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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 5 AZR 186/08
Rechtsgebiete: MTV Druck


Vorschriften:

MTV Druck § 7 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Parallelsachen 18. März 2009 - 5 AZR 186/08 - (vorliegend, führend), - 5 AZR 187/08 -, - 5 AZR 201/08 -, - 5 AZR 202/08 -, - 5 AZR 203/08 -, - 5 AZR 204/08 -, - 5 AZR 205/08 -, - 5 AZR 206/08 -, - 5 AZR 207/08 -, - 5 AZR 213/08 -

5 AZR 186/08

Verkündet am 18. März 2009

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie die ehrenamtlichen Richter Mandrossa und Wolf für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2008 - 3 Sa 1713/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine tarifliche Antrittsgebühr für Sonn- und Feiertagsarbeit.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, als Hilfskraft im Produktionsbereich beschäftigt. Er arbeitet vorwiegend an den Printrollen, an denen das in einer Tiefdruckrotationsmaschine bedruckte und gefalzte Papier automatisch aufgerollt wird. Seine Tätigkeit besteht darin, die Printrollen jeweils mit einem Zettel zu versehen, auf dem die Menge der Druckbögen vermerkt ist, und neue, leere Printrollen nachzuschieben. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Der Kläger wird nach Lohngruppe III des Lohnrahmentarifvertrags vom 6. Juli 1984 vergütet.

§ 7 des Manteltarifvertrags Druck zwischen dem Bundesverband Druck und Medien e. V. und der Gewerkschaft ver.di vom 15. Juli 2005 (MTV Druck) lautet wie folgt:

"Arbeit an Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen, Antrittsgebühr

...

4. a) Bei regelmäßig erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften, die während der zuschlagspflichtigen Sonn- oder Feiertagsarbeit hergestellt werden, ist an alle mit der Herstellung beschäftigten Arbeitnehmer eine Antrittsgebühr in folgender Höhe zu bezahlen:

 Eingangsstufe78,00 Euro
Lohngruppe I84,00 Euro
Lohngruppe II88,00 Euro
Lohngruppe III92,00 Euro
Lohngruppe IV95,00 Euro
Lohngruppe V105,00 Euro
Lohngruppe VI116,00 Euro
Lohngruppe VII126,00 Euro
1. Gehilfenjahr (95 %)100,00 Euro.

b) Beträgt die Arbeitszeit bis zu 3 Stunden, ist die halbe Antrittsgebühr zu bezahlen. Fallen bis zu 2 Arbeitsstunden der Arbeitszeit des vorangehenden oder nachfolgenden Arbeitstages in die tarifliche Sonn- oder Feiertagsarbeit, besteht kein Anspruch auf die Antrittsgebühr. § 8 Ziff. 2 a) bleibt unberührt.

c) Die Antrittsgebühr ist ein Sonn- und Feiertagszuschlag. Eine mehrfache Bezahlung der Antrittsgebühr an einem Tag ist ausgeschlossen.

d) Die Herstellung ist abgeschlossen, wenn die Zeitung oder Zeitschrift die Druckmaschine verlassen hat."

Der Kläger verlangt die tarifliche Antrittsgebühr iHv. jeweils 92,00 Euro für den 7. Januar 2007, 28. Januar 2007, 4. Februar 2007, 25. Februar 2007, 25. März 2007, 1. April 2007, 22. April 2007, 20. Mai 2007, 17. Juli 2007 und 24. Juli 2007. Er sei mit der Herstellung der Zeitschriften im tariflichen Sinne befasst. Der Begriff "Druckmaschine" umfasse nicht nur die Tiefdruckrotation, sondern auch weitere, sich anschließende Aggregate und Bearbeitungsstationen, insbesondere auch die Abnahme des Papiers durch die verschiedenen Transportsysteme. Als ein solches Produktabnahmesystem sei auch die Printrolle zu verstehen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 920,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei nicht mit der Herstellung der Druckprodukte befasst, sondern werde erst tätig, nachdem diese die Druckmaschine verlassen hätten. Der Begriff "Druckmaschine" im Sinne der tariflichen Regelung umfasse nicht die sich anschließenden Aggregate wie Printrolle und Stangenbildner.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Antrittsgebühr nach § 7 Ziff. 4 MTV Druck.

I. § 7 Ziff. 4a MTV Druck bestimmt die Anspruchsvoraussetzungen für die Antrittsgebühr. Diese bestehen in der Herstellung regelmäßig erscheinender Zeitungen und Zeitschriften während der zuschlagspflichtigen Sonn- oder Feiertagsarbeit. Ein Arbeitnehmer ist anspruchsberechtigt, wenn er mit der Herstellung solcher Zeitungen/Zeitschriften beschäftigt ist. Die Höhe des Anspruchs variiert in Abhängigkeit von der Lohngruppe des Arbeitnehmers. § 7 Ziff. 4d MTV Druck bestimmt den Zeitpunkt, zu dem die Herstellung der Zeitung/Zeitschrift abgeschlossen ist. Dies soll dann der Fall sein, wenn die Zeitung/Zeitschrift die Druckmaschine verlassen hat. Die Regelung enthält zwar keine Definition des Begriffs "Herstellung", zeigt jedoch eine Abgrenzung auf, wann die Herstellung abgeschlossen ist. Deshalb steht denjenigen Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit nach diesem Zeitpunkt erbringen, der Anspruch auf die Antrittsgebühr nicht zu.

II. 1. Unstreitig gegeben sind die Anspruchsvoraussetzungen im Hinblick auf regelmäßig erscheinende Zeitungen/Zeitschriften und die Tätigkeit des Klägers während zuschlagspflichtiger Sonn- oder Feiertagsarbeit. Auch die Höhe des Anspruchs trifft zu, der Kläger ist in die Lohngruppe III des Lohnrahmentarifvertrags eingruppiert.

2. Der Kläger erfüllt jedoch nicht die Voraussetzung der Beschäftigung mit der Herstellung. Er ist an den Printrollen und damit nicht an der Druckmaschine beschäftigt. Wenn der Kläger tätig wird, hat die Zeitung oder Zeitschrift die Druckmaschine bereits verlassen.

a) Bei dem Begriff "Druckmaschine" gemäß § 7 Ziff. 4d MTV Druck handelt es sich um einen feststehenden, abstrakten, von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriff. Die Anwendung eines solchen Rechtsbegriffs durch das Tatsachengericht ist vom Revisionsgericht in vollem Umfang überprüfbar (BAG 31. Juli 2002 - 4 AZR 129/01 - zu II 2 b bb aaa (1) der Gründe, BAGE 102, 89).

b) Die Auslegung nach dem Wortlaut des Tarifvertrags spricht bereits für die Auffassung der Beklagten. Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Elemente einer Druckmaschine in Abhängigkeit vom Stand der Technik unterschiedlich sein können. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Druckmaschine aber eine Maschine zur Herstellung von Druckerzeugnissen. Eine Rotationsdruckmaschine ist eine schnell laufende Druckmaschine, bei der Druckform- und Gegendruckzylinder gegensinnig aufeinander abrollen (rotativer Druck). Vom eingefärbten Formzylinder wird die Druckfarbe unter dem Pressdruck des Druckzylinders direkt auf den Bedruckstoff übertragen oder zunächst vom Übertragzylinder übernommen und von dort auf den Bedruckstoff übertragen ("Die Zeit", Das Lexikon Bd. 12). Beim Tiefdruck sind die druckenden Elemente tiefgelegt durch Ätzen und Gravieren. Von der mit Farbe eingefärbten Druckform wird die überflüssige Farbe durch ein Stahllineal oder durch eine Wischvorrichtung abgenommen, so dass die Farbe nur in den tiefliegenden Druckelementen (Näpfchen) verbleibt. Zu den wesentlichen Elementen einer Druckmaschine zählen der Plattenzylinder, das Farbwerk, der Druckzylinder sowie die Einrichtung zur Zu- und Ausführung des Bedruckstoffs (Brockhaus - Enzyklopädie - 19. Aufl. Bd. 5). Abzugrenzen ist die Druckmaschine von der anschließenden Weiterverarbeitung. Die technische Weiterentwicklung mag zur Integration weiterer Arbeitsschritte in die Druckmaschine führen. Schließen sich an die Druckmaschine dagegen andere Aggregate zur Weiterverarbeitung an, gehören diese nicht mehr zur Druckmaschine.

c) Die Trennung zwischen Druck und Weiterverarbeitung wird auch in weiteren Tarifvertragsregelungen deutlich.

aa) Es ist davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien einen bestimmten Begriff einheitlich in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verwenden und dementsprechend angewendet wissen wollen (BAG 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 - BAGE 58, 116, 124 f.; 15. Mai 1991 - 4 AZR 543/90 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 97 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 84).

bb) Für die Auslegung kann zum einen auf die Begrifflichkeiten in den Anhängen zum MTV Druck selbst zurückgegriffen werden, zum anderen aber auch auf diejenigen des Lohnrahmentarifvertrags. Der MTV Druck enthält in § 2 Ziff. 1 Abs. 2 eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Lohnrahmentarifvertrag. § 7 Ziff. 4a MTV Druck wäre mit der nach Lohngruppen gestaffelten Höhe der Antrittsgebühr ohne die in § 3 Lohnrahmentarifvertrag vorgenommene Lohngruppeneinteilung nicht ausfüllbar.

cc) Bei den Richtbeispielen zu den Lohngruppen werden Tätigkeiten wie Falzen, Zusammentragen etc. als Beispiele für Tätigkeiten an "Weiterverarbeitungsstraßen" genannt (Lohngruppe IV Richtbeispiel 10, Lohngruppe V Richtbeispiel 16, Lohngruppe VII Richtbeispiele 5 und 13), während andere Ziffern (Lohngruppe II Richtbeispiel 8, Lohngruppe III Richtbeispiel 1, Lohngruppe V Richtbeispiele 20 und 22, Lohngruppe VI Richtbeispiel 2, Lohngruppe VII Richtbeispiele 15 und 16) von "Druckmaschinen" sprechen. Die Tarifvertragsparteien haben bei der Formulierung dieser Richtbeispiele zu den Lohngruppen die an den eigentlichen Druckvorgang anschließenden Tätigkeiten als solche der Weiterverarbeitung angesehen. Gleichermaßen unterscheiden die Anhänge C und D des MTV Druck zwischen Druck und Weiterverarbeitung. Anhang D "Weiterverarbeitung" enthält in Fußnote 2 zu Ziff. 2 eine Definition des Begriffs "Weiterverarbeitungsstraße", die aus mehreren zusammenhängenden Bearbeitungsstationen besteht, wobei beispielhaft auch das Aufrollen, Abrollen und die Stangenbildung genannt werden. Diese Fußnote stellt eine Interpretationshilfe dar, die der Auslegung dienen soll (vgl. BAG 27. Mai 2008 - 3 AZR 893/06 - Rn. 27).

d) Zweck der Antrittsgebühr ist der finanzielle Anreiz, die rechtzeitige Herstellung der Zeitung/Zeitschrift zu fördern, so dass es sich um eine Tätigkeit unmittelbar bezogen auf das gegenständliche Produkt und vom Ablauf des Herstellungsprozesses zeitlich bestimmt handeln muss (BAG 26. Februar 1985 - 3 AZR 632/82 - zu 3 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 5). Zwar trägt die Tätigkeit des Klägers dazu bei, dass die Tiefdruck- rotationsmaschine durchgängig betrieben werden kann, jedoch gilt dies für sämtliche nachfolgenden Tätigkeiten bis hin zum Versand der Zeitung/Zeitschrift. Ein umfassendes Verständnis der Tarifnorm, das sämtliche Mitarbeiter der Druckerei oder des Zeitungsverlags, gleich ob Drucker, Setzer, Redakteur oder Pförtner einbezieht, ist zu weit und zur Abgrenzung der mit der Herstellung befassten Mitarbeiter ungeeignet (BAG 26. Februar 1985 - 3 AZR 632/82 - zu 2 der Gründe, aaO.). Danach erscheint es einzig praktikabel, den Arbeitsschritt des Druckens im eigentlichen Sinn, also den mechanischen Vorgang zur Wiedergabe von Informationen in beliebiger Anzahl durch Übertragung von Druckfarbe auf einen Bedruckstoff unter Verwendung eines Druckbildspeichers, von den daran anschließenden Weiterverarbeitungsschritten, die schließlich zum Endprodukt der versandfertigen Zeitung/Zeitschrift führen, zu trennen.

e) Auf die vom Arbeitsgericht eingeholten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien, die zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, kommt es danach nicht an.

III. Die Bindung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG und der Grundsatz der gesetzesformen Auslegung (vgl. Senat 5. November 2008 - 5 AZR 56/08 - Rn. 21 ff.) führen zu keinem anderen Verständnis von § 7 Ziff. 4 MTV Druck. Der Tarifnorm liegt offenbar die Einschätzung der Tarifvertragsparteien zugrunde, bei der Herstellung der Zeitschriften und Zeitungen bis zum Verlassen der Druckmaschine handele es sich um die entscheidende Tätigkeit, die den Einsatz besonders zuverlässiger und besonders motivierter Arbeitnehmer erfordere. Diese Einschätzung lässt keine Willkür erkennen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

IV. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Ende der Entscheidung

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