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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 29.09.1999
Aktenzeichen: 7 AZR 265/98
Rechtsgebiete: Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein


Vorschriften:

Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein § 77 Abs. 4
Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein § 38 Abs. 1
Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein § 38 Abs. 4
Leitsätze:

Die Vorschrift des § 77 Abs. 4 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein, nach der sich befristete Arbeitsverhältnisse von Personalratsmitgliedern im Hochschulbereich für eine gewisse Dauer verlängern, gilt nicht für Ersatzmitglieder.

Aktenzeichen: 7 AZR 265/98 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 29. September 1999 - 7 AZR 265/98 -

I. Arbeitsgericht Kiel - 2 Ca 1112c/97 - Urteil vom 2. Mai 1997

II. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein - 5 Sa 408/97 - Urteil vom 22. Januar 1998


BUNDESARBEITSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

7 AZR 265/98 5 Sa 408/97

Verkündet am 29. September 1999

Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,

pp.

beklagte, berufungsbeklagte und revisionsbeklagte Land,

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 29. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Steckhan, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt sowie die ehrenamtlichen Richter Niehues und Hökenschnieder für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. Januar 1998 - 5 Sa 408/97 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, das zwischen ihnen bestanden hat.

Der Kläger war seit dem 1. August 1994 am Historischen Seminar der Universität K als wissenschaftlicher Angestellter beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst der Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1994, der gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG bis zum 31. Juli 1996 befristet war. Auf Vorschlag der Seminarleitung vom 13. Juni 1996 wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich bis zum 31. Juli 1997 verlängert.

Der Kläger war Ersatzmitglied des Personalrats und hat nach seiner Darstellung im Laufe des Jahres 1995 in 17 und im Jahre 1996 in 23 Fällen ein ordentliches Mitglied des Personalrats vertreten. Er hat daher geltend gemacht, gemäß § 77 Abs. 4 des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig-Holstein (MBG) habe sein Arbeitsverhältnis nicht bereits am 31. Juli 1997, sondern erst am 31. Juli 1998 geendet.

Mit seiner am 8. April 1997 eingereichten Klage hat der Kläger beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht am 31. Juli 1997 beendet wird, sondern bis zum Ablauf des 31. Juli 1998 fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, § 77 Abs. 4 MBG gelte nur für ordentliche Personalratsmitglieder, nicht aber auch für Ersatzmitglieder, selbst wenn diese häufig vertretungsweise für Personalratstätigkeit herangezogen wurden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Juli 1997 geendet hat und eine Verlängerung bis zum 31. Juli 1998 aufgrund des § 77 Abs. 4 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (MBG) nicht eingetreten ist.

I. Gemäß § 77 Abs. 4 MBG bleiben für die Mitglieder von Personalräten im Hochschulbereich, deren Arbeitsverhältnisse befristet sind, die Arbeitsverhältnisse unbeschadet der vereinbarten Befristung für die Dauer bestehen, für die ein Kündigungsschutz in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 38 Abs. 1 MBG bestanden hätte, höchstens jedoch für die Dauer eines Jahres. Für Ersatzmitglieder des Personalrats enthält § 77 Abs. 4 MBG keine ausdrückliche Regelung. Nach § 38 Abs. 1 MBG gelten für Mitglieder des Personalrats, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, die §§ 15 und 16 des Kündigungsschutzgesetzes entsprechend. Dieser Kündigungsschutz gilt auch für ein ehemaliges Personalratsmitglied für die Dauer von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden. In § 38 Abs. 4 MBG ist bestimmt, daß die Absätze 1 bis 3 des § 38 MBG entsprechend für Ersatzmitglieder gelten, wenn sie mindestens dreimal zur Vertretung herangezogen worden sind.

II. Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang dieser Regelung den Schluß gezogen, daß § 77 Abs. 4 MBG für Ersatzmitglieder nicht gilt. Diese Auslegung ist rechtsfehlerfrei.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das MBG sprachlich zwischen Mitgliedern des Personalrats und Ersatzmitgliedern unterscheidet. Dies ergibt sich aus § 38 MBG, in dem der besondere Kündigungsschutz für Personalratsmitglieder in Absatz 1 und für Ersatzmitglieder in Absatz 4 getrennt geregelt ist. Demgegenüber trifft § 77 Abs. 4 MBG eine Regelung nur für die "Mitglieder" von Personalräten. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung auch für Ersatzmitglieder in § 77 Abs. 4 MBG spricht mithin dafür, daß eine Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse bei Ersatzmitgliedern nicht eintreten sollte.

2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht hervorgehoben, daß § 77 Abs. 4 MBG gerade nur auf § 38 Abs. 1 MBG, nicht aber auch auf § 38 Abs. 4 MBG verweist. Dabei handelt es sich nicht um ein Versehen des Gesetzgebers. Hätte der Gesetzgeber die Geltung des § 77 Abs. 4 MBG auch für Ersatzmitglieder gewollt, so hätte es gerade angesichts der in den Absätzen 1 und 4 des § 38 MBG getroffenen Unterscheidung nahegelegen, in § 77 Abs. 4 auch auf § 38 Abs. 4 MBG zu verweisen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß es sich bei § 77 Abs. 4 MBG um eine Ausnahmevorschrift handelt, die über den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 15 und 16 des Kündigungsschutzgesetzes hinausgeht und gerade nur für den Hochschulbereich gilt. Ausnahmevorschriften sind im Zweifel eng auszulegen. Deshalb hat das Landesarbeitsgericht auch richtig gesehen, daß aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum nachwirkenden Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder des Betriebs- bzw. Personalrats (vgl. zB BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7) für die Auslegung des § 77 Abs. 4 MBG nichts hergeleitet werden kann. Denn zum einen sind Kündigungsschutz und Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses miteinander nicht vergleichbar. Vor allem aber betrifft § 77 Abs. 4 MBG nur den Hochschulbereich, so daß diese Regelung nicht auf allgemeinen Erwägungen des Gesetzgebers über die Schutzbedürftigkeit von Personalratsmitgliedern, sondern nur auf Besonderheiten gerade des Hochschulbereichs beruhen kann.

4. Die Richtigkeit der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des § 77 Abs. 4 MBG wird schließlich auch durch den Zweck dieser Regelung bestätigt. Der Gesetzgeber hat die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge von Personalratsmitgliedern nur für den Hochschulbereich vorgesehen. Für Personalratsmitglieder anderer Bereiche des öffentlichen Dienstes hat er eine derartige Regelung nicht getroffen. Entgegen der Ansicht der Revision war also das Schutzbedürfnis auch von in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigen Personalratsmitgliedern für den Gesetzgeber nicht maßgeblich. Vielmehr hat er gerade im Hochschulbereich ein besonderes Bedürfnis für die Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse gesehen.

Eine derartige Besonderheit des Hochschulbereichs, die für eine Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages aufgrund der Mitgliedschaft im Personalrat spricht, liegt darin, daß der Hochschulmitarbeiter während der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags Aufgaben zu erfüllen hat, die insbesondere der akademischen Weiterbildung des Mitarbeiters bzw. der Förderung eines bestimmten Projekts dienen. Auf diese Aufgaben ist die vereinbarte Befristungsdauer abgestellt. Die zusätzliche Belastung des Mitarbeiters durch Personalratstätigkeit kann deren Erfüllung beeinträchtigen, so daß es ab einem bestimmten Umfang dieser Beeinträchtigung geboten erscheint, die Befristungsdauer angemessen zu verlängern.

Ab welchem Grad der Beeinträchtigung und in welchem Umfang der Gesetzgeber einen Ausgleich für geboten hält, unterliegt seiner Einschätzungsprärogative. Er kann deshalb zwischen ordentlichen Personalratsmitgliedern und Ersatzmitgliedern differenzieren, selbst wenn letztere häufig zur Vertretung eines ordentlichen Mitglieds herangezogen werden. Denn auch dann besteht zumindest solange ein wesentlicher Unterschied im Grad der Arbeitsbelastung, bis das Ersatzmitglied endgültig nachrückt und die vollen Pflichten eines ordentlichen Personalratsmitglieds erfüllen muß.

III. Da mithin § 77 Abs. 4 MBG auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift mit der abschließenden bundesrechtlichen Regelung des § 57 c Abs. 6 HRG vereinbar ist (vgl. BAG 14. Februar 1996 - 7 AZR 613/95 - BAGE 82, 173).

Ende der Entscheidung

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