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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: I B 10/04
Rechtsgebiete: FGO, KStG


Vorschriften:

FGO § 69
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung einer Umsatztantieme.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine AG, die im Streitjahr 1998 gegründet wurde und deren Tätigkeit in der Durchführung von Versteigerungen bestand. Ihr alleiniges Vorstandsmitglied war im Streitjahr X, der zu den insgesamt neun Gründungsgesellschaftern gehörte und 35 v.H. der Aktien hielt. X war Inhaber einer gewerberechtlichen Erlaubnis, die für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin erforderlich war. Die Antragstellerin hatte einen Aufsichtsrat, der aus drei Personen bestand.

In dem am ... August 1998 geschlossenen Anstellungsvertrag sagte die Antragstellerin dem X eine monatliche Grundvergütung von 15 000 DM brutto zu. Ferner verwies der Vertrag u.a. auf § 23 und § 24 der Gründungssatzung der Antragstellerin. Nach § 23 sollte X "vor Ermittlung des Gewinns der Gesellschaft eine Vorabvergütung in Höhe von 17 v.H. aller von der Gesellschaft vereinnahmten Courtagen ohne Umsatzsteuer" erhalten. Die Antragstellerin sollte zur Zahlung dieser Umsatzprovision nur verpflichtet sein, wenn und soweit sie im jeweiligen Geschäftsjahr Gewinne erzielt hatte; aus diesem Grund nicht geleistete Zahlungen sollten jedoch nachgeholt werden, sobald wieder ausreichende Gewinne erzielt wurden. Der Anspruch sollte erlöschen, sobald X nicht mehr Vorstand und/oder Auktionator der Antragstellerin war. § 24 der Gründungssatzung gestand X das Recht zu, bis zur Vollendung seines 75. Lebensjahres als alleiniger Auktionator für die Antragstellerin tätig zu sein. Eine Änderung der genannten Bestimmungen bedarf nach der Satzung der Zustimmung des X.

Im Streitjahr zahlte die Antragstellerin an X auf dieser Basis Provisionen in Höhe von 1 495 669 DM. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) sah diese Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an und erließ entsprechende Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheide. Diese Bescheide focht die Antragstellerin mit Einsprüchen an. Einzelne dieser Einsprüche wies das FA zurück; über die anderen hat es nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Antragstellerin erhob Klage.

Nachdem das FA eine zunächst gewährte Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Körperschaftsteuerbescheide widerrufen und eine AdV der Gewerbesteuerbescheide abgelehnt hatte, beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung der genannten Bescheide auszusetzen. Das FG gab diesem Antrag statt. Dagegen wendet sich das FA mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde.

Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat der Antragstellerin die begehrte AdV zu Recht gewährt. Denn es ist ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ob die Tantiemezahlungen der Antragstellerin an X aus steuerrechtlicher Sicht vGA darstellen:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Umsatztantiemen, die eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zahlt, steuerlich regelmäßig als vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu beurteilen (Senatsurteile vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234; vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854; vom 5. Juni 2002 I R 69/01, BFHE 199, 315, BStBl II 2003, 329). Das gilt auch dann, wenn der Tantiemeberechtigte die GmbH nicht beherrscht, sondern nur Minderheitsgesellschafter ist (Senatsurteil vom 19. Februar 1999 I R 105-107/97, BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321).

2. Das FG hat diese Rechtsprechung für im Streitfall nicht einschlägig erachtet, da es hier um Zahlungen einer AG an ihren Vorstand gehe, auf die die zur GmbH entwickelten Regeln nicht uneingeschränkt übertragen werden könnten (Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 I R 93/01, BFH/NV 2003, 946, m.w.N.). Das FA wendet hiergegen ein, dass diese Einschränkung nur dann gelte, wenn die Bestimmung der Vergütung durch den Aufsichtsrat erfolge und dieser hierbei die Interessen der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand wirksam wahrnehmen könne; daran fehle es im Streitfall, da der Aufsichtsrat der Antragstellerin gemäß § 24 der Satzung den X habe anstellen müssen und bei der Ausgestaltung des Anstellungsvertrags an § 23 der Satzung gebunden gewesen sei. Im vorliegenden Verfahren ist es nicht erforderlich, auf die damit aufgeworfene Rechtsfrage abschließend einzugehen. Denn bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist schon aus anderen Gründen ernstlich zweifelhaft, ob und ggf. inwieweit die mit X vereinbarte Umsatzprovision als vGA gewertet werden kann.

a) Die Rechtsprechung des Senats zu Umsatztantiemen besagt nicht, dass diese Vergütungsform bei Gesellschafter-Geschäftsführern generell als vGA anzusehen ist. Eine vGA liegt vielmehr nicht vor, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die die Gewährung einer umsatzabhängigen Vergütung ausnahmsweise als sachgerecht erscheinen lassen (Senatsurteile vom 19. Mai 1993 I R 83/92, BFH/NV 1994, 124, und in BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321, 322; Senatsbeschluss vom 30. August 1995 I B 114/94, BFH/NV 1996, 265). Ob dies der Fall ist, muss aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft beurteilt werden, wobei auf die Umstände und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Tantiemezusage abzustellen ist. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Umsatztantiemen, die eine AG ihrem Vorstand oder Vorstandsmitglied zugesagt hat.

b) Speziell im Streitfall kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein, dass dem X die streitige Tantieme zwar im Anstellungsvertrag zugesagt wurde, der Aufsichtsrat der Antragstellerin jedoch bei der Ausgestaltung dieses Vertrags an die Vorgaben in der Gründungssatzung gebunden war. Das FA will zwar gerade hieraus ableiten, dass die Tantiemezusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Diese Erwägung hält der Senat jedoch nicht für zweifelsfrei durchgreifend.

Es ist nämlich zu beachten, dass X von Anfang an weder Mehrheitsgesellschafter der Antragstellerin war noch diese zusammen mit Angehörigen oder im Rahmen einer Personengruppe mit gleichgerichteten Interessen beherrschte. Vielmehr bestand die Gesellschaftermehrheit nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin schon im Gründungsstadium aus von X unabhängigen und im Wirtschaftsleben erfahrenen Personen, die jeweils ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgten. Dass diese Personen die Gründungssatzung in Kenntnis der darin enthaltenen Garantien zu Gunsten des X beschlossen haben, könnte den Schluss rechtfertigen, dass hierfür die besondere Qualifikation des X als Vorstand ursächlich war und dass einem nicht an der Antragstellerin beteiligten Vorstand unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen ebenfalls eine Umsatztantieme zugesagt worden wäre. Diese Folgerung ließe sich möglicherweise zusätzlich darauf stützen, dass die Aufgabe des X vor allem in der Versteigerung von Gegenständen bestand und dass unstreitig alle anderen bei der Antragstellerin und bei ihren Tochtergesellschaften mit Versteigerungen betrauten Personen ebenfalls Umsatztantiemen erhalten haben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Tantiemeanspruch erlöschen sollte, falls X seine Tätigkeit für die Antragstellerin aufgab; darin könnte ebenfalls ein Anzeichen für die Veranlassung der Tantiemeregelung im Anstellungsverhältnis --und nicht im Gesellschaftsverhältnis-- zu sehen sein (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. Juli 2002 I R 55/01, BFH/NV 2003, 83). Angesichts dessen kann nicht zweifelsfrei angenommen werden, dass die in der Gründungssatzung enthaltene Tantiemebestimmung allein wegen der Umsatzbezogenheit der vorgesehenen Tantieme durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Entsprechendes muss gleichermaßen für die im Anstellungsvertrag getroffene Tantiemevereinbarung gelten.

c) Der Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass zwar eine Umsatztantieme unter Umständen für die Aufbauphase einer Gesellschaft steuerlich anerkannt werden kann, jedoch in einem solchen Fall die Begrenzung auf die Aufbauphase auch im Verhältnis zu einem nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer von vornherein eindeutig begrenzt sein muss (Senatsurteil in BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321). Dieser Grundsatz ist jedoch im Streitfall nicht einschlägig. Denn hier geht es nicht um den Gesichtspunkt der Aufbauphase; es ist vielmehr unstreitig, dass die aus einer KG hervorgegangene Antragstellerin von Anfang an auf die Betriebsmittel und Geschäftsbeziehungen der KG zurückgreifen konnte und sich deshalb nicht in einer Aufbauphase befand (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 I R 16/02, BFH/NV 2004, 817). Die ausschließliche Veranlassung der Tantiemevereinbarung durch das Anstellungsverhältnis kann sich deshalb im Streitfall nur aus Umständen ergeben, die mit der Qualifikation und der (vorgesehenen) Tätigkeit des X zusammenhängen. In Fällen dieser Art ist indessen für die Forderung nach einer zeitlichen Begrenzung des Tantiemeanspruchs kein Raum.

3. Sofern die streitige Tantiemezusage dem Grunde nach einem Fremdvergleich standhält, kann gleichwohl im Hinblick auf die Höhe der vereinbarten Vergütung eine vGA gegeben sein. Hierzu hat das FG ausgeführt, dass dieser Punkt erst im Hauptverfahren mit den dann zur Verfügung stehenden Beweismitteln beurteilt werden könne. Das FA hat den angefochtenen Beschluss insoweit nicht beanstandet. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, diese Frage im Beschwerdeverfahren aufzugreifen.

Ende der Entscheidung

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