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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2000
Aktenzeichen: 7 AZR 225/98
Rechtsgebiete: HRG, Europa-Abkommen, EG-Vertrag, GG


Vorschriften:

HRG § 57 b Abs. 3
Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits Art. 37 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 39 Abs. 2
EG-Vertrag Art. 39 Abs. 3
EG-Vertrag Art. 234 Abs. 1 Buchst. b
EG-Vertrag Art. 234 Abs. 3
EG-Vertrag Art. 310
EG-Vertrag Art. 300
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts ruft gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 EG-Vertrag den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung folgender Fragen an:

1. Steht Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens vom 16. Dezember 1991 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Polen der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift - auf polnische Staatsangehörige - entgegen, nach welcher die Stellen von Fremdsprachenlektoren mittels befristeter Arbeitsverträge besetzt werden können, während der Abschluß derartiger Verträge mit sonstigen Lehrkräften für besondere Aufgaben im Einzelfall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein muß?

2. Falls der Gerichtshof die erste Frage bejaht:

Steht Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens der Anwendung der nationalen Rechtsvorschrift auch dann entgegen, wenn der befristete Arbeitsvertrag vor dem Inkrafttreten des Europa-Abkommens abgeschlossen wurde und das vereinbarte Fristende nach dem Inkrafttreten liegt?

Aktenzeichen: 7 AZR 225/98 (A) Bundesarbeitsgericht 7. Senat Beschluß vom 22. März 2000 - 7 AZR 225/98 (A) -

I. Arbeitsgericht Bielefeld - 3 Ca 213/96 - Urteil vom 5. September 1996

II. Landesarbeitsgericht Hamm - 5 Sa 2109/96 - Urteil vom 23. September 1997


7 AZR 225/98 (A) 5 Sa 2109/96

BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS

Verkündet am 22. März 2000

der Geschäftsstelle

In Sachen

beklagtes, berufungsbeklagtes und revisionsklagendes Land,

pp.

Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte,

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Steckhan und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Bea und Wolf beschlossen:

Tenor:

I. Gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 EG-Vertrag wird der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung folgender Fragen angerufen:

1. Steht Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens vom 16. Dezember 1991 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedsstaaten und der Republik Polen der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift - auf polnische Staatsangehörige - entgegen, nach welcher die Stellen von Fremdsprachenlektoren mittels befristeter Arbeitsverträge besetzt werden können, während der Abschluß derartiger Verträge mit sonstigen Lehrkräften für besondere Aufgaben im Einzelfall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein muß?

2. Falls der Gerichtshof die erste Frage bejaht:

Steht Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens der Anwendung der nationalen Rechtsvorschrift auch dann entgegen, wenn der befristete Arbeitsvertrag vor dem Inkrafttreten des Europa-Abkommens abgeschlossen wurde und das vereinbarte Fristende nach dem Inkrafttreten liegt?

II. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften wird die Verhandlung ausgesetzt.

Gründe

A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die 1967 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Im Jahr 1991 schloß sie ihr Germanistikstudium in Lodz mit der Magisterprüfung ab. Seit Mitte 1992 lebt sie in der Bundesrepublik. Mit Vertrag vom 5. Oktober 1992 wurde sie für die Zeit vom 8. Oktober 1992 bis 30. September 1996 als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten (Lehrkraft für besondere Aufgaben im Sinne von § 55 WissHG in der Stellung einer Lektorin) eingestellt. Nach § 2 des Dienstvertrags war dieser befristet, weil die Beschäftigung der Angestellten überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (§ 57 b Abs. 3 HRG). Laut Beschreibung vom 10. September 1992 bestanden die Aufgaben der Klägerin in der Vermittlung der polnischen Sprache im Unterricht im Umfang von bis zu acht Wochenstunden pro Semester, der Bewertung von sprachlichen Leistungen der Studierenden sowie der Vermittlung von Kenntnissen der Kultur Polens. Sprach- oder literaturwissenschaftliche Veranstaltungen durften von der Klägerin nur ausnahmsweise und in geringem Umfang angeboten werden. Nach § 5 des Dienstvertrags fanden auf das Dienstverhältnis verschiedene Vorschriften des BAT sowie die Richtlinien für die Beschäftigung und Vergütung von Lektoren an den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Rd. Erl. des MWF vom 15. April 1985 - I B 4 - 3811 -) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Mit ihrer am 16. Januar 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, § 57 b Abs. 3 HRG in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung (HRG aF) rechtfertige die Befristung nicht. Nachdem der EuGH die Unanwendbarkeit der Bestimmung auf die Angehörigen der EU-Länder festgestellt habe, müsse § 57 b Abs. 3 HRG aF verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß allein die Beschäftigung als Fremdsprachenlektor auch bei den Angehörigen von Drittstaaten keinen Sachgrund für eine Befristung darstelle.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch seine Befristung auf den 30. September 1996 nicht geendet hat,

2. das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Lehrkraft für besondere Aufgaben (Lektorin) zu sonst unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei bereits nach § 57 b Abs. 3 HRG aF sachlich gerechtfertigt. Diese Bestimmung sei auf Arbeitsverträge mit Fremdsprachenlektoren aus Drittstaaten anwendbar geblieben. Außerdem habe die Befristung der allgemeinen Aus-, Fort- und Weiterbildung der Klägerin gedient.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des klagabweisenden arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

B. Die Verhandlung des Rechtsstreits ist nach § 148 ZPO auszusetzen. Der Senat kann die Sache noch nicht entscheiden. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nämlich davon ab, ob das Diskriminierungsverbot in Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits (Europa-Abkommen) der Anwendung des § 57 b Abs. 3 HRG in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung (HRG aF) der mit einer polnischen Lektorin vereinbarten Befristung des Arbeitsvertrags entgegensteht. Diese gemeinschaftsrechtliche Frage ist dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dazu ist der Senat nach Art. 234 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 (vormals: Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3) EG-Vertrag verpflichtet. Denn die gemeinschaftsrechtliche Frage ist entscheidungserheblich und war noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist auch nicht derart offenkundig, daß für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (EuGH 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - Slg. 1982, 3415, 3430, 3431 Rn. 21).

I. Im Streitfall stellt sich die Frage, ob Art. 37 Abs. 1 des am 16. Dezember 1991 von der Bundesrepublik unterzeichneten, am 1. Februar 1994 in Kraft getretenen Europa-Abkommens (s. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1993 Nr. L 348 S 2 ff.; BGBl. 1993, II, S 1316; BGBl. 1994, II, S 804) der Anwendung des § 57 b Abs. 3 HRG aF auf den am 5. Oktober 1992 zwischen dem beklagten Land und der polnischen Klägerin geschlossenen, zum 30. September 1996 befristeten Lektorenvertrag entgegensteht.

1. § 57 b Abs. 3 HRG aF sah vor, daß ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einer fremdsprachlichen Lehrkraft für besondere Aufgaben rechtfertigt, auch vorliegt, wenn die Beschäftigung überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (Lektor).

2. Nach der Rechtsprechung des EuGH (20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17) und der sich daran anschließenden ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - AP HRG § 57 b Nr. 15 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 14 mwN) steht der Anwendung des § 57 b Abs. 3 HRG aF auf befristete Arbeitsverträge von Fremdsprachenlektoren aus den EU-Ländern das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 (vormals: 48 Abs. 2) EG-Vertrag entgegen.

3. Ein ähnliches Diskriminierungsverbot enthält das Europa-Abkommen. Dieses sieht unter dem "Titel IV Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht, Dienstleistungsverkehr" im "Kapitel I Freizügigkeit der Arbeitnehmer" in Art. 37 ua. folgendes vor:

"(1) Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedsstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten

-

wird den Arbeitnehmern polnischer Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt;"

4. Da die Bestimmungen eines von der Gemeinschaft nach Art. 300 und 310 (vormals: 228 und 238) EG-Vertrag geschlossenen Abkommens von dessen Inkrafttreten an einen integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung bilden (EuGH 30. September 1987 - Rs. 12/86 - Demirel - Slg. 1987, 3719 Rn. 7), ist die Auslegung eines solchen Abkommens nicht Sache der einzelstaatlichen Gerichte, sondern fällt in den Anwendungsbereich des Art. 234 (vormals: 177) EG-Vertrag (EuGH 20. September 1990 - Rs. C-192/89 - Sevince - Slg. 1990, I - 3461, 3500, 3501 Rn. 8, 10). Das Europa-Abkommen ist ein Abkommen iSv. Art. 310 EG-Vertrag. Ob sein Art. 37 Abs. 1 dieselbe Wirkung entfaltet wie Art. 39 Abs. 2 (vormals: 48 Abs. 2) EG-Vertrag, erscheint zweifelhaft. Die Frage hängt von der Auslegung der Bestimmung ab.

5. Der EuGH hat diese Auslegung bisher nicht vorgenommen. Die richtige Auslegung ist nicht derart offenkundig, daß für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bliebe. Hiervon kann ein nationales Gericht nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten und den EuGH die gleiche Gewißheit bestünde. Das ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen (EuGH 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - Slg. 1982, 3415, 3430, 3431 Rn. 16, 21). Eine diesen Anforderungen genügende Überzeugung hat der Senat zur Frage der unmittelbaren und unbedingten Anwendbarkeit des Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens nicht gewonnen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Gegenstand und die Natur des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Akts abhängen (EuGH 4. Mai 1999 - Rs. C-262/96 - Sema Sürül - EAS EG-Vertrag Art. 238 Nr. 21 Rn. 60 mwN).

b) Der EuGH hat ferner entschieden, daß eine Formulierung der vorliegenden Art, nach der ein Mitgliedsstaat eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Angehörigen bewirkt, hinreichend klar und eindeutig ist, um unmittelbare Wirkung zu entfalten (EuGH 2. März 1999 - Rs. C-416/96 - El-Yassini - EAS EG-Vertrag Art. 238 Nr. 20 Rn. 9, 25, 27, 32 zu Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens EWG-Marokko).

c) Schließlich ist auch davon auszugehen, daß zu den "Arbeitsbedingungen" auch Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen gehören (EuGH 20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17; ferner bereits EuGH 30. Mai 1989 - Rs. C-33/88 - Allue I - Slg. 1989, 1591 und 2. August 1993 - Rs. C-259, 331 und 332/91 - Allue II - JZ 1994, 94 ff.).

d) Die Klägerin könnte sich im Falle der unmittelbaren und unbedingten Anwendbarkeit des Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens jedenfalls gegenüber dem beklagten Land auf das Diskriminierungsverbot berufen. Die unmittelbare Wirkung erfaßt alle Träger der Verwaltung und gilt gegenüber sämtlichen Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH 22. Juni 1989 - Rs. C-103/88 - Fratelli Costanzo - Slg. 1989, 1839, 1870, 1871 Rn. 30 - 32; EuGH 12. Juli 1990 - Rs. C-188/89 - Foster - Slg. 1990, I - 3313, 3348, 3349 Rn. 18, 20). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Staat als Hoheitsträger oder als Arbeitgeber handelt (EuGH 12. Juli 1990 - Rs. C-188/89 - Foster - Slg. 1990, I - 3313, 3348, 3349 Rn. 17).

e) Die unmittelbare und unbedingte Wirkung des Diskriminierungsverbots erscheint zweifelhaft, weil nach Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens die den Arbeitnehmern polnischer Staatsangehörigkeit zu gewährende Gleichbehandlung vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedsstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten erfolgt. Anders als bei der Bestimmung des Art. 39 Abs. 3 (vormals: Art. 48 Abs. 3) EG-Vertrag handelt es sich hierbei nicht nur um einen auf das Einreise- und Aufenthaltsrecht bezogenen sowie auf Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit beschränkten, sondern um einen generellen Vorbehalt nationaler Bestimmungen. Zu diesen in Deutschland geltenden Bedingungen und Modalitäten könnte auch die Regelung des § 57 b Abs. 3 HRG aF gehören. Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Durch eine solche Auslegung liefe nämlich das Diskriminierungsverbot des Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens weitgehend leer. Dementsprechend wird auch die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet (vgl. etwa Weiß, Die Personenverkehrsfreiheiten von Staatsangehörigen assoziierter Staaten in der EU, 1998, S 93; ders., InfAuslR 1998, 313, 315; Streinz in: Walter Tokarski (Hrsg.) EU-Recht und Sport, 1998, S 39; Weber, Der assoziationsrechtliche Status Drittstaatsangehöriger in der Europäischen Union, 1997, S 43; Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61, 64; Gutmann, SpuRt 1997, 38, 39, 40; S. Peers, Common Market Law Review 1996, 7, 29; L. Nyssen / X. Denoel, Revue du Marché Unique Européen 1996, 119, 124, 125; Cremona, LIEI 1995, 87, 112; vgl. auch LG Frankfurt 25. November 1997, SpuRt 1998, 78, 79).

II. Die Frage der unmittelbaren und unbedingten Anwendbarkeit des Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens ist entscheidungserheblich. Eine abschließende Sachentscheidung aus anderen Erwägungen ist nicht möglich.

1. Die Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage kann nicht mit der Erwägung verneint werden, das Europa-Abkommen sei im Streitfall deshalb nicht anwendbar, weil es bei Abschluß des vorliegenden Arbeitsvertrags noch nicht in Kraft getreten war. Die Frage, ob das Benachteiligungsverbot des Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens im Falle seiner unmittelbaren, unbedingten Anwendbarkeit nur die nach seinem Inkrafttreten abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit polnischen Fremdsprachenlektoren erfassen würde oder auch die bei seinem Inkrafttreten bereits laufenden, hängt ebenfalls von einer Auslegung des Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens ab. Auch diese Frage läßt sich nicht in einer Weise beantworten, die keinen Raum für vernünftige Zweifel ließe. Sie wird daher dem EuGH als zweite Vorlagefrage für den Fall vorgelegt, daß der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens stehe trotz des Vorbehalts der Anwendung des § 57 b Abs. 3 HRG aF auf die befristeten Arbeitsverträge polnischer Lektoren entgegen.

2. Mit den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich die Erheblichkeit der Vorlagefragen nicht verneinen. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Praxis des beklagten Landes, sich gegenüber den nicht durch Art. 48 Abs. 2 (jetzt: 39 Abs. 2) EG-Vertrag geschützten Lektoren weiterhin auf § 57 b Abs. 3 HRG aF zu berufen, verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht entsprochen werden. Wenn das beklagte Land die Rechtsprechung des EuGH (20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17) und des Senats (zuletzt 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - AP HRG § 57 b Nr. 15 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 14 mwN) respektiert und sich gegenüber EU-Angehörigen nicht mehr auf § 57 b Abs. 3 HRG aF beruft, so bedeutet dies nicht, daß es gegenüber der polnischen Klägerin aus Gründen der Gleichbehandlung eine wirksame Befristung nicht mehr geltend machen dürfte. Vielmehr rechtfertigen unterschiedliche Rechtspositionen eine unterschiedliche Behandlung (BAG 1. Dezember 1999 - 7 AZR 236/98 - zVv. zu III 2 der Gründe).

3. Der Klage kann auch nicht mit der Begründung entsprochen werden, § 57 b Abs. 3 HRG aF finde nach seiner durch Nr. 47 b des Vierten Gesetzes zur Änderung des HRG vom 20. August 1998 (BGBl. 1998, I, S 2196) erfolgten Neufassung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung mehr. Aus den allgemeinen Grundsätzen über die zeitliche Geltung von Gesetzen (vgl. insbesondere Art. 170, 171 EGBGB), auf die mangels einer hinreichend eindeutigen gesetzlichen Übergangsregelung zurückzugreifen ist, folgt nämlich, daß § 57 b Abs. 3 HRG aF jedenfalls auf die Lektorenverträge mit Angehörigen von Drittstaaten anwendbar blieb, deren Fristende vor dem 24. August 1998 lag.

4. § 57 b Abs. 3 HRG aF war nicht verfassungswidrig.

a) Die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 9 Abs. 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt (BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - AP HRG § 57 a Nr. 2 zu C II 2 f der Gründe).

b) § 57 b Abs. 3 HRG aF war auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

aa) Die mit der zusätzlichen gesetzlichen Befristungsmöglichkeit verbundene Benachteiligung der Lektoren gegenüber den übrigen Lehrkräften für besondere Aufgaben verstieß nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Das vom Gesetzgeber mit § 57 b Abs. 3 HRG aF verfolgte Regelungsziel bestand darin, einen aktualitätsbezogenen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen zu sichern (vgl. BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - AP HRG § 57 a Nr. 2 zu C II 2 f der Gründe). Um dieses Ziel zu erreichen, erachtete er die Befristung der Arbeitsverhältnisse mit Lektoren als geeignetes und erforderliches Mittel. Dies beruhte auf der Annahme, es bestehe typischerweise die Gefahr, daß Lektoren, die in der Regel Unterricht in ihrer Muttersprache erteilen, nach einem längeren Aufenthalt in Deutschland den Aktualitätsbezug zu ihrer Sprache verlieren. Der EuGH (20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17) und ihm folgend der Senat (zuletzt 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - AP HRG § 57 b Nr. 15 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 14 mwN) haben diese generalisierende Einschätzung nicht geteilt. Die Beurteilung war jedoch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums zumindest vertretbar. Unter Beachtung des dem Gesetzgeber ferner zustehenden Wertungs- und Gestaltungsspielraums durfte er auch versuchen, einer solchen Gefahr durch die Möglichkeit der allein auf die Lektorentätigkeit gestützten Befristung der Arbeitsverhältnisse zu begegnen.

bb) Auch die aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 20. Oktober 1993 (- Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17) eingetretene Benachteiligung von Lektoren aus Drittstaaten gegenüber denjenigen aus den EU-Ländern verletzte nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie war bereits deshalb zulässig, weil der Bundesgesetzgeber gegenüber den Angehörigen der EU-Staaten weitergehende Verpflichtungen hat als gegenüber denjenigen von Drittstaaten. Darüber hinaus war es sachlich vertretbar, generalisierend davon auszugehen, daß die eine zeitweilige Aufrechterhaltung des Aktualitätsbezugs zur Muttersprache erleichternden Kommunikationsmöglichkeiten jedenfalls bisher innerhalb der durch Freizügigkeit gekennzeichneten europäischen Gemeinschaft eher gewährleistet waren als mit Drittstaaten. Auf die äußerst umstrittene Frage, ob Art. 3 Abs. 1 GG überhaupt anwendbar ist, wenn eine Norm des bundesdeutschen Gesetzgebers aufgrund einer Entscheidung des EuGH nur noch die Angehörigen von Drittstaaten sowie Deutsche betrifft, kommt es daher nicht an (vgl. dazu etwa VGH Mannheim NJW 1996, 72, 74; Epinay, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S 419 ff. mit zahlreichen Nachweisen; offengelassen in BGH NJW 1990, 108 f.; BVerfG NJW 1990, 1033).

5. Die dem EuGH vorzulegenden Fragen sind schließlich auch nicht etwa deshalb entscheidungsunerheblich, weil die Befristung aus einem anderen Sachgrund gerechtfertigt wäre. Das beklagte Land kann sich insbesondere nicht auf den Sachgrund der allgemeinen Weiterqualifizierung berufen. Die Tätigkeit eines Lektors ist ihrem Inhalt und ihrer Stellung nach im Hochschulbereich nur ausnahmsweise geeignet, weitere Qualifikationen zu vermitteln, die über eine allgemeine mit derartigen Tätigkeiten grundsätzlich verbundene Fort- und Weiterbildung hinausgehen. Eine allgemeine Fort- und Weiterbildung, die zwangsläufig mit jeder mehrjährigen Berufsausübung einhergeht, kann aber nach der Rechtsprechung des Senats eine Befristung nicht rechtfertigen (BAG 12. Februar 1997 - 7 AZR 133/96 - AP HRG § 57 b Nr. 13 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 11 zu II 3 der Gründe; BAG 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - AP HRG § 57 b Nr. 15 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 14 zu B II 3 der Gründe). Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwieweit die nach dem Arbeitsvertrag von der Klägerin geschuldete Dienstleistung ihrer Aus-, Fort- und Weiterbildung gedient haben soll. Nach der Aufgabenbeschreibung bestanden die Aufgaben der Klägerin im wesentlichen im Sprachunterricht, der Bewertung von sprachlichen Leistungen der Studierenden, sowie der Vermittlung von Kenntnissen der Kultur. Sprach- und literaturwissenschaftliche Veranstaltungen, die möglicherweise auch der Aus-, Fort- und Weiterbildung hätten dienen können, sollten dagegen gerade nur ausnahmsweise und in geringem Umfang angeboten werden dürfen.

C. Bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH war die Verhandlung auszusetzen (§ 148 ZPO).

Ende der Entscheidung

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