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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 3 AZR 146/99
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 16
BGB § 133
BGB § 157

Entscheidung wurde am 07.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
Eine angemessene Eigenkapitalverzinsung, die für die Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG von entscheidender Bedeutung ist, besteht aus einem Basiszins und einem Risikozuschlag. Der Basiszins entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt für alle Unternehmen einheitlich 2 %. Ein Geldentwertungsabschlag darf unterbleiben.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 146/99 15 Sa 22/98

Verkündet am 23. Mai 2000

In Sachen

Manfred Schulze, Zwinglistraße 29, 10555 Berlin,

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler, den ehrenamtlichen Richter Furchtbar und die ehrenamtliche Richterin Martschin für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. August 1998 - 15 Sa 22/98 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zum 1. Januar 1995 die Betriebsrente des Klägers anpassen mußte.

Der am 21. Juni 1927 geborene Kläger war vom 20. Juni 1949 bis zum 31. Dezember 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war nach den seit dem 1. Januar 1956 geltenden Versorgungsregelungen verpflichtet, bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren "einen monatlichen Rentenzuschuß von 50,00 DM" zu zahlen. Zusätzlich zu diesem Festbetrag sahen die Versorgungsbestimmungen vom 20. April 1967 Steigerungsbeträge für das 11. bis 35. Jahr der Betriebszugehörigkeit in Höhe von 2,00 DM pro Jahr vor.

Am 21. Dezember 1967 wurde eine neue Versorgungsordnung (VO 67) geschaffen. In Nr. IV VO 67 heißt es zur Höhe der Altersrente:

"Bemessungsgrundlage für die Altersrente ist die Hälfte des rentenfähigen Arbeitsverdienstes abzüglich der anrechnungsfähigen Sozialrenten. Hiervon werden für jedes rentenfähige Dienstjahr 2 %, insgesamt jedoch höchstens 50 % als Altersrente gewährt.

...

Begriffsbestimmungen und Erläuterungen zum Berechnungsverfahren sind in den Versorgungsrichtlinien enthalten."

Nach den Versorgungsrichtlinien vom 21. Dezember 1967 war "der für die Berechnung der zugesagten Altersrente maßgebliche rentenfähige Arbeitsverdienst 1/12 des Bruttoarbeitsverdienstes am letzten Bilanzstichtag vor Eintritt des Versorgungsfalles". Mit Schreiben vom 26. März 1968 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

"Durch die Geschäftsführung ist mit besonderer Zustimmung des Aufsichtsrates der Meierei-Zentrale das neue Sozialwerk allen Betriebsangehörigen in den Vorweihnachtstagen des Jahres 1967 verkündet worden.

Ich möchte nochmals darauf aufmerksam machen, daß damit alle Betriebsangehörigen ... in den Genuß einer sich laufend steigernden Altersversorgung gelangen. ...

Wir machen ferner darauf aufmerksam, daß bei dem neu verkündeten Sozialwerk die Renten sich den evtl. steigenden Löhnen automatisch anpassen, während das alte Versorgungswerk nur eine starre, festliegende Rente vorsah.

..."

Durch Anstellungsvertrag vom 2. Januar 1975 übertrug die Beklagte dem Kläger die Leitung des Einkaufs. In § 5 dieses Vertrages regelten die Parteien die Altersversorgung des Klägers. Zur Höhe des Ruhegeldes vereinbarten sie:

"Das Ruhegehalt beträgt nach 10-jähriger Tätigkeit für die Gesellschaft 30 % seines zuletzt bezogenen Gehalts ohne Zuschläge und Tantiemen."

Am 1. Januar 1992 trat der Kläger in den Ruhestand. Seither erhält er eine Betriebsrente von monatlich 1.941,00 DM. Die Beklagte lehnte es aus wirtschaftlichen Gründen ab, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 1995 anzupassen.

1986 erzielte die Beklagte einen Jahresfehlbetrag von 1.425,00 DM, 1987 einen Jahresüberschuß von 5.021,00 DM, 1988 einen Jahresfehlbetrag von 635.919,00 DM, 1989 eine Jahresüberschuß 24.596,00 DM, 1990 einen Jahresüberschuß von 474.520,00 DM, 1991 einen Jahresüberschuß von 803.198,00 DM, 1992 einen Jahresüberschuß von 3.209.237,00 DM, 1993 einen Jahresüberschuß von 2.517.071,00 DM, 1994 einen Jahresüberschuß von 2.999.654,00 DM, 1995 einen Jahresüberschuß von 2.211.237,00 DM, 1996 einen Jahresfehlbetrag von 5.130.506,00 DM und 1997 einen Jahresüberschuß von 7.555.538,00 DM. Der im Jahre 1997 erreichte Jahresüberschuß enthält außerordentliche Erträge in Höhe von 10.118.000,00 DM.

Das Eigenkapital der Beklagten belief sich - jeweils am Ende des Jahres - 1986 auf 12.654.457,00 DM, 1987 auf 12.659.478,00 DM, 1988 auf 11.373.559,00 DM, 1989 auf 12.048.154,00 DM, 1990 auf 12.393.075,00 DM und 1991 auf 12.483.248,00 DM. 1992 erhöhte die Beklagte ihr Stammkapital von 12.000.000,00 DM auf 18.000.000,00 DM und bildete außerdem eine Kapitalrücklage von 12.000.000,00 DM. Daraufhin betrug das Eigenkapital 32.199.985,00 DM im Jahre 1992 und 32.107.346,00 DM im Jahre 1993. Das Stammkapital wurde im Jahre 1994 nochmals um 6.000.000,00 DM auf 24.000.000,00 DM und die Kapitalrücklage um weitere 12.000.000,00 DM auf 24.000.000,00 DM erhöht. Die Kapitalrücklage entstand dadurch, daß die neu aufgenommenen Gesellschafter ein "Aufgeld" von 200 % zahlten. Im Jahre 1994 stieg das Eigenkapital auf 50.277.681,00 DM. Es verringerte sich im Jahre 1995 auf 49.602.635,00 DM und im Jahre 1996 auf 43.032.128,00 DM. Im Jahre 1997 erhöhte es sich auf 50.587.666,00 DM. Die von der Beklagten ausgeschütteten Dividenden beliefen sich 1991 auf 360.000,00 DM, 1992 auf 480.000,00 DM, 1993 auf 1.800.000,00 DM, 1994 auf 1.889.000,00 DM, 1995 auf 2.185.000,00 DM und 1996 auf 1.440.000,00 DM. Öffentliche Anleihen erzielten eine Umlaufrendite in Höhe von 5,9 % im Jahre 1986, 5,8 % im Jahre 1987, 6,1 % im Jahre 1988, 7,0 % im Jahre 1989, 8,8 % im Jahre 1990, 8,6 % im Jahre 1991, 8,0 % im Jahre 1992, 6,3 % im Jahre 1993, 6,7 % im Jahre 1994, 6,5 % im Jahre 1995, 5,6 % im Jahre 1996 und 5,1 % im Jahre 1997.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Betriebsrente sei entsprechend der zwischen dem Rentenbeginn und dem Anpassungsstichtag eingetretenen Preissteigerung um 11,9 % zu erhöhen. Die Beklagte werde durch diese Anpassung wirtschaftlich nicht überfordert. Dies zeigten die ausgeschütteten Dividenden. Auch nach der verlangten Anpassung erziele die Beklagte eine angemessene Eigenkapitalverzinsung. Die Jahresüberschüsse seien ausschließlich mit dem Stammkapital und den Kapitalrücklagen zu vergleichen. Gewinnrücklagen und Gewinnvorträge seien nicht zu berücksichtigen. Außerdem stehe dem Kläger ein vertraglicher Anpassungsanspruch zu. Das Schreiben der Beklagten vom 26. März 1968 enthalte das Versprechen, die Betriebsrente entsprechend der Lohnentwicklung anzupassen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn vom 1. Januar 1995 an eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 2.171,98 DM zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.929,40 DM für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1997 nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag aus 2.771,76 DM seit dem 8. März 1996 und aus 4.157,64 DM seit dem 17. Juli 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, sie sei nach § 16 BetrAVG nicht zu der verlangten Anpassung verpflichtet. Am Anpassungsstichtag habe sie mit keiner angemessenen Eigenkapitalverzinsung rechnen können. Einen vertraglichen Anpassungsanspruch könne der Kläger aus dem Schreiben vom 26. März 1968 nicht herleiten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte war weder vertraglich noch gesetzlich verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 1995 anzupassen.

I. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch darauf, daß die Beklagte seine Betriebsrente entsprechend der Lohnentwicklung erhöht.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26. März 1968 keine Dynamisierung der laufenden Betriebsrenten zusagte. Sie erläuterte in diesem Schreiben lediglich die Versorgungsordnung, wollte aber keine über die Versorgungsordnung hinausgehenden Verpflichtungen begründen.

2. Außerdem hoben die Parteien in § 7 Satz 2 des Anstellungsvertrages vom 2. Januar 1975 alle früheren Vereinbarungen auf. § 5 dieses Anstellungsvertrages regelt die dem Kläger zustehende Betriebsrente abweichend von der VO 67. Während die VO 67 eine Höchstrente von 50 % der Bemessungsgrundlage vorsieht, erhält der Kläger nach seinem Anstellungsvertrag "30 % seines zuletzt bezogenen Gehalts ohne Zuschläge und Tantiemen". Der vereinbarte Prozentsatz wurde festgeschrieben und sollte nicht mehr steigen. Soweit § 5 des Anstellungsvertrages keine Regelung enthält, gelten die gesetzlichen Vorschriften. Die Anpassung der laufenden Betriebsrente des Klägers richtet sich damit nach § 16 BetrAVG.

II. Die Beklagte durfte nach § 16 BetrAVG von einer Erhöhung der Betriebsrente zum 1. Januar 1995 absehen.

1. § 16 BetrAVG schreibt vor, daß bei der Anpassungsentscheidung die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind. Die Belange der Versorgungsempfänger werden durch ihren Anpassungsbedarf bestimmt. Er richtet sich nach dem zwischen Rentenbeginn und Anpassungsstichtag eingetretenen Kaufkraftverlust. Dabei kommt es auf die Veränderung des Preisindex an, den das Statistische Bundesamt für die Lebenshaltung eines Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalts mit mittlerem Einkommen ermittelt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. ua. 16. Dezember 1976 - 3 AZR 795/75 - BAGE 28, 279, 291; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1, 4 mwN). Davon ausgehend hat der Kläger eine Preissteigerung von 11,9 % errechnet.

2. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber voraussichtlich nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. ua. 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - aaO; 23. Oktober 1996 - 3 AZR 514/95 - BAGE 84, 246, 250 jeweils mwN). Die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, von der auch die Sicherung der Arbeitsplätze abhängt, darf nicht gefährdet werden. Ein wettbewerbsfähiges Unternehmen benötigt genügend Eigenkapital und muß verhindern, daß sich Investoren abwenden. Dem Unternehmen ist demgemäß eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen (vgl. BAG 23. April 1985 - 3 AZR 156/83 - BAGE 48, 272, 283 f.; 14. Februar 1989 - 3 AZR 191/87 - BAGE 61, 94, 98 f.; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1, 11). Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte am Anpassungsstichtag annehmen, daß die zu erwartende Eigenkapitalverzinsung noch keine Anpassung der Betriebsrenten zulasse.

a) Ausgangspunkt der vom Arbeitgeber zu erstellenden Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, soweit sie Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung des Unternehmens zuläßt (vgl. BAG 23. April 1985 - 3 AZR 156/83 - BAGE 48, 272, 281; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1, 9). Außergewöhnliche, nicht absehbare Ereignisse eignen sich nicht als Prognosegrundlage. Dies ist auch bei "außerordentlichen Aufwendungen" und "außerordentlichen Erträgen" zu beachten.

b) Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die Höhe des Eigenkapitals, andererseits auf das erzielte Betriebsergebnis abzustellen. Beide Bemessungsgrundlagen sind ausgehend von den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu bestimmen.

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers bestimmt sich die Höhe der Eigenkapitalverzinsung nicht nach den ausgeschütteten Dividenden. Die von subjektiven Zweckmäßigkeitserwägungen beeinflußte Ausschüttungspolitik erlaubt keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens. Die Dividendenhöhe beruht nicht allein auf dem erzielten Gewinn, sondern auf einer Vielzahl weiterer Überlegungen. Selbst bei schlechten Betriebsergebnissen kann die Ausschüttung von Dividenden sinnvoll sein, zB um Irritationen bei Investoren zu vermeiden und Optimismus zu signalisieren. Der Unternehmenserfolg ist nach objektiven Kriterien zu messen. Entscheidend ist, welchen Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag das Unternehmen erwirtschaftet.

bb) Die in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen ausgewiesenen Überschüsse oder Fehlbeträge bilden einen geeigneten Einstieg zur Feststellung des erzielten Betriebsergebnisses (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1, 10). Sie sind jedoch nicht unbesehen zu übernehmen. Betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen sind vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für die in den Bilanzen enthaltenen Scheingewinne (BAG 23. April 1985 - 3 AZR 548/82 - BAGE 48, 284, 293; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - aaO), sondern zB auch für betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen.

cc) Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist der handelsrechtliche Eigenkapitalbegriff zugrunde zu legen. Er trägt betriebswirtschaftlichen Überlegungen Rechnung. Zum Eigenkapital zählen nach § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB nicht nur das "gezeichnete Kapital" bzw. "Stammkapital" und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Gewinn-/Verlustvortrag und Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag.

(1) Entgegen der Ansicht des Klägers ist dem § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB der handelsrechtliche Begriff des Eigenkapitals zu entnehmen. § 268 Abs. 1 HGB führt nicht dazu, daß § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB lediglich als Gliederungsvorschrift für die handelsrechtliche Bilanz anzusehen ist. Nach § 268 Abs. 1 HGB darf die Bilanz auch unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt werden. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so tritt an die Stelle der Posten "Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag" und "Gewinnvortrag/Verlustvortrag" der Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust". Ein vorhandener Gewinn- oder Verlustvortrag ist in den Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust" einzubeziehen und in der Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben. Der Gesamtbetrag des Eigenkapitals ändert sich durch diese Art der Bilanzierung nicht.

(2) In der Regel ist es sachgerecht, bei der im Rahmen des § 16 BetrAVG zu prüfenden Eigenkapitalverzinsung auch Gewinnrücklagen und Gewinnvorträge zum Eigenkapital zu zählen. Das Eigenkapital ist vom Fremdkapital abzugrenzen. Gewinnrücklagen und Gewinnvortrag können nicht dem Fremdkapital zugeordnet werden. Die Anteilseigner haben die nicht ausgeschütteten Gewinne dem Unternehmen zur Erhöhung des Eigenkapitals zur Verfügung gestellt. Dem Gedanken der Substanzerhaltung widerspräche es, das Unternehmen zu verpflichten, Anpassungen aus diesem Eigenkapital zu finanzieren.

dd) Die Höhe der Eigenkapitalverzinsung richtet sich nach dem zur Verfügung stehenden Eigenkapital. Da es sich während des Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Geschäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von einem Durchschnittswert auszugehen (vgl. ua. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Teil 11 B Rn. 1372; Hartauer DB 1996, 2080). Grundsätzlich kommt es auf den Mittelwert aus dem Eigenkapital zu Beginn und Ende des Geschäftsjahres an.

Das Eigenkapital kann nicht uneingeschränkt mit den Betriebsergebnissen nach Steuern verglichen werden (vgl. dazu Hartauer aaO; aA Andresen/Förster/Rößler/ Rühmann aaO Teil 11B Rn. 1373). Bei den Ertragssteuern ist zu beachten, daß sie auf die Einkommenssteuer der Anteilseigner angerechnet werden können. Diesen Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht dadurch Rechnung getragen, daß es die Ertragssteuern dem jeweiligen Jahresüberschuß hinzurechnete. Die Frage, inwieweit die Ertragssteuern zu berücksichtigen sind, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, weil auch die für die Beklagte ungünstigere Berechnung (Hinzurechnen der Ertragssteuer und damit höhere Rendite) zu keiner angemessenen Eigenkapitalverzinsung führt.

c) Das Landesarbeitsgericht hat sich bei der Ermittlung des angemessenen Zinssatzes an das Urteil des Senats vom 17. April 1996 (- 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1, 11) gehalten. Danach kann grundsätzlich die für festverzinsliche Wertpapiere langfristig erzielbare Rendite und außerdem ein Zuschlag für das Risiko zugrunde gelegt werden, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Dieser Maßstab ist im Berufungsurteil auch richtig angewandt worden.

aa) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen als Basiszins angesehen. Sie ist den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen. Damit handelt es sich um ein objekiviertes, leicht nachprüfbares Kriterium (vgl. dazu Ludewig/Kube DB 1998, 1725, 1727).

bb) Der Risikozuschlag beträgt für alle Unternehmen einheitlich 2%. Von einem Geldentwertungsabschlag darf der Arbeitgeber absehen.

(1) Im arbeitsrechtlichen Schrifttum sprechen sich mehrere Autoren für einen Risikozuschlag von 2 bis 3 % aus (vgl. ua. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann aaO Teil 11B Rn. 1367; Höfer BetrAVG: Stand 1999 § 16 Rn. 3582; Pauly DB 1996, 1731, 1732). Ludewig/Kube (aaO) weisen darauf hin, daß in der Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung einerseits ein Risikozuschlag von 0,5 bis 4 % und andererseits ein Geldentwertungsabschlag auf den Basiszins vorgenommen wird. Der Geldentwertungsabschlag von 0,5 bis 2,5 % soll berücksichtigen, daß Unternehmen eine Geldwertverminderung je nach Marktstellung durch die Preisgestaltung mehr oder weniger auffangen können, während sich die Geldwertverminderung bei einer Kapitalanlage in festverzinsliche Wertpapiere meist stärker niederschlägt.

(2) Das Schrifttum zur Unternehmensbewertung steht Geldentwertungsabschlägen kritisch gegenüber (vgl. die Nachweise bei Ludewig/Kube aaO). Die Bestimmung eines sachgerechten Geldentwertungsabschlags erfordert die Prüfung der Reaktionsmöglichkeiten des einzelnen Unternehmens und wird von zahlreichen Unwägbarkeiten beeinflußt.

(3) Wenn die Höhe des Risikozuschlags von den Verhältnissen des einzelnen Unternehmens abhinge und ein unternehmensspezifischer Geldentwertungsabschlag vorgenommen werden müßte, würde die ohnehin komplexe Anpassungsentscheidung und deren Überprüfung erheblich erschwert. Ein einheitlicher Risikozuschlag und ein Verzicht auf Geldentwertungsabschläge erleichtern dagegen die Anwendung des § 16 BetrAVG und sorgen für Rechtssicherheit.

Trotz der derzeit risikoreichen wirtschaftlichen Lage und der niedrigen Geldentwertungsrate ist ein fester Risikozuschlag von 2 % angemessen. Dieser Prozentsatz liegt zwischen dem bei Unternehmensbewertungen gebräuchlichen Mindestsatz von 0,5 % und dem Höchstsatz von 4 %. Durch die Unterschreitung des Mittelwertes wird ausreichend berücksichtigt, daß ein Geldentwertungsabschlag unterbleiben darf.

d) Nach diesen Berechnungsgrundsätzen hatte die Beklagte von 1987 bis 1995 lediglich im Jahr 1992 eine angemessene Eigenkapitalverzinsung erreicht. Die Betriebsergebnisse der Jahre 1996 und 1997 beruhten auf außergewöhnlichen Umständen und sind nicht aussagekräftig. Im einzelnen hat sich die Eigenkapitalverzinsung wie folgt entwickelt:

 1987:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:12.656.967,00DM(=12.654.457,00 DM + 12.659.478,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:5.021,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:knapp über 0% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:7,8% 
1988:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:12.016.518,00DM(= 12.659.478,00 DM + 11.373.559,00 DM : 2)
 Jahresfehlbetrag:635.919,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:0% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:8,1% 
1989:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:11.710.856,00DM(= 11.373.559,00 DM + 12.048.154,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:24.596,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:0,21% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:9% 
1990:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:12.220.614,00DM(= 12.048.154,00 DM + 12.393.075,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:474.520,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:3,84% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:10,8% 
1991:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:12.428.161,00DM(=12.393.075,00 DM + 12.483.248,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:803.198,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:6,43% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:10,6% 
1992:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:22.341.616,00DM(= 12.483.248,00 DM + 32.199.985,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:3.209.237,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:14,1% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:10% 
1993:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:32.153.665,00DM(= 32.199.985,00 DM + 32.107.346,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:2.517.071,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:7,8% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:8,3%

Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils ist der Jahresüberschuß für das Jahr 1993 unstreitig. Erst im Revisionsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die Position "sonstige Betriebsaufwendungen" enthalte einen nicht periodengerecht zugeordneten "vorgezogenen Sonderaufwand - vermutlich Sonderaufwendung nach dem Fördergebietsgesetz -". Dies ist ein neuer Sachvortrag, der nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 561 ZPO im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann. Im übrigen würde sich im Ergebnis nichts ändern, wenn in einem weiteren Jahr eine angemessene Eigenkapitalverzinsung erzielt worden wäre.

 1994:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:41.192.513,00DM(= 32.107.346,00 DM + 50.277.681,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:2.999.654,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:7,2% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:8,7% 
1995:Zugrunde zu legendes Eigenkapital:49.940.158,00DM(= 50.277.681,00 DM + 49.602.635,00 DM : 2)
 Jahresüberschuß:2.211.237,00DM 
 Tatsächliche Eigenkapitalverzinsung:4,4% 
 Angemessene Eigenkapitalverzinsung:8,5%

Das zugrunde zu legende Eigenkapital belief sich im Jahre 1996 auf 46.317.381,00 DM (= 49.602.635,00 DM + 43.032.128,00 DM : 2) und im Jahre 1997 auf 46.809.897,00 DM (= 43.032.128,00 DM + 50.587.666,00 DM : 2). Die Geschäftsberichte weisen für 1996 einen Jahresfehlbetrag von 5.130.506,00 DM und für 1997 einen Jahresüberschuß von 7.555.538,00 DM auf. Dies ergäbe für 1996 keinerlei Eigenkapitalsverzinsung und für 1997 eine solche von 15,9 %. Beide Abschlüsse sind aber nicht repräsentativ. Im Jahre 1996 wirkten sich außerordentliche Verluste und im Jahre 1997 außerordentliche Erträge aus. Die Entwicklung der Jahre 1996 und 1997 ist nicht geeignet, die aus den früheren wirtschaftlichen Daten gewonnene Prognose zu entkräften oder zu bestätigen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens bis zum Anpassungsstichtag ließ keine ausreichende Konsolidierung der Ertragskraft erkennen. In den zurückliegenden zehn Jahren hatte das Unternehmen nur im Jahre 1992 und allenfalls noch im Jahre 1993 eine angemessene Eigenkapitalverzinsung erzielt. Anschließend war die Eigenkapitalverzinsung wieder unzureichend, und zwar auch im Anpassungsjahr. Vor diesem Hintergrund mußte die Beklagte damit rechnen, daß sie jedenfalls bis zum nächsten Anpassungsstichtag durch eine Anpassung der Betriebsrenten überfordert sei.

Ende der Entscheidung

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