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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 5 AZR 782/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
Leitsätze:

Das Feststellungsinteresse für eine Klage, mit der das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in einem bereits abgeschlossenen Zeitraum festgestellt werden soll, läßt sich nicht mit der Erklärung eines Sozialversicherungsträgers begründen, er werde das Ergebnis der arbeitsgerichtlichen Entscheidung bei der Prüfung der sozialrechtlichen Versicherungspflicht übernehmen.

Aktenzeichen: 5 AZR 782/98

Bundesarbeitsgericht 5. Senat Urteil vom 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/98 -

I. Arbeitsgericht Hamburg Urteil vom 23. Oktober 1997 - 1 Ca 556/96 -

II. Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil vom 9. September 1998 - 8 Sa 118/97 -


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 782/98 8 Sa 118/97

Verkündet am 21. Juni 2000

Metze, der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagte, Berufungsklägerin, Anschlußberufungsbeklagte und Revisionsklägerin,

pp.

Kläger, Berufungsbeklagter, Anschlußberufungskläger und Revisionsbeklagter,

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Griebeling, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge und Kreft, die ehrenamtlicher Richter Heel und Steinmann für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. September 1998 - 8 Sa 118/97 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Oktober 1997 - 1 Ca 556/96 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird auch hinsichtlich des Antrags zu 1) abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen !

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter für die Beklagte tätig war.

Die Beklagte betreibt eine Autowerkstatt und einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Sie beschäftigt in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer. Der Kläger war auf der Grundlage einer "Vereinbarung über freie Mitarbeit" seit dem 1. Februar 1990 als Autoverkäufer für die Beklagte tätig. Nach dieser von der Beklagten formulierten Vereinbarung konnte der Kläger "seine Arbeitszeit frei nach Abstimmung mit der Geschäftsführung gestalten"; er erhielt für seine Tätigkeit bestimmte Verkaufsprovisionen und "als monatliche Mindestprovision einen Betrag von 2.000,00 DM (einschließlich Umsatzsteuer)". Krankheits- und Urlaubstage sollten nicht vergütet werden.

Der Kläger übte seine Tätigkeit auf einem einige hundert Meter vom Firmengelände entfernt liegenden Platz aus. Die Beklagte hatte dort zwei Container aufgestellt, die als Büro dienten. Die Öffnungszeiten der Beklagten waren montags bis freitags von 9:00 bis 18:00 Uhr und samstags von 10:00 bis 13:00 Uhr. Der Kläger hat vorgetragen, er habe sein Büro während dieser Zeiten besetzt halten müssen. Dazu habe er sich bei der Beklagten an- und abmelden müssen. Ferner sei er gehalten gewesen, seinen Urlaub auf dem firmeninternen Formular zu beantragen.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1996. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Da er in Wirklichkeit Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei, komme das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat behauptet, das Kündigungsschreiben sei ihm am 1. November 1996 zugegangen. Mit einem am 21. November 1996 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat er die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß

1. zwischen ihm und der Beklagten seit dem 1. Februar 1990 ein Arbeitsverhältnis besteht;

2. dieses Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe sein Büro während der Öffnungszeiten nicht besetzt halten müssen und habe dies auch nicht getan. Er habe seine Arbeitszeit völlig frei gestalten können. Lediglich aus Gründen der Praktikabilität und in seinem eigenen Interesse habe er sich in der Telefonzentrale an- und abgemeldet, damit Kunden hätten erfahren können, wann er wieder erreichbar wäre. Einen Urlaubsantrag habe er erstmals im Jahr 1996 ausgefüllt. Auch dabei sei es aber nicht um eine Genehmigung, sondern um die Planbarkeit ihrer eigenen Aktivitäten gegangen. Der Kläger habe immer wieder darauf hingewiesen, daß er freier Mitarbeiter und nicht weisungsgebunden sei. Er habe bei Vertragsschluß ausdrücklich darauf bestanden, als solcher beschäftigt zu werden. Das jetzige Verhalten des Klägers sei treuwidrig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1) stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten und die unselbständige Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt worden. Zwar heißt es in der Revisionsschrift, die Revision werde "namens und in Vollmacht des Klägers" eingelegt. Dabei handelt es sich jedoch um ein offensichtliches Versehen. Die Revisionsschrift ist unterzeichnet von Rechtsanwalt Hoffmann. Dessen Name ist sowohl in dieser als auch im Rubrum des ihr beigefügten Urteils als einer der Prozeßbevollmächtigten der "Beklagten/Revisionsklägerin" bzw. der "Beklagten/Berufungsklägerin" aufgeführt. Daraus geht unzweideutig hervor, daß Rechtsanwalt Hoffmann in Wirklichkeit Revision für die Beklagte einlegen wollte.

B. Die Revision ist begründet. Die Klage, soweit sie in der Revisionsinstanz zur Entscheidung angefallen ist, ist unzulässig.

I. Zu entscheiden ist nur noch über den Feststellungsantrag zu 1). Den Feststellungsantrag zu 2) hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Es hat die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung für rechtswirksam erachtet. Dagegen hat der Kläger weder Revision noch innerhalb der Frist des § 556 Abs. 1 ZPO Anschlußrevision eingelegt. Damit steht rechtskräftig fest, daß das Vertragsverhältnis der Parteien in jedem Falle am 31. Dezember 1996 geendet hat.

II. Der verbliebene Antrag bedarf der Auslegung. Förmlich hat der Kläger beantragt festzustellen, daß zwischen der Beklagten und ihm seit dem 1. Februar 1990 ein Arbeitsverhältnis "besteht". Auf diese Weise hat er zunächst Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen begehrt. Seitdem rechtskräftig feststeht, daß das Vertragsverhältnis der Parteien am 31. Dezember 1996 geendet hat, ist ein solches Verständnis seines Antrags nicht mehr gerechtfertigt. Dem Kläger kann nicht unterstellt werden, er wolle die begehrte Feststellung auf einen Zeitraum erstreckt wissen, in dem unstreitig kein Beschäftigungsverhältnis mehr zur Beklagten bestand. Vielmehr ist davon auszugehen, daß er seinen Antrag durch Teilrücknahme darauf beschränkt hat festzustellen, es habe zwischen den Parteien in der Zeit vom 1. Februar 1990 bis zum 31. Dezember 1996 ein Arbeitsverhältnis bestanden. Auf diesem Antragsverständnis beruht sein eigener Schriftsatz vom 12. Juni 2000 und mit einem solchen Inhalt ist der Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden. Die Beklagte hat ihre nach § 269 Abs. 1 ZPO erforderliche Zustimmung konkludent erklärt.

III. Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muß als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht selbständig zu untersuchen, vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BAG 21. September 1993 - 9 AZR 580/90 - BAGE 74, 201, 203; BAG 23. April 1997 - 5 AZR 727/95 - BAGE 85, 347; BAG 24. September 1997 - 4 AZR 429/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Reichsbund Nr. 1; BAG 3. März 1999 - 5 AZR 275/98 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 53).

Im Streitfall ist die Klage auf die Feststellung gerichtet, daß ein bereits beendetes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis gewesen sei. Anders als im bestehenden Vertragsverhältnis, in dem der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran hat, daß seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird (BAG 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - AP HGB § 92 Nr. 5), bedarf das Interesse an der Feststellung, daß ein vergangenes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis war, einer besonderen Begründung. Es ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAG 23. April 1997 aaO; BAG 24. September 1997 aaO; BAG 3. März 1999 aaO; BAG 15. Dezember 1999 - 5 AZR 457/98 - NZA 2000, 775). Die bloße Möglichkeit des Eintritts solcher Folgen reicht nicht aus. Mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses muß vielmehr zugleich feststehen, daß eigene Ansprüche des Klägers gerade aus dem Arbeitsverhältnis zumindest dem Grunde nach noch bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest im bestimmten Umfange nicht mehr gegeben sind (BAG 15. Dezember 1999 - 5 AZR 457/98 - aaO). Andernfalls könnte die Feststellungsklage weder dem Rechtsfrieden noch der Prozeßökonomie dienen.

2. Gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen sind für den Kläger mit der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht verbunden.

a) Der Kläger hat die Ansicht vertreten, falls festgestellt werde, daß er bis zum 31. Dezember 1996 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden habe, stehe zugleich fest, daß er für die drei Monate von Oktober bis Dezember 1996 von der Beklagten Vergütung beanspruchen könne, die diese bislang nicht geleistet habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Vergütungsansprüche für den genannten Zeitraum können auch dann bestehen, wenn der Kläger sich in einem freien Mitarbeiterverhältnis befand, § 611 BGB und § 615 BGB gelten auch für dieses. Ebenso ist es möglich, daß solche Ansprüche selbst dann nicht bestehen, wenn der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten war. Der Kläger hat zu den Voraussetzungen des § 611 BGB oder des § 615 BGB nichts vorgetragen. Die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses ist für die Vergütungsansprüche des Klägers deshalb weder notwendige noch hinreichende Bedingung. Sie vermag den Streit der Parteien selbst dem Grunde nach nicht zu beenden. Für mögliche Vergütungsansprüche ist der Kläger auf die entsprechende Leistungsklage verwiesen.

b) Der Kläger hat vorgebracht, als Arbeitnehmer der Beklagten stünden ihm aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit anderen Angestellten weitere Ansprüche zu. Dazu zählten ein Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld 1996, rückwirkende Ansprüche auf Zahlung eines nicht verrechenbaren monatlichen Grundgehalts von 1.500,00 DM und ein Ausgleichsanspruch dafür, daß die Beklagte ihm keinen Vorführwagen gestellt habe. Auch damit vermag der Kläger ein Feststellungsinteresse nicht zu begründen. Es stünde selbst dem Grunde nach keineswegs fest, daß er als Arbeitnehmer derartige Ansprüche gegen die Beklagte besäße. Auch wenn dafür der Arbeitnehmerstatus notwendig sein mag, so ist dessen Feststellung doch nicht hinreichend. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, daß der Kläger als freier Mitarbeiter alles in allem eine höhere Vergütung bezogen hat als sie ihm als Arbeitnehmer zugestanden hätte. Konkrete Tatsachen für die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung hat der Kläger nicht vorgetragen.

c) Der Kläger hat gemeint, es stehe fest, daß ihm gegen die Beklagte dem Grunde nach Schadensersatzansprüche wegen möglicher Rentennachteile zustünden, wenn seine Arbeitnehmerstellung festgestellt worden sei. Auch darin kann ihm nicht gefolgt werden. Zwar ist die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen dieser Art wegen Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitgebers zur Abführung von Sozialabgaben anerkannt (BAG 13. Mai 1970 - 5 AZR 385/69 - BAGE 22, 332). Allein mit der Feststellung, daß ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist aber nicht darüber entschieden, daß diese Ansprüche auch begründet sind. So könnte sich der Arbeitgeber zB weiterhin auf das Fehlen von Verschulden berufen (zutreffend Grunsky Anm. zu BAG 10. Mai 1974 - 3 AZR 523/73 - AP ZPO § 256 Nr. 48). Eine zulässige Feststellungsklage wird deshalb auf die weitergehende Feststellung zu richten sein, daß der Arbeitgeber wegen einer möglichen künftigen Rentenkürzung zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. BAG 23. April 1997 aaO; Grunsky aaO). Nur an einer solchen, den Streit der Parteien so weit wie möglich klärenden Feststellung besteht mit Blick auf Rechtsfrieden und Prozeßökonomie ein rechtliches Interesse.

d) Der Kläger leitet sein Feststellungsinteresse aus der Ansicht ab, er werde von einem Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts Hamburg befreit, falls sein Arbeitnehmerstatus festgestellt worden sei. Der Kläger meint offensichtlich, unter dieser Voraussetzung entfalle die Pflicht zur Abführung von Umsatzsteuer selbst dann, wenn er sie tatsächlich, wie dies unstreitig der Fall war, in Rechnung gestellt und sogar vereinnahmt hat. Dies trifft nicht zu, § 13 Abs. 2 Nr. 4, § 14 Abs. 3 UStG.

e) Zur Begründung seines Feststellungsinteresses hat der Kläger außerdem vorgetragen, auf der Grundlage der begehrten Feststellung könne er die zuständige Einzugsstelle veranlassen, die Sozialversicherungsbeiträge für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses nachträglich einzuziehen. Das ermögliche es ihm, für die Zeiten vom 1. Januar 1997 bis 31. Mai 1997 und vom 1. September 1997 bis zum 15. Februar 1999 mit Erfolg Arbeitslosengeld zu beantragen. Auch würden dementsprechend seine Rentenanwartschaften neu berechnet. Was die Ansprüche auf Arbeitslosengeld angehe, so habe zwar das Arbeitsamt Hamburg seinen Leistungsantrag aus dem Frühjahr 1997 mit Bescheid vom 21. April 1997 bestandskräftig abgelehnt. Es habe ihm gegenüber jedoch mit Schreiben vom 8. Juni 2000 erklärt, im Falle eines Obsiegens im vorliegenden Verfahren bestehe die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung. Das Schreiben des Arbeitsamts hat folgenden Wortlaut:

"Sollte sich in dem Rechtsstreit vor dem BAG ergeben, daß die strittigen Beschäftigungszeiten der Versicherungspflicht unterlagen, hätte (der Kläger) die Möglichkeit, im Rahmen eines Neufeststellungsantrages nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die damalige Ablehnungsentscheidung des Arbeitsamtes überprüfen zu lassen. Bei festgestellter Versicherungspflicht würde ein entsprechender Antrag erfolgreich sein und ein Arbeitslosengeldanspruch nachträglich entstehen, soweit die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, wovon im Falle (des Klägers) ausgegangen werden kann. Allerdings ist zu beachten, daß rückwirkende Ansprüche durch die Verjährungsfrist des § 44 Abs. 4 SGB X begrenzt sind (vier Jahre vor der Rücknahme)."

Auch damit hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargetan.

aa) Ein Feststellungsinteresse ergibt sich nicht daraus, daß die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses rechtlich gebunden wären. Eine solche präjudizielle Wirkung müßte gesetzlich vorgeschrieben sein. Das ist nicht der Fall.

bb) Das rechtliche Interesse an der arbeitsgerichtlichen Feststellung ist auch dann nicht gegeben, wenn ein Sozialversicherungsträger ausdrücklich erklärt hat, die Entscheidung des Arbeitsgerichts de facto respektieren zu wollen. Dabei kann im Streitfall zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, daß das Schreiben des Arbeitsamts dahin zu verstehen ist, es werde ein für den Kläger positives Feststellungsurteil nicht lediglich zum Anlaß nehmen, eine Versicherungspflicht selbst noch einmal zu prüfen, sondern es werde dann von einer "festgestellten Versicherungspflicht" ausgehen. Unterstellt werden kann ferner, daß auch angesichts der Verjährungsregelung in § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen an den Kläger noch möglich sind.

Beides führt nicht zur Bejahung eines Feststellungsinteresses. Das Arbeitsamt und die übrigen Sozialversicherungsträger sind rechtlich nicht nur nicht verpflichtet, Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur alleinigen Grundlage eigener Entscheidungen zu machen, sondern sind dazu auch nicht berechtigt. Die Sozialversicherungsträger müssen sowohl im Interesse des Anspruchstellers als auch im Interesse der Versichertengemeinschaft von Amts wegen ermitteln, ob die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch vorliegen, § 20 SGB X. Sie dürfen sich dabei nicht unbesehen das Ergebnis eines arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens zu eigen machen. Dieses Ergebnis ist auf der Grundlage des den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozeß prägenden Beibringungs- und Verfügungsgrundsatzes zustande gekommen. Es ist damit in hohem Maße von der Bereitschaft und der Fähigkeit der Parteien zu einem umfassenden Tatsachenvortrag unter Beachtung der prozessualen Obliegenheiten aus § 138 ZPO und den Regeln des Beweisrechts abhängig. Würden sich die Sozialversicherungsträger einem solchen Urteil unterwerfen, wäre dies rechtswidrig (Grunsky aaO). Sie haben statt dessen auch in Anbetracht eines solchen Urteils den wirklichen Sachverhalt eigenständig zu ermitteln. Nach der Regelung des § 7 SGB IV löst ein arbeitsgerichtliches Statusurteil dabei nicht einmal einen Vermutungstatbestand iSd. § 7 Abs. 4 SGB IV aus. Ist demnach der Verzicht des Arbeitsamts auf eigenständige Sachverhaltsermittlung rechtswidrig, so vermag der Kläger ein Feststellungsinteresse für den arbeitsgerichtlichen Statusprozeß daraus nicht herzuleiten.

Hinzu kommt, daß das in Aussicht gestellte Verhalten des Arbeitsamts den Rechtsfrieden nicht sicherstellen könnte. Es kann nicht angenommen werden, daß das Arbeitsamt dem Kläger vorbehaltlos Leistungen gewähren würde, solange nicht die Zahlung entsprechender Beiträge durch die Beklagte erfolgt ist. Gegen einen darauf gerichteten Heranziehungsbescheid wiederum könnte die Beklagte Rechtsmittel mit der Begründung einlegen, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe in Wirklichkeit nicht bestanden. Darüber hätten schließlich die Sozialgerichte zu befinden. Im Rahmen des Sozialgerichtsverfahrens würde das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses bei Geltung des Untersuchungsgrundsatzes geprüft. Vom Ausgang dieses Verfahrens hinge damit letztlich auch die endgültige Leistung von Arbeitslosengeld an den Kläger ab. Dem arbeitsgerichtlichen Urteil käme allenfalls eine vorläufige Bedeutung zu. Damit vermag es weder dem Rechtsfrieden noch der Prozeßökonomie zu dienen.

Für den verbliebenen Klageantrag ist ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben.

cc) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage war nicht einheitlich. In einem Urteil vom 10. Mai 1974 (- 3 AZR 523/73 - AP ZPO § 256 Nr. 48) hat der Dritte Senat in einem vergleichbaren Fall ein Feststellungsinteresse mit der Begründung bejaht, es gebe eine Art "graue Zone", in der arbeitsgerichtliche Statusurteile nicht nur als bloße Entscheidungshilfe, sondern de facto als bindend von den Sozialversicherungsträgern hingenommen würden. Solange ein solches Verfahren "funktioniere", könne das Feststellungsinteresse von den Arbeitsgerichten aus Gründen der Prozeßökonomie nicht verneint werden.

Dagegen hat der Siebte Senat in einer Entscheidung vom 28. Mai 1986 (- 7 AZR 25/85 - BAGE 52, 133) ausgeführt, bei der Bereitschaft von Sozialversicherungs- und Finanzbehörden, sich das Ergebnis eines arbeitsgerichtlichen Feststellungsurteils zu eigen zu machen, handele es sich lediglich um ein Indiz, das zur Bejahung des Feststellungsinteresses führen könne, nicht aber um eine Tatsache, die geeignet sei, das Feststellungsinteresse selbst zu begründen.

Der Senat selbst hat schon im Urteil vom 23. April 1997 (aaO) Bedenken daran geäußert, ob der Rechtsprechung des Dritten Senats uneingeschränkt zu folgen sei. Das ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts bedurfte es gleichwohl nicht. Der Dritte Senat hat seinerzeit das Feststellungsinteresse nur unter der Voraussetzung bejaht, daß die betreffende Praxis "funktioniere". Davon kann jedenfalls mittlerweile nicht mehr ausgegangen werden. Das Bundessozialgericht erachtet arbeitsgerichtliche Urteile für das sozialrechtliche Leistungsrecht nicht als bindend, da die Sozialverwaltung den wahren Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen habe und sich Arbeitsvertragsparteien zum Beispiel nicht auf Kosten der Bundesanstalt für Arbeit sollten einigen können (vgl. nur BSG 9. Mai 1995 - 10 RAr 5/94 - SozR 3-4100 § 141 b Nr. 15).

Im übrigen ist der erkennende Senat der für die Frage des Arbeitnehmerstatus nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts allein zuständige Senat. Er hält an einer möglicherweise gegenteiligen Rechtsprechung nicht weiter fest.



Ende der Entscheidung

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