine Feststellungsklage mehr zu erheben, sondern nur die Einschätzung des Prozessbevollmächtigten, welche rechtlichen Folgen die - bislang - unterbliebene Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat.

(2) Das Klagerecht ist nicht verwirkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht, eine Klage zu erheben, verwirkt werden (Senat 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1; 11. November 1982 - 2 AZR 552/81 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 71 = EzA BGB § 620 Nr. 61; 9. Januar 1987 - 2 AZR 37/86 - und - 2 AZR 126/86 -; 2. November 1961 - 2 AZR 66/61 - BAGE 11, 353). Dies ist dann zu bejahen, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraumes erhebt (Zeitmoment) und der Anspruchsgegner sich infolge dessen darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, er werde nicht mehr gerichtlich belangt (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BAG 6. November 1997 - 2 AZR 162/97 - AP BGB § 242 Verwirkung Nr. 45 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 2). Wann das Zeitmoment erfüllt ist, lässt sich nicht durch eine schematisierende Betrachtungsweise ermitteln. Die Frage des Rechtsmissbrauchs lässt sich nur für den Einzelfall klären (Senat 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1). Angesichts eines Zeitraums von nur zwölf Tagen zwischen dem Schreiben vom 4. März 2004 und der Klagschrift vom 16. März 2004 kann von einem längeren Zeitraum, der auch nur annähernd das Zeitmoment erfüllen würde, jedoch nicht gesprochen werden.

2. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 31. März 2004 endete, stehen der Klägerin die der Höhe nach nicht mehr streitigen, vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Zahlungsansprüche zu.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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