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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 6 AZR 236/03
Rechtsgebiete: Tarifvertrag für den Bayerischen Rundfunk


Vorschriften:

Tarifvertrag für den Bayerischen Rundfunk Nr. 434
Tarifvertrag für den Bayerischen Rundfunk Nr. 415
Tarifvertrag für den Bayerischen Rundfunk Nr. 416
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

6 AZR 236/03

Verkündet am 12. Mai 2005

In Sachen

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Prof. Dr. Friedrich sowie den ehrenamtlichen Richter Hinsch und die ehrenamtliche Richterin Schilling

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Februar 2003 - 4 Sa 591/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Gewährung einer Funktionszulage.

Der Kläger ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Gehaltsbuchhalter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den Bayerischen Rundfunk (TV Bayerischer Rundfunk) Anwendung. Dieser enthält unter der Überschrift "Die Bezüge" (Nr. 400 ff.) ua. folgende Regelungen:

"...

415 Ein/e AN, der/die an der Richtigkeit seiner/ihrer Eingruppierung oder Einstufung zweifelt, oder dessen/deren Tätigkeit sich so geändert hat, daß eine höhere Eingruppierung gerechtfertigt erscheint, kann schriftlich eine Überprüfung bei der Personalabteilung beantragen. Entspricht die Entscheidung, die von der Personalabteilung innerhalb von 4 Wochen zu treffen ist, nicht den Erwartungen des/der Antragstellers/Antragstellerin, kann er/sie den Eingruppierungsausschuß anrufen.

416 Der Eingruppierungsausschuß besteht aus 8 Mitgliedern, von denen 4 der BR bestimmt. Ein ständiges Mitglied des Ausschusses bestimmt der Personalrat, 2 Mitglieder werden von den tarifvertragsschließenden Gewerkschaften bestimmt, ein Mitglied bestimmt der/die AN.

Alle Mitglieder des Eingruppierungsausschußes müssen Festangestellte des BR sein. Dies gilt auch für das durch den/die AN zu bestimmende Mitglied.

Der Eingruppierungsausschuß muß zweimal jährlich tagen; jeder Antrag muß innerhalb eines halben Jahres behandelt worden sein. Der Eingruppierungsausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung. Der Vorsitz im Ausschuß wechselt von Sitzung zu Sitzung zwischen den Vertretern des BR und den Vertretern der AN. Kommt im Ausschuss keine Einigung zustande oder ergibt sich Stimmengleichheit, ist die Entscheidung durch den BR zu treffen.

Der Eingruppierungsausschuß kann auf Antrag des Personalrats oder des BR in der Eingruppierung auch gutachtlich tätig werden."

In Bezug auf Funktionszulagen regelt der Tarifvertrag folgendes:

"434 Für zeitweilige oder dauernde Leistungen, die nach Art, Umfang, Können oder Verantwortung über das übliche Maß der an AN in der gleichen Gehaltsgruppe gestellten Anforderungen wesentlich hinausgehen, kann eine Funktionszulage gewährt werden.

Funktionszulagen, die nicht im Gehaltstarifvertrag ausdrücklich vorgesehen sind, werden nach Anhören des Personalrates gewährt."

Mit Schreiben vom 22. Juni 1995 riefen der Kläger und fünf seiner Kollegen den Eingruppierungsausschuss an, weil sie mit dem Ergebnis der Überprüfung ihres Arbeitsplatzes nicht einverstanden waren. Dieser fasste in seiner 190. Sitzung vom 3. August 1995 hinsichtlich des Klägers mit einem Stimmenverhältnis von 7 zu 1 den Beschluss, dem Kläger eine Funktionszulage in Höhe einer Gehaltsgruppe zu gewähren. Dies hätte damals einem Betrag von 359,82 DM entsprochen. Mit Schreiben vom 28. Juni 1996 teilte die Personalabteilung der Beklagten dem Kläger mit, der Eingruppierungsausschuss habe sein Anliegen behandelt. Die Geschäftsleitung habe entschieden, dass sein Arbeitsplatz der Gehaltsgruppe 8 zugeordnet bleibe, ihm aber wegen des besonderen Verantwortungsumfangs in der Durchführung der Gehaltsabrechnung ab dem 1. Juni 1995 eine Funktionszulage iHv. DM 200,00 brutto gewährt werde.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung der Differenz zwischen der von der Beklagten zur Auszahlung gebrachten Funktionszulage iHv. 200,00 DM brutto monatlich und einer Funktionszulage in Höhe einer vollen Gehaltsgruppe nebst Zinsen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Mehrheitsbeschluss des Eingruppierungsausschusses sei für die Beklagte bindend.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

1. 7.915,79 Euro brutto nebst (im Einzelnen spezifizierten) Zinsen zu zahlen;

2. ab 1. Dezember 2001 fortlaufend eine Funktionszulage in Höhe einer Gruppe, dies sind 207,71 Euro brutto, abzüglich der bereits gewährten 102,26 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag sehe kein verbindliches Entscheidungsrecht des Eingruppierungsausschusses vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag zu 1) weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Funktionszulage in unstreitiger Höhe von insgesamt 7.915,79 Euro brutto.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Funktionszulage ergibt sich nicht aus Nr. 434 TV Bayerischer Rundfunk.

Nach dieser Tarifbestimmung kann für zeitweilige oder dauernde Leistungen, die nach Art, Umfang, Können oder Verantwortung über das übliche Maß der an Arbeitnehmer in der gleichen Gehaltsgruppe gestellten Anforderungen wesentlich hinausgehen, eine Funktionszulage gewährt werden. Der Kläger hat bereits zum Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen nicht im Einzelnen vorgetragen. Dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt. Die vom Kläger insoweit erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO), das Landesarbeitsgericht habe ihn nicht darauf hingewiesen, zu welchen Tatsachen er ungenügende Angaben gemacht habe, ist unzulässig. Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Tatsachen er vorgetragen hätte, wenn ihn das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen hätte, dass bislang die tariflichen Voraussetzungen einer Funktionszulage nicht hinreichend dargetan sind (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3 e aa der Gründe).

2. Die Beklagte ist nicht auf Grund des Beschlusses des Eingruppierungsausschusses vom 3. August 1995 verpflichtet, dem Kläger eine Funktionszulage in Höhe einer Gruppe zu zahlen.

a) Unabhängig von der Frage, ob eine Entscheidung des Eingruppierungsausschusses überhaupt bindende Wirkung hat, erstreckt sich diese nicht auf einen Beschluss, der die Gewährung einer Funktionszulage zum Inhalt hat. Dies ergibt eine Auslegung von Nr. 434 und Nr. 416 TV Bayerischer Rundfunk.

Nach seinem klaren Wortlaut sieht Nr. 434 TV Bayerischer Rundfunk im Zusammenhang mit der Gewährung einer Funktionszulage die Anrufung des Eingruppie-rungsausschusses nicht vor. Andererseits folgt bereits aus der Bezeichnung des Gremiums als "Eingruppierungsausschuss" in Nr. 415, 416 TV Bayerischer Rundfunk, dass sich seine Zuständigkeit auf die Beurteilung von Eingruppierungen bezieht.

Hierfür spricht auch der tarifliche Gesamtzusammenhang. Eingruppierung und Funktionszulage sind unter der einheitlichen Gesamtüberschrift "Die Bezüge", aber unter verschiedenen Gliederungspunkten, "Grundvergütung und Eingruppierung" (Nr. 410 ff.) einerseits und "Leistungsprämien, Funktionszulagen, Vergütung für Vertretung" (Nr. 430 ff.) andererseits, geregelt. Die Anrufung des Eingruppierungsausschusses ist ausschließlich in dem Abschnitt "Grundvergütung und Eingruppierung" vorgesehen. Seine Zuständigkeit beschränkt sich daher auf diesen Bereich.

Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Tarifnorm, bei der häufig schwierigen Beurteilung der Eingruppierung dem Arbeitgeber ein fachkundiges Gremium zur Seite zu stellen. Dies ist hinsichtlich der Gewährung einer im Ermessen des Arbeitgebers stehenden Funktionszulage ("kann ... gewährt werden") nicht erforderlich.

Der Arbeitgeber entscheidet allein - gegebenenfalls nach Anhörung des Personalrats - darüber, ob und in welcher Höhe er eine Funktionszulage gewährt. Hieraus folgt, dass ein Beschluss des Eingruppierungsausschusses, der die Zahlung einer Funktionszulage vorsieht, lediglich den Charakter einer Anregung bzw. eines Kompromissvorschlags an den Arbeitgeber hat. Bindende Wirkung kommt ihm nicht zu.

b) Darüber hinaus hat die Entscheidung des Eingruppierungsausschusses für die Arbeitgeberin und die Arbeitsgerichte keine bindende Wirkung.

Aus dem Wortlaut von Nr. 416 TV Bayerischer Rundfunk ergibt sich nicht, dass Entscheidungen des Eingruppierungsausschusses bindend sind. Auf eine solche Bindungswirkung könnte ein Zusatz in der Tarifbestimmung hindeuten, die Feststellung solle "verbindlich", "abschließend" oder "endgültig" sein (BAG 18. Dezember 1980 - 2 AZR 934/78 - BAGE 34, 365, zu II 5 b der Gründe). Daran fehlt es hier.

Ferner ergibt der tarifliche Gesamtzusammenhang, dass Entscheidungen des Eingruppierungsausschusses für den Arbeitgeber nicht bindend sind. Nr. 416 TV Bayerischer Rundfunk befasst sich mit der Errichtung und dem Verfahren des Eingruppierungsausschusses. Die Tarifnorm regelt damit ausschließlich das Innenverhältnis des Eingruppierungsausschusses, nicht aber dessen Außenbeziehungen zu Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Bereits dies spricht gegen eine Bindungswirkung der Beschlüsse des Eingruppierungsausschusses. Dazu kommt, dass in Nr. 134 TV Bayerischer Rundfunk für den Tarifausschuss geregelt ist: "Beschlüsse kommen nur bei Übereinstimmung der Tarifparteien zustande und sind für beide Vertragsparteien bindend." Daraus, dass in Nr. 416 TV Bayerischer Rundfunk für den Eingruppierungsausschuss eine entsprechende Regelung nicht getroffen wurde, folgt, dass dessen Beschlüsse nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für den Arbeitgeber nicht bindend sein sollen.

Auch der Sinn und Zweck der Tarifnorm erfordert keine Bindungswirkung der Beschlüsse des Eingruppierungsausschusses. Nr. 416 TV Bayerischer Rundfunk stellt dem Arbeitgeber ein Gremium zur Seite, das bei der Vornahme von Eingruppierungen sein Votum abgibt. Hierdurch soll nur eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Einstufung in das tarifliche Vergütungssystem erreicht werden.



Ende der Entscheidung

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