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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.10.2005
Aktenzeichen: I B 115/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 233a
AO 1977 § 233a Abs. 1
AO 1977 § 233a Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 233a Abs. 2
AO 1977 § 233a Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 233a Abs. 2a
AO 1977 § 233a Abs. 3
AO 1977 § 233a Abs. 7
AO 1977 § 233a Abs. 7 Satz 2
FGO § 69
EStG § 10d Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Festsetzung von Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977).

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller), ein Verein, gab für das Streitjahr (2000) zunächst keine Körperschaftsteuererklärung ab. Daraufhin erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt waren. Er ging darin von einem Einkommen in Höhe von 7 500 DM aus und setzte die Steuer auf 0 € fest.

Im Oktober 2003 gab der Antragsteller eine Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2001 ab. Daraufhin setzte das FA im Mai 2004 die Körperschaftsteuer 2001 auf 0 € fest, wobei es von Einkünften in Höhe von ./. 126 662 DM ausging.

Im März 2004 ging beim FA eine Körperschaftsteuererkärung des Antragstellers für das Streitjahr ein, in dem ein zu versteuerndes Einkommen von 42 963 DM erklärt wurde. Daraufhin erließ das FA am 11. Mai 2004 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid, in dem bei einer Summe der positiven Einkünfte von 23 962 DM und einem Verlustrücktrag in Höhe von ebenfalls 23 962 DM die Steuer erneut auf 0 € festgesetzt wurde. Ferner erließ es am 18. April 2005 einen Bescheid, in dem es für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 1. April 2003 Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000 in Höhe von 201 € festsetzte. Dieser Zinsberechnung wurde eine fiktive Steuer in Höhe von 3 350 € zu Grunde gelegt; dabei handelt es sich um denjenigen (abgerundeten) Betrag, der sich für das Streitjahr ohne Berücksichtigung des Verlustrücktrags aus 2001 ergeben hätte.

Der Antragsteller legte gegen den Zinsbescheid Einspruch ein; hierüber hat das FA noch nicht entschieden. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Zinsbescheids lehnte das FA ab. Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung des Bescheids antragsgemäß in vollem Umfang aus.

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde rügt das FA eine Verletzung des § 233a AO 1977. Es beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat dem Antragsteller die begehrte AdV zu Recht gewährt. Denn bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351, m.w.N.) erweist sich als ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ob im Streitfall die Voraussetzungen für eine Zinsfestsetzung vorliegen.

1. Nach § 233a Abs. 1 AO 1977 ist, wenn die Festsetzung der Körperschaftsteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 3 AO 1977 führt, dieser zu verzinsen. Der hiernach für die Verzinsung maßgebliche Unterschiedsbetrag bemisst sich nach der festgesetzten Steuer abzüglich der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und der bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen. Wird die Steuerfestsetzung später geändert, so ist für die Zinsberechnung der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten und der zuvor festgesetzten Steuer --jeweils vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge und anzurechnende Körperschaftsteuer-- maßgeblich (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO 1977). Auf dieser Basis ergibt sich im Streitfall, in dem sowohl im Bescheid vom 11. Mai 2004 als auch in dem voraufgegangenen Bescheid die Steuer auf 0 € festgesetzt worden ist, ein Unterschiedsbetrag in Höhe von 0 €. Bei einem Ansatz dieses Wertes als Bemessungsgrundlage der Verzinsung ist der angefochtene Zinsbescheid rechtswidrig.

2. Allerdings enthält § 233a AO 1977 in Abs. 2a und Abs. 7 Sonderregelungen, die u.a die hier vorliegende Fallgestaltung betreffen, in der die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beruht. In einem solchen Fall beginnt zum einen der Zinslauf --abweichend von der in § 233a Abs. 2 AO 1977 getroffenen Regelung-- 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verlust entstanden ist (§ 233a Abs. 2a AO 1977). Zum anderen ist dann der in § 233a Abs. 3 AO 1977 definierte Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge aufzuteilen, für die jeweils gesonderte Zinsläufe anzusetzen und auf dieser Grundlage gesonderte Zinsen zu berechnen sind (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO 1977). Darauf beruft sich das FA, das aus den genannten Bestimmungen ableitet, dass im Streitfall für den Zeitraum vom Ablauf der 15-monatigen Karenzfrist für das Streitjahr (1. April 2002) bis zum Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Verlustjahrs (1. April 2003) Zinsen nach Maßgabe der sich ohne den Verlustrücktrag ergebenden Besteuerung zu berechnen seien. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Handhabung erscheint dem Senat indessen nicht zweifelsfrei:

a) Die vom FA befürwortete Handhabung läuft darauf hinaus, dass der sich für das Streitjahr ergebende Unterschiedsbetrag von 0 € in einen positiven Teil-Unterschiedsbetrag einerseits und einen gleich hohen negativen Teil-Unterschiedsbetrag andererseits aufgeteilt wird. Der positive Betrag ist nach Ansicht des FA derjenige, für den der Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977 am 1. April 2002 beginnt; der durch den Verlustrücktrag ausgelöste negative Betrag soll dagegen gemäß § 233a Abs. 2a AO 1977 erst zum 1. April 2003 berücksichtigt werden, so dass sich für die Zwischenzeit eine Verzinsung nach Maßgabe des positiven Betrags ergibt.

Für die Richtigkeit dieser Ansicht könnte zwar u.a. § 233a Abs. 7 Satz 2 AO 1977 sprechen; danach sind, wenn einem sich zunächst ergebenden Teil-Unterschiedsbetrag später ein gegenläufiger anderer Teil-Unterschiedsbetrag nachfolgt, beide Beträge für Zwecke der Zinsberechnung getrennt voneinander zu betrachten. Dass dies nur dann gelten soll, wenn die Beträge des positiven und des negativen Teil-Unterschiedsbetrags ungleich sind, ordnet das Gesetz jedenfalls nicht ausdrücklich an. Deshalb erscheint es zumindest vertretbar, in Übereinstimmung mit dem FA die in § 233a Abs. 7 AO 1977 getroffene Regelung auch dann anzuwenden, wenn --wie im Streitfall-- ein positiver Teil-Unterschiedsbetrag mit einem betragsgleichen negativen Teil-Unterschiedsbetrag zusammentrifft und sich daraus im Saldo ein Unterschiedsbetrag von 0 € ergibt.

b) Diese Auslegung ist jedoch bei summarischer Betrachtung nicht die einzig mögliche. Vielmehr lässt sich auch die Ansicht vertreten, dass § 233a AO 1977 überhaupt nur eingreife, wenn der gemäß § 233a Abs. 3 AO 1977 zu bestimmende Unterschiedsbetrag entweder positiv oder negativ ist. Dafür spricht möglicherweise der Wortlaut des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO 1977, wonach die Entstehung eines Unterschiedsbetrags Bedingung für den Eintritt der Zinspflicht ist. Eine solche Bedingung macht nur dann Sinn, wenn es Fallgestaltungen gibt, in denen sie nicht eintreten kann. Eine derartige Gestaltung ist, wenn auch ein Unterschiedsbetrag von Null dem Anwendungsbereich der Regelung unterfällt, nicht vorstellbar. Dies könnte darauf hindeuten, dass nach dem Verständnis des Gesetzgebers ein "Unterschiedsbetrag" i.S. des § 233a AO 1977 nur dann gegeben sein kann, wenn die festgesetzte Steuer der Höhe nach von den anzusetzenden Vergleichsgrößen abweicht. Anderenfalls --und damit auch im Streitfall-- scheidet bei dieser Lesart eine Verzinsung schon dem Grunde nach aus. § 233a Abs. 7 AO 1977 könnte daran nichts ändern, da die Vorschrift zum einen die Zinspflicht dem Grunde nach voraussetzt und zum anderen ihrerseits ebenfalls auf den "Unterschiedsbetrag" Bezug nimmt.

Eine solche Lösung hat das FG im Streitfall befürwortet. Sie ist geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung des FA zu begründen. Angesichts dessen liegt bis zur Entscheidung im Hauptverfahren eine Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtslage vor, die die vom FG verfügte AdV rechtfertigt.

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