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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: 6 AZR 247/05
Rechtsgebiete: TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr vom 18. Juli 2001, TV RatSch Arb vom 9. Januar 1987


Vorschriften:

TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr vom 18. Juli 2001 § 1 Abs. 1
TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr vom 18. Juli 2001 § 6 Abs. 2
TV RatSch Arb vom 9. Januar 1987
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats aus den Urteilen vom 19. Oktober 2000 - 6 AZR 291/99 - BAGE 96, 140 und 24. Juni 2004 - 6 AZR 298/03 - Parallelsache zu - 6 AZR 116/05 - vom 27. Oktober 2005

6 AZR 247/05

Verkündet am 27. Oktober 2005

In Sachen

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Prof. Dr. Friedrich sowie den ehrenamtlichen Richter Schäferkord und die ehrenamtliche Richterin Schilling für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 18. März 2005 - 11 Sa 1042/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch auf Einkommenssicherung.

Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1976 auf Grund eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Schlosser/Schweißer C bei der Beklagten beschäftigt. Er war eingesetzt bei dem Luftwaffenversorgungsregiment Luftwaffeninstandhaltungsgruppe in M. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTArb) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung. Im TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr heißt es:

"§ 1 Geltungsbereich

(1) Abschnitt I dieses Tarifvertrages gilt für die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend Arbeitnehmer), die unter den

...

- Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb),

...

fallen und deren Arbeitsplätze in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2010 durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen.

...

Protokollnotizen zu § 1 Abs. 1:

1. Dieser Tarifvertrag gilt auch, wenn die dem konkreten Wegfall des Arbeitsplatzes nach dem In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages zugrunde liegende Organisationsmaßnahme bereits vor dem 1. Juni 2001 getroffen worden ist."

Die Beklagte bestellte den Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 1984 bis auf Widerruf zum Vorhandwerker und gewährte ihm hierfür eine Vorhandwerkerzulage von 12 % des jeweiligen Tabellenlohns der Stufe 4 der Lohngruppe des Klägers mit Rücksicht darauf, dass dem Kläger drei Soldaten unterstellt waren. Auf Grund seiner Eingruppierung in die Lohngruppe 6 A Lohnstufe 8 des MTArb erhielt der Kläger zuletzt einschließlich der Vorhandwerkerzulage einen Lohn von insgesamt 2.573,93 Euro. Mit Schreiben vom 26. Februar 2003 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers zum Vorhandwerker mit Wirkung vom 28. Februar 2003 mit der Begründung, dass durch die neue Struktur der Luftwaffeninstandhaltungsgruppe und den damit einhergehenden organisatorischen und personellen Veränderungen eine Bestellung des Klägers zum Vorhandwerker unter Berücksichtigung der tariflichen Vorgaben nicht mehr haltbar sei. Dem Widerruf lag eine Umstrukturierung der Beschäftigungsdienststelle des Klägers zugrunde. Die früher dem Luftwaffenversorgungsregiment zugeordnete und als Luftwaffenwerft bezeichnete Dienststelle wurde nunmehr als Luftwaffeninstandhaltungsgruppe im Luftwaffeninstandhaltungsregiment geführt. Damit einhergehend veränderte sich die Stärke- und Ausrüstungsnachweisung der Beschäftigungsstelle. Im Bereich der Schweißer-Dienstposten sind zwei Dienstposten von Schweißer-Soldaten abgebaut und ein zusätzlicher Dienstposten Schweißer-Unteroffizier wie auch der eines Schlosser-Feldwebels eingerichtet worden. Die nunmehr mit Schweißtätigkeiten beschäftigten Personen sind alle gleichermaßen als Gesellen qualifiziert. Der Teileinheitsführer/Schlosser-Feldwebel ist entsprechend einem Meister qualifiziert.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen die Beklagte einen tariflichen Anspruch auf Einkommenssicherung nach § 6 Abs. 2 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr in Höhe der ihm zuvor gewährten Vorhandwerkerzulage von 224,65 Euro brutto. Der TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr sei gemäß § 1 Abs. 1 anwendbar, da auf Grund der Umstrukturierung seiner Beschäftigungsdienststelle sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen sei. Durch den Entzug der Vorhandwerkerstellung verrichte der Kläger eine andere Arbeitsaufgabe als vorher, da ihm keine Handwerkergruppe mehr unterstehe, deren Einsatz er zu leiten habe. Die Übertragung einer anderen Art von Tätigkeit sei für den Wegfall des Arbeitsplatzes nicht erforderlich.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als Ersatz für den Wegfall der Vorhandwerkerzulage eine persönliche Zulage im Sinne des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr ab dem 1. März 2003 zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen tariflichen Anspruch auf Einkommenssicherung, da dessen Arbeitsplatz gemäß § 1 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr nicht weggefallen sei. Allein der Verlust der Vorhandwerkerstellung genüge hierfür nicht. Die Beschäftigung des Klägers erfolge unverändert als Schlosser bzw. Schweißer in denselben Räumlichkeiten wie vorher. Lediglich die Bezeichnung und Einordnung in die Struktur der Dienststelle hätten sich geändert. Ein Anspruch aus dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 sei nicht gegeben, da die Umstrukturierung der Beschäftigungsdienststelle keine Rationalisierungsmaßnahme darstelle. Es liege auch kein Sachverhalt vor, auf den der TV RatSch Arb Anwendung finde. Es fehle bereits an einer Rationalisierungsmaßnahme.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage hinsichtlich des Berufungsantrags stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag auf Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einkommenssicherung gemäß § 6 Abs. 2 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr.

1. Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass der Geltungsbereich des TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr eröffnet ist. Mit dem TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr wollten die Tarifvertragsparteien der besonderen Situation einer Neuausrichtung der Bundeswehr und des damit einhergehenden Wegfalls von Arbeitsplätzen Rechnung tragen; durch den TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr sollten die Veränderungen sozialverträglich gestaltet werden. Das haben die Tarifvertragsparteien in der Präambel dieses Tarifvertrages erkennbar zum Ausdruck gebracht (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2005 Teil VI - Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr Erl. 2, 3.2 ff.). Die Erfüllung des Tarifmerkmals "auf Grund einer Neuausrichtung der Bundeswehr" iSv. § 1 Abs. 1 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr ist zwischen den Parteien nicht streitig. Unstreitig erfolgte in der Dienststelle des Klägers in der Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Juli 2003, in der Zeit der letzten Bestellung des Klägers zum Vorhandwerker, die bundeswehrinterne Umgliederung, wonach die Beschäftigungsdienststelle des Klägers nunmehr in Luftwaffeninstandhaltungsgruppe umbenannt und dem Luftwaffeninstandhaltungsregiment zugeordnet worden. Die damit einhergehende Veränderung der Stärke- und Aufrüstungsnachweisung der Beschäftigungsdienststelle führte zu einer Reduzierung der Mitarbeiter, indem die Mannschaftsdienstgrade nicht mehr ersetzt und auch die Vorhandwerkergruppen vollständig aufgelöst wurden. Die Zahl der Arbeitnehmer ist nicht nur in der Teileinheit des Klägers, sondern unstreitig auch insgesamt in der Werft, wenn auch nur geringfügig, gesunken.

2. Nach § 6 Abs. 2 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr erhält ein Arbeitnehmer eine Einkommenssicherung in Form einer Zulage, wenn sich sein Lohn infolge einer Maßnahme iSd. § 1 Abs. 1 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr verringert. Die Höhe der Zulage bestimmt sich nach der Differenz zwischen dem jeweiligen Lohn und demjenigen, der ihm auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit zugestanden hätte. Dabei sind nach § 6 Abs. 2 Buchst. b TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr auch ständige Lohnzulagen zu berücksichtigen, die er in den letzten drei Jahren in seiner bisherigen Tätigkeit ohne schädliche Unterbrechung bezogen hat. Dass der Kläger die Vorhandwerkerzulage in den letzten drei Jahren ununterbrochen bezogen hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

3. Wie das Landesarbeitsgericht auch zutreffend angenommen hat, ist der frühere Arbeitsplatz des Klägers als Vorhandwerker durch die Verkleinerung und Umgestaltung seiner Dienststelle im Tarifsinne weggefallen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Arbeitsplatz durch den Ort der Arbeitsleistung, die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation gekennzeichnet und bezeichnet damit den konkreten Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers in räumlicher, funktionaler und organisatorischer Sicht (vgl. 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 8; 1. August 1989 - 1 ABR 51/88 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 16; 8. August 1989 - 1 ABR 63/88 - BAGE 62, 314; 24. Juni 2004 - 6 AZR 298/03 -). Ein Wegfall des Arbeitsplatzes liegt deshalb schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach Durchführung einer Organisationsmaßnahme mit derselben Art der Tätigkeit vertragsgemäß an einem anderen Ort oder in einer anderen betrieblichen Einheit weiterbeschäftigt wird. Aber auch in der Änderung der Arbeitsorganisation kann ein Wegfall des Arbeitsplatzes im Tarifsinne liegen.

b) Der bisherige Arbeitsplatz des Klägers verblieb zwar in räumlicher Hinsicht in der Kasernenanlage in M. Dem Kläger wurde aber eine neue, andere Tätigkeit zugewiesen. Der Kläger war zum Vorhandwerker bestellt. Er hatte hierdurch eine hervorgehobene Stellung in einer Gruppe erlangt, die auch Führungs- und Koordinationsaufgaben umfasste. Diese Aufgaben sowie die damit verbundene Stellung innerhalb der dortigen betrieblichen Organisation, sind mit dem Entzug der Vorhandwerkerstellung entfallen. Auch wenn der Kläger nach wie vor Tätigkeiten als Schlosser oder Schweißer ausführt, hat bereits der Entzug der Arbeitsaufgaben eines Vorhandwerkers und sein Einsatz nur noch mit Schlosser- und Schweißerarbeiten den Wegfall seines früheren Arbeitsplatzes als Vorhandwerker zur Folge. Die Arbeiten werden nunmehr von dem Kläger ausschließlich selbst vorgenommen. Der Kläger hat keine Führungs- und Koordinierungsaufgaben mehr. Diese umfasste seine frühere Tätigkeit als Vorhandwerker. Damit ist der Arbeitsplatz des Vorhandwerkers im Tarifsinne weggefallen.

c) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht auch darauf hingewiesen, dass der Begriff der "Beschäftigung" iSv. § 1 Abs. 1 TV RatSch Arb synonym zu verstehen ist mit dem Begriff des "Arbeitsplatzes" iSv. TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr. Daraus folgt, dass ein Arbeitsplatzwegfall iSv. § 1 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr schon immer dann vorliegt, wenn die "Beschäftigung" iSv. § 1 TV RatSch Arb wegfällt. Dazu hat der Senat mit Urteil vom 19. Oktober 2000 (- 6 AZR 291/99 - BAGE 96, 140) bereits entschieden, dass ein Wechsel der Beschäftigung auch dann vorliegt, wenn ein Vorhandwerker nunmehr Handwerkertätigkeiten ausüben soll. Die Tätigkeit als Vorhandwerker wird durch hierarchische Heraushebung auch zu einem "Arbeitsplatz" iSv. § 1 Abs. 1 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr. Die Auflösung der Gruppe und der Wegfall der Vorhandwerkerstellung sind zugleich der "Wegfall des Arbeitsplatzes" iSv. § 1 Abs. 1 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr wie der "bisherigen Tätigkeit" iSv. § 6 Abs. 2 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr.

d) Der Einwand der Revision, der Kläger habe keinen Anspruch auf Einkommenssicherung, weil die Vorhandwerkerzulage dem Kläger nur widerruflich gewährt worden war, ist unbegründet. Die Anspruchsvoraussetzungen in § 6 Abs. 2 TV Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr stellen nur auf den tatsächlichen Bezug der Vorhandwerkerzulage in den letzten drei Jahren ab. Dem steht die widerrufliche Gewährung nicht entgegen. Dass die Kausalität zwischen Umgliederung und Wegfall der Vorhandwerkerzulage gegeben ist, wurde von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Nur dies ist aber entscheidend.

Ende der Entscheidung

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