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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 3 AZR 252/05
Rechtsgebiete: TV 1973, TV 1995, RVO, ZVALG


Vorschriften:

TV 1973 § 1 Nr. 2
TV 1995 § 1 Abs. 2 Unterabs. 2
BGB § 585 Abs. 1 Satz 2
ArbZG § 5 Abs. 2
RVO § 776 Abs. 1
RVO § 776 Abs. 2
ZVALG § 2
ZVALG § 10
ZVALG § 11
ZVALG § 16
ZVALG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 252/05

Verkündet am 30. Mai 2006

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Breinlinger, den ehrenamtlichen Richter Schoden und die ehrenamtliche Richterin Dr. Möller für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2005 - 16 Sa 274/02 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 12. Dezember 2001 - 8 Ca 256/01 - wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung der Beklagten wird dieses Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine tarifliche Beihilfe zur gesetzlichen Rente nach den Tarifverträgen über die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft von 1973 und 1995 zu zahlen.

Die Mitgliedsverbände des Gesamtverbandes der Deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. einerseits und die damalige Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft andererseits schlossen am 20. November 1973 den "Tarifvertrag über eine Zusatzversorgung für Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft im Bundesgebiet und in West-Berlin" (TV 1973). Dieser wurde rückwirkend ab 1. Juli 1972 in Kraft gesetzt und lautet auszugsweise:

"§ 1 Geltungsbereich

1. Räumlich: Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West).

2. Fachlich: Für alle Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des landwirtschaftlichen Obst- und Gemüsebaues, des Weinbaues sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht, deren Nebenbetriebe; für alle gemischten Betriebe mit überwiegend landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter; selbständigen Nebenbetriebe oder Betriebsabteilungen gewerblicher Unternehmen mit landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter. ...

§ 2 Zusatzversorgungswerk

1. Die Tarifvertragsparteien gründen ein Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft e. V. - (ZLF) als gemeinsame Einrichtung im Sinne von § 4 Absatz 2 TVG.

2. Das ZLF gewährt an land- und forstwirtschaftliche Arbeitnehmer (§ 1 Nr. 3) und deren Witwen/Witwer im Rentenfalle Beihilfen. Zur Finanzierung dieser Beihilfen leisten die land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber Beiträge an das ZLF.

3. Die Aufgaben des ZLF führt die Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft - ZLA -(Gesetz über die Einrichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft -(ZVALG)*) durch.

*) Gesetz vom ..., BGBl. I, S. ...

§ 8 Arten der Beihilfe

Das ZLF gewährt folgende Leistungen:

1. Beihilfen zum Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung,

2. Beihilfen zur Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung,

..."

Der Tarifvertrag wurde zum 1. Juli 1972 für allgemeinverbindlich erklärt. Das von den Tarifvertragsparteien vorab in § 2 Abs. 3 TV 1973 in Bezug genommene "Gesetz über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft" vom 31. Juli 1974 (ZVALG) sieht in § 16 vor:

(Sonstige Aufgaben der Zusatzversorgungskasse)

"(1) Die Zusatzversorgungskasse kann mit Genehmigung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung die Aufgaben gemeinsamer Einrichtungen der Tarifvertragsparteien der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 des Tarifvertragsgesetzes, die eine Zusatzaltersversorgung für Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft zum Gegenstand haben, durchführen.

Die nach dem ZVALG für die Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Ausgleichszahlung errichtete beklagte Zusatzversorgungskasse (ZLA) übernahm in der Folgezeit auch die Aufgaben des tariflichen Zusatzversorgungswerkes (ZLF).

Am 1. Juli 1977 trat der Kläger in ein Arbeitsverhältnis zur M GmbH & Co. KG, die später zur F GmbH & Co. KG umfirmierte (Arbeitgeber). Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers hielt zum Zweck der Produktion von Speiseeiern Hühner. Das nötige Futter wurde zugekauft, dh. ohne "eigene Bodenbewirtschaftung" beschafft. Das Unternehmen war und ist Mitglied der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, nicht jedoch Mitglied eines Arbeitgeberverbandes der Land- oder Forstwirtschaft.

Später schlossen die Tarifparteien einen zum 1. Juli 1995 in Kraft getretenen neuen Zusatzversorgungs-Tarifvertrag (TV 1995). Die räumliche Tarifgeltung und der Tätigkeitsbereich des ZLF wurde auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland, also auch auf das Beitrittsgebiet erstreckt (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TV 1995). Darin heißt es:

... (2)

"§ 1 Geltungsbereich

fachlich für alle

1. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des landwirtschaftlichen Obst- und Gemüsebaues, des Weinbaues sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht, deren Nebenbetriebe;

2. gemischten Betriebe mit überwiegend landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter;

3. selbständigen Nebenbetrieben oder Betriebsabteilungen gewerblicher Unternehmen mit landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter.

Als landwirtschaftlich gelten alle Betriebe, die Mitglied einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, mit Ausnahme der Gartenbau-Berufsgenossenschaft, im Sinne des § 776 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 RVO sind.

...

§ 10 Voraussetzungen der Beihilfe

(1) Die Beihilfe wird gewährt, wenn 1. die Wartezeit erfüllt ist und

...

(2) Die Wartezeit beträgt 180 Kalendermonate. Als Wartezeiten gelten:

1. alle Zeiten der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, für die Beitragspflicht nach diesem Tarifvertrag oder dem Tarifvertrag vom 20. November 1973 bestand;

..."

Der TV 1995 wurde am 26. Oktober 1995 rückwirkend zum 1. Juli 1995 für allgemeinverbindlich erklärt. Das Hessische Landesarbeitsgericht befand mit zwei rechtskräftig gewordenen Urteilen vom 22. Juli 2002 (10 Sa 685/01 und 10 Sa 686/01) diese Allgemeinverbindlicherklärung für unwirksam, weil die Quote der Tarifbindung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG in den neuen Bundesländern Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht worden war. Dabei stritt die ZLA mit Eierproduzenten um deren Arbeitgeberbeiträge nach dem TV 1995.

Der Kläger schied am 7. Dezember 1998 aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezieht seit dem 1. April 2000 gesetzliche Rente.

Am 28. November 2000 schlossen die Tarifparteien den dritten Tarifvertrag zur Zusatzversorgung der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer (TV 2000), dessen räumliche Geltung auf die alten Bundesländer sowie die Bundesländer Berlin und Thüringen zurückgenommen wurde. Zum fachlichen Geltungsbereich wurde vereinbart, dass alle Betriebe als landwirtschaftlich "gelten", "die als Unternehmen im Sinne des § 123 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des 7. Buches Sozialgesetzbuch einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mit Ausnahme der Gartenbau-Berufsgenossenschaft angehören oder nur deshalb nicht angehören, weil ein Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zuständig ist" (§ 1 Abs. 2 TV 2000).

Der Kläger beansprucht eine tarifliche Beihilfe zur gesetzlichen Rente und hat dazu die Auffassung vertreten, während seiner gesamten Beschäftigungszeit in einem Betrieb der Landwirtschaft im Sinne der Tarifverträge beschäftigt gewesen zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stelle Legehennenhaltung mit zugekauften Futtermitteln ein landwirtschaftliches Unternehmen iSd. § 776 Abs. 2 RVO dar. In diesem Sinne müsse bereits der TV 1973 ausgelegt werden.

Er hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn für die Zeit von April 2000 bis Dezember 2001 572,61 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen;

2. ab Januar 2002 gem. § 12 Abs. 2 der Zusatzversorgungstarifverträge an ihn eine monatliche Beihilfe iHv. 27,27 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Weder nach den Bestimmungen des TV 1973 noch nach denen des TV 1995 sei der Kläger in einem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt worden. Zudem sei nach den rechtskräftigen Feststellungen des Hessischen Landesarbeitsgerichts der TV 1995 nicht wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, weil der Kläger ab Geltung des TV 1995 in einem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt worden sei. Während die Berufung der Beklagten erfolglos blieb, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers der Klage weitgehend stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet, weil die Klage unbegründet ist. Der Kläger hat weder nach dem TV 1973 noch nach dem TV 1995 Anspruch auf tarifliche Beihilfe zur gesetzlichen Rente.

I. Während der Geltung des TV 1973 war der Kläger nicht in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne dieses Tarifvertrages beschäftigt.

1. Beim Arbeitgeber des Klägers gab es keinerlei eigene Bodenbewirtschaftung, auch nicht um den Futtermittelbedarf für die Legehennen wenigstens teilweise abzudecken. Daher war der Beschäftigungsbetrieb des Klägers nicht "landwirtschaftlich" iSd. § 1 Nr. 2 TV 1973.

a) Unter Landwirtschaft ist die planmäßige Nutzung des Bodens und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse (Urproduktion) einschließlich deren Verwertung zu verstehen. Wesensmerkmal landwirtschaftlicher Tätigkeit ist es, dass der landwirtschaftliche Unternehmer über Grund und Boden verfügt, den er mit dem Ziel bearbeitet, organische Naturprodukte zu erzeugen (BAG 25. April 1995 - 3 AZR 528/94 - BAGE 80, 14, zu I 2 b der Gründe). Daher hat der Senat in einer rechtlich selbständigen Brennereigenossenschaft weder einen Betrieb der Landwirtschaft noch eine Nebenbetrieb zu einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des TV 1973 gesehen. Nicht nur der eigentliche Ackerbau und Pflanzenanbau sind landwirtschaftlich, sondern auch die Bodennutzung zur Viehzucht, zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse, tierischer Arbeitsleistungen oder zur Bereitstellung als Schlacht-, Arbeits- oder Zuchtvieh. Der landwirtschaftliche Charakter eines Betriebes geht nicht infolge fortschreitender Arbeitsteilung verloren, wenn weiterhin Boden zur Futtererzeugung genutzt wird (BAG 3. Oktober 1979 - 4 AZR 903/77 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Land- und Forstwirtschaft Nr. 1). Daher ist der Betrieb einer Rinderbesamungsgenossenschaft landwirtschaftlich, wenn die von ihr unterhaltene Bullenstation mit durchschnittlich 45 Zuchtbullen ausschließlich für diese Weideland im Umfang von 30 Hektar nutzt. Ein Betrieb, der Drainagearbeiten für landwirtschaftliche Betriebe durchführt, kann dann ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen sein, wenn seine Tätigkeit unmittelbar der Bodenbewirtschaftung, dh. der überwiegend planmäßigen Aufzucht und Aberntung von Bodengewächsen als dem eigentlichen Wesen der Landwirtschaft zu dienen bestimmt ist (BAG 26. Januar 1994 - 10 AZR 611/92 - BAGE 75, 298, zu II 2 der Gründe). Ein Legehennenbetrieb, der sein Futter zukauft und gerade nicht aus eigener Bodenbewirtschaftung gewinnt und zu dessen Tätigkeit auch nicht vorgetragen ist, dass sie in einem engen Zusammenhang zur Bodenbewirtschaftung steht, ist daher kein Betrieb der Landwirtschaft iSv. § 1 Nr. 2 TV 1973.

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, da sie durch eine gesetzliche Begriffsbestimmung wie den allgemeinen Sprachgebrauch bestätigt wird.

aa) In § 585 Abs. 1 Satz 2 BGB wird "Landwirtschaft" legal definiert als Bodenbewirtschaftung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen, sowie als gartenbauliche Erzeugung. Es liegt nahe, dass die Tarifparteien des TV 1973, soweit sie "Betrieb der Landwirtschaft" als Fachbegriff verwenden wollten, sich an dieser auch damals existenten Legaldefinition orientierten. Dass der Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes vom Juni 1994 "Landwirtschaft" nicht näher bestimmt, steht dem nicht entgegen. In § 5 Abs. 2 ArbZG wird aber auch zwischen "Landwirtschaft" und "Tierhaltung" unterschieden, was dafür spricht, dass noch 1994 unter einem landwirtschaftlichen Betrieb ein solcher mit Bodenbewirtschaftung zu verstehen ist.

bb) Auch das Landesarbeitsgericht hat nicht verkannt, dass "Landwirtschaft" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs untrennbar mit dem Merkmal der Bodennutzung verbunden ist. Anders als nach Auffassung des Berufungsgerichts kann demgegenüber nicht auf die Begriffsverwendung durch das Statistische Bundesamt verwiesen werden. Es handelt sich gerade nicht um "allgemeinen" Sprachgebrauch, sondern um eine Zuordnung zu statistischen Zwecken. In solchem Zusammenhang mag es sinnvoll sein, auch Unternehmen, die keine "Landwirtschaft" betreiben, aber im Sinne einer Fiktion als solche gelten, statistisch dem landwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Es liegt fern anzunehmen, dass die Tarifparteien sich an solcher statistischer Praxis orientieren wollten.

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem auch nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entgegen. Ob es sich bei dem von einem Lohnunternehmen für einen landwirtschaftlichen Unternehmer ausgeübten Tätigkeiten (Grabenreinigung für Landwirte) um solche "spezifisch landwirtschaftlicher Natur" handelt, bejaht auch das Bundessozialgericht nur dann, wenn die Tätigkeiten unmittelbar der Bodenbewirtschaftung dienen, dh. der überwiegend planmäßigen Aufzucht und Aberntung von Bodengewächsen als dem eigentlichen Wesen der Landwirtschaft (BSG 19. März 1991 - 2 RU 58/90 - BSGE 68, 217). Zwar hat das Bundessozialgericht wiederholt Legehennenbetriebe ohne Futtermittelerwirtschaftung aus eigenen oder gepachteten landwirtschaftlichen Grundstücken als der landwirtschaftlichen Unfallversicherungspflicht nach § 776 Abs. 2 RVO unterliegend eingestuft. Dabei hat es aber solche Betriebe gerade nicht als "Unternehmen der Landwirtschaft" nach § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO aufgefasst. Vielmehr handelt es sich nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung um "andere Unternehmen", die nach § 776 Abs. 2 RVO als landwirtschaftliche Unternehmen "gelten" können. Voraussetzung dafür ist eine mit Zustimmung des Bundesrats von den zuständigen Bundesministerien erlassene Rechtsverordnung. Da es solche bundesrechtlichen Rechtsverordnungen nicht gab, hat das Bundessozialgericht die Entscheidungen des RVA, ua. auch die vom 2. Juni 1889 (AN 1889, 321 Nr. 712), weiter angewendet (BSG 20. März 1973 - 8/7 RU 42/70 - SozR RVO § 776 Nr. 7; 14. Dezember 1999 - B 2 U 45/98 R - Die Beiträge, Beilage 2000, 138). Danach "gilt" auch das Halten von Kleinvieh und Geflügel zum Zweck der Aufzucht, der Mast oder der Gewinnung von Erzeugnissen als landwirtschaftliches Unternehmen. Unternehmen iSd. § 776 Abs. 2 RVO "sind" keine landwirtschaftlichen Unternehmen, sie "gelten" als solche, weil sie durch hoheitlichen Akt zu solchen erklärt worden sind.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, auch die Tarifparteien des TV 1973 hätten an der Unfallversicherungspflicht bei den Berufsgenossenschaften der Landwirtschaft als einem klaren und einfach handhabbaren Kriterium anknüpfen wollen.

a) Dagegen spricht bereits der für die Auslegung in erster Linie maßgebliche Wortlaut des TV 1973, der anders als der TV 1995 gerade keine ausdrückliche Bezugnahme auf die berufsgenossenschaftliche Unfallversicherung enthält. Die Annahme des Berufungsgerichts, der TV 1995 enthalte insoweit nur eine deklaratorische Klarstellung, vermag nicht zu überzeugen. Die Annahme liegt fern, die Tarifvertragsparteien des TV 1973 hätten sich bei Tarifabschluss an einem im Fall der Legehennenbetriebe über 80 Jahre zurückliegenden hoheitlichen Akt orientieren wollen, ohne dies im Wortlaut des TV 1973 zum Ausdruck zu bringen. Dies um so mehr, als auch im Wortlaut des nachfolgenden TV 1995 nicht pauschal auf die Unfallversicherung für landwirtschaftliche Betriebe verwiesen wird, sondern ausdrücklich auf Versicherungen nach § 776 Abs. 1 Nr. 1 "oder Abs. 2" RVO. Für die Gegenannahme, dass mit § 1 Abs. 2 Unterabs. 2 des nachfolgenden TV 1995 der fachliche Geltungsbereich erweitert werden sollte, spricht die Tatsache, dass die Tarifparteien auch den räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erweitert haben.

b) Auch eine vom Landesarbeitsgericht angenommene Verflechtung des Tarifwerks 1973 mit dem ZVALG und der in diesem Gesetz erfolgten Bezugnahme auf die Vorschriften der landwirtschaftlichen Unfallversicherung trägt nicht den Schluss, die öffentlich-rechtliche Ausgleichszahlung und die tarifliche Beihilfe sollten nach den gleichen Voraussetzungen gewährt werden. Dagegen spricht schon, dass der TV 1973 - rückwirkend - ab 1. Juli 1972 allgemeinverbindlich wurde, das ZVALG aber erst vom 31. Juli 1974 stammt. Ansprüche auf die öffentlich-rechtliche Ausgleichsleistung konnten erst ab 1. Juli 1973 entstehen (§ 19 ZVALG).

§ 10 ZVALG gehört systematisch zum ersten Abschnitt des Gesetzes, der Bestimmungen zur ZLA als Anstalt des öffentlichen Rechts trifft. Diese verwaltet die im zweiten Abschnitt des Gesetzes geregelten öffentlich-rechtlichen Ausgleichsleistungen an Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs. 1 ZVALG). Daneben kann die ZLA, wie im dritten Abschnitt des Gesetzes geregelt ist (§ 16 Abs. 1 ZVALG), als "sonstige Aufgabe" auch die Aufgaben gemeinsamer Einrichtungen der Tarifvertragsparteien der Landwirtschaft, die eine Zusatzaltersversorgung für Arbeitnehmer der Landwirtschaft zum Gegenstand haben, durchführen. Darüber hinaus "ergänzen" sich Ausgleichszahlung und tarifliche Beihilfe nicht in dem vom Berufungsgericht gesehenen Sinn. Vielmehr setzt die staatliche Ausgleichsleistung grundsätzlich einen Anspruch auf tarifliche Beihilfe voraus (§ 11 ZVALG). Wegen der zu respektierenden Tarifautonomie konnte der Gesetzgeber mit dem ZVALG naturgemäß über die Voraussetzungen für solche tariflichen Ansprüche keine Aussagen treffen. Soweit im Gesetz die öffentlich-rechtliche Ausgleichsleistung davon abhängig gemacht wurde, dass tarifliche Voraussetzungen erfüllt werden oder - bei Tarifbindung - erfüllt werden könnten, bedeutet dies also gerade nicht, dass der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Ausgleichsleistung und der Anspruch auf tarifliche Beihilfe die gleichen Voraussetzungen haben müssen.

II. Ab In-Kraft-Treten des TV 1995 am 1. Juli 1995 hat der Kläger in einem landwirtschaftlichen Betrieb nach § 1 Abs. 2 Unterabs. 2 TV 1995 gearbeitet, weil nunmehr der fachliche Geltungsbereich des Tarifwerks auch auf Betriebe iSd. § 776 Abs. 2 RVO ausgedehnt wurde und dazu nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Legehennenbetriebe zählen. Jedoch hat der Kläger ab dem 1. Juli 1995 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsbetrieb am 7. Dezember 1998 die erforderliche Wartezeit von 180 Monaten (§ 10 Abs. 2 Satz 1 TV 1995) nicht erfüllt. Die Vorbeschäftigungszeit ab 1977 zählt nicht mit, da bis zum In-Kraft-Treten des TV 1995 der Beschäftigungsbetrieb nicht unter den TV 1973 fiel (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 TV 1995). Auf die Frage der vom Hessischen Landesarbeitsgericht in anderem Zusammenhang festgestellten Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des TV 1995 kommt es danach nicht an.

III. Ebenso kann dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet sein könnte, eventuelle Ansprüche des Klägers zu erfüllen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TV 2000 wird vom 1. Januar 2001 an das ZLF in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) geführt. Das legt ein Ende der entsprechenden Aufgabendurchführung durch die Beklagte zu diesem Datum nahe. Ob dies auch tatsächlich so geschehen ist, kann der Senat jedoch im Hinblick auf die fehlende Begründetheit der Klage im Übrigen dahinstehen lassen.

Ende der Entscheidung

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