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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.09.2005
Aktenzeichen: 2 AZR 36/05
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
BetrVG § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Parallelsachen - 2 AZR 606, 597, 590, 589, 548, 496, 495, 365/04, 208, 155, 130, 127, 117, 74/05 -

2 AZR 36/05

Verkündet am 22. September 2005

In Sachen

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Bröhl und Schmitz-Scholemann sowie den ehrenamtlichen Richter Heise und die ehrenamtliche Richterin Pitsch für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 31. August 2004 - 14 Sa 33/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine ordentliche, auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung. Außerdem macht der Kläger hilfsweise einen Anspruch auf Nachteilsausgleich geltend.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen und vertreibt deutschlandweit in über 90 Filialen Elektroartikel und Photogeräte.

Der 1976 geborene Kläger trat im Jahre 1993 in die Dienste der Beklagten.

Als Abteilungsleiter Tonträger und stellvertretender Filialleiter in der Filiale HeidelbergPfaffengrund erhielt der Kläger zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 2.750,00 Euro. Im Arbeitsvertrag hat sich die Beklagte vorbehalten, den Kläger auch für andere zumutbare Arbeit im Betrieb einzusetzen, die seiner Stellung und seinen Fähigkeiten entspreche.

Am 13. Februar 2003 schlossen die Beklagte und der für die Filialen der Regionen Süd und Süd-West nach § 3 BetrVG gebildete und auch für die Filiale des Klägers zuständige Betriebsrat eine "Vereinbarung" ab, in der es ua. wie folgt heißt:

"Vorbemerkung

Beginnend seit 2001 hat das Unternehmen Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Für das Jahr 2001 betrug der Rückgang 5,35 % im Verhältnis zum Jahr 2000. Dies entsprach einem Minus von 41,9 Mio. EUR. Aufgrund der damals bestehenden Personalkosten von durchschnittlich 9,5 Mio. EUR monatlich traten bereits zum damaligen Zeitpunkt Liquiditätsprobleme auf. Das Geschäftsjahr 2001 ist letztlich auch mit einem Jahresverlust in Höhe von 45 Mio. EUR abgeschlossen worden, den die K Inc. als Muttergesellschaft ausgleichen mußte, um ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. Dies hatte zur Folge, daß Ende 2001 zur Ergebnisverbesserung im Personalbereich Kosten gesenkt wurden. Gleichwohl mußten für den Zeitraum Januar bis Oktober 2002 weitere Umsatzrückgänge von 8,68 % zum gleichen Zeitraum des Vorjahres hingenommen werden. Das entspricht einem Minus von 57,2 Mio. EUR. Dem stehen durchschnittlich 9,0 Mio. EUR monatlich für Personalkosten gegenüber. Den voraussichtlichen Jahresverlust in Höhe von 55 Mio. EUR muß die K Inc., weil Betriebsmittelkredite nicht zu bekommen waren, abermals übernehmen.

Die wirtschaftliche Entwicklung der P-Gruppe seit 2001 hatte zur Folge, daß die K Inc. sich Ende 2002 dazu entschieden hatte, ihr Engagement bei der P-Gruppe zu beenden. Die K Inc. veräußerte am 16. Januar 2003 ihre Gesellschaftsanteile an der P GmbH an die jetzigen Geschäftsführer M und Mi W.

Durch diesen Gesellschafterwechsel sind die wirtschaftlichen Probleme nicht beseitigt. Im Gegenteil, ohne Veräußerungen muß für das 2003 mit einem Fehlbetrag von 65 Mio. EUR gerechnet werden. Die K Inc. wird zwar für das Jahr 2003 letztmalig einen Betriebsmittelkredit in Form eines rückzahlbaren Darlehens der P Handels GmbH zur Verfügung stellen. Sollte es jedoch nicht bis Ende 2003 gelingen, die Verhältnisse umzukehren und zumindest mit einem ausgeglichenem Ergebnis abzuschließen, kann ein Insolvenzverfahren Anfang 2004 nicht ausgeschlossen werden.

Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Betriebsparteien folgenden Interessenausgleich und Sozialplan gemäß §§ 112 f. BetrVG:

A) Allgemeine Vorschriften

§ 1 Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt räumlich für die Filialen der P Handels GmbH der Regionen Süd und Süd-West. Persönlich gilt diese Vereinbarung für alle Arbeitnehmer/innen (mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach § 5 III und IV BetrVG), die während der Laufzeit dieser Vereinbarung von personellen Maßnahmen, die nachfolgend im Interessenausgleich (B.) abschließend geregelt sind, betroffen werden. Diese Vereinbarung gilt nicht für die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, und zwar deshalb nicht, weil alle begonnenen Ausbildungsverhältnisse unverändert zu Ende geführt werden.

§ 2 Zweck und Gegenstand

Zweck dieser Vereinbarung ist es, einen Interessenausgleich und einen Sozialplan gemäß § 112 BetrVG zu vereinbaren.

...

B) Interessenausgleich

§ 1 Betriebsänderung

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat Planungen und sonstige Informationen zugänglich gemacht, die die Durchführung der nachfolgend beschriebenen Betriebsänderung und die damit verbundenen Maßnahmen betreffen. Der Betriebsrat bestätigt ausdrücklich, umfassend vor Abschluß dieser Vereinbarung durch den Arbeitgeber informiert worden zu sein, und zwar über folgende Änderungen:

1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, daß eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung / Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepaßt.

2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt - je nach Bedarf - die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeit. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeiten zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer - mit Ausnahme des Marktleiters - werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung.

§ 2 Durchführung der Betriebsänderung

1. Die Umbauphase beträgt pro Filiale längstens 1 (einen) Monat. Alle Arbeitnehmer des jeweils betroffenen Marktes werden unter Einhaltung der individuellen Kündigungsfristen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Umbaus gekündigt. Sofern die Beachtung von individuellen Kündigungsfristen dazu führt, daß einzelne Arbeitnehmer über diesen Zeitpunkt hinaus weiterbeschäftigt werden müßten, werden die hiervon betroffenen Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung etwaig noch nicht genommenen Urlaubs bzw. unter Verrechnung von Mehrarbeitsstunden unwiderruflich von der Arbeitspflicht freigestellt.

Alle zu kündigenden Arbeitnehmer sind grundsätzlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Arbeitsleistung verpflichtet. Dem Arbeitgeber bleibt aber das Recht vorbehalten, Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen, sofern der Beschäftigungsbedarf wegen der Umsetzung der Betriebsänderung vor Ablauf der individuellen Kündigungsfrist abläuft.

2. Der Arbeitgeber ist mit dem Betriebsrat einig, daß sich der in den bisherigen Arbeitsverträgen enthaltene Versetzungsvorbehalt nur auf eine Versetzung innerhalb einer Filiale, nicht jedoch auf eine Versetzung von einer Filiale in eine andere Filiale bezieht. Eine soziale Auswahl wird deshalb zwischen den Filialen im Zuge der Umgestaltung einer Filiale nicht erfolgen.

3. Bei der Besetzung der nach dem Umbau neu entstehenden Arbeitsplätze werden jedoch alle in der jeweiligen Filiale beschäftigten Mitarbeiter - mit Ausnahme des Marktleiters - mitberücksichtigt. Vor Durchführung dieser Auswahl werden denjenigen Mitarbeitern - ohne Änderung der Vergütung - die neu zu schaffenden Arbeitsplätze angeboten, die Mitglied des Betriebsrates sind. Der Betriebsrat stimmt den damit verbundenen personellen Einzelmaßnahmen (Versetzung etc.) gemäß § 99 BetrVG bereits jetzt schon zu. Ansonsten erfolgt die Auswahl unter Zugrundelegung der in C) § 1 geregelten Auswahlrichtlinie sowie der in C) § 2 zur Erhaltung der Altersstruktur festgelegte Gruppenbildung.

C) Auswahlrichtlinie § 1 Auswahlkriterien

1. Die Auswahlrichtlinie ist nur für die Auswahl der Mitarbeiter anzuwenden, denen im Zuge der Umgestaltung einer Filiale zur reinen Abverkaufstelle die in diesem Zusammenhang neu zu bildenden Stellen angeboten werden.

2. Vergleichbar sind dabei alle bislang in der Filiale tätigen Arbeitnehmer, unabhängig davon, auf welcher betriebshierarchischen Ebene sie vormals beschäftigt wurden.

3. Die Parteien vereinbaren, daß die Auswahl der neu zu besetzenden Arbeitsplätze nach folgenden Maßgaben erfolgt:

a) In einem ersten Schritt ist nach folgenden Punkteschema zu verfahren:

Betriebszugehörigkeit: Mitarbeiter erhalten maximal 75 Punkte, und zwar bis zum 10 Dienstjahren je Jahr 1 Punkt und ab dem 11. Dienstjahr je 2 Punkte.

Das Lebensalter der Arbeitnehmer wird bis maximal 55 Punkte bewertet, und zwar bis zum 20. Lebensjahr insgesamt 1 Punkt und für jedes weitere Lebensjahr jeweils 1 Punkt.

Die Unterhaltspflichten werden mit maximal 55 Punkte bewertet, wobei verheiratete Mitarbeiter mit einem vollberufstätigen Partner keinen Punkt erhalten, allein stehende Mitarbeiter erhalten 5 Punkte, verheiratete Mitarbeiter mit einem nicht bzw. nicht voll berufstätigen Partner erhalten 8 Punkte. Je weitere unterhaltsberechtigte Person erhalten die Mitarbeiter jeweils 5 Punkte.

b) Haben Arbeitnehmer die gleiche Punktzahl, so sind in einem zweiten Schritt die Zeiten der Betriebszugehörigkeit, bei gleicher Betriebszugehörigkeit das Lebensalter und bei gleichem Alter die Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen maßgeblich.

c) Im Anschluß an die Bewertung der Sozialkriterien nach den vorstehenden Maßgaben hat der Arbeitgeber abschließend individuelle Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, um Härten, die sich aus der Anwendung des Punktesystems ergeben, zu verhindern. Zu berücksichtigen sind hier zum Beispiel Arbeitsmarktchancen, Berufsunfälle etc.

4. Für die Feststellungen der Betriebszugehörigkeit wird auf den Tag des Eintritts in das Unternehmen abgestellt. Für die Feststellung der Unterhaltspflichten sind die Angaben auf der Lohnsteuerkarte maßgeblich, sofern nicht Besonderheiten dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber bekannt sind und spätestens bei der Anhörung des Betriebsrates mitgeteilt werden.

§ 2 Bildung von Altersgruppen zur Erhaltung der Altersstruktur

Zwischen den Betriebsparteien besteht Einvernehmen, daß zur Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen gebildet werden. Innerhalb dieser Gruppen ist die Auswahl zur Besetzung der neuen Arbeitsplätze vorzunehmen. Die Altersgruppen gliedern sich wie folgt:

1. Gruppe

Mitarbeiter bis 25

2. Gruppe

Mitarbeiter bis 35

3. Gruppe

Mitarbeiter bis 45

4. Gruppe

Mitarbeiter bis 55

5. Gruppe

Mitarbeiter bis 65

Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass die Neubesetzung entsprechend der Gruppenbildung und innerhalb der Gruppe unter Zugrundelegung der Auswahlrichtlinie (C. § 1) durchzuführen ist. Die Auswahl der den einzelnen Gruppen zustehenden neuen Arbeitsplätze wird unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Stärke an der Gesamtbelegschaft der Filiale ermittelt. Sofern in einer Filiale ein Betriebsratsmitglied beschäftigt wird, vermindert sich die Anzahl von Arbeitsplätzen der Gruppe, zu der das Betriebsratsmitglied gehört.

§ 3 Beteiligungsrechte des Betriebsrates

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, insbesondere die Rechte aus §§ 99, 102 BetrVG werden beachtet.

D) Sozialplan

Aufgrund der bekannten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und zur Vermeidung einer Insolvenz stimmen die Parteien überein, daß auf den Abschluß eines Sozialplans für die oben näher beschriebene Betriebsänderung dauerhaft verzichtet wird."

Die Beklagte erstellte auf Grund der in der Vereinbarung vom 13. Februar 2003 festgelegten Kriterien eine Liste, aus der sich die Namen der Arbeitnehmer ergaben, die entweder eine Beendigungskündigung oder eine Änderungskündigung erhalten oder ungekündigt bleiben sollten. Dementsprechend hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen an, im Falle des Klägers, der zur Beendigungskündigung vorgesehen war, am 9. April 2003. Die Beklagte teilte dem Betriebsrat mit, sie wolle auf Grund der Reorganisation künftig nur noch 12 Arbeitnehmer in der Filiale des Klägers beschäftigen.

Nachdem verschiedene Arbeitnehmer das ihnen im Zusammenhang mit der ihnen gegenüber ausgesprochenen Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot nicht oder nur unter Vorbehalt angenommen hatten bzw. dies für die Beklagte absehbar war, bot die Beklagte einigen der zur Beendigungskündigung vorgesehenen Arbeitnehmer an, "nachzurücken". Diese Angebote wurden zum Teil angenommen, zum Teil - so auch vom Kläger - abgelehnt.

Mit Schreiben vom 22. April 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Mai 2003.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Das Bedürfnis für seine Beschäftigung sei nicht entfallen. Die bisher ausgeübten Tätigkeiten fielen weiter an. Warum die Beklagte nun ausgerechnet 12 Arbeitnehmer in der Filiale beschäftige und ob mit dieser Anzahl von Beschäftigten die Arbeit ohne überobligatorische Leistungen bewältigt werden könne, sei nicht dargelegt. Es habe auch die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bestanden. Bei Ausspruch der Kündigung habe die Beklagte das Schicksal der Änderungsangebote noch nicht absehen können. Ein ausformuliertes Änderungsangebot habe die Beklagte dem Kläger nicht unterbreitet. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft durchgeführt worden. Die Beklagte habe alle vergleichbaren Arbeitnehmer im gesamten Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats berücksichtigen müssen und sich nicht auf die Filiale beschränken dürfen, zumal der Kläger nach dem Arbeitsvertrag auch in anderen Filialen habe eingesetzt werden können Die Vereinbarung vom 13. Februar 2003 enthalte keinen wirksamen Interessenausgleich, weil der Betriebsrat unter Druck gesetzt worden sei. Der Kläger habe deshalb, wenn die Kündigung wirksam sei, einen Anspruch auf Zahlung von Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22. April 2003 nicht aufgelöst ist.

2. Weiter hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Klageantrag Ziff. 1: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Sozialabfindung in Höhe von 27.500,00 Euro zuzüglich 5 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als Nachteilsausgleich zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, ihr Unternehmen habe bereits im Jahre 2001 einen Jahresverlust in Höhe von 45 Mio. Euro hinnehmen müssen. Im folgenden Jahre seien die Umsätze weiterhin rückläufig gewesen. Für das Geschäftsjahr 2003 sei mit einem Fehlbetrag von 65 Mio. Euro zu rechnen. Die Beklagte sei daher gezwungen gewesen, zur Sanierung ihres Unternehmens neben einem Gehaltsverzicht der Führungskräfte und weiteren Maßnahmen ca. 1.800 Kündigungen auszusprechen. Sie habe beschlossen, alle Filialen in reine Abverkaufsstellen umzuwandeln. Auf Grund dieses Konzeptes würden in der Filiale nur noch ein Marktleiter und 12 Mitarbeiter beschäftigt. Allen Beschäftigten oblägen in Zukunft je nach Bedarf Kassentätigkeit, Pflege und Nachfüllen der Ware, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Kulanz und der Gewährleistung, sowie Lagertätigkeiten. Nach den im Interessenausgleich vereinbarten Regeln habe der Kläger zur Kündigung angestanden. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz gebe es nicht. Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Der Interessenausgleich sei wirksam abgeschlossen worden. Von einer Erpressung des Betriebsrats könne keine Rede sein.

Das Arbeitsgericht hat, soweit von Interesse, nach dem Hauptantrag erkannt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im hier interessierenden Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils und weiterhin die Zahlung von Nachteilsausgleich.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nicht sozial ungerechtfertigt, sondern durch dringende betriebliche Gründe iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Die Beklagte habe eine gestaltende unternehmerische Entscheidung dahin getroffen, die bisherige Verkaufspraxis in der im Interessenausgleich niedergelegten Weise abzuändern. Damit sei der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen. Die Beklagte habe auch nicht im Einzelnen darlegen müssen, in welchem Umfang einzelne der bisherigen Tätigkeiten entfielen oder weiter anfielen. Das Konzept der Beklagten sehe solche Einzelberechnungen nicht vor, sondern lediglich, dass die verbleibende tägliche Arbeit nach Bedarf von den verbleibenden Mitarbeitern zu erledigen sei. Das substanzlose Bestreiten des Klägers könne die im Interessenausgleich niedergelegte unternehmerische Entscheidung der beklagten nicht in Frage stellen. Die Beklagte habe die Sozialauswahl zu recht auf die Filiale beschränkt, weil diese einen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes dargestellt habe. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Einen Anspruch auf Nachteilsausgleich habe der Kläger nicht, weil ein Interessenausgleich abgeschlossen worden sei.

B. Dem stimmt der Senat im Ergebnis und zum Teil in der Begründung zu.

I. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger sei entfallen und die Kündigung deshalb durch dringende betriebliche Erfordernisse, die der Beschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ua. 7. Dezember 1978 - 2 AZR 155/77 - BAGE 31, 157; 20. Februar 1986 - 2 AZR 212/85 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61; 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71) entsteht das inner- oder außerbetrieblich veranlasste Erfordernis für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG in aller Regel nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usf.), sondern auf Grund einer durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Diese Entscheidung begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. Zwar muss nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein (st. Rspr. BAG 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36, zu B II 1 der Gründe). Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Ist eine derartige unternehmerische Entscheidung getroffen worden, so ist sie nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 -AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 550; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 406). Grundsätzlich muss zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund - Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit - vorliegen. In Fällen, in denen zwar bei Zugang der Kündigung noch die Möglichkeit der Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen Entscheidungen bereits getroffen sind, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - aaO). Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber ist - von Fällen der Willkür und des Missbrauchs abgesehen - frei, die betrieblichen Abläufe so zu organisieren, wie er es für zweckmäßig hält. Das dadurch beschriebene betriebliche Erfordernis berechtigt ihn zur Auflösung oder Umgestaltung der vorhandenen Arbeitsverhältnisse in eben dem Maße, in dem es zur Anpassung an die neue Organisation notwendig ist, allerdings unter Beachtung der weiteren, sich aus dem Gesetz ergebenden Maßgaben (zB Berücksichtigung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten, Sozialauswahl).

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die Arbeit in der Filiale des Klägers so umgestaltet, dass in Zukunft die bisherige Zuständigkeitsverteilung unter den Mitarbeitern - abgesehen vom Filialleiter - aufgehoben, verschiedene Tätigkeiten (insbesondere Beratung, Warenpräsentation) eingeschränkt werden und die verbleibenden Mitarbeiter für alle danach noch anfallenden Arbeiten je nach Bedarf eingesetzt werden sollten. Ein Beschäftigungsbedarf des bis dahin mit dem Kläger vereinbarten Tätigkeitszuschnitts sei damit entfallen. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden.

a) Die unternehmerische Entscheidung betrifft im vorliegenden Fall ein Gesamtkonzept, das den Ausspruch von Beendigungs- und Änderungskündigungen umfasst.

Dieses Gesamtkonzept setzt sich aus zwei gleichzeitig umgesetzten Veränderungen gegenüber der bisherigen Organisation zusammen. Zum einen wurde der bisherige Beschäftigungsbedarf reorganisiert, indem die Verteilung der anfallenden Aufgaben auf die Arbeitsplätze verändert wurde. Anstatt die Tätigkeiten wie bisher nach ihrer Art Spezialarbeitsplätzen zuzuweisen, sieht die neue Struktur die Zuständigkeit aller Arbeitnehmer für alle anfallenden Arbeiten vor (Allround-Arbeitsplätze). Außerdem - in einem zugleich mit dem ersten ins Werk gesetzten zweiten Schritt - hat die Beklagte eine Reduzierung der für die betrieblichen Aufgaben zur Verfügung gestellten Arbeitskapazität vorgenommen und vorgesehen, dass in Zukunft allein noch in dem Umfang die bisherigen Tätigkeiten ausgeführt werden, in dem die von der Beklagten festgelegte personelle Kapazität dies ermöglicht. Ein derartiges Gesamtkonzept ist als solches grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es nimmt an der nur auf Missbrauch beschränkten gerichtlichen Kontrolle teil. Weder kann dem Arbeitgeber vorgehalten werden, er müsse die verbliebene Arbeit auf alle Arbeitnehmer verteilen und deshalb allen Arbeitnehmern gegenüber Änderungskündigungen aussprechen, noch verlangt das Gesetz, dass der Arbeitgeber seine Reorganisation so gestaltet, dass er zunächst nach den Grundsätzen der Sozialauswahl die schutzwürdigsten Arbeitnehmer ermittelt, und die Reorganisation alsdann dem nach sozialen Gesichtspunkten verbleibenden Arbeitskräftepotential anpasst. Vielmehr bildet nach dem Gesetz - gerade umgekehrt - das betriebliche Bedürfnis die Grundlage für die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und diese ihrerseits die Grundlage für die vorzunehmende soziale Auswahl.

b) Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass die von der Beklagten im Zusammenhang mit den Kündigungen gegenüber einer Reihe von Arbeitnehmern ausgesprochenen Änderungsangebote der Sache nach sozial ungerechtfertigt iSd. §§ 1, 2 KSchG waren (vgl. BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 7/05 -), geschlossen werden, die unternehmerische Reorganisationsentscheidung sei offenbar unsachlich, willkürlich oder missbräuchlich. Denn die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigungen ergab sich nicht aus einer negativen Bewertung des unternehmerischen Konzepts, sondern daraus, dass die Beklagte sich nicht darauf beschränkt hat, diejenigen Änderungsvorschläge zu unterbreiten, die zur Umsetzung dieses Konzepts notwendig waren.

c) Die Revision rügt insoweit, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass der Vortrag der Beklagten zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bereits unschlüssig gewesen sei.

aa) Die Unschlüssigkeit des Vorbringens ergebe sich daraus, dass die Beklagte keine konkreten Angaben zum Zustandekommen der Reorganisationsentscheidung sowie zu dem bisherigen Aufgabenbereich des Klägers und der jetzigen konkreten Aufgabenverteilung gemacht habe.

bb) Diese Rüge hat keinen Erfolg.

(1) Soweit damit die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts angegriffen werden soll, ist die Rüge jedenfalls unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Vortrag der Parteien ersichtlich vollständig zur Kenntnis genommen und widerspruchs frei gewürdigt. Es hat sich auf den in der Vereinbarung vom 13. Februar 2003 festgelegten Katalog von Maßnahmen bezogen, die alle das Ziel verfolgen, eben die von der Beklagten beschriebene Reorganisation betrieblich umzusetzen. Dort ist auch niedergelegt, dass die von der Beklagten getroffene Entscheidung spätestens am 13. Februar 2003 vollständig und von den zu ihrer Durchsetzung berufenen Personen getroffen war. Dass derart einschneidende und konkret festgelegte rechtliche und tatsächliche Schritte in Gestalt einer detaillierten Betriebsvereinbarung als "greifbare Formen" einer beabsichtigten Reorganisation anzusehen sind - der im Übrigen auch unstreitig "Taten", nämlich Beendigungskündigungen, Änderungskündigungen und Umbaumaßnahmen gefolgt sind -, kann nicht mit Aussicht auf Erfolg in Abrede gestellt werden.

(2) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine unternehmerische Organisationsentscheidung nicht nur in einer (Um-)Gestaltung der Arbeitsabläufe, sondern auch darin liegen, festzulegen, mit welcher Stärke der Belegschaft des Betriebs zukünftig das Unternehmensziel erreicht werden soll bzw. welche Kapazität an einzusetzenden Arbeitskräften und ihrer Arbeitszeit vorgehalten werden muss (Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - DB 2006, 110, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Erschöpft sich eine solche Reorganisationsentscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rückt sie nahe an den Kündigungsentschluss heran. Da die Kündigungsentscheidung selbst nach dem Gesetz nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ("Dauer") verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob sie im Sinne der oben gekennzeichneten Rechtsprechung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also missbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61). Dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen muss, ist weder Selbstzweck noch darf es dazu dienen, dass die Gerichte in die betrieblichen Organisationsabläufe eingreifen. Der Sinn besteht darin, einen Missbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen. Vermieden werden sollen betriebsbedingte Kündigungen, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen (Rost in Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83). Vermieden werden soll außerdem, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31).

(3) Die Beklagte hat außerbetriebliche Ursachen, nämlich die erheblichen Verluste in den Jahren 2001 und 2002 zum Anlass für die Personalreduzierung und die gleichzeitig vorgenommene Reorganisation genommen. Diese Entscheidung ist nicht offenkundig unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Die Beklagte hat ihre Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit hinreichend dargelegt. Für eine missbräuchliche Ausübung des Kündigungsrechts sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

(4) Es ist eine Zweckmäßigkeitsfrage, welchen Schlüssel zur Berechnung des Personalbedarfs der Arbeitgeber zugrunde legt. Die Beantwortung dieser Frage fällt in den Bereich der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers. Dass die Beklagte einen willkürlich gegriffenen Personalbedarfsschlüssel angewandt hätte oder dass bei dem von der Beklagten geplanten reduzierten Service mehr als die vorgesehenen Arbeitskräfte gebraucht würden, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Beklagte Ersatzarbeitskräfte eingestellt hätte oder eine Überforderung der verbliebenen Arbeitnehmer vorläge. Der Kläger trägt nicht vor, die jetzt noch im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer seien nicht in der Lage, das verbliebene Arbeitspensum zu bewältigen.

cc) Die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt habe, wie die verbleibende Arbeit auf die verbliebenen Beschäftigten aufgeteilt sei und dass der bisherige Tätigkeitsbereich des Klägers auch unter Berücksichtigung des erweiterten Direktionsrechts entfallen sei.

dd) Die Rüge kann im Rahmen der Prüfung der Betriebsbedingtheit der Kündigung keinen Erfolg haben. Der Kläger übersieht bei seiner Rüge, dass die Beklagte nicht lediglich den Beschäftigungsbedarf inhaltlich verändert, sondern auch sein Volumen verringert und alle Arbeitsverhältnisse - mit Ausnahme desjenigen des Filialleiters - gekündigt hat. Die Frage welche Arbeitnehmer zu geänderten Bedingungen weiterbeschäftigt werden, ist nach dem zweistufigen, jedoch in einem Zug verwirklichten Konzept der Beklagten eine Frage der sozialen Auswahl, nicht jedoch der Betriebsbedingtheit. Nach dem Konzept der Beklagten bestand für keinen Arbeitnehmer eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen. Davon waren alle Arbeitsverhältnisse berührt. Welche Arbeitnehmer die Beklagte zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigen kann, ist für die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht maßgeblich, weil die Beklagte keinen Arbeitnehmer - mit Ausnahme der Filialleiter - mit der bisherigen Arbeit weiter beschäftigt.

d) Nicht zu folgen vermag der Senat der Revision auch insoweit, als sie meint, die Beklagte habe ihre Reorganisationsmaßnahme in zeitlichen Stufen dergestalt vornehmen müssen, dass sie zunächst die Änderungskündigungen aussprach, alsdann abwartete, wie die hiervon betroffenen Arbeitnehmer reagieren würden, nunmehr die etwa abgelehnten Arbeitsplätze den nach dem ursprünglichen Konzept zur Beendigungskündigung vorgesehenen Arbeitnehmern anbot und erst danach die dann noch notwendigen Beendigungskündigungen aussprach. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu einem solchen abgestuften Vorgehen folgt weder aus dem Gesetz noch könnte sie die erwünschte Klarheit alsbald herstellen. Verbindliche Erklärungen der betroffenen Arbeitnehmer zu Änderungsangeboten kann die Beklagte außerhalb des Verfahrens nach § 2 KSchG nicht erzwingen (vgl. BAG 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 -BB 2005, 2691, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Ausgang etwaiger Prozesse ist nicht sicher vorhersehbar. Die rechtlichen Rahmendaten der Auswahlentscheidung (Sozialdaten, Sonderkündigungsschutz) können sich im Übrigen während der Zeit des vom Berufungsgericht verlangten Zuwartens ändern (vgl. BAG 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - BB 2005, 2471, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Soll eine Vielzahl von Kündigungsentscheidungen, die auf Grund eines auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogenen Konzepts erfolgen, verlässlich überprüfbar sein, muss die rechtliche Überprüfung auch auf einen bestimmten einheitlichen Zeitpunkt bezogen werden. Das ist der vom Arbeitgeber bis zur Grenze der Willkür frei zu bestimmende Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Andernfalls entstünde wegen unterschiedlicher zeitlicher Bezugspunkte eine unbeherrschbare Inkohärenz der für die Kündigungsentscheidung maßgeblichen Grunddaten.

II. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG unwirksam. Die Beklagte hat bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt.

1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl durchzuführen. Die soziale Auswahl ist grundsätzlich auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer eines Betriebes zu erstrecken. Im Unterschied zu der Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber, die nach § 1 Abs. 2 KSchG auch unternehmensbezogen ausgestaltet ist, fehlt es an einer entsprechenden Regelung für den Bereich der sozialen Auswahl. Auf Grund dieser gesetzlichen Wertung ist für den Bereich der sozialen Auswahl von der grundsätzlichen Betriebsbezogenheit des individuellen Kündigungsschutzes auszugehen (st. Rspr. vgl. BAG 22. Mai 1986 - 2 AZR 612/85 -AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22 mwN; 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2. Die Sozialauswahl war nicht auf alle Arbeitnehmer im Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats zu erstrecken, sondern auf die Filiale des Klägers zu begrenzen. Das Landesarbeitsgericht hat den Vortrag der Parteien zu Recht dahingehend gewürdigt, dass es sich bei der Filiale des Klägers um einen Betrieb handelt.

a) Nach der allgemein üblichen Definition ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt (BAG 29. Januar 1987 - 6 ABR 23/85 - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 5; 15. März 2001 - 2 AZR 151/00 - EzA KSchG § 23 Nr. 23; 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33 = EzA KSchG § 23 Nr. 27; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 23 Rn. 5; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 133). Von Betrieben zu unterscheiden sind Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch unselbständig sind und eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen. Betriebsteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, eigene technische Hilfsmittel und eine durch die räumliche und funktionale Abgrenzung vom übrigen Betrieb bedingte relative Selbständigkeit verfügen. Andererseits fehlt ihnen aber ein Leitungsapparat, um insbesondere in personellen oder sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbständig treffen zu können (vgl. BAG 21. Juni 1995 - 2 AZR 693/94 - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 16 = EzA KSchG § 23 Nr. 14).

b) Von dieser Rechtsprechung ist offenkundig auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat sie zutreffend angewandt. Dass die Filiale einen eigenen arbeitstechnischen Zweck, nämlich den Verkauf von Elektroartikeln, verfolgte, ist unstreitig. Die von der Beklagten im Einzelnen dargelegte Steuerung der Filiale durch den Filialleiter, insbesondere auch in personeller Hinsicht, ist vom Kläger nicht bestritten worden. Auch mit der Revision macht der Kläger lediglich geltend, die Darlegungen seien nicht ausreichend. Das trifft jedoch nicht zu. Der Filialleiter war für Einstellungen und Entlassungen, Schichtpläne und Urlaubsgewährungen zuständig. Dass die förmliche Umsetzung von Einstellungen und Entlassungen in der Zentrale vorgenommen wurde, ändert nichts daran, weil nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten die materielle Entscheidung durch den Filialleiter getroffen wurde, er also "das Sagen", wenn auch nicht "das Unterschreiben" hatte.

c) Nichts Anderes ergibt sich daraus, dass die Filialen im Raum Süd/Südwest der Beklagten einen gemeinsamen Betriebsrat - offenbar nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a) BetrVG - gebildet hatten. Die Zusammenfassung von Betrieben nach dieser Vorschrift erfolgt jedoch lediglich zur Erleichterung der Bildung von Betriebsräten oder zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat. Sie ändert an der Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu den jeweiligen Beschäftigungsbetrieben nichts. Wie der Gesetzestext zeigt, der die Bildung eines solchen gemeinsamen Betriebsrates in Unternehmen mit "mehreren Betrieben" ermöglicht, ist das Vorhandensein mehrerer Betriebe sogar Voraussetzung für die Wahl des gemeinschaftlichen Betriebsrates (vgl. Fitting BetrVG 22. Aufl. § 3 Rn. 29 zu; HWK/Gaul § 3 BetrVG Rn. 3 mwN). Außerdem regelt § 5 Satz 1 BetrVG ausdrücklich, dass die Organisationseinheiten, für die Betriebsräte nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gewählt werden, nur als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten (ErfK-Eisemann 5. Aufl. Rn. 12 zu § 3 BetrVG; HWK/Gaul § 3 BetrVG Rn. 3 mwN).

d) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Sozialauswahl sei auf alle Betriebe der Beklagten zu erstrecken gewesen, weil in seinem Arbeitsvertrag ein filialübergreifendes Versetzungsrecht vereinbart sei. Die Sozialauswahl ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Senats auch dann betriebsbezogen durchzuführen, wenn ein unternehmensweites Direktionsrecht besteht (BAG 3. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 -).

C. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu recht entschieden.

I. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe sein Vorbringen, mit dem er die Nichtigkeit der Vereinbarung vom 13. Februar 2003 begründen will, übergangen, ist verständlich, führt aber nicht zum Erfolg. In der Tat hat das Landesarbeitsgericht sich mit dem Vorbringen des Klägers nicht ausdrücklich befasst. Jedoch erfüllt die erhobene Rüge nicht die Voraussetzungen einer zulässigen Verfahrensrüge. Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts genügt es nicht, nur vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Beweise nicht berücksichtigt (BAG 2. August 1984 - 2 AZR 26/83 -). Es muss vielmehr nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen müssen (BAG 6. Februar 1974 - 3 AZR 232/73 - AP BGB § 133 Nr. 38 = EzA BGB § 133 Nr. 8; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - BAGE 49, 39; 13. April 2000 - 2 AZR 173/99 -; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 74 Rn. 39). Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - BAGE 96, 123 mwN; 29. Juli 1992 - 4 AZR 502/91 -BAGE 71, 56). An einem diesen Anforderungen genügenden Vortrag fehlt es schon deshalb, weil die Revision auch in der Revision keine konkreten Tatsachen mitteilt, sondern sich auf allgemeine Wertungen beschränkt.

II. Dennoch ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis selbst dann nicht zu beanstanden, wenn das Vorbringen des Klägers als zutreffend unterstellt wird. Der Senat kann, da der Sachverhalt feststeht und weiteres Vorbringen nicht zu erwarten ist, die etwa vom Landesarbeitsgericht unterlassene Würdigung nachholen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Der Kläger stützt sich im Wesentlichen auf die Darstellung des Betriebsrats vom 21. Februar 2003. Sie lautet wie folgt:

Der Betriebsrat informiert!

M, den 21.02.03

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In einer gemeinsamen Sitzung mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat am 13.02.03 wurde uns die aktuelle Situation des Unternehmens dargelegt. Daraus wurde klar ersichtlich dass ohne tiefgreifende Änderungen dem P die Insolvenz droht.

Um diese abzuwenden legte die Geschäftsleitung ein Sanierungskonzept vor, das sie von ihren Marktleitern vorgestellt bekommen. Dieses sieht unter anderem auch die Reduzierung der Personalkosten vor. Um das umsetzen zu können legte Herr Wa eine Betriebsvereinbarung vor, die auch einen Interessenausgleich /Sozialplan ohne Abfindungen vorsieht. Dem Betriebsrat wurde dargelegt, daß dieses Vorlage nicht verhandelbar ist.

Uns wurde eine Frist von 2 Stunden zur Entscheidung gegeben. Die Berliner Betriebsräte, die ca. 2500 Kolleginnen und Kollegen vertreten, haben einen Tag vorher diese Betriebsvereinbarung bereits unterschrieben, ohne uns zu kontaktieren oder zu informieren.

Wir unterbreiteten der Geschäftsleitung folgende Vorschläge:

1. Mögliche Kurzarbeit

2. Prüfung der uns vorgelegten Betriebsvereinbarung durch einen Rechtsanwalt und damit Aufschub der Entscheidung bis Montag, den 17.02.03 18 Uhr.

Daraufhin eskalierte die Sitzung. Herr W und Herr Wa verließen wütend den Sitzungssaal und teilten uns sinngemäß mit, "wenn Sie ohne unterschriebene Betriebsvereinbarung nach B zurückfliegen, werden die Herren W am Montag, den 17.02.03 für dieses Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen". Die Folge wäre die Insolvenz, und somit der Verlust von ca.3.500 Arbeitsplätze.

Um zumindest den Großteil der Mitarbeiter zu retten hat der Betriebsrat unter immensem Druck mit Mehrheitsbeschluß der Betriebsvereinbarung zugestimmt. Wir werden sehr genau die Sozialauswahl prüfen und versuchen Härtefälle abzuwenden.

Mit der Entscheidung trägt der Betriebsrat dazu bei, daß das Unternehmen weiter geführt werden kann, und damit der Großteil des Arbeitsplätze erhalten bleibt.

H

Betriebsratsvorsitzender P Handels GmbH

Bitte am schwarzen Brett aushängen!

Demgegenüber hat die Beklagte darauf verwiesen, der Betriebsrat habe die

Vereinbarung vom 13. Februar 2003 nicht angefochten und gehe, nach anfänglichem Zögern, inzwischen selbst von der Wirksamkeit der Vereinbarung aus.

2. Der Kläger kann, da er nicht Partei der Betriebsvereinbarung ist, keine etwaigen Willensmängel bei deren Zustandekommen geltend machen. Da er sich jedoch nicht gegen den Inhalt der Vereinbarung, sondern gegen deren Zustandekommen wendet, kann allenfalls eine Nichtigkeit unter dem Gesichtspunkt einer nach § 138 BGB unzulässigen verwerflichen Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit (vgl. BGH 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97 - NJW 1999, 135) des Betriebsrates durch die Beklagte in Betracht gezogen werden.

3. Indes ist der Sachvortrag des Klägers nicht geeignet, eine solche rechtliche Würdigung zu tragen.

Der Kläger hat nur in allgemeiner Form ausgeführt, der Betriebsrat sei "geradezu erpresst" worden. Aus diesem Vorbringen und der Mitteilung des Betriebsrats ergibt sich keine verwerfliche Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates. Denn nach der Mitteilung des Betriebsrates lag tatsächlich die Gefahr einer Insolvenz vor. Aus dem Schreiben geht auch nicht hervor, dass der zweifellos vorhanden gewesene Zeitdruck durch die Beklagte vorgetäuscht oder in rechtsfremder Absicht herbeigeführt worden wäre. Das Rundschreiben lässt vielmehr die Wertung offen, dass der wirtschaftliche und zeitliche Druck objektiv gegeben waren und eine andere realistische Möglichkeit zur Rettung des Unternehmens nicht vorlag. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht ersichtlich, dass die Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit verwerflich, erpresserisch oder sonst wie sittenwidrig gewesen sein müsste.

D. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Revision fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

Ende der Entscheidung

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