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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 4 AZR 316/07
Rechtsgebiete: TVG, GG, BGB


Vorschriften:

TVG § 3
TVG § 4
GG Art. 9 Abs. 3
BGB § 134
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Weitgehend parallel zu Senat 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 -

4 AZR 316/07

Verkündet am 4. Juni 2008

In Sachen

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Creutzfeldt sowie die ehrenamtlichen Richter Ratayczak und Bredendiek für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Januar 2007 - 7 Sa 86/06 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 14. Juli 2006 - 4 Ca 505/05 - abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Juli 2004 bis einschließlich September 2005 iHv. 596,13 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. November 2005 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 iHv. 148,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2006 zu zahlen.

c) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Februar 2006 nach der Tarifgruppe II, Tätigkeitsgruppe I, Lohnstufe 8 des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für den Bereich des Einzelhandels Baden-Württemberg mit einem Monatsgehalt iHv. 2.230,00 Euro brutto bis zum 29. Februar 2008 zu vergüten.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf tarifliche Entgelterhöhungen im Einzelhandel in Baden-Württemberg. Dabei geht der Streit der Parteien darum, ob die Beklagte an die den Lohnforderungen des Klägers zugrunde gelegten Tarifverträge gebunden war.

Der Kläger, der der Gewerkschaft ver.di angehört, war seit dem 26. August 1991 im Versandbereich der Beklagten, einem Unternehmen des Einzelhandels, als Kraftfahrer mit Führerscheinklasse 2 beschäftigt. Die Beklagte gehörte zu diesem Zeitpunkt schon längere Zeit dem Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Baden-Württemberg e.V. (VMGE-BW) an. Der zwischen den Parteien am 12. August 1991 abgeschlossene Formulararbeitsvertrag lautet auszugsweise:

"§ 14 Tarifverträge und Betriebsordnung

Die Tarifverträge für den Einzelhandel sowie die Betriebsordnung finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Bestimmungen dieses Vertrages sind vorrangig, soweit nicht zwingende tarifliche Regelungen bestehen. Der Arbeitnehmer erklärt, dass er von diesen Bestimmungen Kenntnis genommen hat."

Die Verbandsatzung des VMGE-BW in der Fassung vom 26. März 1999 lautet auszugsweise:

"§ 3 Mitgliedschaft

...

5. Die Mitgliedschaft erlischt:

a) durch Austritt, der am 31. Dezember jeden Jahres zulässig und durch eingeschriebenen Brief unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist der Geschäftsführung anzuzeigen ist;

...

§ 4a Tarifbindung

1. Die Mitgliedschaft im Sinne von § 3 kann als eine mit Verbandstarifbindung (Mitglied T) als auch ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) erworben werden.

2. Mitglieder, die eine Verbandstarifbindung nicht wünschen und aus der Tarifgemeinschaft ausscheiden wollen, können sich hiervon mit schriftlicher Erklärung an die Geschäftsstelle des Verbandes befreien.

Erfolgt diese Erklärung während der Laufzeit eines Verbandstarifvertrages, so wird sie erst mit dessen Ablauf (einschließlich Nachwirkung im Sinne von § 3 Abs. 3 TVG) wirksam.

Über die Folgen des Austritts aus der Tarifgemeinschaft ist das Mitglied schriftlich durch die Geschäftsstelle aufzuklären.

3. Mitglieder ohne Tarifbindung werden von den vom Verband abgeschlossenen Tarifverträgen nicht erfasst. Der Abschluss eines firmentarifbezogenen Verbandstarifvertrages ist ausgeschlossen.

4. Die Mitglieder mit Verbandstarifbindung benennen und entsenden aus ihren Reihen Vertreter des eigenen Unternehmens in den tarifpolitischen Ausschuss (§ 4b) durch schriftliche Mitteilung an die Geschäftsstelle des Verbandes.

Mitglieder ohne Verbandstarifbindung haben kein Benennungs- und Entsenderecht.

5. Die Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen unterliegt allein den Mitgliedern mit Verbandstarifbindung.

§ 4b Tarifpolitischer Ausschuss

1. Dem Tarifpolitischen Ausschuss gehören an:

- Der Vorsitzende des Verbandes, sofern er einem Unternehmen mit Verbandstarifbindung zugehörig ist. Im Übrigen wird der amtierende Vorsitzende wie sein Stellvertreter gewählt.

- Vertreter der Mitgliedsunternehmen mit Verbandstarifbindung. ...

Sie bilden die große Tarifkommission der Tarifgemeinschaft.

...

3. Der Tarifpolitische Ausschuss ist für die Verbandstarifverträge zuständig. Ihm obliegt die Bearbeitung,

Beratung sowie Beschlussfassung in allen Fragen der Tarifpolitik.

Der Tarifpolitische Ausschuss hat insbesondere folgende Aufgaben:

a) Abschluss und Kündigung von Tarifverträgen

b) Bei Bedarf Einsetzen von Ausschüssen und/oder Arbeitskreisen

c) Bildung einer Verhandlungskommission, die aus mindestens zehn Personen bestehen sollte.

4. Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung nehmen an den Sitzungen des Tarifpolitischen Ausschusses mit beratender Stimme teil.

...

7. Der Vorsitzende des Tarifpolitischen Ausschusses kann je nach Bedarf in Abstimmung mit seinen Stellvertretern und im Benehmen mit der Geschäftsführung bis zu fünf tarif- und sozialpolitisch sachkundige Personen befristet in die große Tarifkommission/Verhandlungskommission sowie in deren Arbeitskreise/Ausschüsse berufen."

Die Beklagte wandte sich am 13. Mai 2003 mit folgendem Schreiben an den VMGE-BW:

" ... hiermit beantragen wir für unser Unternehmen die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung und bitten um Bestätigung."

Der VMGE-BW antwortete hierauf mit Schreiben vom 14. Mai 2003:

" ... hiermit bestätige ich den Eingang Ihres Schreibens vom 13.05.2003, mit welchem Sie eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung wünschen.

Hiermit bestätigen wir die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ab sofort für die gesamte Z-Gruppe. ..."

Zwischen dem VMGE-BW und anderen Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite und der Gewerkschaft ver.di wurde am 28. Juli 2003 mit Wirkung ab 1. April 2003 ein Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialleistungen im Einzelhandel Baden-Württemberg abgeschlossen (im Folgenden: Entgelt-TV 2003). Der Kläger war unstreitig in Tarifgruppe II Löhne, Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 8 eingruppiert und erhielt bis einschließlich Juni 2003 einen tariflichen Bruttomonatslohn in Höhe von 2.156,00 Euro. Der Tariflohn für Vollzeitbeschäftigte in der für den Kläger maßgebenden Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 8 betrug nach dem Entgelt-TV 2003 ab dem 1. Juli 2003 monatlich 2.193,00 Euro brutto und ab dem 1. Juli 2004 monatlich 2.230,00 Euro brutto.

Die Beklagte erhöhte den Lohn für den Kläger zum 1. Juli 2003 auf 2.193,00 Euro brutto. Diesen Betrag zahlte sie unverändert auch über den 30. Juni 2004 hinaus weiter, gab also die im Entgelt-TV 2003 vorgesehene zweite Stufe der Tariflohnerhöhung auf 2.230,00 Euro nicht an den Kläger weiter.

Der Entgelt-TV 2003 wurde durch den zum 1. April 2005 rückwirkend in Kraft getretenen Entgelttarifvertrag vom 22. März 2006 (im Folgenden: Entgelt-TV 2005) abgelöst. Nach diesem Entgelttarifvertrag beläuft sich der entsprechende monatliche Tariflohn ab dem 1. September 2006 auf 2.252,00 Euro brutto.

Der Kläger, der am 29. Februar 2008 bei der Beklagten ausgeschieden ist, verlangt mit seinen Zahlungsanträgen die Nachzahlung der monatlichen Tariflohnerhöhung von 37,00 Euro brutto für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Januar 2006. Er macht weiter die sich aus dieser Tariflohnerhöhung ergebenden Erhöhungen der Sonderzahlung für das Jahr 2004 in Höhe von 23,13 Euro brutto und des Urlaubsgeldes für dieses Jahr in Höhe von 18,00 Euro brutto geltend. Insgesamt belaufen sich diese vom Kläger unter Einhaltung der Ausschlussfristen geltend gemachten Zahlungsansprüche rechnerisch unstreitig auf 744,13 Euro. Darüber hinaus will der Kläger festgestellt wissen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Februar 2006 bis zum 29. Februar 2008 monatlichen Lohn nach Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 8 des jeweils gültigen Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für den Bereich des Einzelhandels in Baden-Württemberg zu bezahlen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Ansprüche ergäben sich aus § 14 des Arbeitsvertrages vom 12. August 1991. Dieser sei nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen. Dagegen sprächen sowohl die im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages bestehenden Allgemeinverbindlicherklärungen; es habe deshalb für die Beklagte kein Bedürfnis bestanden, die Mitgliedschaft des Klägers in der Gewerkschaft zu kennen. Darüber hinaus sei auch der Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft unwirksam. Die Satzung gestatte unzulässigerweise die Möglichkeit der Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf die Tarifpolitik. Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung könnten die Tarifpolitik beeinflussen, indem sie mit beratender Stimme an den Sitzungen des tarifpolitischen Ausschusses teilnähmen. Darüber hinaus sei über den Weg des Konstruktes der tarif- und sozialpolitisch sachkundigen Person eine Einflussnahme auf die Tarifvertragsgestaltung durch OT-Mitglieder möglich. Hinzu komme, dass der Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft weder vom Verband noch von ihr selbst der Gewerkschaft ver.di mitgeteilt worden sei. Durch das Bestehen der Mitgliedschaft bis zum 14. Mai 2003 habe die Beklagte auch auf den Inhalt und den Abschluss der Tarifverträge vom 28. Juli 2003 eingewirkt mit der Folge, dass sie auch an die Tarifvertragsabschlüsse gebunden sein müsse. Aus demselben Grunde sei auch ein Statuswechsel ohne jegliche Kündigungsfrist unzulässig.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Juli 2004 bis einschließlich September 2005 in Höhe von 596,13 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 in Höhe von 148,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Februar 2006 nach der Tarifgruppe II Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 8 des jeweiligen gültigen Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für den Bereich des Einzelhandels Baden-Württemberg mit einem Monatsgehalt in Höhe von derzeit 2.230,00 Euro brutto zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet,

der umgehende mit Schreiben vom 14. Mai 2003 bestätigte Statuswechsel sei nur deshalb eingetreten, weil sie als antragstellendes Mitglied nicht zugleich auch in der Tarifkommission des Einzelhandels vertreten sei. Anderenfalls würde einem solchen Antrag erst nach erfolgtem Rückzug aus den tarifpolitischen Gremien entsprochen werden, da gem. § 4a Abs. 4 und 5 der Verbandssatzung Mitglieder ohne Tarifbindung ihre Zuständigkeit für sämtliche tariflichen Angelegenheiten verlören. Für eine Verpflichtung, die Gewerkschaft über den Wechsel eines Arbeitgebers in eine OT-Mitgliedschaft zu unterrichten, gebe es keine Rechtsgrundlage. Es sei im Übrigen auch nicht einzusehen, weshalb ein bestimmter gewerkschaftlicher Informationsstand eine rechtliche Voraussetzung für eine Statusveränderung in einem gegnerischen Verband sein solle.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist im Wesentlichen begründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, für die Zeit ab Juli 2004 nach Maßgabe des Entgelt-TV 2003, also mit einem tariflichen Monatslohn von 2.230,00 Euro brutto vergütet zu werden. Daraus ergibt sich für die Zeit bis Januar 2006 der rechnerisch unstreitige Zahlungsanspruch und für die Zeit danach bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 29. Februar 2008 die entsprechend festgestellte Zahlungspflicht. Der Kläger kann allerdings nicht verlangen, dass die Beklagte ihn auch nach Maßgabe von Tarifverträgen behandelt, die auf Grund neuer Tarifverhandlungen zur Ablösung des Entgelt-TV 2003 abgeschlossen worden sind. Insoweit ist die Klage unbegründet, wie dies auch durch die Fassung des Entscheidungsausspruchs zu I 2 c) zum Ausdruck gebracht worden ist. Hierin liegt zugleich die versehentlich nicht förmlich in den Entscheidungstenor aufgenommene Zurückweisung der Revision im übrigen wegen eines geringfügigen Teils der geltend gemachten Forderungen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings zu Recht darauf erkannt, dass es sich bei der Bezugnahmeklausel in § 14 des Arbeitsvertrages des Klägers um eine Gleichstellungsabrede und nicht um eine von der Tarifgebundenheit der Beklagten unabhängige zeitdynamische Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung handelt. Der Kläger kann aus der Verweisung im Arbeitsvertrag keine weitergehenden Rechte herleiten, als sie sich unmittelbar aus den einschlägigen Tarifverträgen ergeben.

1. Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrages wie des streitgegenständlichen durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur Senat 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296, 299 mwN).

2. In Anwendung der hierfür maßgeblichen Grundsätze ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, dass es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt. Sie verweist auf die Tarifverträge für den Einzelhandel in ihrer jeweiligen Fassung nur unter der für die Dynamik auflösenden Bedingung des Wegfalls der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers.

a) Nach der früheren Senatsrechtsprechung sind bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Klauseln, die arbeitsvertraglich auf die einschlägigen Tarifverträge verweisen, in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen, stellen die Arbeitnehmer also arbeitsvertraglich hinsichtlich der in Bezug genommenen Tarifverträge nur so, wie sie tarifrechtlich stehen, wenn sie tarifgebunden sind. Ziel ist danach die einheitliche Anwendung des in Bezug genommenen Tarifrechts unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers. Nach dem so verstandenen Sinn und Zweck der Klausel soll das Arbeitsverhältnis an den dynamischen Entwicklungen des in Bezug genommenen Tarifvertrages so lange teilnehmen, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist. Tritt er aus dem tarifschließenden Verband aus oder endet aus sonstigen Gründen seine Tarifgebundenheit, wirken die zum Zeitpunkt des Endes der Tarifgebundenheit gültigen Normen des Tarifvertrages tarifrechtlich im Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitnehmern statisch weiter; an nach dem Ende der Tarifgebundenheit abgeschlossene Tarifverträge ist der Arbeitgeber nicht mehr nach §§ 3, 4 TVG gebunden. Der Gleichstellungszweck der Klausel kann dann gegenüber den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern nur dann erfüllt werden, wenn auch für diese die Normen des im Vertrag in Bezug genommenen Tarifvertrages statisch weitergelten (vgl. nur Senat 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40, 42 f.; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14; 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - BAGE 102, 275, 278 ff.; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120, 125; 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296, 299 ff., jeweils mwN).

b) In seinem Urteil vom 14. Dezember 2005 (- 4 AZR 536/04 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32) hat der Senat angekündigt, diese Rechtsprechung dahingehend zu ändern, dass sich die Auslegung von Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind, in erster Linie am Wortlaut der Verweisungsklausel zu orientieren hat. Soweit ein Vertragspartner vom Wortlaut abweichende Regelungsziele verfolgt, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Diese Absicht der Rechtsprechungsänderung hat der Senat in seiner Entscheidung vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35) umgesetzt. Für die vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsverträge bleibt es hingegen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten bei der früheren Auslegungsregel.

c) Vorliegend handelt es sich um einen solchen sog. Altfall, weil der Arbeitsvertrag vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen wurde. Nach der dann maßgeblichen Auslegungsregel ist die in § 14 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahmeklausel nur eine Gleichstellungsabrede.

aa) Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses nach der mit der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts Mitglied des VMGE-BW. Deshalb ist bei der von der Beklagten gestellten Klausel grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr nur die Absicht der Beklagten zugrunde liegt, ihre nicht organisierten Mitarbeiter mit den organisierten gleichzustellen.

bb) Gegen eine solche Auslegung spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass die Tarifverträge für den Einzelhandel in Baden-Württemberg zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages allgemeinverbindlich waren. Dieser Umstand spricht weder für noch gegen die Auslegung einer Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede. Eine Allgemeinverbindlicherklärung gilt höchstens für die Laufzeit des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages. Nach der vorhersehbaren Beendigung der Laufzeit und damit auch der Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung kann sowohl für den Zeitraum der Nachwirkung als für etwa neu abgeschlossene, aber (noch) nicht für allgemeinverbindlich erklärte Änderungstarifverträge eine mit der Bezugnahme etwa verfolgte Gleichstellungsabsicht des Arbeitgebers wieder zum Tragen kommen.

cc) Auch aus dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine unbedingte zeitdynamische Verweisungsklausel vereinbaren wollten. § 14 Satz 1 des Arbeitsvertrages enthält lediglich eine übliche Verweisungsklausel. Sie ist auf Grund des Zeitpunkts des Vertragsschlusses als Gleichstellungsabrede auszulegen. Aus § 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages ergibt sich nichts anderes. Diese Regelung bezieht sich ersichtlich auf das Verhältnis einzelvertraglicher Abreden zu tarifvertraglichen Ansprüchen und erklärt in der Sache die Bestimmung des § 4 Abs. 3 TVG auch für Arbeitsvertragspartner, die nicht tarifgebunden sind, für maßgebend. § 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages unterstreicht damit die Absicht des Arbeitgebers bei der Fassung des Formulararbeitsvertrages, alle bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nur so zu behandeln, als wären sie an die in Bezug genommenen Tarifverträge tarifgebunden.

dd) Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Beklagte für die Zeit von Juli 2003 bis Juni 2004 die tarifliche Lohnerhöhung gewährt hat, nicht für eine Auslegung der Bezugnahmeklausel aus dem Jahre 1991 als unbedingte zeitdynamische Verweisung. Ein solches Handeln lässt mangels besonderer Anhaltspunkte keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Willen bei Vertragsschluss zu.

3. Da nach alledem der Kläger nur so gestellt werden soll, wie er ohnehin - wegen seiner Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di - als an die Tarifverträge des Einzelhandels Tarifgebundener steht, gehen seine vertraglichen Rechte vorliegend nicht weiter, als sie nach Tarifrecht gehen.

II. Der Kläger kann aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nach Tarifrecht verlangen, dass die Beklagte ihn für den Streitzeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 29. Februar 2008 nach Maßgabe des Entgelt-TV 2003 vergütet. An diesen Tarifvertrag war die Beklagte nach § 3 Abs. 1 TVG trotz ihres Wechsels in die OT-Mitgliedschaft gebunden. Der Kläger kann allerdings nicht verlangen, dass sich die Beklagte auch an den Entgelt-TV 2005 hält. Denn insoweit bestand für die Beklagte keine Tarifgebundenheit mehr.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend erkannt, dass sich eine Tarifgebundenheit der Beklagten an den Entgelt-TV 2003 nicht bereits daraus ergibt, dass dieser sich am 28. Juli 2003 Rückwirkung zum 1. April 2003 beigemessen hat, also zu einem Zeitpunkt vor den Erklärungen der Beklagten und des VMGE-BW zum Wechsel in die OT-Mitgliedschaft. Eine derart festgelegte Rückwirkung tritt tarifrechtlich auf Grund Tarifgebundenheit nur ein, wenn der betreffende Arbeitgeber im Zeitpunkt des Abschlusses des rückwirkenden Tarifvertrages noch tarifgebunden ist. Anderenfalls ist die Normsetzung nicht durch Mitgliedschaft legitimiert (zB Senat 30. April 1969 - 4 AZR 335/68 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 6; BAG 13. September 1994 - 3 AZR 148/94 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 11; Kempen/Zachert/Kempen 4. Aufl. § 3 Rn. 14; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 242; Däubler/Deinert TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 17).

2. Die Beklagte wurde indes trotz ihres Schreibens vom 13. Mai 2003 und der Antwort des Verbandes der Mittel- und Großbetriebe des VMGE-BW vom 14. Mai 2003 an den Entgelt-TV 2003 tarifgebunden. Zwar ist die in der Verbandssatzung vorgesehene Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft in der Form des sog. Stufenmodells entgegen der Auffassung des Klägers von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Verbandssatzung enthält in diesem Zusammenhang auch keine Regelungen, welche die hier zu beachtenden Grenzen überschritten. Die Beklagte ist schließlich auch vereinsrechtlich wirksam im Mai 2003 in die OT-Mitgliedschaft gewechselt. Dieser Wechsel ist aber tarifrechtlich unwirksam, weil er während laufender Tarifverhandlungen erfolgt ist und für die daran beteiligte Gewerkschaft nicht erkennbar war.

a) Die in der Satzung des VMGE-BW vorgesehene Möglichkeit einer OT- Mitgliedschaft in der Form des sog. Stufenmodells ist entgegen der Auffassung des Klägers von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

aa) Auf Grund der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG verliehenen Satzungsautonomie (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77, 533/77, 419/78 - und - 1 BvL 21/78 - BVerfGE 50, 290, 367) sind die Verbände grundsätzlich befugt, in ihren Satzungen eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung auch in Form des sog. Stufenmodells vorzusehen (so auch Thüsing/Stelljes ZfA 2005, 527, 557; MünchArbR/Löwisch/Rieble 2. Aufl. Bd. 3 § 246 Rn. 32). Eine solche Regelung widerspricht im Grundsatz weder einfachem Recht noch Verfassungsrecht (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - BAGE 119, 103).

(1) Die Anerkennung von OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen § 3 Abs. 1 TVG.

Diese gesetzliche Regelung schließt eine OT-Mitgliedschaft nicht generell aus.

Die Norm regelt eine - wichtige - Rechtsfolge der Mitgliedschaft in einer Koalition, indem sie bestimmt, dass die Mitglieder an einen Tarifvertrag, den der Verband schließt, gebunden sind. Sie regelt aber nicht, wer Mitglied im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG ist. Sie beschränkt auch nicht die Satzungsautonomie.

(2) Allein durch die Eröffnung der Möglichkeit, Mitglied ohne Tarifbindung zu werden, verstößt ein Arbeitgeberverband nicht gegen die Verpflichtung, seine Mitglieder gleich zu behandeln.

(a) Den Verbandsmitgliedern steht die Wahl zwischen Voll- und OT- Mitgliedschaft frei. Dass Vollmitglieder und OT-Mitglieder im Verband unterschiedliche Rechte und Pflichten haben, ist jedem Beitretenden bewusst; dies hinzunehmen, beruht auf der freiwilligen Entscheidung des jeweiligen Mitglieds.

(b) Die OT-Mitglieder werden gegenüber den Vollmitgliedern nicht in unzulässiger Weise benachteiligt oder bevorzugt. Eine solche allgemeine Bewertung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil mit der Tarifgebundenheit sowohl Rechte als auch Pflichten verbunden sind (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - BAGE 119, 103, 119).

(c) Aus dem Umstand, dass Satzungen von Arbeitgeberverbänden vielfach für Mitglieder mit und ohne Tarifbindung die gleichen Mitgliedsbeiträge vorsehen, ergibt sich nichts anderes. Es ist schon fraglich, ob sich ein außen stehender Dritter auf etwa gleichheitswidrige Beitragspflichten berufen könnte (dagegen Däubler/Peter § 2 Rn. 123; Deinert RdA 2007, 83, 89; Konzen in FS Kraft S. 291, 318; LAG Hamm 13. Januar 2006 - 10 TaBV 123/05 -; offengelassen in BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - BAGE 119, 103). Die Erhebung gleicher Mitgliedsbeiträge für Vollmitglieder und OT-Mitglieder ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn die OT-Mitglieder Beratung und Unterstützung bei Verhandlungen über einen Firmentarifvertrag in Anspruch nehmen können (Deinert RdA 2007, 83, 89) oder wenn ihre Interessen vom Verband im politischen Raum mit vertreten werden.

(3) Allein durch die Möglichkeit, die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband auch als OT-Mitgliedschaft zu erwerben, entsteht keine die Funktionsfähigkeit des Tarifsystems gefährdende Intransparenz. Während die Tarifzuständigkeit eines Verbandes anhand der Satzung zuverlässig feststellbar sein muss, ist es nicht erforderlich, dass die Tarifgebundenheit einzelner Mitglieder jederzeit ohne weiteres erkennbar ist. Die Gewerkschaft mag ein berechtigtes Interesse daran haben zu wissen, welche Mitglieder des Arbeitgeberverbandes an einen Tarifvertrag gebunden sind. Dieses Interesse steht jedoch der allgemeinen Zulässigkeit einer OT-Mitgliedschaft nicht entgegen. Die Frage der Tarifgebundenheit einzelner Arbeitgeber stellt sich nicht nur in Fällen einer OT-Mitgliedschaft, sondern in gleicher Weise, wenn es darum geht, ob ein Arbeitgeber überhaupt Mitglied des Verbands ist (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 -BAGE 119, 103). Lediglich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls kann die fehlende Transparenz eines Austritts oder Statuswechsels im konkreten Zusammenhang mit Tarifverhandlungen eine Gefährdung der Tarifautonomie und deshalb unwirksam sein (Senat 20. Februar 2008 - 4 AZR 64/07 - NZA 2008, 946).

bb) Durch die grundsätzliche Anerkennung der OT-Mitgliedschaft wird die Verhandlungsparität zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft nicht in unzulässiger Weise zu Lasten der einen oder anderen Seite beeinträchtigt.

(1) Eine funktionierende Tarifautonomie setzt zwar voraus, dass zwischen den Tarifvertragsparteien ein ungefähres Kräftegleichgewicht besteht. Von einer strukturellen Störung der Verhandlungsparität durch jede Form der OT-Mitgliedschaft kann jedoch nicht generell ausgegangen werden Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des Ersten Senats in seinem Beschluss vom 18. Juni 2006 (- 1 ABR 36/05 - Rn. 59 f., BAGE 119, 103) an.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine verfassungsrechtlich relevante Verschiebung der Verhandlungsparität nicht dadurch gegeben, dass Mitgliedsbeiträge der OT-Mitglieder auch in eine etwaige Streikkasse des Verbandes fließen. Hierin liegt nur eine zulässige mittelbare Einflussnahmemöglichkeit der OT-Mitglieder auf das Tarifgeschehen (Bayreuther BB 2007, 325). Da den Verbänden beider Seiten regelmäßig Unterstützungsgelder und Fördermittel durch Dritte zufließen, kann allein durch die mögliche Verwendung von Beiträgen der OT-Mitglieder für einen Arbeitskampf keine messbare Paritätsverschiebung verursacht werden (Paul R. Melot de Beauregard Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden und Tarifbindung S. 149). Im Übrigen haben auch Gewerkschaften zahlreiche OT-Mitglieder wie etwa Beamte, Rentner, Freiberufler, Sympathisanten, deren Beiträge ebenfalls der Streikkasse zugute kommen. So standen etwa im Jahre 1998 mehr als 30 % der Mitglieder der IG Metall nicht mehr im aktiven Arbeitsverhältnis (nach Franzke OT-Mitgliedschaften S. 189 f.). Viele Satzungen von Arbeitgeberverbänden sehen darüber hinaus vor, dass der Verband Mitglieder ohne Tarifbindung in Tarifangelegenheiten, insbesondere beim Abschluss von Firmentarifverträgen beraten, unterstützen und vertreten kann. In diesen Fällen kommen die von ihnen aufgebrachten Mitgliedsbeiträge auch den OT-Mitgliedern selbst und nicht nur den Mitgliedern mit Tarifbindung zugute. Man kann auch mit berücksichtigen, dass auf Arbeitnehmerseite die Unterstützung der an den Tarifverhandlungen unmittelbar Beteiligten durch nur mittelbar Betroffene im Rahmen des Unterstützungsstreiks ebenfalls zulässig ist (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 173 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 170), ohne dass sich daraus eine grundsätzliche Verschiebung der Parität in der Tarifauseinandersetzung ergäbe (so Thüsing/Stelljes ZfA 2005, 527, 556).

cc) Auch die Verbandssatzung des VMGE-BW enthält im Zusammenhang mit der Einräumung der Möglichkeit von OT-Mitgliedschaften keine Regelungen, welche die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigen. Allgemeine Wirksamkeitsbedenken bestehen deshalb nicht.

(1) Die Tarifvertragsparteien haben bei der konkreten Ausgestaltung der OT-Mitgliedschaft in ihren Satzungen die unter dem grundgesetzlichen Schutz des Art. 9 GG stehendem Tarifautonomie zu beachten. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie setzt einen rechtlichen Rahmen voraus, der es den Tarifvertragsparteien ermöglicht, im Verhandlungswege ausgewogene, den beiderseitigen Interessen möglichst angemessene Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen festzulegen. Dieser rechtliche Rahmen muss gewährleisten, dass die Geschäftsgrundlage der Tarifvertragsverhandlungen mit derjenigen des Tarifabschlusses übereinstimmt. Dies erfordert auf Arbeitgeberseite, dass zwischen der Gruppe derjenigen Arbeitgeber, die bei einem Tarifabschluss ein Mitentscheidungsrecht haben, und derjenigen, welche in der Folge an diesen gebunden sind, im Grundsatz eine Kongruenz besteht. Grundsätzlich besteht nur durch einen derartigen Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für beiderseits angemessene Interessenwahrnehmung.

(2) Hiervon ausgehend ist es notwendige Voraussetzung einer wirksamen Regelung von OT-Mitgliedschaften, dass die Satzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Sie muss darüber hinaus für Tarifangelegenheiten eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vorsehen.

(a) Die Literatur geht zu Recht weitgehend übereinstimmend davon aus, dass eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen nicht zulässig ist (Deinert RdA 2007, 83, 86; Besgen Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung S. 116 f.; Paul R. Melot de Beauregard Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden und Tarifbindung S. 127; Bayreuther BB 2007, 325, 327; Buchner NZA 1994, 2, 6; Schlochauer FS Hromadka S. 379, 383, 388; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 34; großzügiger Thüsing/Stelljes ZfA 2005, 527, 552; vgl. auch ErfK/Franzen § 2 TVG Rn. 9). OT-Mitglieder dürfen daher nicht in Tarifkommissionen entsandt werden, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten und nicht in Aufsichtsorganen mitwirken, die die Streikfonds verwalten. Zudem sind sie von Abstimmungen auszuschließen, in denen die tarifpolitischen Ziele festgelegt oder Ergebnisse von Tarifverhandlungen angenommen werden. Es wird teilweise darüber hinaus auch noch gefordert, die Verbandssatzung müsse vorsehen, dass ein Wechsel in die OT-Mitgliedschaft zum Verlust entsprechender Ämter führe (Löwisch/Rieble § 2 Rn. 34; Buchner NZA 2006, 1377, 1382). Demgegenüber stehen den OT-Mitgliedern die allgemeinen Mitwirkungsrechte eines "gewöhnlichen" Vereinsmitglieds zu, die keinen originären Bezug zur Tarifpolitik des Verbands haben (Löwisch/Rieble aaO; Bayreuther BB 2007, 325, 327). Die Beteiligung bei der Erörterung tarifpolitischer Fragen mit beratender Stimme ist ebenfalls unbedenklich. Denn dem Verband ist es auch nicht verwehrt, sich durch an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebundene außenstehende Dritte beraten zu lassen (Deinert RdA 2007, 83, 86).

(b) Die Satzung des VMGE-BW entspricht diesen zu Recht aufgestellten Anforderungen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein geringeres Maß an Differenzierung bezüglich der Rechte und Pflichten von OT-Mitgliedern im Verhältnis zu Verbandsmitgliedern mit Tarifbindung in der Satzung vorgesehen werden kann und welche Rechtsfolgen eine nicht hinreichend differenzierende Satzungsgestaltung hat.

(aa) Nach § 4a Abs. 4 Unterabs. 2 der Satzung haben die Mitglieder ohne Tarifbindung kein Benennungs- und Entsenderecht in den Tarifpolitischen Ausschuss. Dieser ist nach § 4b Abs. 3 der Satzung für die Verbandstarifverträge zuständig. Ihm obliegt die Bearbeitung, Beratung sowie Beschlussfassung in allen Fragen der Tarifpolitik. Er hat insbesondere die Aufgabe, Tarifverträge abzuschließen oder sie zu kündigen. Dementsprechend bestimmt § 4b Abs. 1 der Satzung, dass der Vorsitzende des Verbandes dem Tarifpolitischen Ausschuss angehört, sofern er einem Unternehmen mit Tarifbindung zugehörig ist. Auch die übrigen Mitglieder müssen Vertreter der Mitgliedsunternehmen mit Verbandstarifbindung sein. Durch diese Regelungen sind die Mitglieder ohne Verbandstarifbindung von der tarifpolitischen Willensbildung ausgeschlossen.

(bb) Die Beteiligung von Mitgliedern ohne Tarifbindung an tarifpolitischen Fragen lediglich mit beratender Stimme ist entgegen der Auffassung der Revision aus den bereits genannten Gründen unbedenklich.

(cc) Die Satzung sieht zwar nicht ausdrücklich für den Fall des Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung den Verlust von Funktionen vor, welche im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Tarifpolitik stehen. Darauf kommt es aber nicht an, weil die Satzung in diesem Sinne auszulegen ist. Sie bestimmt, dass Mitglieder ohne Tarifbindung kein Benennungs- und Entsenderecht haben und dass die stimmberechtigten Mitglieder des Tarifpolitischen Ausschusses Mitgliedsunternehmen mit Verbandstarifbindung angehören müssen. Der damit zum Ausdruck kommende Regelungswille des Satzungsgebers, die tarifpolitische Willensbildung den Mitgliedern mit Tarifbindung vorzubehalten, kann nur dann die beabsichtigte Wirkung entfalten, wenn mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft auch der automatische Verlust des Amtes verbunden ist. Dieses Auslegungsergebnis entspricht im Übrigen auch dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten zur praktischen Handhabung, wonach einem Wechselgesuch nur dann "entsprochen" wird, wenn eine Mitgliedschaft in tarifpolitischen Gremien nicht oder nicht mehr besteht.

(3) Hingegen ist es zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nicht erforderlich, Mindestfristen für den Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung satzungsmäßig festzuschreiben.

Auf Grund der grundgesetzlich gewährleisteten Satzungsautonomie steht den Verbänden das Recht zu, die Fristen für den Austritt oder den Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung frei zu bestimmen (bzgl. der grundsätzlichen Geltung des § 39 BGB vgl. Senat 20. Februar 2008 - 4 AZR 64/07 - NZA 2008, 946; zu einer Höchstgrenze der Austrittsfrist bei Arbeitnehmervereinigungen vgl. BGH 22. September 1980 - II ZR 34/80 - AP GG Art. 9 Nr. 33). Dazu gehört auch die Freiheit, die jeweiligen Fristen unterschiedlich zu bemessen. Soweit der Satzungsgeber für Austritt und Statuswechsel unterschiedliche Fristen bestimmt hat, ist auch eine analoge Anwendung der Austrittsfrist auf den Statuswechsel nicht möglich, da es insoweit an einer unbewussten Regelungslücke fehlt (für die analoge Anwendung der Austrittsfrist Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 1. Aufl. § 3 Rn. 26). Da der Austritt eines Mitglieds ebenso wie dessen Statuswechsel im Regelfall - nämlich immer dann, wenn er nicht im engen zeitlichen Zusammenhang mit einem Tarifabschluss erfolgt - nur den Verband und seine Mitglieder betrifft, ist es verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, generelle Mindestfristen für den Austritt oder den Statuswechsel zu verlangen (so iE Buchner NZA 2006, 1377, 1381). Lediglich im Einzelfall kann ein fristloser Statuswechsel oder ein Austritt geeignet sein, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu beeinträchtigen.

b) Die Beklagte ist nach Maßgabe der nach alledem rechtswirksamen Regeln der Satzung des Verbandes der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Baden-Württemberg e.V. im Mai 2003 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt.

aa) Die Verbandssatzung sieht in § 4a Abs. 2 die Möglichkeit eines Wechsels in den Status einer OT-Mitgliedschaft ohne Einhaltung einer Frist vor. Das ergibt die Auslegung der Satzung, die den Regeln über die Auslegung von Normen folgt: Sie hat zunächst vom Wortlaut auszugehen und sich dann an dem systematischen Zusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck, soweit er in der Norm erkennbaren Ausdruck gefunden hat, auszurichten (BAG 6. Juli 2000 - 2 AZR 695/99 - BAGE 95, 216; 27. Oktober 2005 - 6 AZR 27/05 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 151).

(1) Gem. § 4a Abs. 2 der Satzung können Mitglieder, die eine Verbandstarifbindung nicht wünschen und aus der Tarifgemeinschaft ausscheiden wollen, sich hiervon mit schriftlicher Erklärung an die Geschäftsstelle des Verbandes befreien. Danach handelt es sich nach der Verbandssatzung beim Austritt aus der Tarifgemeinschaft und dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft um ein einseitiges Rechtsgeschäft.

(2) Der Wortlaut von § 4a Abs. 2 Unterabs. 1 der Satzung sieht keine Frist vor, die bei einem solchen Statuswechsel eingehalten werden soll, während in § 3 Abs. 5 Buchst. a für den Austritt aus dem Verband eine Frist von 6 Monaten zum Ende des Kalenderjahres vorgesehen ist. Diese Frist gilt auf Grund der Systematik der Satzung nicht entsprechend für den Austritt lediglich aus der Tarifgemeinschaft und den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft. § 3 der Satzung regelt die Verbandsmitgliedschaft einschließlich deren Beendigung. Nach § 4a Abs. 1 der Satzung kann eine Mitgliedschaft im Sinne von § 3 als eine mit Verbandstarifbindung als auch ohne Verbandstarifbindung erworben werden. Daraus ergibt sich, dass in einem Austritt aus der Tarifgemeinschaft, die in der Sache nur den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft bedeutet, bereits begrifflich keine Beendigung der Mitgliedschaft im Verband liegt. Damit ist die Anwendung der in § 3 Abs. 5 Buchst. a geregelten Frist innerhalb des § 4a Abs. 2 nach dem Willen des Satzungsgebers ausgeschlossen. Auch Sinn und Zweck der Fristenregelung in § 3 sprechen gegen die Übertragung dieser Austrittsfrist auf den Statuswechsel. Regelmäßig dient die Austrittsfrist dem Schutz des Verbandes, der mit dem Austritt eines Mitglieds dessen Beitragszahlungen verliert. Dies ist bei einem Statuswechsel jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sich wie in der Satzung des VMGE-BW die Beiträge von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung nicht unterscheiden.

bb) Die Beklagte konnte daher nach der Satzungsregelung durch Erklärung vom 13. Mai 2003 ohne Einhaltung einer Frist aus der Tarifgemeinschaft ausscheiden. Es bedurfte zur Wirksamkeit des Austritts aus der Tarifgemeinschaft nicht der Bestätigung vom 14. Mai 2003 seitens des Verbandes. Sie zeigt lediglich die Billigung des Austritts.

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der nach alledem vereinsrechtlich wirksame Wechsel der Beklagten in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung aber tarifrechtlich als die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede unwirksam, weil er während laufender Tarifverhandlungen erfolgt ist und der konkrete Wechsel des Mitgliedes für die an der Verhandlung beteiligte Gewerkschaft nicht vor dem endgültigen Tarifabschluss erkennbar war.

aa) Die OT-Mitgliedschaft und die die Tarifgebundenheit vermittelnde Vollmitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband genießen ebenso den Schutz aus Art. 9 GG wie die Regeln, die sich die Mitglieder dieses Verbandes für die innerverbandliche Willensbildung, für Beginn und Ende der Mitgliedschaft und für den Statuswechsel innerhalb des Verbandes gegeben haben. Grenzen für die sich hieraus ergebenden Handlungsfreiheiten können nur dort von Rechts wegen gezogen werden, wo dies verfassungsimmanente Schranken, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gebieten oder wo dies um des Schutzes gleichwertiger Rechte willen, und sei es auch aus Art. 9 GG selbst, unabdingbar notwendig ist. Solche Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Freiräume müssen auf den zur Gewährleistung des betroffenen Rechts geringstmöglichen Umfang begrenzt bleiben.

bb) Bei einem Wechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbandes von der Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen, im vorliegenden Fall mehr als einen Monat nach dem Wirksamwerden der Kündigung des Vorgängertarifvertrags und dem Beginn der Tarifverhandlungen ua. über den Entgelt-TV 2003, kollidieren zwei verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen aus Art. 9 Abs. 3 GG: Einerseits die Freiheit einer Koalition zur autonomen Gestaltung ihrer inneren Ordnung und zu einem dieser Ordnung entsprechendem Verhalten der Koalition und ihrer Mitglieder, die zugleich ihre negative Koalitionsfreiheit wahrnehmen, und andererseits die durch Gesetzgeber und Gerichte in ihrem äußeren Rahmen zu schützende Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie, die um der Koalitionen auf beiden Seiten und um des Gemeinwohls willen gewährleistet ist. Im Rahmen einer Ausübungskontrolle ist festzustellen, wie diese Kollision im Einzelfall unter größtmöglicher Schonung der jeweiligen Rechte aufgelöst werden kann. Dabei kann auch zur Bestimmung der Rechtsfolgen auf die Verbotsnorm des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG zurückgegriffen werden.

(1) Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG sind Abreden, die die Koalitionsfreiheit einzuschränken oder zu behindern suchen, nichtig und Maßnahmen mit dem gleichen Ziel rechtswidrig. An diese Ausübungsbeschränkung sind nicht nur Träger öffentlicher Gewalt, sondern auch alle Privatrechtssubjekte sowie auch die Koalitionen selbst gebunden. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG ist ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB (Schaub/Schaub ArbR-Hdb. 12. Aufl. § 188 Rn. 6; Scholz in Maunz/Dürig Grundgesetz Art. 9 Rn. 333 mwN). Diese Norm ist sowohl anwendbar, wenn der Inhalt eines Rechtsgeschäfts verbotswidrig ist (Staudinger/Sack BGB 2003 § 134 Rn. 1), als auch dann, wenn ein Rechtsgeschäft zwar nicht wegen seines Inhalts, wohl aber wegen der besonderen Umstände der Vornahme gegen ein Gesetz verstößt, das aus diesen Gründen die Existenz des betreffenden Rechtsgeschäfts missbilligt (BGH 1. Juni 1996 - VIII ZR 65/64 - BGHZ 46, 24, 25; BGH 11. November 1993 - I ZR 225/91 - NJW 1994, 728, 729; Staudinger/Sack § 134 Rn. 2).

In der Literatur ist umstritten, was unter einer Abrede im Sinne dieser Norm zu verstehen ist. Zum Teil werden hierunter nur zwei- oder mehrseitige Verträge (Schaub/Schaub § 188 Rn. 6), zum Teil auch Vereinbarungen verstanden (Sachs GG 4. Aufl. Art. 9 Rn. 124), bei denen es sich nicht um Verträge im rechtstechnischen Sinne, sondern auch nur um Abmachungen handeln kann (Bonner Kommentar/v. Münch Art. 9 Rn. 158). Teilweise wird unter Abrede im Sinne des gesetzlichen Verbots auch jedes sonstige rechtlich relevante Handeln im weitesten Sinne verstanden (Scholz in Maunz/Dürig Art. 9 Rn. 333) und damit entgegen dem Wortlaut der Norm auch die einseitige Willenserklärung (Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I S. 193). Einer Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit im Einzelnen bedarf es nicht. Eine einseitige Willenserklärung, die vorliegend den vereinsrechtlich wirksamen Wechsel der Beklagten von der Vollmitgliedschaft bewirkt hat, ist um eines effektiven Grundrechtsschutzes willen jedenfalls dann eine Abrede im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG, wenn sie im Einvernehmen mit dem Empfänger erfolgt und die Möglichkeit für eine solche Erklärung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen vom Empfänger erst geschaffen worden sind. Dass es sich dabei um einen internen Vorgang innerhalb einer durch die Koalitionsfreiheit geschützten Organisation handelt, schließt den Rückgriff auf Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nicht aus. Wie ein Eingriff von außen kann auch die Koalitionsrechtswahrnehmung zur Koalitionsrechtsbeeinträchtigung beim sozialen Gegenspieler führen, die diese Bestimmung untersagt.

(2) Eine solche Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit kann sich aus den konkreten Begleitumständen des Statuswechsels eines Verbandsmitglieds nach Beginn und vor Abschluss der Tarifverhandlungen ergeben.

(a) Unter der Koalitionsfreiheit im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG und damit auch des in Satz 2 normierten gesetzlichen Verbots ist nicht nur das individuelle Freiheitsrecht, sondern auch die autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, 341), also die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu verstehen.

(b) Das Tarifvertragssystem ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen (statt aller BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 173 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 140). Es muss nicht entschieden werden, inwieweit durch Rechtsregeln ein materielles Verhandlungsgleichgewicht im Einzelfall sichergestellt werden kann. Es erscheint immerhin denkbar, dass dieser Aufgabe bei der Überprüfung der Tariffähigkeit abschließend Rechnung zu tragen ist. Der Schutz der Tarifautonomie erfordert jedenfalls auch grundlegende Verfahrensregeln für die von den Koalitionen geführten Tarifverhandlungen (so iE auch Scholz in Maunz/Dürig Art. 9 Rn. 283, 284; Michael Kemper in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Art. 9 Abs. 3 Rn. 145). Ob diese von den Tarifvertragsparteien eingehalten worden sind, ist im Streitfall von den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden, die sicherzustellen haben, dass die Tarifvertragsparteien ihrer auch im Gemeinwohlinteresse liegenden Rechtsetzungsaufgabe genügen können. Dies ist nur dann der Fall, wenn Störungen der Geschäftsgrundlage des angestrebten Tarifvertrages bei den Tarifverhandlungen unterbleiben.

(aa) Eine solche Störung kann insbesondere darin liegen, dass diejenigen Arbeitgeber, die vertreten durch den Verband an den Tarifverhandlungen teilnehmen, nicht mit denjenigen übereinstimmen, die nach Tarifabschluss an diesen gebunden sind. Im Grundsatz darf die Gewerkschaft bei Aufnahme der Tarifverhandlungen darauf vertrauen, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei Verhandlungsbeginn Mitglied des an den Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeberverbandes sind, an den auszuhandelnden Tarifvertrag gebunden sein werden (zu weiteren möglichen Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie bei Veränderungen in der Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen Senat 20. Februar 2008 - 4 AZR 64/07 - Rn. 41 ff., NZA 2008, 946, 949 f.). Dieser aus der Sicht der Gewerkschaft als Verhandlungspartner beschriebenen Geschäftsgrundlage entspricht die bereits oben behandelte Grenze für die Möglichkeit von Arbeitgeberverbänden, wirksam OT-Mitgliedschaften zu eröffnen: Es ist für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erforderlich, in der Verbandssatzung einen Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit sicherzustellen und um dieses Zieles willen eine klare Trennung der Einflusssphären von Vollmitgliedern und OT-Mitgliedern, was die Teilnahme an der Tarifpolitik des Verbandes angeht, vorzunehmen. Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit kann aber auch dann vorliegen, wenn dieser Gleichlauf während der Tarifverhandlungen entfällt: Während der betreffende Arbeitgeber bei Beginn der Verhandlungen und der Festlegung von Tarifzielen und möglichen Kampfformen voll verantwortlich mitentscheiden kann, entzieht er sich mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft der Wirkung der von ihm mitgestalteten Tarifergebnisse, wodurch auch die Berechtigung für die Angemessenheitsvermutung des vereinbarten Tarifvertrages beeinträchtigt sein kann.

(bb) Die allgemein beschriebene Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen besteht unabhängig davon, ob die Verbandssatzung einen jederzeitigen Statuswechsel vorsieht. Es geht nicht darum, ein bestehendes satzungsmäßiges Recht allgemein zu beschränken, sondern es in einer besonderen Situation einer hierauf bezogenen Ausübungskontrolle zu unterziehen. Andererseits ergibt sich nicht aus jedem der Satzung entsprechenden Wechsel in die OT-Mitgliedschaft, nur weil sie während laufender Tarifverhandlungen erfolgt, eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dies kann ua. von der Belegschaftsgröße des betreffenden Unternehmens, seiner Verflechtung mit anderen Unternehmen, aber auch dem persönlichen Einfluss der Unternehmensrepräsentanten abhängen. Dies im Einzelfall zu entscheiden, ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte. Auf Grund der Tarifautonomie ist es Sache des Verhandlungspartners, hier der Gewerkschaft, zu überprüfen und zu entscheiden, ob sich durch den Statuswechsel die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Abschluss wesentlich geändert haben. Ob damit ein allgemeiner Anspruch der Gewerkschaft auf Mitteilung verbunden ist, welche Unternehmen Mitglieder des Verbandes sind, muss der Senat nicht entscheiden.

(cc) Eine solche Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeit besteht, wenn der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft während der Tarifverhandlungen erfolgt, indem die Gewerkschaft - sei es durch den Arbeitgeber selbst, sei es durch den Verband - hiervon rechtzeitig in Kenntnis gesetzt wird. Es kann im Einzelfall auch genügen, wenn die Gewerkschaft während der Tarifverhandlungen darüber informiert worden ist, dass bei bestimmten Verhandlungsergebnissen ein bestimmter Arbeitgeber oder eine bestimmte Arbeitgebergruppe aus dem Verband oder der durch ihn vermittelten Tarifbindung ausscheiden wird (vgl. hierzu Senat 20. Februar 2008 - 4 AZR 64/07 - NZA 2008, 946). Demgegenüber genügt es nicht, wenn lediglich Kenntnis davon besteht oder bestehen müsste, dass nach der Verbandssatzung die Möglichkeit zu einem jederzeitigen Wechsel in die OT-Mitgliedschaft besteht. Entscheidend ist die Kenntnis des konkreten Vorgangs, nicht die Kenntnis der dafür abstrakt bestehenden Möglichkeit.

(dd) Das Erfordernis der Transparenz eines Statuswechsels während Tarifverhandlungen dient der Verhinderung konkreter Störungen der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie auch unter dem Gesichtspunkt des für die Tarifverhandlungen unter Einschluss des Rechts des Arbeitskampfes geltenden Fairnessgebots, das - eingeschränkt - als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht nur beim Arbeitskampf zu beachten ist (BAG GS 21. April 1971 - GS 1/68 - BAGE 23, 292, 307), sondern auch in anderen Stadien der Tarifvertragsverhandlungen. Es müssen um der Chance der beiderseitigen Angemessenheit der Verhandlungsergebnisse willen Unklarheiten darüber möglichst vermieden werden, wie der Kreis derer zusammengesetzt ist, deren wirtschaftlichen Bedingungen bei der Verhandlung Rechnung getragen werden soll und für den dann die gefundenen Ergebnisse maßgebend sein werden. Wird die Gewerkschaft zumindest darüber unterrichtet, wie sich die Rahmenbedingungen während der Tarifverhandlungen insoweit geändert haben, kann sie darüber entscheiden, ob sie den beabsichtigten Tarifvertrag auch unter den nun gegebenen Umständen abschließen will.

Daraus ergibt sich zugleich der wesentliche sachliche Anhaltspunkt zur Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Gewerkschaft als Verhandlungspartner über die eingetretene Veränderung informiert werden muss: Sie muss in die Lage versetzt werden, auf den Statuswechsel des Verbandsmitglieds mit Wirkung für den vor dem Abschluss stehenden Tarifvertrag zu reagieren.

(ee) Der Annahme einer solchen Obliegenheit für die Arbeitgeberseite steht kein in besonderer Weise schützenswertes berechtigtes Interesse des einzelnen Arbeitgebers entgegen. Er wird dadurch nicht in seiner Handlungsfreiheit beschränkt und kann jederzeit, auch während laufender Tarifvertragsverhandlungen, nach Maßgabe der Verbandssatzung von einem Tarifgebundenheit vermittelnden Status in die OT-Mitgliedschaft wechseln. Die Obliegenheit besteht nur darin, während eines bestimmten Zeitraumes diesen Statuswechsel nicht geheim zu halten, sondern ihn dem Tarifvertragspartner gegenüber anzuzeigen.

(3) Rechtsfolge des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG, § 134 BGB ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts - hier des Wechsels in die OT-Mitgliedschaft. Der tarifrechtliche Status des Arbeitgebers richtet sich demnach grundsätzlich nach der Rechtslage, die ohne die Vornahme des beanstandeten Rechtsgeschäfts bestanden hätte. Daraus ergäbe sich an sich die weitere Vollmitgliedschaft des Arbeitgebers im Verband und die Gebundenheit an die von diesem auch in Zukunft abgeschlossenen Tarifverträge, wie sie von Teilen der Literatur für den Fall einer unzureichenden Satzung auch vorgesehen werden (unter dem Vorbehalt einer Einzelfallauslegung einer Übertrittserklärung auch Thüsing/Stelljes ZfA 2005, 527, 571 f.; weitergehend zB Deinert AuR 2006, 217, 223 f.). Die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG angeordnete Nichtigkeit der Übertrittserklärung reicht aber nur soweit, wie im Falle der Wirksamkeit des Wechsels die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigt würde. Sie beschränkt sich damit auf eine tarifrechtliche Unwirksamkeit des Statuswechsels hinsichtlich derjenigen Tarifverträge, die während des Statuswechsels verhandelt wurden. An diese ist das OT-Mitglied trotz des vereinsrechtlich wirksamen Wechsels in diese Mitgliedschaftsform nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden (zu einer vergleichbaren Differenzierung zwischen vereinsrechtlicher und tarifrechtlicher Bewertung Senat 22. November 2000 - 4 AZR 688/99 - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 = EzA TVG § 3 Nr. 20). Eine weiter geltende Tarifgebundenheit für später verhandelte und abgeschlossene Tarifverträge besteht demgegenüber nicht, es sei denn, es ist später wieder eine Vollmitgliedschaft begründet worden.

cc) Die Beklagte ist unstreitig erst längere Zeit nach Beginn der Verhandlungen über den Entgelt-TV 2003 innerhalb des VMGE-BW von der Vollmitgliedschaft in die OT-Mitgliedschaft gewechselt. Dieser Wechsel ist der an den Verhandlungen beteiligten Gewerkschaft weder mitgeteilt worden noch hat sie davon in sonstiger Weise Kenntnis erlangt. Dies hat der Kläger vorgetragen, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten ist. Damit ist die dem Statuswechsel zugrunde liegende Abrede nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG hinsichtlich des zu diesem Zeitpunkt verhandelten Entgelt-TV 2003 tarifrechtlich unwirksam. Die Beklagte war damit - ebenso wie streitlos der Kläger - an diesen Tarifvertrag gebunden und muss die sich daraus ergebenden, vom Kläger mit seinen Anträgen geltend gemachten Entgeltdifferenzen ausgleichen.

Sie ist allerdings nicht, wie vom Kläger mit seinem Feststellungsantrag mit verfolgt, verpflichtet, den Lohn für die Zeit ab 1. April 2005 nach Maßgabe des später vereinbarten Entgelt-TV 2005 zu zahlen. Insoweit war die Revision des Klägers erfolglos.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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