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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.11.1998
Aktenzeichen: 9 AZR 507/97
Rechtsgebiete: Rahmentarifvertrag f. d. gew. Arbeitnehmer Betonindustrie


Vorschriften:

Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 § 13
Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 § 20
Leitsatz:

In § 13 IV des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 haben die Tarifvertragsparteien nicht für jeden Urlaubstag einen Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld eingeräumt. Hat der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor seinem ordnungsgemäßen Ausscheiden aus dem Betrieb "genommen", obwohl zwingende betriebliche Gründe nicht entgegenstanden, so soll der Arbeitgeber nicht verpflichtet sein, ein zusätzliches Urlaubsgeld zu zahlen.

Aktenzeichen: 9 AZR 507/97 Bundesarbeitsgericht 9. Senat Urteil vom 17. November 1998 - 9 AZR 507/97 -

I. Arbeitsgericht Düsseldorf - 6 Ca 698/96 - Urteil vom 11. März 1997

II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 13 (12) Sa 634/97 - Urteil vom 24. Juli 1997


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Zusätzliches Urlaubsgeld im Betonsteingewerbe

Gesetz: Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 §§ 13, 20

9 AZR 507/97 13 (12) Sa 634/97 Düsseldorf

Im Namen des Volkes! Urteil

Verkündet am 17. November 1998

Brüne, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. November 1998 durch den Richter Düwell als Vorsitzenden, die Richterin Reinecke und den Richter Dr. Friedrich sowie die ehrenamtlichen Richter Jungermann und Dr. Klosterkemper für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. Juli 1997 - 13 (12) Sa 634/97 - aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. März 1997 - 6 Ca 698/96 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld hat.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen für Fertigteilbau, seit Juni 1986 als Meister beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Betriebsstillegung zum 30. September 1995. Der Kläger war vom 17. Juli 1995 an bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ununterbrochen arbeitsunfähig krank. Beide Parteien sind tarifgebunden. Der stillgelegte Betrieb fiel unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 (RTV). Dort ist u.a. geregelt:

"§ 13

Urlaub

I. Urlaubsanspruch

1. Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Jahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Lohnes. Während des Urlaubs darf keine dem Urlaubszweck widersprechende Tätigkeit ausgeübt werden.

...

5. Im Einstellungs- bzw. Austrittsjahr erhält der Arbeitnehmer 1/12 des Jahresurlaubs für jeden Beschäftigungsmonat.

...

13. Eine Abgeltung des Urlaubes ist nicht statthaft. Dieses gilt nicht, wenn der Urlaub einem Arbeitnehmer vor seinem ordnungsgemäßen Ausscheiden aus dem Betrieb aus zwingenden betrieblichen Gründen nicht gewährt werden kann. Ein beim Ausscheiden aus dem Betrieb fälliger Urlaubsanspruch ist möglichst während der Kündigungszeit zu erfüllen. Ausscheidenden Arbeitnehmern ist eine Bescheinigung darüber auszuhändigen, ob und in welchem Umfang ihnen im laufenden Kalenderjahr Urlaub gewährt worden ist.

...

II. Urlaubsdauer

1. Der Jahresurlaub beträgt 30 Arbeitstage.

2. Für den Urlaubsanspruch gelten als Arbeitstage die Werktage von Montag bis Freitag.

3. Arbeitnehmer, die unter das Schwerbehindertengesetz fallen, erhalten zu dem in Ziffer 1 festgelegten Urlaub den gesetzlichen Zusatzurlaub.

IV. Zusätzliches Urlaubsgeld

1. Nach einer einjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld für den nach Ablauf der einjährigen Frist genommenen und auf die Zeit nach dieser Frist entfallenden Urlaub.

2. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt für jeden tariflichen Urlaubstag gemäß Abschnitt II Ziffer 1 im Jahre 1994 DM 32,00 und ab 1996 DM 34,00.

...

§ 20

Ausschlußfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte zwölf Tage Resturlaub abgegolten, ohne zusätzliches Urlaubsgeld zu gewähren. Der Kläger hat mit Schreiben vom 27. November 1995 die Schlußabrechnung beanstandet und für 13 Tage je 32,00 DM zusätzliches Urlaubsgeld verlangt. Die Beklagte hat am 30. November 1995 den Anspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der am 26. Januar 1996 eingereichten und am 2. Februar 1996 zugestellten Klageschrift hat der Kläger zunächst folgenden Zahlungsantrag angekündigt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 416,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich zu errechnenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Später hat er den Klageantrag auf 384,00 DM nebst Zinsen ermäßigt. In der streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht ist der ursprünglich angekündigte Antrag aus der Klageschrift gestellt worden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgebracht, dem Kläger habe 1995 ein anteiliger tariflicher Urlaub von 23 Tagen sowie drei Tage Resturlaub aus 1994 zugestanden. Zwischen dem 27. Februar und dem 14. Juli 1995 habe sie 14 Urlaubstage gewährt, so daß entsprechend ihrer Schlußabrechnung 12 Tage Resturlaub abzugelten waren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht "für 12 oder 13 nach dem Tarifvertrag zustehende Erholungsurlaubstage für das Jahr 1995" 416,00 DM brutto zugesprochen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf das geforderte zusätzliche Urlaubsgeld.

1. Das Berufungsurteil ist nicht bereits wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben.

Zwar hat das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen offengelassen, ob bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für 12 oder 13 abzugeltende Urlaubstage Urlaubsgeld zu zahlen war. Aus der Höhe der zugesprochenen Forderungssumme 416,00 DM ergibt sich jedoch mit hinreichender Bestimmtheit, daß dem Kläger ein tägliches Urlaubsgeld von 32,00 DM für 13 abzugeltende Urlaubstage zuerkannt worden sind. Das genügt, um den Umfang der Rechtskraft der Entscheidung i.S.v. § 325 ZPO bestimmen zu können.

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch auf Urlaubsgeld damit begründet, daß im Wege der ergänzenden Lückenausfüllung dem Arbeitnehmer das zusätzliche Urlaubsgeld auch bei Abgeltung von Resturlaub zu gewähren sei.

a) Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß auch dann, wenn seine Auslegung geboten wäre, ein Teilbetrag von 32,00 DM nach § 20 RTV verfallen ist.

Zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien gelten nach § 4 Abs. 1 TVG die Inhaltsnormen des RTV. Dazu gehört auch die in § 20 RTV bestimmte zweistufige Ausschlußfrist. Nach ihr verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich erhoben und nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden. Die Einhaltung dieser Ausschlußfrist hat das Gericht von Amts wegen - auch in der Revisionsinstanz - zu prüfen (Senatsurteil vom 15. Juni 1993 - 9 AZR 208/92 - AP Nr. 123 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).

Die erste Stufe ist gewahrt. Die vom Kläger beauftragte Gewerkschaft hat die Forderung am 27. November 1995 schriftlich erhoben. Die zweite Stufe war zunächst ebenfalls gewahrt. Denn der Kläger hatte nach Eingang des Ablehnungsschreibens innerhalb der Zwei-Monats-Frist am 26. Januar 1996 seinen Anspruch rechtshängig gemacht. Das war ausreichend. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Begriff der gerichtlichen Geltendmachung entsprechend § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 496, § 270 Abs. 3 ZPO auf die Rückwirkung einer Klageerhebung zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags abgestellt (vgl. BAG Urteile vom 4. November 1969 - 1 AZR 141/69 - und 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - AP Nr. 3 und 4 zu § 496 ZPO; Weiyand, Die tariflichen Ausschlußfristen in Arbeitsrechtsstreitigkeiten, 2. Aufl., Rz 240).

Die fristwahrende gerichtliche Geltendmachung ist jedoch nachträglich entfallen, als die Klage zurückgenommen worden ist. Das folgt aus der Funktion von Ausschlußfristen, für Klarheit zu sorgen, ob noch Ansprüche zu erfüllen sind. Deshalb kann auch die für das Verjährungsrecht geltende Fristwahrung einer neuen Klage (vgl. § 212 Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht zur Anwendung gelangen (BAG Urteil vom 11. Juli 1990 - 5 AZR 609/89 - BAGE 65, 264 = AP Nr. 108 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).

Somit ist von der eingeklagten Gesamtsumme ein Teilbetrag von 32,00 DM seit der zu Protokoll des Arbeitsgerichts erklärten Klagerücknahme am 7. März 1996 verfallen.

b) Die nicht verfallene Urlaubsgeldforderung in Höhe von 384,00 DM für zwölf Urlaubstage ist unbegründet.

Nach § 13 IV 1 und 2 RTV wird das zusätzliche Urlaubsgeld nur für jeden "genommenen" tariflichen Urlaubstag i.S.v. § 13 II 1 RTV geschuldet. Damit haben die Tarifvertragsparteien hinreichend deutlich gemacht, daß nicht für jeden Urlaubs-tag der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld bestehen soll. So ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, für den in § 13 II 3 geregelten Zusatzurlaub für Schwerbehinderte das zusätzliche Urlaubsgeld zu fordern. Ebenso sind nach § 13 IV 1 die Urlaubstage ausgenommen, die vor Ablauf der einjährigen Betriebszugehörigkeit "genommen" werden. Nur für die tariflichen Urlaubstage, die nach Ablauf der einjährigen Frist genommen werden, soll nach dem erklärten Willen der Tarifvertragsparteien ein Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld bestehen. Die vom Landesarbeitsgericht angestellten Erwägungen zu einer ergänzenden Auslegung des Tarifvertrages werden dem nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht übersieht, daß die Tarifvertragsparteien von ihrer Tarifautonomie durch die besondere Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen für das zusätzliche Urlaubsgeld Gebrauch gemacht haben. Nach dem in § 13 I 13 zum Ausdruck gebrachten Willen der Tarifvertragsparteien sollen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beendet worden ist, vom Bezug des zusätzlichen tariflichen Urlaubsgelds ausgenommen werden, sofern sie den Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen haben, obwohl keine zwingenden betrieblichen Gründe dem entgegenstanden.

Gegen die Wirksamkeit dieser tarifvertraglichen Regelung bestehen keine Bedenken. Es steht den Tarifvertragsparteien frei, nur für die Arbeitnehmer eine zusätzliche Leistung vorzusehen, die ihren Urlaub während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses in Anspruch nehmen. Mit einer derartigen Regelung ist für die Arbeitnehmer der Anreiz verbunden, abweichend von etwaigen anderen Urlaubswünschen den Resturlaub während der Kündigungsfrist zu nehmen. Arbeitnehmer, die das nicht wollen, werden durch diese Regelung nicht rechtswidrig benachteiligt.

Diese besonderen tariflichen Anspruchsvoraussetzungen für das zusätzliche Urlaubsgeld hat der Kläger nicht erfüllt. Schon aus diesem Grund war die Klage als unbegründet abzuweisen. Es konnte deshalb offenbleiben, in welchem Umfang 1995 der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstanden und inwieweit er erfüllbar vor Ablauf des Urlaubsjahrs war.

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung und nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolgreichen Revision der Beklagten zu tragen.

Ende der Entscheidung

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