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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: 3 AZR 713/98
Rechtsgebiete: VersTV-G, BetrAVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) § 10
BetrAVG § 1 Zusatzversorgung
BetrAVG § 1 Gleichbehandlung
BGB § 276
BGB § 285
BGB § 286
ZPO § 253 Streitgegenstand
Leitsätze:

1. Wenn der Arbeitgeber die bisher zu Unrecht aus der Altersversorgung ausgeschlossenen Teilzeitkräfte bei der zuständigen Zusatzversorgungskasse nachversichert und die Umlagen nachentrichtet, ist deren Verschaffungsanspruch erfüllt. Den Ausgleich steuerlicher Nachteile umfaßt der Verschaffungsanspruch nicht.

2. § 10 VersTV-G verpflichtet den Arbeitgeber nur bei einer Pauschalversteuerung zur Übernahme der Lohn- und Kirchensteuer. Diese Verpflichtung erlischt, wenn die Pauschalversteuerung rechtlich nicht mehr möglich ist.

3. Führt der Arbeitgeber Umlagen aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums verspätet ab, so steht dem Arbeitnehmer nach §§ 285, 286 BGB kein Schadenersatzanspruch wegen Verzugs zu. Der Arbeitgeber verletzt nicht seine Sorgfaltspflichten, wenn er bei einer unklaren Rechtslage von der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Regelungen ausgeht.

4. Soweit der Arbeitgeber durch die verspätete Abführung der Umlage von seiner Verpflichtung zur Übernahme der Pauschalsteuer frei wird, steht dem Arbeitnehmer ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu.

Aktenzeichen: 3 AZR 713/98 Bundesarbeitsgericht 3. Senat Urteil vom 14. Dezember 1999 - 3 AZR 713/98 -

I. Arbeitsgericht Dortmund - 8 Ca 2828/97 - Urteil vom 7. November 1997

II. Landesarbeitsgericht Hamm - 6 Sa 2450/97 - Urteil vom 14. Juli 1998


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 713/98 6 Sa 2450/97

Verkündet am 14. Dezember 1999

der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,

pp.

Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler, den ehrenamtlichen Richter Dr. Kaiser und die ehrenamtliche Richterin Frehse für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Juli 1998 - 6 Sa 2450/97 - aufgehoben, soweit die Beklagte zu einer Zahlung von mehr als 641,60 DM nebst 4 % Zinsen verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 7. November 1997 - 8 Ca 2828/97 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 641,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9. Juni 1997 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die weitergehende Berufung und Revision der Beklagten werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

Von Rechts wegen !

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wer nach dem unzulässigen Ausschluß der Klägerin von der Zusatzversorgung die durch die Nachversicherung entstandenen Steuern zu tragen hat.

Die am 23. August 1937 geborene Klägerin war vom 1. August 1979 bis zum 30. September 1991 bei der Beklagten als sozialversicherte Teilzeitkraft beschäftigt. Beide Parteien sind tarifgebunden. Die Beklagte wickelt die betriebliche Altersversorgung über die Zusatzversorgungskasse der Stadt Dortmund ab. Der Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) gilt für die Angestellten, die unter den Anwendungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) fallen. Bis zum 31. Dezember 1987 galt der BAT nach § 3 Buchst. q nicht für Angestellte, deren arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten betrug. Vom 1. Januar 1988 bis 31. März 1991 waren Angestellte mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden aus dem Geltungsbereich des BAT ausgenommen. Danach fiel die Klägerin seit dem 1. Januar 1989 unt den Geltungsbereich des BAT. Die Beklagte hielt sich an die tarifvertragliche Regelung und entrichtete ab diesem Zeitpunkt für die Klägerin Umlagen zur Zusatzversorgungskasse Dortmund.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete wegen Erwerbsunfähigkeit mit Ablauf des 30. September 1991. Die Zusatzversorgungskasse der Stadt Dortmund gewährte ihr keine Zusatzrente mit der Begründung, die Wartezeit von 60 Umlagemonaten sei nicht erfüllt. Daraufhin hat die Klägerin die Beklagte in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 20. Dezember 1994 - 2 Ca 2252/94 - hat das Arbeitsgericht Dortmund sinngemäß festgestellt, daß die Beklagte der Klägerin die Altersversorgung verschaffen müsse, die ihr zustünde, wenn sie seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses bei der Zusatzversorgungskasse Dortmund versichert gewesen wäre. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.

Die Zusatzversorgungskasse der Stadt Dortmund erklärte sich nach Verhandlungen mit der Beklagten bereit, die unterhälftig beschäftigten Angestellten nachzuversichern. Für die Klägerin hatte die Beklagte Umlagen in Höhe von 8.934,00 DM nachzuentrichten. Die Klägerin mußte dafür Steuern in Höhe von 1.822,06 DM zahlen. Eine Pauschalversteuerung war nicht mehr möglich. Sie hätte zu einer Lohnsteuer von 599,60 DM und einer Kirchensteuer von 42,00 DM geführt.

§ 10 VersTV-G befaßt sich mit den auf die Umlagen entfallenden Steuern. Bis 31. Dezember 1989 lautete die Vorschrift:

"Die auf die Umlage (§ 7 Abs. 1 und 4) entfallende Lohnsteuer trägt der Arbeitgeber bis zu einer Umlage von jährlich 2.400,00 DM, solange die rechtliche Möglichkeit einer Pauschalierung der Lohnsteuer besteht. Vor Anwendung des Satzes 1 ist die Umlage um den jeweiligen Zukunftssicherungsfreibetrag zu vermindern. Dieser Freibetrag wird vom Arbeitgeber in Anspruch genommen."

Seit dem 1. Januar 1990 heißt es in § 10 VersTV-G:

"Die nach § 7 Abs. 1 und 4 zu zahlende Umlage hat der Arbeitgeber bis zu einem Betrag von monatlich 175,00 DM pauschal zu versteuern, solange die Pauschalversteuerung rechtlich möglich ist."

Wären die Umlagen für die Klägerin fristgerecht abgeführt worden, so wäre eine Pauschalversteuerung möglich gewesen. Da die in § 10 VersTV-G aufgeführten Beträge nicht überschritten worden wären, hätte die Beklagte die anfallenden Steuern tragen müssen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihr sämtliche für die nachentrichteten Umlagen gezahlten Steuern erstatten. Auf ein Verschulden der Beklagten komme es nicht an. Bei dem der Klägerin zustehenden Verschaffungsanspruch handele es sich um einen Erfüllungsanspruch. Er sei auf eine vollständige Gleichbehandlung mit den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gerichtet. Zur vollständigen Gleichbehandlung gehöre der Ausgleich steuerlicher Nachteile. Auch nach § 10 VersTV-G sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die steuerliche Belastung zu übernehmen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.822,06 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, die Klägerin müsse die angefallenen Steuern selbst tragen. Der Verschaffungsanspruch sei mit der Nachversicherung erfüllt. Ein Schadenersatzanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Die verspätete Entrichtung der Umlagen beruhe auf einem unverschuldeten Rechtsirrtum. Die Beklagte habe den einschlägigen Tarifvertrag beachtet. Erst nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis habe das Bundesarbeitsgericht den Ausschluß unterhälftig beschäftigter Arbeitnehmer aus der betrieblichen Altersversorgung für unwirksam erklärt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Der Klägerin steht insoweit ein Bereicherungsanspruch zu, als die Beklagte bei rechtzeitiger Entrichtung der Umlagen die Pauschalsteuer hätte tragen müssen. Die Beklagte ist aber nicht verpflichtet, die gesamte angefallene Lohn- und Kirchensteuer zu übernehmen.

I. Die Klägerin kann weder aufgrund eines Erfüllungsanspruchs noch aufgrund eines Schadenersatzanspruchs verlangen, daß die Beklagte ihr die Steuern erstattet, die auf die nachentrichteten Umlagen entfallen.

1. Der VersTV-G regelt die Pflichten, die den Arbeitgeber bei der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung treffen. Keine der Vorschriften des VersTV-G verpflichtet den Arbeitgeber dazu, ohne Verschulden seiner Organe und Erfüllungsgehilfen die entstandenen Verzögerungsschäden zu ersetzen. Für steuerliche Nachteile gilt nichts anderes.

a) Der Klägerin stand zwar ein Verschaffungsanspruch zu. Die Beklagte hat ihn aber bereits erfüllt.

aa) Der Ausschluß der unterhälftig beschäftigten Teilzeitkräfte aus der betrieblichen Altersversorgung war wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam. Da lediglich die Ausschlußvorschrift entfiel, galten die tariflichen Versorgungsregelungen auch für die unterhälftig beschäftigten Teilzeitkräfte (ständige Rechtsprechung des BAG seit 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236).

bb) Kann der Arbeitgeber die geschuldete Altersversorgung nicht auf dem vorgesehenen Weg durchführen, so hat er erforderlichenfalls selbst die Versorgungsleistungen zu erbringen (ständige Rechtsprechung des BAG seit 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236, 249). Soweit jedoch eine Versicherung bei der zuständigen Zusatzversorgungskasse möglich ist, richtet sich der Verschaffungsanspruch hierauf (BAG 17. April 1996 - 3 AZR 774/94 - nv., zu II 2 c der Gründe). Im vorliegenden Fall sollte die Beklagte die betriebliche Altersversorgung über die Zusatzversorgungskasse Dortmund abwickeln. Als sich die Zusatzversorgungskasse der Stadt Dortmund zu einer Nachversicherung auch bei zwischenzeitlichem Eintritt des Versorgungsfalls bereit erklärte, hat die Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Sie hat damit sichergestellt, daß die Klägerin die ihr zustehende Zusatzrente erhält. Damit ist der Verschaffungsanspruch der Klägerin erfüllt.

b) Inwieweit der Arbeitgeber die auf die Umlagen entfallenden Steuern zu tragen hat, regelt § 10 VersTV-G. Diese Vorschrift verlangt vom Arbeitgeber lediglich eine begrenzte Übernahme der Lohn- und Kirchensteuer. Die Verpflichtung besteht nur "solange die Pauschalversteuerung rechtlich möglich ist". Diese Voraussetzung lag nicht mehr vor, als die Beklagte die Umlagen nachentrichtete. Die nachträgliche Unmöglichkeit der Pauschalversteuerung ließ die Verpflichtung zur Übernahme der Pauschalsteuer erlöschen.

2. Obwohl der Klägerin durch die verspätete Entrichtung der Umlagen ein Schaden entstanden ist, steht ihr kein Schadenersatzanspruch nach § 286 BGB zu. Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ab wann die Beklagte überhaupt in der Lage war, die Klägerin nachzuversichern und für sie Umlagen zu entrichten. Jedenfalls beruht der Schaden auf keinem von der Beklagten zu vertretenden Verschulden (§ 276 BGB iVm. §§ 31, 278 BGB).

aa) Unerheblich ist es, daß die Klägerin ihre Klageforderung lediglich auf einen Erfüllungsanspruch und nicht auf einen Schadenersatzanspruch gestützt hat. Der Streitgegenstand umfaßt alle für die Klageforderung in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen. Das Gericht hat unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, ob es dem Antrag stattgeben kann (vgl. ua. BAG 4. September 1996 - 4 AZN 104/96 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 23; 8. Februar 1994 - 9 AZR 591/93 - BAGE 75, 355, 357; BGH 22. Januar 1991 - VI ZR 107/90 - NJW 1991, 1046, 1047 f.).

bb) Die Klägerin kann nicht nach § 286 BGB Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen. Nach § 285 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Der Schuldner hat nach § 276 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Nach § 276 Satz 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Nach diesem Maßstab hat der Schuldner für einen unverschuldeten Rechtsirrtum nicht einzustehen (vgl. ua. BAG 1. Februar 1960 - 5 AZR 20/58 - BAGE 9, 7, 18; BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - BAGE 71, 350, 353 mwN).

Im vorliegenden Fall ist die Beklagte einem unverschuldeten Rechtsirrtum unterlegen. Ihr kann es nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich an die tariflichen Regelungen hielt und deshalb keine Umlagen abführte. Die Tarifverträge bieten eine gewisse Richtigkeitsgewähr. Die tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien müssen nicht ohne besondere Anhaltspunkte die Wirksamkeit tarifvertraglicher Vorschriften in Zweifel ziehen. Noch im Urteil vom 1. Juni 1978 (- 3 AZR 79/77 - BB 1979, 1403 f. = BetrAV 1979, 200 f. und 222 f.) hat das Bundesarbeitsgericht den Ausschluß teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer aus der betrieblichen Altersversorgung für unbedenklich gehalten. Es gab zwar keine gefestigte Rechtsprechung, die dies ausdrücklich bestätigte (vgl. dazu BVerfG 28. September 1992 - 1 BvR 496/87 - AP GG Art. 20 Nr. 15, zu II 2 b aa und bb der Gründe und 19. Mai 1999 - 1 BvR 263/98 - BB 1999, 1765 = DB 1999, 1611 = NZA 1999, 815; BAG 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - BAGE 71, 29, 47). Dies ändert aber nichts daran, daß die Rechtslage noch nicht geklärt war, als die Klägerin am 30. September 1991 bei der Beklagten wegen Erwerbsunfähigkeit ausschied. Die Meinungsbildung war im Fluß und das Problembewußtsein schärfte sich erst im Laufe der Zeit. Die Entwicklung war für die Beklagte schwer einzuschätzen. Unter diesen Umständen handelte die Beklagte nicht unsorgfältig, wenn sie von der Ausschlußvorschrift des § 1 VersTV-G iVm. § 3 Buchst. q BAT ausging. Auch die Klägerin hat sich erst nach dem Urteil des Senats vom 14. Juli 1992 (- 3 AZR 173/92 - BAGE 71, 29) gegen ihren Ausschluß aus der betrieblichen Altersversorgung gewandt. In dieser Entscheidung hat der Senat ausgeführt, daß der allgemeine und vollständige Ausschluß unterhalbzeitig und unter 18 Wochenstunden beschäftigter Arbeitnehmer aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes unwirksam ist.

cc) Für die Verschuldensfrage spielt es keine Rolle, daß der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Vertrauensschutz einer rückwirkenden Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG auf die Versorgungstarifverträge des öffentlichen Dienstes nicht entgegensteht. Für das schutzwürdige Vertrauen, das bei einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung Bedeutung gewinnen kann, und für das einen Schadenersatzanspruch auslösende Verschulden gelten unterschiedliche Anforderungen. Wird ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine aus verfassungsrechtlichen Gründen unwirksame Regelung verneint, so bedeutete dies noch nicht, daß die Beachtung dieser Vorschrift ein schuldhaftes Verhalten darstellt, das Schadenersatzansprüche auslöst. Wäre das Vertrauen der Arbeitgeber auf den tarifvertraglichen Ausschluß unterhälftig beschäftigter Teilzeitkräfte schutzwürdig gewesen und Art. 3 Abs. 1 GG mit dieser Begründung nicht rückwirkend angewandt worden, so hätten die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die ihnen nach der objektiven Rechtslage zustehenden Versorgungsleistungen nicht erhalten. Dementsprechend waren an den Vertrauensschutz sehr hohe Anforderungen zu stellen. Es genügte nicht, daß der Vollzug des Tarifvertrages kein schuldhaftes Verhalten im Sinne des § 276 BGB darstellte.

II. Soweit die Beklagte bei rechtzeitiger Abführung der Umlage die Pauschalsteuer zu tragen gehabt hätte und von dieser Verpflichtung frei geworden ist, steht der Klägerin ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu. Die Beklagte hat die Befreiung von ihrer Verpflichtung aus § 10 VersTV-G auf Kosten der Klägerin ohne rechtlichen Grund erlangt.

1. Die Klägerin durfte nicht von der tarifvertraglichen Zusatzversorgung ausgeschlossen werden. Ihr stand auch der Vermögensvorteil aus einer Pauschalversteuerung zu. § 10 VersTV-G will den Arbeitgeber im angegebenen Rahmen belasten und dem Arbeitnehmer insoweit entlasten. Werden die Umlagen verspätet entrichtet, so wird entgegen dieser Zielsetzung die Steuerlast vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer verlagert. Der Arbeitgeber erlangt einen Vermögensvorteil, der ihm nach dem Regelungszweck des § 10 VersTV-G nicht zusteht. Er hat dem Arbeitnehmer den Wert der ersparten Steuern zu ersetzen.

2. Bei einer Pauschalversteuerung wären auf die Umlagen unstreitig 599,60 DM Lohnsteuer und 42,00 DM Kirchensteuer entfallen. Nach § 10 VersTV-G hat der Arbeitgeber nicht nur die Lohnsteuer, sondern auch die Kirchensteuer zu übernehmen (vgl. Berger/Kiefer Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Stand Januar 1999 A 1 § 11 Rn. 2 zum inhaltsgleichen § 11 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe - Versorgungs-TV).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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