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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.08.2003
Aktenzeichen: 9 AZR 641/02
Rechtsgebiete: ZPO, BUrlG, EFZG, GewO, KSchG, MTV, TV


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
BUrlG § 4
EFZG § 3 Abs. 3
GewO § 106
KSchG § 1
Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1997 § 7 Nr. 2
Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1997 § 8 Nr. 7 Buchst. c
Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1997 § 14
"Tarifvertrag über Sonderzahlung" für den Groß- und Außenhandel im Lande Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 9. Juli 1997 § 2 Nr. 2
Es besteht regelmäßig kein alsbaldiges Interesse an der abstrakten Feststellung der Beschäftigungszeit eines Arbeitnehmers.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

9 AZR 641/02

Verkündet am 19. August 2003

In Sachen

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Reinecke, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Zwanziger sowie die ehrenamtlichen Richter Otto und Benrath für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. August 2002 - 19 (11) Sa 835/01 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Beschäftigungszeiten bei der T K AG und ihren Rechtsvorgängern auf das derzeit bestehende Arbeitsverhältnis anzurechnen sind.

Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 1. September 1992 bis zum 26. Januar 1996 eine Ausbildung zum Industriemechaniker bei der H AG. An diese Ausbildung schloß sich unmittelbar ab dem 27. Januar 1996 ein befristetes Arbeitsverhältnis bei der K AG an. Die Befristung dauerte zunächst bis zum 31. Dezember 1996 und wurde dann bis zum 30. Juli 1997 und bis zum 30. Juni 1998 verlängert.

Im Jahre 1997 beschlossen die Aufsichtsräte der K AG und der T AG die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens T K. Im Rahmen der sich dadurch ergebenden rechtlichen Umstrukturierungen trat die T K AG als Rechtsnachfolgerin der K AG in das Arbeitsverhältnis des Klägers ein. Von den damit zusätzlich verbundenen organisatorischen Anpassungsmaßnahmen war auch der Arbeitsplatz des Klägers betroffen. Auf Grund einer schriftlichen Aufforderung seiner nunmehrigen Arbeitgeberin vom 12. Mai 1998 stellte sich der Kläger bei der T Werkstoffe GmbH - zwischenzeitlich T Materials AG - vor. Als Ergebnis des Vorstellungsgesprächs schrieb die damalige T Werkstoffe GmbH, handelnd für die Beklagte, dem Kläger unter dem 30. Juli 1998, sie wolle ihn befristet vom 29. Juni 1998 bis 30. Juni 1999 als Lagerarbeiter im Zentrallager einstellen. Das Arbeitsverhältnis solle sich "- von den gesetzlichen Vorschriften abgesehen - nach dem jeweils für den Betrieb geltenden Tarifwerk in seiner jeweils gültigen Fassung" richten. Das sind die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen. Nach Ablauf einer Probezeit von drei Monaten war die Geltung der tarifvertraglichen Kündigungsfristen für beide Parteien vorgesehen. Unter dem 25. Juni 1999 schrieb die Beklagte, handelnd für die T Werkstoffe GmbH, dem Kläger, er werde in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Eintrittsdatum sei der 29. Juni 1998 und die Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 30. Juli 1998 sollten weiter gelten. Der Kläger unterzeichnete dieses Schreiben am 15. Juli 1999.

Bei einigen wie der Kläger übernommenen Arbeitnehmern wurde die alte Betriebszugehörigkeit bei der T K AG und ihren Rechtsvorgängern angerechnet. Das geschah bei den Arbeitnehmern, die dort in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden hatten. Bei Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - nach dem Ablauf einer Befristung übergewechselt sind, wurde die alte Betriebszugehörigkeit nicht angerechnet.

Der Kläger verlangt die Feststellung, daß diese Vorbeschäftigungszeiten anzurechnen seien. Bei der Beklagten sei ein Personalabbau nur verschoben worden. Es sei deshalb denkbar, daß er gekündigt werde. Im Hinblick darauf habe er ein Interesse an der Feststellung seiner Betriebszugehörigkeit. Die Vordienstzeiten habe die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit den übernommenen, bei der T K AG unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern, anzurechnen.

Der Kläger hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - beantragt

festzustellen, daß die Beklagte auf das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis die ab dem 1. September 1992 bestandenen Vordienstzeiten bei der K AG bzw. bei der T K AG anzurechnen hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie habe nicht vor, dem Kläger zu kündigen. Deshalb bestehe für die Klage kein Rechtsschutzinteresse. Im übrigen sei sie nicht verpflichtet, die Beschäftigungszeiten des Klägers wie verlangt anzurechnen. Sie habe sich daran orientiert, ob die übernommenen Arbeitnehmer bereits den Besitzstand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses erworben hätten.

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger den Feststellungsantrag gestellt und zudem eine Einmalzahlung zum Ausgleich von Verdienstminderungen eingeklagt. Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Gegen die Abweisung des Feststellungsantrags hat der Kläger Berufung eingelegt. Diese hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Die Klage ist unzulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß dieses durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Es kann dahingestellt werden, ob sich die Klage tatsächlich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses bezieht (zum Begriff Rechtsverhältnis Senat 21. Januar 2003 - 9 AZR 600/01 - EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 7, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BAG 25. Oktober 2001 - 6 AZR 718/00 - BAGE 99, 250; BGH 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74 - BGHZ 68, 331). Jedenfalls fehlt das Feststellungsinteresse. Der Kläger hat kein rechtliches Interesse daran, daß seine Vorbeschäftigungszeiten durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werden.

1. Ein rechtlich anzuerkennendes Interesse an der abstrakten Feststellung des durch die Betriebszugehörigkeit vermittelten Sozialstatus ist nicht anzuerkennen (BAG 6. November 2002 - 5 AZR 364/01 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78 = EzA ZPO § 256 Nr. 68). Das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren sieht insoweit keinen "Statusprozeß" vor.

2. Ein alsbaldiges Feststellungsinteresse kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob der Beklagte in ein bestehendes Arbeitsverhältnis eingetreten ist, das sich in jeder Hinsicht nach den Bestimmungen des alten Arbeitsvertrags richtet, oder ob sich der Arbeitnehmer darauf verweisen lassen muß, daß zu geänderten Arbeitsbedingungen ein neues Arbeitsverhältnis abgeschlossen wird (dazu BAG 2. Dezember 1999 - 8 AZR 796/98 - AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger begehrt lediglich die Feststellung der Anrechnung von Vordienstzeiten bei der T K AG und ihren Rechtsvorgängern, nicht die Anwendung der dort vereinbarten arbeitsvertraglichen Bestimmungen.

3. Ein Feststellungsinteresse kann sich weiter dann ergeben, wenn nach den für das Arbeitsverhältnis einschlägigen tariflichen oder sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen die Beschäftigungszeit von besonderer Bedeutung ist (BAG 6. November 2002 - 5 AZR 364/01 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78 = EzA ZPO § 256 Nr. 68). Das ist nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes der Fall, in denen die Beschäftigungszeit ausdrücklich definiert ist und nach denen sie den Status des Arbeitnehmers insgesamt prägt (dazu BAG 25. Oktober 2001 - 6 AZR 718/00 - BAGE 99, 250). Die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwendenden gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen gewähren keinen umfassenden "Sozialstatus", der das Arbeitsverhältnis prägen würde:

Gesetzlich hat die Dauer der Beschäftigungszeit Bedeutung für die halbjährliche Wartezeit nach dem BUrlG (§ 4) und die vierwöchige Wartezeit nach dem EFZG (§ 3 Abs. 3). Es kann zudem nicht ausgeschlossen werden, daß sie bei der Ausübung einzelner Weisungen des Arbeitgebers und des dabei zu beachtenden billigen Ermessens (§ 106 GewO) eine Rolle spielen kann.

Außerdem hat die Beschäftigungsdauer eine Bedeutung für das Kündigungsschutzrecht. So ist das KSchG erst nach einem halben Jahr anwendbar (§ 1 Abs. 1). Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung ist die Betriebszugehörigkeit eines der sozialen Kriterien, die bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers eine Rolle spielen (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 757/98 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 45 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 42 und ständig). Soweit die Kündigung auf andere Gründe gestützt wird, spielt die Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Interessenabwägung eine Rolle (vgl. für den Fall der Krankheit BAG 5. Juli 1999 - 2 AZR 154/90 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 26 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 32 und ständig; für die verhaltensbedingte Kündigung BAG 27. Februar 1997 - 2 AZR 302/96 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51 und ständig; für die außerordentliche Kündigung BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 131/00 - AP BGB § 626 Nr. 169 = EzA BGB § 626 n.F. Nr. 183 und ständig). Der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendende Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1997 (MTV), gültig ab 1. Januar 1997, enthält in § 7 Nr. 2 MTV zudem eine Regelung, wonach sich die Kündigungsfrist für die Kündigung durch den Arbeitgeber in Abhängigkeit vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Betrieb oder Unternehmen verlängert.

Auch sonst enthält der MTV Regelungen, die an die Betriebszugehörigkeit anknüpfen: Nach § 8 Nr. 7 Buchst. c erhalten Arbeitnehmer, die nach dreijähriger Betriebszugehörigkeit wegen Invalidität, Erreichung der Altersgrenze oder Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes in der zweiten Jahreshälfte ausscheiden, den vollen Jahresurlaub. Nach § 14 MTV genießen Arbeitnehmer, die das 53. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen mindestens zwölf Jahre ununterbrochen angehören, einen besonderen Schutz bei Änderungskündigungen auf Grund alters- oder gesundheitsbedingter Minderung ihrer Leistungsfähigkeit sowie bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen. Der für den Groß- und Außenhandel im Lande Nordrhein-Westfalen geltende "Tarifvertrag über Sonderzahlung" vom 2. Mai 1995 in der Fassung vom 9. Juli 1997 sieht zudem in § 2 Nr. 2 nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten am 1. Dezember des Auszahlungsjahres vor, daß dann erstmals ein Anspruch auf Sonderzahlung besteht.

Die Bedeutung, die diese Einzelbestimmungen der Beschäftigungsdauer zuweisen, sind zu unterschiedlich und zu sehr auf einzelne Fallkonstellationen abgestellt, um den gesamten Status des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu prägen.

4. Auch sonstige Gründe für ein Feststellungsinteresse liegen nicht vor.

Soweit es um die vierwöchigen bzw. die sechsmonatigen Wartezeiten geht, hat der Kläger diese unstreitig auch bei Zugrundelegung der von ihm neu vereinbarten Dauer der Betriebszugehörigkeit ab dem 29. Juni 1998 erreicht. Ansonsten hat die Dauer der Betriebszugehörigkeit allenfalls in Situationen Bedeutung, deren Eintritt für das Arbeitsverhältnis des Klägers völlig ungewiß ist, nämlich im wesentlichen für die Sozialauswahl bei Kündigungen, die Berechnung von Kündigungsfristen, bestimmte Fälle des Ausscheidens wegen Invalidität sowie möglicherweise in Einzelfällen bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts.

Allerdings könnte der Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 1998 von der geltend gemachten Dauer der Beschäftigung abhängen. Denn nach dem "Tarifvertrag über Sonderzahlungen" hängt der erstmalige Anspruch auf Sonderzahlung davon ab, ob ein Arbeitnehmer am 1. Dezember eines Jahres bereits sechs Monate beschäftigt ist. Im Hinblick auf diese Einzelforderung besteht jedoch schon deswegen kein Feststellungsinteresse, weil der Anspruch im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden kann und ein Vorrang der Leistungsklage besteht (BAG 17. April 2002 - 5 AZR 458/00 - EzA ZPO § 256 Nr. 63).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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