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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.10.2000
Aktenzeichen: 4 AZR 438/99
Rechtsgebiete: TVG, TVG, SozG, MTV Nr. 2, GG, KSchG


Vorschriften:

TVG § 1 Tarifverträge/ Internationaler Bund für Sozialarbeit Jugendsozialwerk e.V. (IB)
Tarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personalwirtschaftlicher Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin (BZ) vom 4. März 1998 (TV SozG) § 2
Tarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personalwirtschaftlicher Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin (BZ) vom 4. März 1998 (TV SozG)§ 4
Tarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personalwirtschaftlicher Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin (BZ) vom 4. März 1998 (TV SozG)§ 5
Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Internationalen Bundes für Sozialarbeit Jugendsozialwerk e.V. (IB) vom 27. Februar 1984 mit späteren Änderungen (MTV Nr. 2) § 13
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 9 Abs. 3
GG Art. 12
KSchG § 2
Leitsätze:

Ein Firmentarifvertrag, der in teilweiser Abänderung des Firmenmanteltarifvertrages die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vorübergehend zur Beschäftigungssicherung durch eine besondere regelmäßige Arbeitszeit von 30,5 Stunden wöchentlich bei Teillohnausgleich und partiellem Schutz gegen betriebsbedingte Kündigungen während der Laufzeit des betriebsbezogenen Tarifvertrages ersetzt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Aktenzeichen: 4 AZR 438/99 Bundesarbeitsgericht 4. Senat Urteil vom 25. Oktober 2000 - 4 AZR 438/99 -

I. Arbeitsgericht Berlin - 65 Ca 20117/98 - Urteil vom 10. Dezember 1998

II. Landesarbeitsgericht Berlin - 6 Sa 355/99 - Urteil vom 21. Mai 1999


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

4 AZR 438/99 6 Sa 355/99

Verkündet am 25. Oktober 2000

Freitag, der Geschäftsstelle

In Sachen

Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,

pp.

Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Friedrich und Dr. Wolter, den ehrenamtlichen Richter Valentien und die ehrenamtliche Richterin Scherweit-Müller für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 21. Mai 1999 - 6 Sa 355/99 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob durch den bis zum 30. September 1999 befristeten "Tarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personalwirtschaftlicher Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin (BZ)" des Internationalen Bundes ab 1. März 1998 die bisherige regelmäßige Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden durch eine "besondere regelmäßige Arbeitszeit" von 30,5 Stunden abgesenkt werden durfte.

Der 1962 geborene Kläger steht seit dem 1. März 1993 als Ausbilder und Projektleiter für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den Diensten des beklagten Vereins im Berufsbildungszentrum S mit Außen- und Nebenstellen. In dem zunächst bis 31. August 1993 befristeten "Arbeitsvertrag" vom 18. April 1993, der nach der Vereinbarung vom 12./13. Januar 1995 "bei gleicher Tätigkeit unbefristet fortgesetzt wird", heißt es ua.:

"§ 3

Die Satzung des IB in jeweils geltender Fassung, der Manteltarifvertrag Nr. 2 vom 27. Februar 1984 und die ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge und die Arbeitsordnung des IB in jeweils geltender Fassung sind Bestandteile des Arbeitsvertrages.

§ 4

Die vereinbarte Arbeitszeit beträgt wöchentlich 38,50 Stunden.

..."

Im Manteltarifvertrag (MTV) Nr. 2 vom 27. Februar 1984 mit späteren Änderungen heißt es in § 13, der die Überschrift "Regelmäßige Arbeitszeit" trägt, ua. wie folgt:

"(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 16 Wochen zugrunde zu legen.

..."

Der Kläger erzielte im März 1998 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 5.154,92 DM.

Am 4. März 1998 schlossen der beklagte Verein und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, letztere zugleich handelnd für den Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den bis zum 30. September 1999 befristeten, Nachwirkung ausschließenden "Tarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personalwirtschaftlicher Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin (BZ)", in Kraft ab 1. März 1998 (TV SozG).

In ihm heißt es ua.:

"Präambel

Dieser Tarifvertrag soll dazu beitragen, im BZ Berlin, den Neben- und Außenstellen Arbeitsplätze zu erhalten, die Existenz der Einrichtungen zu gewährleisten, notwendig erscheinende Rationalisierungsmaßnahmen sozialverträglich zu gestalten. Gemeinsame Anstrengungen der Beschäftigten, der Betriebs- und Tarifvertragsparteien ermöglichen es, Perspektiven für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und den Einrichtungen des BZ Berlin aufzuzeigen und zu entwickeln.

§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich

1. Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Bildungszentrum (BZ) Berlin mit allen Neben- und Außenstellen.

2. ...

§ 2 Besondere regelmäßige Arbeitszeit und Teillohnausgleich

1. Im Geltungsbereich des BZ wird als besondere regelmäßige Arbeitszeit eine Wochenarbeitszeit von 30,5 (W) bzw. 31,75 Stunden (O) vereinbart.

2. Die besondere regelmäßige Arbeitszeit gilt als regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit im Sinne des § 13 Absatz 1 des MTV.

3. Eine Herabsetzung der Arbeitszeit unter 18 Stunden wird ausgeschlossen.

4. Der Teillohnausgleich beträgt für die gewerblichen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für Beschäftigte, die unter das Tarifrecht des IB-O fallen, sowie alle Angestellten mit einer tatsächlichen Vergütung entsprechend der

Vergütungsgruppen IX bis V b 40

Vergütungsgruppen IV b bis IV a 30 und

Vergütungsgruppen III bis I 20 Prozent

Diese Regelung gilt auch für Beschäftigte, deren Arbeitszeit zur Beschäftigungssicherung nach dem 1. September 1997 abgesenkt worden ist.

§ 4 Kündigungsschutz

1. Den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen des BZ, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, kann während der Laufzeit außerhalb des Tatbestandes von § 4 Abs. 4 nicht betriebsbedingt gekündigt werden.

2. Zur Sicherung von Beschäftigung und Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen schöpfen die Betriebsparteien alle Möglichkeiten sozialverträglicher personalwirtschaftlicher Maßnahmen aus. Dazu gehört auch die Erschließung neuer Geschäftsfelder und die Akquisition von Aufträgen.

3. Stellen die Betriebsparteien im Juni 1998 die Notwendigkeit struktureller und personeller Veränderungen aufgrund des Rückganges von Maßnahmen oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten fest, nehmen die Tarifvertragsparteien unverzüglich Verhandlungen auf.

4. Können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz Arbeitszeitreduzierung nicht weiterbeschäftigt werden, obwohl alle personalwirtschaftlichen Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung ausgeschöpft worden sind, entfällt ab diesem Zeitpunkt die Regelung des Absatzes 1.

5. In den Fällen des Absatzes 4 wird zur Berechnung der Leistungen des Sozialplanes die Wochenarbeitszeit zugrundegelegt, die vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages galt.

...

§ 5 Sozialverträgliche personalwirtschaftliche Maßnahmen

1. Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, im Frühjahr 1999 gemeinsam die Notwendigkeit einer Verlängerung des Tarifvertrages bis zum 30. September 2000 festzustellen. Der Sozialplan vom 20. August 1997 wird entsprechend der Laufzeit dieses Tarifvertrages verlängert.

2. Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, im Falle einer günstigen Geschäftsentwicklung wegen der vorzeitigen Beendigung der strukturellen Maßnahmen zu verhandeln. Die Maßnahmen enden, wenn die Tarifvertragsparteien zu der Auffassung gelangen, daß strukturelle Änderungen nicht mehr notwendig sind.

3. Es besteht Einvernehmen darüber, daß in den Außenstellen des BZ Berlin ein ständiger Informationsaustausch zwischen der Geschäftsleitung, dem Betriebsrat und den Beschäftigten institutionalisiert wird. Die Betriebsparteien regeln die näheren Einzelheiten unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung."

Unter Berufung auf den TV SozG vom 4. März 1998 reduzierte der beklagte Verein die Arbeitszeit des nicht tarifgebundenen Klägers auf 30,5 Stunden wöchentlich und kürzte das Bruttogehalt des Klägers auf 4.407,01 DM.

Mit seiner am 1. Juli 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen später erweiterten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß seine Arbeitszeit über den 31. März 1998 hinaus weiterhin 38,5 Stunden in der Woche betrage, und Gehaltsdifferenzen für die Monate April 1998 bis September 1998 einschließlich in unstreitiger Gesamthöhe von 4.425,02 DM brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten nicht die Befugnis, aus einem Vollzeitarbeitnehmer eine Teilzeitkraft zu machen. Die Herabsetzung von 38,5 Stunden auf 30,5 Stunden, also um weit mehr als 20 % setze das Kündigungsschutzgesetz außer Kraft. Bei der Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit hätten die Tarifparteien die ihnen gem. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TVG übertragenen Kompetenzen überschritten, da es sich bei der Herabsetzung der Arbeitszeit um einen so wesentlichen Einschnitt in die Berufsfreiheit des Klägers handele, der nicht gerechtfertigt sei. Überdies sei die Arbeitszeitreduzierung mit Gehaltseinbußen von 10,99 % netto verbunden gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß seine Arbeitszeit über den 1. April 1998 hinaus weiterhin 38,5 Stunden in der Woche betrage,

2. den beklagten Verein zu verurteilen, an den Kläger 4.425,02 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 747,91 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Mai 1998,

aus dem sich aus 747,90 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Juni 1998,

aus dem sich aus 747,90 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Juli 1998,

aus dem sich aus 738,03 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. August 1998,

aus dem sich aus 584,14 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. September 1998,

aus dem sich aus 859,14 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 1998 zu zahlen.

Der beklagte Verein hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, der TV SozG sei angesichts erheblicher Defizite des Bildungszentrums Berlin, welche infolge auch an anderen Standorten eingetretener Verluste zu einer für den beklagten Verein wirtschaftlich unzumutbaren Belastung geführt hätten, vereinbart worden und biete die Möglichkeit, durch eine Aufteilung von noch vorhandenem Bedarf und vorhandener Finanzierung auf die Beschäftigten bei gleichzeitiger Arbeitsreduzierung Arbeitsplätze zu sichern. Die Definition des Vollarbeitszeitverhältnisses hänge von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Betriebes ab. Diese betrage für das Bildungszentrum Berlin ab dem 1. März 1998 30,5 Stunden, weshalb von einer Umwandlung in ein Teilzeitarbeitsverhältnis keine Rede sein könne. Die Geltungsdauer des TV SozG ist, wie sich in der Revisionsinstanz herausgestellt hat, zunächst bis zum 30. September 2000, dann bis zum 28. Februar 2001 verlängert worden und erfaßt noch etwa 80 von 250 Mitarbeitern des Bildungszentrums Berlin, darunter auch den Kläger.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Der beklagte Verein beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Die Tarifvertragsparteien durften mit dem Firmentarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personalwirtschaftlicher Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin (BZ) (TV SozG), einem Teilbereich des beklagten Vereins, vorübergehend 30,5 Stunden wöchentlich "als besondere regelmäßige Arbeitszeit" einführen. Die wöchentliche Arbeitszeit hat damit auch für den Kläger ab 1. März 1998 nur noch 30,5 Stunden betragen mit der Folge, daß sein Feststellungsbegehren und seine Klage auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. April 1998 bis 31. Oktober 1998 unbegründet sind.

I. Der Kläger muß dies als ergänzende tarifliche Regelung nach § 3 seines Arbeitsvertrages hinnehmen. Ob die Arbeitsvertragsparteien eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich in § 4 ihres Arbeitsvertrages vom 18. April 1993/12. Januar 1995 tariffest vereinbart haben, kann dahinstehen. Denn die Tarifvertragsparteien haben nicht auf Dauer die regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich verringert, sondern sie haben lediglich vorübergehend eine "besondere regelmäßige Arbeitszeit" von 30,5 Stunden eingeführt. Dies kommt in ihren Wirkungen der Einführung von Kurzarbeit gleich, wie sich aus § 5 Nr. 2 TV SozG ergibt. Danach verpflichten sich die Tarifvertragsparteien, im Falle einer günstigen Geschäftsentwicklung über die vorzeitige Beendigung der strukturellen Maßnahmen zu verhandeln. Die Maßnahmen enden, wenn die Tarifvertragsparteien zu dem Ergebnis gelangen, daß strukturelle Änderungen nicht mehr notwendig sind. Es geht den Tarifvertragsparteien um eine vorübergehende Verkürzung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit, um den als vorübergehend eingeschätzten Mangel von Arbeit zu überbrücken und damit betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. An die Einführung einer so motivierten vorübergehenden Kürzung der Arbeitszeit ist der Kläger über § 3 seines Arbeitsvertrages gebunden. Nach dieser Bestimmung sind der Manteltarifvertrag Nr. 2 vom 27. Februar 1984 und die ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge in jeweils geltender Fassung Bestandteile des Arbeitsvertrages. Der TV SozG ist ein ergänzender Tarifvertrag iSd. § 3 des Arbeitsvertrages. Das zeigt § 2 Ziff. 2 TV SozG. § 4 des Arbeitsvertrages und eine etwa erforderliche Auslegung dieser Vertragsbestimmung wegen ihrer Stellung im Vertrag und wegen der übrigen Vertragsgestaltung vermögen daran im Ergebnis nichts zu ändern.

II. Die vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit im TV SozG ist auch wirksam. Der Tarifvertrag verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Tarifvertragsparteien nicht "verdeckt" Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse in Teilzeitbeschäftigung umgewandelt und damit etwa, wie der Kläger meint, unverhältnismäßig und damit unzulässig die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer (Art. 12 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Das ist schon deswegen nicht der Fall, weil die Tarifvertragsparteien nicht auf Dauer, sondern nur vorübergehend die regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich auf 30,5 Stunden wöchentlich reduziert haben. Das kommt in den Auswirkungen der Einführung von Kurzarbeit gleich, die als vorübergehende Kürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit definiert wird (vgl. nur Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 9. Aufl. § 47 I 1 Rn. 1 S 382). Da der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich Anspruch auf Beschäftigung hat, andernfalls der Arbeitgeber in Annahmeverzug kommt, bedurfte es für die vorübergehende Einführung einer besonderen regelmäßigen Arbeitszeit, die gegenüber der regelmäßigen Arbeitszeit verkürzt ist, einer Rechtsgrundlage. Diese haben die Tarifvertragsparteien mit dem TV SozG geschaffen. Dadurch wurden nicht, auch nicht vorübergehend, Teilzeitarbeitsverhältnisse oktroyiert, sondern lediglich zum Zwecke der Beschäftigungssicherung vorübergehend vorhandene Arbeit auf alle vorhandenen Arbeitnehmer verteilt, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Dementsprechend sind alle bereits ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen als gegenstandslos erklärt worden und weitere betriebsbedingte Kündigungen gar nicht erst erklärt worden. Die Einführung von Kurzarbeit wird nicht als Teilzeit definiert. Es handelt sich vielmehr um vorübergehende teilweise Arbeitseinstellung. Nichts anderes liegt bei der hier vorübergehend eingeführten besonderen regelmäßigen Arbeitszeit der Sache nach vor. Das haben die Tarifvertragsparteien dadurch deutlich gemacht, daß nach § 2 Nr. 2 TV SozG die besondere regelmäßige Arbeitszeit als regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit iSd. § 13 Abs. 1 MTV Nr. 2 "gilt", sie damit fingiert, also nicht als eine solche eingeführt wurde. Außerdem haben sie in § 5 Ziff. 2 TV SozG deutlich gemacht, daß sie nur von einem vorübergehenden teilweisen Arbeitsausfall ausgehen.

2. Die vorübergehende besondere regelmäßige Arbeitszeit von 30,5 Stunden wöchentlich des § 2 Ziff. 1 TV SozG ist auch keine unter dem Gesichtspunkt einer absoluten Höchstarbeitszeit unzulässige Beschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, Art. 12 GG.

Durch eine absolute Höchstarbeitszeit kann die Leistungsfreiheit des Arbeitnehmers - und beim Verbandstarifvertrag die Berufsfreiheit des Arbeitgebers - unverhältnismäßig eingeschränkt sein. Nicht alle tarifvertraglichen Höchstarbeitszeitregelungen sind verfassungswidrig (anders zB Bengelsdorf ZfA 1990, 563, 571 ff.; Glaubitz in Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 87 Rn. 146 f.; Heinze NZA 1991, 329, 335). Im Lichte der Tarifautonomie kann Art. 12 GG nicht jede Einschränkung der Berufsausübung verhindern. Die Tarifvertragsparteien sind im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG vielmehr befugt, die allgemeinen Arbeitsbedingungen zum Schutze der einzelnen Arbeitnehmer und zur Ordnung des Arbeitslebens zwingend auszugestalten, wodurch stets die Privatautonomie (Art. 2 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) eingeschränkt werden. Der Ausgleich der insoweit widerstreitenden Grundrechte ist im Wege der praktischen Konkordanz nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu suchen. Nicht nur Individualinteressen, sondern auch Belange der Koalition zB unter dem Gesichtspunkt der Solidarität (vgl. insoweit zB Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I § 18 V 4 c S 849), und Gesamtinteressen, zB Schutz der Bevölkerung bei Versorgungsunternehmen, Krankenanstalten und Verkehrsgewerbe, können im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips gewichtet werden. In diesem Rahmen lassen sich auch berechtigte Interessen der einzelnen Arbeitnehmer berücksichtigen.

Nach diesem Prinzip darf durch Tarifverträge kein Zwang zur Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden. Zweitverträge dürfen nicht generell ausgeschlossen werden (vgl. Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 335). Solchen Zwang übt der TV SozG nicht aus. Zwar greifen die Regelungen in § 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 TV SozG - isoliert betrachtet - als ausschließlich beschäftigungspolitisch motivierte Höchstarbeitszeit in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und in das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Arbeitnehmers ein. Es wird so gesehen nicht erkennbar, inwieweit diese Höchstarbeitszeit dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Der TV SozG setzt aber nicht nur eine absolute Höchstarbeitszeit fest. Der vorübergehenden Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zur Überbrückung von nicht als dauerhaft prognostiziertem Arbeitsmangel stehen in diesem Firmentarifvertrag als Gegenleistung ein Teillohnausgleich und ein Bestandsschutz gegenüber. Das ist von der Tarifmacht gedeckt. Denn Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis sind angesprochen. Diese zu regeln liegt in der Tarifmacht, gehört zu der Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Es handelt sich hier mit der Einführung einer Höchstarbeitszeit gerade nicht um einseitig nur den Arbeitnehmer belastende tarifvertragliche Vorschriften, weil der Arbeitnehmer eine Gegenleistung durch einen Teillohnausgleich und einen Bestandsschutz erhält. Deshalb stellt sich die Frage der verfassungsrechtlichen Grenzen der Koalitionsfreiheit aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts bei der Festsetzung von absoluten Höchstarbeitszeitgrenzen in Tarifverträgen nicht. Den vom TV SozG betroffenen Arbeitnehmern fließt für die Beschränkung der Arbeitszeit eine Gegenleistung in Form eines Teillohnausgleiches und eines erhöhten Bestandsschutzes ihrer Arbeitsverhältnisse zu. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Arbeitszeitbegrenzung in ein Synallagma gestellt und damit "tarifiert" (Schliemann ZTR 2000, 199, 200, 201 l. Sp.). Ob diese Gegenleistungen, insbesondere wegen des allenfalls partiellen Bestandsschutzes als ausreichend anzusehen sind, haben die Gerichte nicht zu entscheiden. Eine Tarifzensur findet nicht statt. Die besondere regelmäßige Arbeitszeit von 30,5 Wochenstunden im Geltungsbereich des Bildungszentrums Berlin des § 2 Ziff. 1 TV SozG ist daher auch als absolute Höchstarbeitszeit nicht zu beanstanden.

3. Die vorübergehende besondere regelmäßige Arbeitszeit von 30,5 Stunden wöchentlich des § 2 Ziff. 1 TV SozG verstößt auch nicht gegen zwingende Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes.

Eine ausschließlich beschäftigungspolitisch motivierte Arbeitszeitverkürzung beschränkt den Arbeitnehmer, ohne daß er sich wirksam zur Wehr setzen kann. Das ist mit der Grundwertung des Kündigungsschutzgesetzes nicht vereinbar. Das hat das Bundesarbeitsgericht für eine tarifvertragliche Ermächtigung zur Kurzarbeit so gesehen (Sechster Senat 27. Januar 1994 - 6 AZR 541/93 - BAGE 75, 327 und Erster Senat 18. Oktober 1994 - 1 AZR 503/93 - AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2). Für die vorübergehende besondere regelmäßige Arbeitszeit des § 2 Ziff. 1 TV SozG gilt das nicht. Richtig ist, daß der Arbeitgeber ohne besondere Rechtsgrundlage die Arbeitzeit nicht einseitig bei entsprechender Verdienstminderung wirksam verkürzen kann, sondern nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer oder notfalls durch Änderungskündigung, die der Arbeitnehmer mit der Änderungskündigungsschutzklage angreifen kann. Der beklagte Verein hat die Arbeitszeit des Klägers aufgrund des TV SozG verkürzt und sich damit auf eine besondere Rechtsgrundlage berufen. Diese trägt auch. Zwar sind auch Tarifvertragsparteien an kündigungsschutzrechtliche Normen gebunden, die sie nicht umgehen dürfen (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - AP BAT § 59 Nr. 6 = EzA BGB § 620 Nr. 134; 11. Juni 1997 - 7 AZR 186/96 - BAGE 86, 105). Das ist auch nicht geschehen. Die Tarifvertragsparteien haben die regelmäßige Arbeitszeit vorübergehend gesenkt. Das Kündigungsschutzgesetz schützt nicht vor Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Tarifvertragsparteien. Es schützt den Arbeitnehmer vor einseitig vom Arbeitgeber verfügten Änderungen (so zutreffend Gotthardt DB 2000, 1462 f.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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