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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 7 AZR 32/04
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
TzBfG § 17 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

7 AZR 32/04

Verkündet am 25. August 2004

In Sachen

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl, den Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Hökenschnieder und Hoffmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 3. November 2003 - 11 Sa 2022/02 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages vom 16. November 2001.

Die Klägerin war von Juli 1995 bis Ende Dezember 2001 auf Grund von acht befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte bei der Staatsanwaltschaft Bochum des beklagten Landes tätig. Die Parteien vereinbarten die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT).

Mit Vertrag vom 16. November 2001 vereinbarten die Parteien ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002, nachdem der Personalrat dem Antrag des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 26. Oktober 2001 auf Zustimmung zur Vertragsverlängerung am 15. November 2001 zugestimmt hatte. In diesem Vertrag war als Grund der Befristung die Vertretung für die Zeit des Sonderurlaubs der Justizangestellten S gem. § 50 Abs. 1 BAT genannt. Ihr war bis zum 31. Dezember 2002 Sonderurlaub erteilt worden. Die Klägerin erledigte vom 1. Januar 2002 bis zum 2. Juni 2002 Kanzleiarbeiten in aushilfsweiser Unterstützung der Geschäftsstelle und arbeitete vom 3. Juni bis zum 31. Dezember 2002 als Servicekraft (Springerin). Darüber hinaus erledigte sie die Aktenverwaltung sowie Schreibarbeiten. Die Justizangestellte S war während ihrer Tätigkeit mit Kanzleiarbeiten beauftragt.

Nachdem die Klägerin mit ihrer am 2. September 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags vom 16. November 2001 geltend gemacht hatte, schlossen die Parteien am 25. November 2002 einen weiteren befristeten Vertrag für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 ebenfalls zur Vertretung der Angestellten S .

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Befristung vom 16. November 2001 habe der Sachgrund der Vertretung nicht vorgelegen. Es habe kein Kausalzusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und dem zeitweiligen Ausfall der Justizangestellten S bestanden. Darüber hinaus sei die vereinbarte Befristung wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf Grund der Befristung nicht am 31. Dezember 2002 beendet sein wird

und hilfsweise,

das beklagte Land zu verurteilen, mit der Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Justizangestellte abzuschließen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass das mit Vertrag vom 16. November 2001 begründete Arbeitsverhältnis nicht auf Grund Befristung mit dem 31. Dezember 2002 geendet hat. Allerdings ist die Befristungsabrede schon deshalb unwirksam, weil es hierfür an einem Sachgrund fehlt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG angenommen und die Klageabweisung nur auf eine fehlerhafte Personalratsanhörung gestützt.

I. Mit ihrer am 2. September 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG eingehalten. Die Klage nach § 17 TzBfG kann schon vor Ablauf der vereinbarten Befristung erhoben werden (BAG 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen <zVv.>, zu I der Gründe).

II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Befristung im Arbeitsvertrag vom 16. November 2001 der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, obwohl die Parteien am 25. November 2002 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision sind unbegründet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen regelmäßig nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre Rechtfertigung zu prüfen. Durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend sein soll. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben (6. August 2003 - 7 AZR 33/03 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 253 = EzA BGB 2002 § 620 Hochschulen Nr. 1, zu I 1 der Gründe; 26. Juli 2000 - 7 AZR 43/99 - AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 26 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 18, zu B I 1 der Gründe). Die Parteien können allerdings in einem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristungen prüfen zu lassen. Dann ist die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch für den davor liegenden Vertrag eröffnet (BAG 5. Juni 2002 - 7 AZR 205/01 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 236 = EzA BGB § 620 Nr. 195, zu I 2 c der Gründe). Dieser Vorbehalt kann auch konkludent vereinbart werden.

2. Bei Abschluss des Folgevertrags haben die Parteien keinen ausdrücklichen Vorbehalt erklärt. Es ist aber ein konkludenter Vorbehalt anzunehmen. Schließen die Parteien nach Rechtshängigkeit einer Entfristungsklage gem. § 17 TzBfG weitere befristete Verträge ohne ausdrücklichen Vorbehalt, darf der Arbeitnehmer dem Arbeitsvertragsangebot des Arbeitgebers den zusätzlichen Inhalt entnehmen, dieser Vertrag solle nur dann das Arbeitsverhältnis der Parteien regeln, wenn nicht bereits der der gerichtlichen Kontrolle übergebene Arbeitsvertrag maßgeblich für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist. Etwas anderes muss der Arbeitnehmer dem Angebot des Arbeitgebers nur entnehmen, wenn dieses Hinweise für die ansonsten regelmäßig eintretende Rechtsfolge der Aufhebung des vorangegangenen Vertrags enthält. Gibt es sie nicht, nimmt der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt an, der Vertrag solle nur maßgeblich sein, wenn nicht bereits auf Grund einer vorherigen unwirksamen Befristung ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit bestehe (BAG 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, zVv., zu II 2 der Gründe). So verhält es sich im Streitfall. Das Angebot des beklagten Landes vom 25. November 2002 auf Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags enthält keinen Hinweis darauf, dass das Arbeitsverhältnis auf eine vollständig neue Grundlage gestellt werden solle und deshalb ein gegebenenfalls zuvor bestehendes unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgelöst werde.

III. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, für die Befristung des Vertrags vom 16. November 2001 sei der Sachgrund der Vertretung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG gegeben.

Zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass nur eine mittelbare Vertretung in Betracht kommt. Denn die Klägerin sollte nach dem Vortrag des beklagten Landes nicht die Arbeitsaufgaben der Angestellten S übernehmen.

Das Landesarbeitsgericht hat eine mittelbare Vertretung mit der Begründung bejaht, der notwendige ursächliche Zusammenhang zwischen dem Ausfall der Angestellten S und der Beschäftigung der Klägerin sei gegeben. Denn es sei dem beklagten Land wegen der gleichen Qualifikationen der Klägerin und der Angestellten S tatsächlich und rechtlich möglich gewesen, die zu vertretende Frau S in den von der Klägerin wahrgenommenen Arbeitsbereich umzusetzen.

1. Ein der Vertreter kann mit anderen Aufgaben als den Aufgaben des Vertretenen beauftragt werden. Denn die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt (BAG 20. Januar 1999 - 7 AZR 640/97 - BAGE 90, 335 = AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 138 = EzA BGB § 620 Nr. 160, zu II 1 c der Gründe). Der Arbeitgeber kann bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers darüber bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will, ob er im Wege der Umverteilung die vom zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgaben anderen Mitarbeitern zuweist oder ob er dessen Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen lässt (BAG 21. Februar 2001 - 7 AZR 107/00 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 228 = EzA BGB § 620 Nr. 176, zu 3 der Gründe). Der zeitweilige Ausfall eines Arbeitnehmers und die dadurch bedingte Einstellung einer Ersatzkraft können auch eine Umorganisation erfordern, die dazu führt, dass ein völlig neuer Arbeitsplan erstellt wird, in dem die Aufgaben des zeitweilig ausgefallenen Mitarbeiters einem dritten Mitarbeiter übertragen werden, dieser für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung steht und für diese anderen Aufgaben nunmehr eine Vertretungskraft eingestellt wird. Notwendig ist nur, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall von Stammarbeitnehmern und der befristeten Einstellung von Aushilfsarbeitnehmern ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BAG 21. März 1990 - 7 AZR 286/89 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 135 = EzA BGB § 620 Nr. 106, zu III 1 c aa der Gründe). Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist (BAG 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, zVv., zu III 1 der Gründe; 21. Februar 2001 - 7 AZR 107/00 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 228 = EzA BGB § 620 Nr. 176, zu 3 der Gründe mwN).

2. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, kann dieser Kausalzusammenhang im Streitfall nicht festgestellt werden. Das beklagte Land beruft sich ausschließlich auf die fachliche Austauschbarkeit der Klägerin mit der Justizangestellten S . Allein eine solche Austauschbarkeit der Arbeitnehmer ist nicht ausreichend. Der notwendige ursächliche Zusammenhang wird dadurch nicht hergestellt. Vielmehr ist eine konkrete Darlegung erforderlich, wie die Arbeit umorganisiert worden ist oder hätte umorganisiert werden können, um die Aushilfskraft zumindest mittelbar noch als Vertreterin der zu vertretenden Arbeitnehmerin ansehen zu können (vgl. BAG 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - EzA TzBfG § 14 Nr. 9 = DB 2004, 1434, zVv., zu III 1 der Gründe).

3. Soweit sich das beklagte Land ergänzend darauf berufen hat, wegen der Planstellenknappheit sei es unerlässlich, jeden weiteren zeitweiligen Ausfall eines angestellten Mitarbeiters bei der Staatsanwaltschaft Bochum durch eine Vertretungskraft zu ersetzen, stellt dies ebenso wenig den ursächlichen Zusammenhang her. Es reicht für den Sachgrund der Vertretung nicht aus, dass der Arbeitgeber den vorübergehenden Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass nimmt, zeitweilig frei werdende Mittel dazu zu verwenden, andere Aufgaben durch den befristet eingestellten Arbeitnehmer erledigen zu lassen, ohne dass diese wenigstens in einer mittelbaren Beziehung zu den Arbeitsaufgaben des zeitweilig ausgefallenen Mitarbeiters stehen (BAG 17. April 2002 - 7 AZR 665/00 - BAGE 101, 84 = AP BAT § 2 SR 2y Nr. 21 = EzA BGB § 620 Nr. 194, zu II 1 der Gründe). Das Vorbringen enthält auch keine ausreichenden Tatsachen für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG.

IV. Da die Befristung wegen fehlendem sachlichen Grund rechtsunwirksam ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob das beklagte Land das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW verletzt hat.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



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