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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 7 ABR 44/03
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 19 Abs. 1
WO § 3 Abs. 1
WO § 3 Abs. 4
Wird das Wahlausschreiben für eine Betriebsratswahl in einem Betrieb mit vielen Betriebsstätten in Deutschland durch Aushang nach § 3 Abs. 4 Satz 2 WO bekannt gemacht, muss grundsätzlich in jeder Betriebsstätte ein Abdruck des Wahlausschreibens ausgehängt werden. Andernfalls ist die Wahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG anfechtbar.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

7 ABR 44/03

Verkündet am 05. Mai 2004

In dem Beschlussverfahren

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 5. Mai 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und den Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Zumpe und Coulin für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der zu 1), 2), 4), 6) bis 16), 18) bis 20), 22) bis 34) und 36) beteiligten Antragsteller wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 14. Mai 2003 - 15 TaBV 2341/02 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der zu 1), 2), 4), 6) bis 16), 18) bis 20), 22) bis 34) und 36) beteiligten Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. September 2002 - 42 BV 14879/02 - abgeändert:

Die vom 14. bis 16. Mai 2002 durchgeführte Betriebsratswahl im Betrieb Konzernleitung der zu 38) beteiligten Arbeitgeberin ist unwirksam.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die zu 38) beteiligte Arbeitgeberin und die Tarifgemeinschaft der Eisenbahnergewerkschaften schlossen am 14. Dezember 2001 einen "Tarifvertrag zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen bei der D AG" (BetrVTV-D AG). Dieser lautet auszugsweise:

"...

§ 2

Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen

(1) Um die Bildung und Arbeit der Betriebsräte zu erleichtern, wird auf der Grundlage von § 3 BetrVG eine tarifvertragliche Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen vorgenommen.

(2) Die Zuordnung ergibt sich im einzelnen aus dem Anhang I, der Bestandteil dieses Tarifvertrages ist.

..."

Nach dem Anhang I ist die Konzernleitung (KL) in B mit den regionalen Außenstellen ein Betrieb iSv. § 1 BetrVG, in dem ein Betriebsrat gewählt wird. Zu der Konzernleitung gehören 84 Betriebsstätten in 24 Städten, in denen seinerzeit insgesamt 1.940 Arbeitnehmer beschäftigt waren. In der Betriebsstätte in B, waren 606 Arbeitnehmer tätig, in der Betriebsstätte in F 197 Arbeitnehmer.

Der zur Durchführung der regelmäßigen Betriebsratswahl im Jahr 2002 bestellte Wahlvorstand gab mit einer "Info ... für die Wahl des Betriebsrates bei der D AG Konzernleitung" vom 19. Februar 2002 allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Konzernleitung seine Bestellung bekannt und wies darauf hin, dass die Betriebsratswahl vom 14. bis 16. Mai 2002 stattfinden sollte. Der Wahlvorstand kündigte die Möglichkeit der Briefwahl an und informierte über die Termine für die Bekanntmachung des Wahlausschreibens, die Auslegung von Wählerliste und Wahlordnung, die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen, die Einspruchsfrist gegen Wählerlisten, den letzten Termin zur Einreichung von Wahlvorschlägen sowie die Termine für die Bekanntmachung der gültigen Wahlvorschläge und die Versendung der Briefwahlunterlagen. Die Orte, an denen das Wahlausschreiben ausgehängt, die Wählerliste und die Wahlordnung ausgelegt und die Wahlvorschläge bekannt gemacht werden sollten, waren nicht angegeben. Die Mitteilung enthielt den Hinweis, dass diese Information nicht die nach dem Betriebsverfassungsgesetz und der Wahlordnung vorgeschriebenen Bekanntmachungen/Veröffentlichungen des Wahlvorstands ersetze. Die Mitteilung wurde über das im Betrieb vorhandene Intranetsystem (BKU) veröffentlicht. 270 Beschäftigte der Konzernleitung, die nicht über einen BKU- Anschluss verfügten, erhielten die Mitteilung per Post.

Der Wahlvorstand erließ am 1. März 2002 das Wahlausschreiben. Ein Abdruck des Wahlausschreibens wurde im Bürogebäude in B, ein weiterer Abdruck wurde im Bürogebäude in F ausgehängt. In den anderen Betriebsstätten wurde kein Abdruck des Wahlausschreibens ausgehängt. Die Wählerliste und die Wahlordnung wurden ebenfalls nur in den Bürogebäuden in B und in F ausgelegt.

Am 11. März 2002 gab der Wahlvorstand ein "2. Info des Wahlvorstandes für die BR-Wahlen 2002" an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Konzernleitung heraus. Diesem war der vollständige Text des Wahlausschreibens beigefügt.

Am 11. März 2002 wurde eine Vorschlagsliste mit dem Kennwort "T: Kompetent in Sachen Arbeit" mit 56 Kandidaten und 171 Stützunterschriften von der Arbeitnehmerin E beim Wahlvorstand eingereicht. Die zu 1) und zu 16) beteiligten Antragsteller reichten am 14. März 2002 eine weitere Vorschlagsliste mit dem Kennwort "T - Frischer Wind für B - Liste F" mit 27 Kandidaten und 96 Stützunterschriften beim Wahlvorstand ein. Der Wahlvorstand behandelte die Vorschlagsliste "T - Frischer Wind für B - Liste F" als ungültig und liess diese nicht zur Betriebsratswahl zu. Die Vorschlagsliste "T: Kompetent in Sachen Arbeit" sowie eine weitere Vorschlagsliste wurden vom Wahlvorstand für gültig befunden und am 25. März 2002 in den Betriebsstätten B und F ausgehängt und als Anlage zu einer dritten Info des Wahlvorstands bekannt gemacht.

Die Betriebsratswahl wurde vom 14. bis 16. Mai 2002 durchgeführt. Dabei wurde der aus 17 Mitgliedern bestehende, zu 37) beteiligte Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 16. Mai 2002 vorläufig ermittelt.

Mit der am 29. Mai 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller die Betriebsratswahl angefochten. Sie haben ua. die Auffassung vertreten, die Wahl sei unwirksam, weil das Wahlausschreiben und die Wahlvorschläge nur in zwei Betriebsstätten ausgehängt und die Wählerliste und die Wahlordnung nur in zwei Betriebsstätten ausgelegt worden seien, so dass die Wahlberechtigten unzureichend, zum Teil überhaupt nicht und zum Teil zu spät über Einzelheiten der Wahl informiert worden seien. Außerdem habe der Wahlvorstand die Vorschlagsliste "T - Frischer Wind für Berlin - Liste F" zu Unrecht für ungültig befunden und nicht zur Wahl zugelassen.

Die zu 1), 2), 4), 6) bis 16), 18) bis 20), 22) bis 34) und 36) beteiligten Antragsteller haben - ebenso wie zwölf weitere Antragsteller - beantragt

die vom 14. bis 16. Mai 2002 durchgeführte Betriebsratswahl im Betrieb Konzernleitung der Beteiligten zu 38) für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Diesem Antrag hat sich die Arbeitgeberin angeschlossen.

Der Betriebsrat hat gemeint, die Betriebsratswahl sei rechtsfehlerfrei durchgeführt worden. Das Wahlausschreiben sei ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der Aushang in den Bürogebäuden B und F sei ausreichend gewesen. Im Übrigen seien die Wahlberechtigten umfassend in elektronischer und postalischer Form über die Wahlabläufe, Fristen und Termine informiert worden. Der Wahlvorstand habe die Vorschlagsliste "T - Frischer Wind für B - Liste F" zu Recht nicht zur Wahl zugelassen, weil durch das Kennwort fälschlicherweise der Eindruck erweckt worden sei, der Vorschlag stamme von einer Gewerkschaft, obwohl diese den Vorschlag nicht insgesamt unterstützt habe.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der zu 1) bis 36) beteiligten Antragsteller zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die zu 1), 2), 4), 6) bis 16), 18) bis 20), 22) bis 34) und 36) beteiligten Antragsteller ihren Antrag weiter. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Stattgabe des Antrags. Die vom 14. bis 16. Mai 2002 im Betrieb Konzernleitung der Arbeitgeberin durchgeführte Betriebsratswahl ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam, da das Wahlausschreiben nicht in der nach § 3 Abs. 4 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO) vom 11. Dezember 2001 vorgesehenen Weise im Betrieb ausgehängt wurde. Ob die Betriebsratswahl an weiteren wesentlichen Mängeln leidet, war daher nicht zu entscheiden.

I. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Betriebsratswahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen liegen vor. Bei der Betriebsratswahl wurde § 3 Abs. 4 WO verletzt, da das Wahlausschreiben nicht an allen Wahlberechtigten zugänglichen Stellen des Betriebs ausgehängt wurde. Auf diesem Mangel beruht die Wahl, da nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß anders ausgefallen wäre.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WO erlässt der Wahlvorstand spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe ein Wahlausschreiben. Mit Erlass des Wahlausschreibens ist die Betriebsratswahl nach § 3 Abs. 1 Satz 2 WO eingeleitet. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO ist ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Ergänzend kann das Wahlausschreiben mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht werden (§ 3 Abs. 4 Satz 2 WO). Die Bekanntmachung ausschließlich in elektronischer Form ist nach § 3 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 2 Abs. 4 Satz 4 WO nur zulässig, wenn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen können und Vorkehrungen getroffen werden, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können. Wird das Wahlausschreiben gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 WO ergänzend mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht, ist nur der Aushang maßgeblich, weil das Wahlausschreiben nur durch den Aushang wirksam erlassen werden kann, es sei denn, die Bekanntmachung auf elektronischem Wege entspricht den Anforderungen des § 3 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 2 Abs. 4 Satz 4 WO (GK/BetrVG-Kreutz/Oetker 7. Aufl. § 3 WO Rn. 3).

2. Im Streitfall erließ der Wahlvorstand das Wahlausschreiben am 1. März 2002. Das Wahlausschreiben wurde nicht in elektronischer Form nach § 3 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 2 Abs. 4 Satz 4 WO bekannt gemacht, sondern durch Aushang. Zur ordnungsgemäßen Bekanntmachung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO reichte der Aushang lediglich in den Betriebsstätten B und F nicht aus, weil dadurch das Wahlausschreiben denjenigen Wahlberechtigten, die an anderen Orten beschäftigt waren, nicht zugänglich war.

Das Betriebsverfassungsgesetz und die zu seiner Durchführung erlassene Wahlordnung enthalten zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, ob bei Betrieben mit mehreren räumlich von einander getrennten Betriebsstätten in jeder Betriebsstätte ein Abdruck des Wahlausschreibens auszuhängen ist oder ob der Aushang in einer Betriebsstätte oder in mehreren größeren Betriebsstätten genügt. § 3 Abs. 4 Satz 1 WO bestimmt aber, dass das Wahlausschreiben an Stellen ausgehängt wird, die den Wahlberechtigten zugänglich sind. Daraus sowie aus Sinn und Zweck der Regelungen über das Wahlausschreiben und dessen Bekanntmachung ergibt sich, dass grundsätzlich ein Aushang in allen Betriebsstätten erforderlich ist, in denen Wahlberechtigte beschäftigt sind.

Das Wahlausschreiben ist für die Durchführung der Betriebsratswahl von erheblicher Bedeutung. Es enthält die wesentlichen Informationen für die Wahlberechtigten über die anstehende Wahl, zB über Zeit und Ort der Wahl (§ 3 Abs. 2 Nr. 11 WO), über die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder und über die Mindestzahl der auf das Minderheitengeschlecht entfallenden Betriebsratssitze (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 WO), den Ort, an dem die Wählerliste ausliegt (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 WO), die Mindestzahl von Wahlberechtigten, von denen ein Wahlvorschlag unterzeichnet sein muss (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 WO) sowie den Ort, an dem die Wahlvorschläge bis zum Abschluss der Stimmabgabe ausgehängt werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 10 WO). Außerdem werden durch den Aushang des Wahlausschreibens Fristen in Lauf gesetzt, zB die Frist für Einsprüche gegen die Wählerliste (§ 4 Abs. 1 WO) und für die Einreichung von Vorschlagslisten (§ 6 Abs. 1 WO). Über diese Fristen ist in dem Wahlausschreiben ebenfalls zu informieren (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 WO und § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO). Die Angaben in dem Wahlausschreiben sind für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts daher von elementarer Bedeutung. Dem tragen die Bestimmungen in § 3 Abs. 4 WO über die Bekanntmachung des Wahlausschreibens Rechnung. Durch den Aushang an den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen im Betrieb soll es den Wahlberechtigten ermöglicht werden, sich von der Einleitung der Wahl bis zu deren Abschluss über die zur Ausübung ihres Wahlrechts erforderlichen Umstände und die zu beachtenden Vorschriften zu informieren. Diese Möglichkeit muss bei einer demokratischen Wahl für alle Wahlberechtigten gleichermaßen bestehen; ansonsten ist der Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht gewahrt. Das Wahlausschreiben ist daher so auszuhängen, dass es von allen Wahlberechtigten zur Kenntnis genommen werden kann (GK/BetrVG-Kreutz-Oetker 7. Aufl. § 3 WO Rn. 26). Dazu reicht es nicht aus, dass bei einem Betrieb mit 84 Betriebsstätten in ganz Deutschland das Wahlausschreiben nur in zwei Betriebsstätten ausgehängt wird. Dabei kann offen bleiben, ob im Einzelfall bei einem Betrieb mit mehreren Betriebsstätten innerhalb eines Ortes in jeder einzelnen Betriebsstätte ein Abdruck des Wahlausschreibens auszuhängen ist oder ob ein Aushang in der Hauptbetriebsstätte ausreicht. Letzteres käme uU in Betracht, wenn die Arbeitnehmer auch der anderen Betriebsstätten die Hauptbetriebsstätte regelmäßig aufsuchen und deshalb die Möglichkeit haben, das Wahlausschreiben dort zur Kenntnis zu nehmen. Befinden sich die einzelnen Betriebsstätten jedoch wie im Streitfall in 24 Orten, reicht der Aushang in den beiden größten Betriebsstätten nicht aus. Damit können die in den anderen Betriebsstätten beschäftigten Wahlberechtigten von dem Inhalt des Wahlausschreibens nicht oder zumindest nicht in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen. Ihnen ist das Wahlausschreiben nicht zugänglich iSv. § 3 Abs. 4 Satz 1 WO.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war im Streitfall der Aushang in sämtlichen Betriebsstätten nicht deshalb unmöglich, weil der Wahlvorstand nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO verpflichtet war, den Abdruck des Wahlausschreibens bis zum Ende der Wahl in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Die Möglichkeit, dass der Abdruck des Wahlausschreibens in einer Betriebsstätte von Unbefugten entfernt oder verunstaltet werden könnte und der Wahlvorstand ggf. dafür Sorge tragen müsste, dass ein weiterer Abdruck des Wahlausschreibens ausgehängt wird, rechtfertigt es nicht, von vornherein von einem Aushang abzusehen und dadurch einen Teil der Wahlberechtigten an der Ausübung ihres Wahlrechts zu behindern. Der Wahlvorstand hätte vielmehr Vorkehrungen treffen können, um Beschädigungen an den Aushängen vorzubeugen und durch Nachfragen bei Mitarbeitern in den einzelnen Betriebsstätten in Erfahrung bringen können, ob sich der jeweilige Abdruck des Wahlausschreibens noch in ordnungsgemäßem Zustand befand.

Der Umstand, dass der Wahlvorstand die Wahlberechtigten bereits durch die Mitteilung vom 19. Februar 2002 über die wesentlichen Wahltermine informiert hatte und dass das Wahlausschreiben der weiteren Mitteilung des Wahlvorstands vom 11. März 2002 beigefügt war, rechtfertigt schon deshalb keine andere Beurteilung, weil diese Art der Bekanntmachung des Wahlausschreibens in der Wahlordnung nicht vorgesehen ist. Im Übrigen enthielt die Mitteilung vom 19. Februar 2002 nicht alle Angaben, die nach § 3 Abs. 2 WO in dem Wahlausschreiben enthalten sein müssen. Bei der Versendung der Mitteilung vom 11. März 2002 war die zweiwöchige Frist für den Einspruch gegen die Wählerliste und für die Einreichung von Wahlvorschlägen fast abgelaufen. Den Wahlberechtigten, die an diesem Tag erstmals von dem Inhalt des Wahlausschreibens Kenntnis nehmen konnten, standen nur noch vier Tage zur Einreichung von Wahlvorschlägen und für Einsprüche gegen die Wählerliste zur Verfügung. Sie konnten daher insbesondere von ihrem Recht, Wahlvorschläge einzureichen, nicht in gleicher Weise Gebrauch machen wie die in den Betriebsstätten in B und in F beschäftigten Wahlberechtigten.

3. Der Verstoß gegen § 3 Abs. 4 WO führt zur Unwirksamkeit der Wahl, weil durch den Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.

Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (st. Rspr., vgl. BAG 14. September 1988 - 7 ABR 93/87 - BAGE 59, 328 = AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 16 Nr.6, zu B IV 2 der Gründe; 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - BAGE 95, 15 = AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 39, zu B IV 6 a der Gründe). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass Wahlberechtigte, die nicht in den Betriebsstätten in B oder in F beschäftigt waren, bei rechtzeitiger Kenntnis von dem Inhalt des Wahlausschreibens zB selbst eine (gültige) Vorschlagsliste erstellt und eingereicht hätten, was möglicherweise zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätte.

II. Da die Betriebsratswahl wegen der Verletzung von § 3 Abs. 4 WO unwirksam ist, konnte offen bleiben, ob die Wahl noch an anderen wesentlichen Mängeln leidet. Es bedurfte daher insbesondere keiner Entscheidung, ob der Wahlvorstand die Vorschlagsliste "T - Frischer Wind für B - Liste F" zu Recht als ungültig behandelt und nicht zur Wahl zugelassen hat. Dazu hätte es im Übrigen weiterer Sachaufklärung bedurft.

Ende der Entscheidung

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