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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: 6 AZR 248/99
Rechtsgebiete: TVG, TV Ang-O, TV Übergangsvorschriften


Vorschriften:

TVG § 1 Tarifverträge/ DDR
TV Ang-O § 16
TV Übergangsvorschriften Nr. 1 Buchst. a zu § 16
Leitsätze:

1. Nach Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O sind Zeiten jeglicher Tätigkeit für das MfS einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen.

2. Die einer Tätigkeit für das MfS zugrundeliegende Verpflichtung zu informeller Mitarbeit endete in der Regel mit der Erstellung des sog. "Abschlußberichts" und der anschließenden Archivierung der über den informellen Mitarbeiter geführten Akte durch das MfS. Ob und ggf. wann der Angestellte von diesen Vorgängen Kenntnis erlangt hat, ist für die Beurteilung der Frage, zu welchem Zeitpunkt die den tariflichen Anrechnungsausschluß begründende Verpflichtung endete, unerheblich.

Aktenzeichen: 6 AZR 248/99 Bundesarbeitsgericht 6. Senat Urteil vom 19. Oktober 2000 - 6 AZR 248/99 -

I. Arbeitsgericht Potsdam - 5 Ca 3154/97 - Urteil vom 3. März 1998

II. Landesarbeitsgericht Brandenburg - 4 Sa 460/98 - Urteil vom 22. Januar 1999


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

6 AZR 248/99 4 Sa 460/98

Verkündet am 19. Oktober 2000

Schneider, der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,

pp.

Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2000 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Peifer, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und die ehrenamtlichen Richter Schmidt und Helmlinger für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 22. Januar 1999 - 4 Sa 460/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob die Zeit vom 21. Mai 1985 bis zum 15. Juli 1989 als Postdienstzeit der Klägerin anzurechnen ist.

Die Klägerin war vom 1. September 1965 bis zum 31. Mai 1975 und seit dem 1. September 1977 bei der Deutschen Post der DDR beschäftigt. Mit der Herstellung der Einheit Deutschlands ging ihr Arbeitsverhältnis auf die Deutsche Bundespost und nach deren Privatisierung auf die Beklagte über. Auf das Arbeitsverhältnis findet auf Grund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet (TV Ang-O) Anwendung. Durch den am 1. Dezember 1991 in Kraft getretenen Tarifvertrag Nr. 401 e über die Anerkennung früherer Beschäftigungszeiten für die Angestellten im Beitrittsgebiet wurde folgende Regelung in den TV Ang-O eingefügt:

"§ 16

Postdienstzeit

(1) Postdienstzeit ist die bei der Deutschen Bundespost/Deutschen Post und der Landespostdirektion Berlin in einem Ausbildungs-, Arbeits- oder Beamtenverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist; ...

Übergangsvorschriften:

1. Für die Zeiten vor dem 1. Januar 1991

Von der Berücksichtigung als Postdienstzeit sind ausgeschlossen

a) Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit),

b) Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR,

c) Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

...

Von einer Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a, b und c zurückgelegt worden sind.

..."

In einer Dienstanweisung der Generaldirektion der Deutschen Bundespost Postdienst an die Direktionen vom 2. Februar 1993 heißt es ua.:

"Die Tarifvertragsparteien haben nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit für das MfS als beendet angesehen werden kann. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen eine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter viele Jahre zurückliegt oder in denen zwar eine Verpflichtungserklärung unterschrieben wurde, es jedoch nicht zu einer weiteren Tätigkeit für das MfS gekommen ist. Eine allgemeingültige Regel für diese Fälle läßt sich nicht aufstellen. Hier wird anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden sein, bis zu welchem Zeitpunkt eine Tätigkeit für das MfS unterstellt werden muß.

In der Regel wird jedoch davon ausgegangen werden können, daß fünf Jahre nach dem letzten konkreten Tätigwerden für das MfS die Tätigkeit für dieses Ministerium nach Ablauf dieses Zeitraums als beendet angesehen werden kann und spätere Zeiten einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst nach den tarifvertraglichen Regelungen berücksichtigt werden können. ..."

Die Klägerin war vom 1. September 1978 bis zum 15. Juli 1984 als inoffizielle Mitarbeiterin - zunächst als IMS, später als GMS - unter dem Decknamen "Susi" für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig. Am 30. Oktober 1978 hatte sie sich schriftlich zur Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet. Am 15. Juli 1984 fand das letzte Treffen im Rahmen der Tätigkeit für das MfS statt. Das MfS erstellte am 20. Mai 1985 den Abschlußbericht. Dort heißt es, die Klägerin sei auf Grund ihres zwischenzeitlich geänderten Arbeitsgebietes nicht in der Lage, operativ-technische Aufgaben zu lösen bzw. abzusichern; zur Informationsgewinnung sei sie ebenfalls nicht einsetzbar. Am 22. Mai 1985 wurde die Archivierung der GMS-Akte beschlossen.

Nachdem die Beklagte am 7. Januar 1993 durch den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes von der Zusammenarbeit der Klägerin mit dem MfS Kenntnis erlangt hatte, teilte sie der Klägerin mit, daß die vor dem 16. Juli 1989 bei der Deutschen Post zurückgelegten Zeiten nicht als Postdienstzeit berücksichtigt würden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Zeit vom 16. Juli 1984 bis zum 15. Juli 1989 sei als Postdienstzeit anzurechnen, weil ihre Tätigkeit für das MfS mit dem letzten Treffen am 15. Juli 1984 geendet habe. Spätestens mit der Erstellung des Abschlußberichts und der Archivierung der GMS-Akte am 20./22. Mai 1985 durch das MfS habe auch die Verpflichtung zur Unterstützung des MfS geendet. Einer förmlichen Entpflichtung durch das MfS habe es nicht bedurft.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 16. Juli 1984 bis 15. Juli 1989 als Post- und Dienstzeit zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, in der streitgegenständlichen Zeit habe die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS fortbestanden. Dies erfülle den Ausschlußtatbestand in Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O. Danach seien Zeiten, in denen eine Verpflichtung zu informeller Mitarbeit beim MfS bestanden habe, von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen. Dieser Ausschlußtatbestand sei zu trennen von dem Ausschlußtatbestand der Tätigkeit für das MfS. Deshalb habe die Beendigung der Tätigkeit für das MfS nicht gleichzeitig das Ende der eingegangenen Verpflichtung zur Folge gehabt. Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt entpflichtet worden sei oder von sich aus die Zusammenarbeit mit dem MfS aufgekündigt habe, habe ihre Verpflichtung bis zum 3. Oktober 1990 fortbestanden. Der Abschlußbericht vom 20. Mai 1985 und die Archivierung der Akte hätten als interne Vorgänge beim MfS auf den Fortbestand der Verpflichtung keinen Einfluß gehabt. Das MfS hätte die Akte jederzeit wieder aus dem Archiv hervorholen und von der Verpflichtung Gebrauch machen können. Auf Grund der Dienstanweisung der Generaldirektion vom 2. Februar 1993 sei bereits die Zeit ab dem 16. Juli 1989 als Postdienstzeit der Klägerin angerechnet worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hatte, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Zeit vom 16. Juli 1984 bis zum 20. Mai 1985 als Postdienstzeit anzurechnen. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen festgestellt, daß die Zeit vom 21. Mai 1985 bis zum 15. Juli 1989 als Postdienstzeit der Klägerin anzurechnen ist. Dies ergibt sich aus § 16 Abs. 1 TV Ang-O. Diese Zeit ist nicht nach Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen. Die Klägerin war in dieser Zeit weder für das MfS tätig, noch bestand eine Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit.

1. Nach Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O sind Zeiten jeglicher Tätigkeit für das MfS einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen.

Die Klägerin war unstreitig vom 1. September 1978 bis zum 15. Juli 1984, zunächst als IMS, später als GMS, für das MfS tätig. Das MfS fertigte am 20. Mai 1985 den Abschlußbericht und archivierte anschließend die Akte der Klägerin. Damit war die aktive Tätigkeit der Klägerin für das MfS beendet. Tatsachen dafür, daß sie danach noch Tätigkeiten für das MfS entfaltet hat, hat die dafür darlegungspflichtige Beklagte nicht vorgetragen.

2. Mit dem Abschlußbericht und der Archivierung der Akte war entgegen der Auffassung der Beklagten auch die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung zur informellen Mitarbeit beendet.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats erfüllt allein die Verpflichtung zur informellen/inoffiziellen Mitarbeit den Ausschlußtatbestand in Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O. Dies ergibt sich aus dem Klammerzusatz "einschließlich der Verpflichtung zur informeller/inoffizieller Mitarbeit". Dieser Klammerzusatz wäre überflüssig, wenn die Tarifnorm bei einer vom Angestellten eingegangenen Verpflichtung zu inoffizieller Mitarbeit für die Erfüllung des Ausschlußtatbestandes auch eine Tätigkeit fordern würde. Bei der Tarifauslegung kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien etwas überflüssiges regeln wollten. Die ausdrückliche Aufnahme des Klammerzusatzes in die tarifliche Bestimmung kann deshalb nur die Bedeutung haben, daß zur Begründung des Ausschlußtatbestands bereits die Verpflichtung des Angestellten zu einer inoffiziellen Mitarbeit und damit zu einer Tätigkeit für das MfS ausreichen sollte (vgl. etwa BAG 29. Januar 1998 - 6 AZR 507/96 - BAGE 88, 1, 5, zu II 2 a der Gründe).

b) Die Klägerin hat sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 30. Oktober 1978 schriftlich zur Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet. Diese Verpflichtung endete, wie das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, mit dem Abschlußbericht vom 20. Mai 1985 und der anschließenden Archivierung der über die Klägerin geführten Akte durch das MfS. Zwar hatte die Klägerin weder Kenntnis von diesen Vorgängen innerhalb des MfS, noch wurde sie von diesem förmlich "entpflichtet". Dies hat jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Folge, daß die Verpflichtung bis zum 3. Oktober 1990 fortbestand. Die Verpflichtung endete vielmehr zu dem Zeitpunkt, an dem das MfS von sich aus die Zusammenarbeit beendet hat. Dies geschah nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Regel nicht durch eine Entpflichtung gegenüber dem informellen Mitarbeiter, sondern durch die Erstellung des Abschlußberichts und die anschließende Archivierung der über den informellen Mitarbeiter geführten Akte. Die Verpflichtung der Klägerin zu informeller Mitarbeit endete daher am 20. Mai 1985. Der Auffassung der Beklagten, der Ausschlußtatbestand der Verpflichtung zu informeller Mitarbeit sei zu trennen von demjenigen der Tätigkeit für das MfS, so daß die Beendigung der aktiven Zusammenarbeit auf den Fortbestand der eingegangenen Verpflichtung keinen Einfluß habe, kann jedenfalls für den Regelfall, daß - wie hier - die Tätigkeit für das MfS auf der Grundlage der eingegangenen Verpflichtung erbracht wurde, nicht gefolgt werden. In einem solchen Fall bilden die Verpflichtungserklärung und die darauf beruhende Tätigkeit für das MfS einen einheitlichen Tatbestand, der den tariflichen Anrechnungsausschluß begründet. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

aa) Bereits dem Wortlaut der tariflichen Regelung in Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O, von dem bei der Tarifauslegung in erster Linie auszugehen ist (st. Rspr. vgl. BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308), ist zu entnehmen, daß die Verpflichtung zu informeller Mitarbeit und die darauf beruhende Tätigkeit für das MfS eine Einheit bilden. Dies ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs "einschließlich" im Klammerzusatz der Bestimmung. Dadurch kommt zum Ausdruck, daß die Verpflichtung zu informeller Mitarbeit der Tätigkeit zuzurechnen und als dieser zugehörig anzusehen ist. Daraus folgt zwar einerseits, daß für den Ausschlußtatbestand bereits die Verpflichtung zu informeller Mitarbeit ausreicht, wenn keine aktive Tätigkeit für das MfS vorgelegen hat. Andererseits bedeutet dies jedoch, daß die Verpflichtungserklärung, sofern der informelle Mitarbeiter tatsächlich für das MfS tätig geworden ist, keinen eigenständigen, von der Tätigkeit für das MfS unabhängigen Ausschlußgrund bildet, sondern ihr zugerechnet bzw. von ihr eingeschlossen wird. Deshalb endete die Verpflichtung zu dem Zeitpunkt, an dem die auf ihr beruhende Zusammenarbeit beendet wurde.

bb) Dieses Ergebnis entspricht dem aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Normen zur ermittelnden Sinn und Zweck der Regelung, die bei der Tarifauslegung ebenfalls zu berücksichtigen sind (st. Rspr. vgl. BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - aaO).

Die Tarifvertragsparteien haben in Nr. 1 der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O Tätigkeiten, die den Anforderungen des öffentlichen Dienstes, wie er in einer demokratischen und rechtsstaatlichen Verwaltung verstanden wird, nicht gerecht wurden, von der Anrechnung als Postdienstzeit ausgenommen (BAG 30. Mai 1996 - 6 AZR 632/95 - BAGE 83, 149, 159 f., zu II 3 c bb der Gründe für die insoweit gleichlautenden Bestimmung in Nr. 4 der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O). Dies gilt speziell für die Tätigkeit für das MfS (Buchst. a) und bei den Grenztruppen (Buchst. b) sowie allgemein für Tätigkeiten, die dem Angestellten auf Grund seiner besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden waren (Buchst. c). Diesen Ausschlußtatbeständen ist gemeinsam, daß sie Zeiten betreffen, in denen der Angestellte das Herrschaftssystem der ehemaligen DDR in besonderer Weise unterstützt hat. Eine solche Unterstützung haben die Tarifvertragsparteien nicht nur in der aktiven Tätigkeit für das MfS, sondern bereits darin gesehen, daß der Angestellte sich gegenüber dem MfS zu informeller Mitarbeit verpflichtet hat. Von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen sind daher auch Zeiten, in denen lediglich die Möglichkeit bestand, daß das MfS die Mitarbeit des Angestellten in Anspruch nahm. Dies war jedoch nicht mehr der Fall, wenn das MfS an der Zusammenarbeit mit dem informellen Mitarbeiter kein Interesse mehr hatte und sie von sich aus nicht mehr fortzusetzen beabsichtigte. Von diesem Zeitpunkt an war nicht mehr damit zu rechnen, daß das MfS von der Verpflichtung nochmals Gebrauch machen und die Tätigkeit des IM in Anspruch nehmen würde. Die Bereitschaft des MfS zur Zusammenarbeit mit dem informellen Mitarbeiter fehlte jedenfalls ab dem Zeitpunkt, an dem das MfS den Abschlußbericht erstellte und die über den informellen Mitarbeiter geführte Akte in Abteilung XII archivierte. In dieser Abteilung wurden abgeschlossene registrierte Vorgänge und Akten sowie anderes als Ergebnis der politisch-operativen Arbeit entstandenes Schriftgut archiviert, dessen Verwaltung in der zentralen Materialablage der operativen Diensteinheit nicht mehr erforderlich war. Zur ordnungsgemäßen Übergabe des Schriftguts an die zuständige Abteilung XII gehörte, daß das Schriftgut mit einem Abschlußbericht versehen war (vgl. Roger Engelmann, Wert der MfS-Akten in: Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" <12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages>, herausgegeben vom Deutschen Bundestag, Bd. VIII S 272). Mit dem Abschlußbericht und der Archivierung der Akte war der jeweilige Vorgang somit für das MfS abgeschlossen. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung war deshalb mit der Erstellung des Abschlußberichts und der Archivierung der über den IM geführten Akte die den Ausschlußtatbestand begründende Verpflichtung erloschen. Einer Entpflichtung durch das MfS bedurfte es dazu nicht.

c) Die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung zu informeller Mitarbeit hat daher mit der Erstellung des Abschlußberichts durch das MfS am 20. Mai 1985 und der anschließenden Archivierung der Akte geendet. Daß in dem Abschlußbericht nicht ausdrücklich von der endgültigen Beendigung der Zusammenarbeit mit der Klägerin die Rede ist, ist unerheblich. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung des Schriftstücks als "Abschlußbericht" und aus der Archivierung der Akte in Abteilung XII, in der abgeschlossene Vorgänge abgelegt wurden.

d) Der Umstand, daß die Klägerin von dem Abschlußbericht und der Archivierung der Akte durch das MfS keine Kenntnis hatte und deshalb möglicherweise auch in der Zeit nach dem 20. Mai 1985 noch von dem Fortbestand der Verpflichtung zu informeller Mitarbeit ausgegangen ist, ist nicht von Belang. Nach der tariflichen Regelung in Nr. 1 Buchst. a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O kommt es ausschließlich darauf an, ob der Angestellte für das MfS tätig war oder ob er sich zu informeller Mitarbeit verpflichtet hatte und nicht darauf, ob er sich dazu verpflichtet glaubte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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