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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.03.2001
Aktenzeichen: 5 AZR 352/99
Rechtsgebiete: MuSchG, ZPO


Vorschriften:

MuSchG § 3 Abs. 1
MiSchG § 11 Abs. 1
ZPO § 286
1. Die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG können auch dann vorliegen, wenn psychisch bedingter Streß Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet. Voraussetzung ist, daß der gefährdende Streß gerade durch die Fortdauer der Beschäftigung verursacht oder verstärkt wird.

2. Die Beweislast für Umstände, die den Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 MuSchG erschüttern sollen, trägt der Arbeitgeber. Die Beweislast dafür, daß trotz des erschütterten Beweiswerts der ärztlichen Bescheinigung ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG angezeigt war, trägt die Arbeitnehmerin.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 352/99 5 Sa 1598/98

Verkündet am 21. März 2001

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Griebeling, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge und Kreft, den ehrenamtlichen Richter Hansen und die ehrenamtliche Richterin Zorn für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. April 1999 - 5 Sa 1598/98 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Mutterschutzlohn.

Die Beklagte betreibt eine Spedition. Sie hat etwa 30 kaufmännische und 50 gewerbliche Mitarbeiter. Die 32-jährige Klägerin ist seit dem 1. September 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist tätig als Sachbearbeiterin im Bereich Export/Import. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt 4.310,00 DM.

Im Jahre 1997 wurde die Klägerin schwanger. Das teilte sie der Beklagten im Oktober 1997 mit. Als voraussichtlichen Entbindungstermin nannte sie den 8. Juni 1998. Vom 7. Januar bis Anfang Februar 1998 war die Klägerin laut ärztlicher Bescheinigungen arbeitsunfähig krank. Am 9. Februar 1998 legte sie der Beklagten ein Attest eines der sie behandelnden Ärzte vom 4. Februar 1998 vor, das folgenden Wortlaut hat:

"Für (die Klägerin), geb. 6.8.68 wird ein schwangerschaftsbedingtes individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG ausgesprochen.

Umfang des Verbotes:

gesamte berufliche Tätigkeit

Dauer des Verbotes:

unbefristet

Grund:

Leben oder Gesundheit von Mutter

und Kind sind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet."

Die Beklagte bat die Ärzte telefonisch um Auskunft über die Gründe für das Attest. Dabei erfuhr sie, daß die Klägerin über Probleme mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen geklagt habe. Mit Schreiben vom 5. März 1998 wandte sich die Beklagte erneut an den ausstellenden Arzt. Sie teilte diesem mit, daß aus ihrer Sicht keine Umstände bestünden, die ein Beschäftigungsverbot rechtfertigen könnten. Das Arbeitsverhältnis sei stets unbelastet und störungsfrei verlaufen. Psychische Dauerbelastungen der Klägerin gebe es nicht. Es sei kein Zusammenhang zwischen dem Arbeitseinsatz und einer Gefährdung iSv. § 3 Abs. 1 MuSchG zu erkennen. Die Beklagte bat um Mitteilung, ob das Beschäftigungsverbot aufrechterhalten werde. Die behandelnden Ärzte baten die Klägerin unter Beifügung einer Kopie dieses Schreibens um Stellungnahme und führten mit ihr am 10. März 1998 ein Telefongespräch. Ihr Attest vom 4. Februar 1998 nahmen sie nicht zurück.

Am 11. März 1998 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Bezirksregierung die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Widerspruch legte sie nicht ein.

Seit Mitte Februar 1998 zahlte die Beklagte der Klägerin kein Gehalt mehr. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung der offenen Gehälter für die Zeit bis zum 27. April 1998 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Sie hat die Auffassung vertreten, die ärztliche Bescheinigung vom 4. Februar 1998 sei zu Recht erteilt worden. Sie hat behauptet, im Betrieb sei gegen sie "Psychoterror" und "Mobbing" ausgeübt worden. Das Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten habe sich schlagartig verschlechtert, nachdem sie ihn von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt habe. So sei sie für Vorsorgeuntersuchungen anfänglich nur mit der Aufforderung freigestellt worden, die entsprechende Zeit nachzuarbeiten. Auch habe die Beklagte schon am 12. November 1997 in der örtlichen Presse eine Stellenanzeige für die Neubesetzung ihres Arbeitsplatzes aufgegeben, obwohl sie in ihrer Schwangerschaftsmitteilung ausdrücklich erklärt habe, sich zu einem möglichen Erziehungsurlaub erst später äußern zu wollen. Ihr Vorgesetzter habe im Dezember 1997 ihren Antrag auf Bildungsurlaub aufbrausend abgelehnt und diese Ablehnung erst später mit Hinweis auf betriebliche Hindernisse begründet. Die auf die Stellenanzeige für ein Jahr befristet eingestellte Mitarbeiterin habe in einem ersten Gespräch am 5. Januar 1998 erklärt, ihr habe man gesagt, ihr Arbeitsplatz sei sicher, da sie - die Klägerin - nach der Entbindung nicht mehr wiederkommen werde. Die Klägerin hat vorgebracht, seit November 1997 habe sie täglich an Kopf- und Magenschmerzen und Schwindelanfällen gelitten. Darüber habe sie ihren Arzt am 6. Januar 1998 informiert. Zugleich habe sie ihm mitgeteilt, daß sie wegen des von ihr als Psychoterror und Mobbing empfundenen Verhaltens im Betrieb "total deprimiert" gewesen und ständig in Tränen ausgebrochen sei, wenn sie ihrem Ehemann über die Verhältnisse im Hause der Beklagten berichtet habe. Sie habe sich der "psychischen Belastung am Arbeitsplatz" nicht mehr gewachsen gefühlt und nicht mehr schlafen können.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.766,36 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag von 1.939,00 DM brutto seit dem 1. März 1998, aus dem Nettobetrag von 4.310,00 DM brutto seit dem 1. April 1998 und aus dem Nettobetrag von 3.517,36 DM brutto seit dem 1. Mai 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, die Klägerin habe gegenüber ihren Ärzten - objektiv unzutreffend - erklärt, es sei zwischen den Parteien bereits ein Arbeitsgerichtsverfahren anhängig. Ohne eine solche Angabe hätten die Ärzte das Beschäftigungsverbot nicht ausgesprochen. Es treffe auch nicht zu, daß die Klägerin auf Grund irgendwelcher betrieblicher Vorkommnisse Grund für die Annahme gehabt habe, gegen sie werde Psychoterror ausgeübt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es beruht auf einem Verfahrensfehler. Die ihm zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unvollständig. Dies führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Die Revision ist zulässig. Die Klägerin rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, sie trage die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot vorgelegen hätten. Falls diese Rüge sachlich berechtigt ist, also die Beweislast der Beklagten oblag, hätte das Landesarbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangen, nämlich der Klage nach seiner Auffassung stattgeben müssen.

Die Revision rügt ferner die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Zum einen habe dieses die psychische Belastung der Klägerin mit dem Argument ausgeschlossen, es lägen keine physischen Auffälligkeiten vor. Zum anderen stünden die Bekundungen der Ärzte im Widerspruch zu dem vom Landesarbeitsgericht dargestellten Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Sache nach rügt die Klägerin damit eine Verletzung von § 286 ZPO durch einen Verstoß gegen die Denkgesetze und unvollständige Würdigung der erhobenen Beweise. Beides sind zulässige Verfahrensrügen.

II. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die erhobenen Beweise nicht vollständig gewürdigt. Ob die Klageforderung besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

1. Die Klägerin hat im Anschluß an ihre Arbeitsunfähigkeit die Arbeit bis zum Beginn der Mutterschutzfrist am 28. April 1998 nicht wieder aufgenommen. Die Klageforderung kann sich daher nur aus § 11 Abs. 1 MuSchG ergeben. Nach dieser Vorschrift hat eine schwangere Arbeitnehmerin, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach der RVO beziehen kann, Anspruch auf Weitergewährung ihres bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzt. Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.

2. Für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG kommt es nicht darauf an, ob vom Arbeitsplatz als solchem, also der spezifischen Tätigkeit, Gefahren für die Schwangere ausgehen und ob solche Gefahren auch für andere Schwangere bestünden. Maßgeblich ist allein der individuelle Gesundheitszustand der am konkreten, möglicherweise völlig ungefährlichen Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmerin. Es genügt, daß die Fortsetzung der Arbeit die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet. Dabei ist unerheblich, auf welcher genauen Ursache die Gefährdung beruht (BAG 11. November 1998 - 5 AZR 49/98 - BAGE 90, 125 mwN). Ausschlaggebend ist, daß die Gefährdung gerade mit der Fortsetzung der Arbeit verbunden ist. Unter dieser Voraussetzung können auch psychische Belastungen der Arbeitnehmerin ein Beschäftigungsverbot begründen. Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG greift aber erst ein, wenn der Arzt eine Gefährdung attestiert hat. Das ärztliche Zeugnis ist deshalb für das Beschäftigungsverbot konstitutiv (Schliemann/König NZA 1998, 1030, 1032 mwN).

3. Das Beschäftigungsverbot wirkt sich aus auf die Leistungspflicht der Arbeitnehmerin und auf die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers.

Die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wird durch das Verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG suspendiert. Das Verbot wirkt zwingend. Der Arbeitgeber hat es mit dem Inhalt des Zeugnisses zu beachten, unabhängig von seiner objektiven Berechtigung, und zwar solange, wie das Attest nicht widerrufen ist. Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmerin nicht mehr verbotswidrig einsetzen. Er kann nicht seine Beurteilung an die Stelle des Arztes setzen (Zmarzlik/Zipperer/Viethen Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, Bundeserziehungsgeldgesetz 8. Aufl. § 3 MuSchG Rn. 22). Falls er die Arbeitnehmerin gleichwohl zur Arbeitsleistung auffordert, steht dieser ein Leistungsverweigerungsrecht zu (Buchner/Becker Mutterschutzgesetz, Bundeserziehungsgeldgesetz 6. Aufl. vor §§ 3 bis 8 Rn. 26). Ein Beschäftigungsverbot bestimmt nach Maßgabe des § 11 MuSchG zugleich über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG besteht, wenn das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, daß die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Einer schriftlichen Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 MuSchG kommt dabei ein hoher Beweiswert zu. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und zur Begründung eines Anspruchs aus § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage der Bescheinigung (BAG 11. November 1998 aaO).

4. Der Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG nicht gegen sich gelten lassen will, kann vom ausstellenden Arzt Auskünfte über die Gründe für das Attest verlangen, soweit diese nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Der Arbeitgeber kann deshalb nach möglichen Ursachen für das Verbot fragen, soweit sie im betrieblichen Arbeitsablauf begründet sein könnten. Der Arbeitgeber muß Gelegenheit haben, etwaige Gefahrenquellen zu beseitigen. Der Arzt hat deshalb dem Arbeitgeber mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist. Trifft die Beschreibung zu, kann der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen in Absprache mit dem Arzt möglicherweise so verändern, daß eine Weiterbeschäftigung ungefährlich wird. Trifft die Beschreibung aus Sicht des Arbeitgebers nicht zu, kann er den Arzt darauf hinweisen und um eine Erklärung darüber bitten, ob ein Beschäftigungsverbot auch bei Zugrundelegung der aus Arbeitgebersicht gegebenen Arbeitsbedingungen besteht.

5. Wird das ärztliche Attest aufrechterhalten, will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot aber gleichwohl nicht gegen sich gelten lassen, kann er eine weitere ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin verlangen (BAG 31. Juli 1996 - 5 AZR 474/95 - BAGE 84, 1; Gröninger/Thomas Mutterschutzgesetz Stand Juni 2000 § 3 Rn. 29; Zmarzlik/Zipperer/Viethen aaO § 3 MuSchG Rn. 16; ErfK/Schlachter 2. Aufl. § 3 MuSchG Rn. 11). Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen angesichts der den Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen, wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt. Dazu ist der Arbeitgeber aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin verpflichtet.

6. Bestehen Zweifel an einem Beschäftigungsverbot, ist es dem Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Senats unbenommen, unabhängig von einer neuerlichen Untersuchung Umstände vorzutragen, die den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern (BAG 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347; BAG 31. Juli 1996 aaO). Regelmäßig wird er auf diese Weise das Verbot aber nicht mehr vor Beginn der Frist des § 3 Abs. 2 MuSchG zu Fall bringen können, falls der Arzt seine Erklärung nicht zurücknimmt.

a) Erhebliches Vorbringen des Arbeitgebers zur Erschütterung des Beweiswerts kann die Behauptung sein, die Arbeitnehmerin habe dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Auspruch des Verbots ausschlaggebend gewesen seien, unzutreffend beschrieben oder sie habe gegenüber Dritten erklärt, sie habe ein Gefälligkeitszeugnis erhalten und Ähnliches mehr. Für die Richtigkeit seiner Behauptungen trägt der Arbeitgeber die Beweislast.

b) Ist der Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttert, steht nicht mehr mit der gebotenen Zuverlässigkeit fest, daß die Arbeitnehmerin iSv. § 11 Abs. 1 MuSchG "wegen eines Beschäftigungsverbots" mit der Arbeit ausgesetzt hat. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es nunmehr Sache der Arbeitnehmerin ist, die Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, aufgrund derer ein Beschäftigungsverbot gleichwohl bestand. So wie bei einer nur mündlichen Erklärung des Arztes kommen ihr in diesem Fall keine Beweiserleichterungen mehr zugute (zum eingeschränkten Beweiswert einer nur mündlichen Erklärung vgl. BAG 1. Oktober 1997 aaO). Darüber, ob sie zur Beweisführung ihren behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbindet und ihn als sachverständigen Zeugen für die Verbotsgründe benennt, muß sie selbst befinden.

Diese Verteilung der Beweislast ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, daß jede Partei die für ihr Begehren notwendigen und damit die für sie günstigen Tatsachen beweisen muß. Die Arbeitnehmerin, die Mutterschutzlohn verlangt, begehrt - entgegen §§ 323, 325 BGB - Vergütung ohne Arbeitsleistung. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 11 MuSchG hat deshalb sie zu beweisen. Aus ihrem und des ungeborenen Kindes Recht auf körperliche Unversehrtheit und aus Art. 6 Abs. 4 GG folgt anderes nur im Hinblick auf das Bestehen einer Arbeitspflicht, nicht für den Vergütungsanspruch. Dem stehen die Entscheidungen des Senats vom 31. Juli 1996 (- 5 AZR 474/95 - BAGE 84, 1) und 12. März 1997 (- 5 AZR 766/95 - BAGE 85, 237) nicht entgegen. Soweit es dort heißt, der Arbeitgeber trage "das Risiko dafür, das Gericht von der Unrichtigkeit des ärztlichen Beschäftigungsverbots überzeugen zu müssen", bzw. "die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots in Wahrheit nicht vorgelegen haben", bezieht sich dies lediglich auf die Tatsachen, die den anfänglichen Beweiswert des schriftlichen Verbots erschüttern sollen.

7. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten als geeignet angesehen, den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung vom 4. Februar 1998 zu erschüttern. Da es über die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten tatsächlich Beweis erhoben hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob ihm insoweit zu folgen ist. An die Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Revisionsgericht nach § 561 ZPO auch dann gebunden, wenn sie aufgrund einer rechtlich nicht erforderlichen Beweiserhebung getroffen worden sein sollten.

Im übrigen war im Streitfall eine Beweisaufnahme durchaus geboten. Die Beklagte hatte von den die Klägerin behandelnden Ärzten - mit Recht - die Auskunft erhalten, daß diese über Probleme mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen am Arbeitsplatz geklagt habe und das Attest vom 4. Februar 1998 damit im Zusammenhang stehe. Auf den Vorhalt der Beklagten, sie vermöge solcherlei Probleme nicht zu erkennen, und auf ihre Anfrage, ob das Beschäftigungsverbot aufrechterhalten bleibe, reagierten die Ärzte nicht. Bei einem auf "Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen" gestützten Beschäftigungsverbot genügt der Arbeitgeber, der die Berechtigung des Verbots anzweifelt, seiner Darlegungslast zunächst dadurch, daß er solche Probleme bestreitet. Es ist Sache der Arbeitnehmerin, sie näher zu erläutern und entsprechende Geschehnisse zu konkretisieren. Erst dann ist der Arbeitgeber gehalten, dies substantiiert zu bestreiten und das Gegenteil unter Beweis zu stellen. Beide Parteien sind ihren prozessualen Obliegenheiten insoweit nachgekommen. Überdies hatte die Beklagte behauptet, das Beschäftigungsverbot sei lediglich deshalb ausgesprochen worden, weil die Klägerin gegenüber den Ärzten fälschlich angegeben habe, es sei bereits ein Arbeitsgerichtsverfahren zwischen den Parteien anhängig.

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht nur den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses vom 4. Februar 1998 als erschüttert angesehen. Es hat die erhobenen Beweise außerdem dahin gewürdigt, daß die von der Klägerin genannten Vorfälle sich teilweise anders zugetragen haben als von ihr behauptet und insgesamt keinen objektiven Grund für die Annahme bildeten, sie - die Klägerin - habe "terrorisiert" werden sollen und sei "Mobbing" ausgesetzt gewesen. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts werden von der Klägerin mit einer Verfahrensrüge nicht angegriffen. Sie sind für das Revisionsgericht deshalb bindend.

c) Zu Recht rügt die Klägerin dagegen, die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts sei in anderer Hinsicht unvollständig.

aa) Eine vom Berufungsgericht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist deshalb nur, ob das Berufungsgericht tatsächlich den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Dabei verlangt die Berücksichtigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder Einzelausführung eines Zeugen oder Sachverständigen. Es reicht aus, daß insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen wird (BAG 25. Februar 1998 - 2 AZR 327/97 - nv., zu Ziff. II 1 der Gründe mwN). Zu verlangen ist jedoch, daß alle wesentlichen Aspekte in den Aussagen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt werden.

bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts nicht voll gerecht.

Der Facharzt für Frauenheilkunde Dr. B , der die Klägerin behandelte und die Bescheinigung vom 4. Februar 1998 erteilte, hat bei seiner Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht ua. ausgesagt, er habe bereits am 21. Januar 1998 Überlegungen angestellt, ein individuelles Beschäftigungsverbot auszusprechen. Zum damaligen Zeitpunkt habe ihm allerdings die sichere Kenntnis über die konkreten Voraussetzungen eines derartigen Verbots gefehlt. Nachdem er ausreichende Informationen eingeholt habe, habe er am 4. Februar 1998 das Verbot ohne weitere Untersuchung der Klägerin ausgesprochen. Zuvor habe die Klägerin Probleme am Arbeitsplatz angesprochen. Sie habe ihm eine Streßsituation geschildert, die für ihn eine Gefährdung ihrer selbst bzw. ihres noch nicht geborenen Kindes dargestellt habe, zumal sie sich im damaligen Zeitpunkt in einer kritischen Phase der Schwangerschaft befunden habe. Die Klägerin sei zu Beginn des Jahres 1998 mehrmals in der Praxis gewesen, habe wiederholt auf die betrieblichen Probleme hingewiesen und den Eindruck einer "aufgelösten Erscheinung" gemacht. Obwohl die geschilderten Umstände nicht objektivierbar gewesen seien, habe er deshalb keine andere Möglichkeit gesehen, als das Beschäftigungsverbot auszusprechen.

Der Facharzt für Frauenheilkunde Dr. W , der die Klägerin ebenfalls behandelte, hat bekundet, die Klägerin habe ihm am 18. Januar 1998 berichtet, daß sich das betriebliche Zusammenleben weiterhin unerfreulich gestaltet habe, sie häufig in Tränen ausbreche und unter Bauchschmerzen leide. Hätte er am 18. Januar 1998 Kenntnis von der Möglichkeit gehabt, ein Beschäftigungsverbot auszusprechen, hätte er dies getan, weil es der damaligen Situation entsprochen habe. Die Klägerin habe ihm mitgeteilt, daß sie wegen der betrieblichen Verhältnisse gestreßt sei. Ein solcher Streß könne durchaus negative Auswirkungen auf eine bestehende Schwangerschaft haben, bis hin zur Gefahr einer Frühgeburt. Er bleibe deshalb bei seiner Einschätzung, daß auf der Grundlage der Informationen vom 18. Januar 1998 ein Beschäftigungsverbot hätte ausgesprochen werden können.

Die Aussagen der sachverständigen Zeugen können dahin verstanden werden, daß aufgrund des psychischen Zustands der Klägerin die Feststellung eines Beschäftigungsverbots unabhängig davon geboten war, ob die von ihr gegen die Beklagte erhobenen Vorwürfe objektiv zutrafen. Beide Zeugen haben das Vorliegen von Streßerscheinungen und einer seelischen Aufgelöstheit bei der Klägerin bekundet. Beide hielten ein Beschäftigungsverbot aufgrund der Schilderungen der betrieblichen Situation für erforderlich. Eine Gefährdung der Klägerin oder des Kindes durch eine Fortsetzung der Arbeit wird nicht notwendig dadurch geringer, daß die Klägerin sich zwar bei ruhiger und gelassener Prüfung objektiv zu Unrecht einem Psychoterror und Mobbing ausgesetzt fühlte, tatsächlich aber gleichwohl eine im Zusammenhang mit der Arbeit stehende und zur Gefährdung führende psychische Belastung auftrat.

Diesen Aspekt der Zeugenaussagen hat das Landesarbeitsgericht nicht gewürdigt. Es hat sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme allein unter dem Aspekt befaßt, ob die Bewertung der betrieblichen Vorfälle als Mobbing und Psychoterror objektiv berechtigt erschienen sei, und hat dies verneint. Aus den Gründen des Urteils ist dagegen nicht ersichtlich, daß es die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, es könnten die subjektiven Empfindungen der Klägerin am Arbeitsplatz zu einer tatsächlich vorhandenen psychischen Ausnahmesituation und Streßsymptomatik geführt haben, durch die bei Fortdauer der Arbeit Gesundheit oder Leben von Mutter oder Kind gefährdet war. Daß das Landesarbeitsgericht diese Möglichkeit erwägen und das Ergebnis der Beweisaufnahme auch unter diesem Aspekt würdigen würde, durfte die Klägerin erwarten. Sie hatte jedenfalls in ihrem Schriftsatz vom 1. März 1999 ausdrücklich vorgetragen, subjektiv habe sie Psychoterror und Mobbing empfunden. Das Landesarbeitsgericht mußte außerdem davon ausgehen, daß sich die Klägerin die Aussagen der sie behandelnden Ärzte zu eigen machen wollte.

8. Das Landesarbeitsgericht wird - lediglich - die Würdigung dieses Gesichtspunkts nachzuholen haben. Dabei wird zu beurteilen sein, ob die Klägerin psychisch bedingten Streß nur vorgeschoben oder sich auf Grund wahrnehmbarer Anzeichen tatsächlich in einer Streßsituation befunden hat, und inwiefern im letztgenannten Fall eine Gefährdung von Mutter oder Kind gerade durch die Fortdauer der Beschäftigung bei der Beklagten hervorgerufen worden wäre. Eine ausschließlich durch die Schwangerschaft als solche bedingte Streßsituation könnte eine Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung, nicht aber ein arbeitsplatzbedingtes Beschäftigungsverbot begründen. Ob es weiteren Vortrags der Klägerin und einer neuerlichen Beweiserhebung bedarf, obliegt allein der Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht.

Gelingt der Klägerin der Beweis eines Beschäftigungsverbots nicht, wirkt sich dies zu ihren Lasten aus. Wie ausgeführt, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, daß im Rahmen von § 11 Abs. 1 MuSchG für die Richtigkeit des ärztlichen Zeugnisses letztlich die Arbeitnehmerin beweisbelastet ist.

Ende der Entscheidung

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