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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: I B 132/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Angemessenheit der Vergütung, die die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine GmbH, ihrer (alleinigen) Gesellschafter-Geschäftsführerin gezahlt hat. Diese hielt in den Streitjahren 1994 bis 1997 51 v.H. der Anteile. Die verbleibenden 49 v.H. verteilten sich auf drei weitere Gesellschafter (19 v.H., 10 v.H., 20 v.H. der Anteile).

Die Vergütung der Geschäftsführerin setzte sich aus einem Festgehalt, aus Nebenleistungen sowie aus einer Gewinntantieme zusammen. Letztere war nach Gewinnstufen gestaffelt, und zwar nach der zuletzt geänderten Vereinbarung vom 12. Januar 1994 auf 15 v.H. eines Gewinns von bis zu 200 000 DM, 12 v.H. eines Gewinns von 200 000 DM bis 400 000 DM und 9 v.H. des darüber hinausgehenden Gewinns, max. jedoch 50 v.H. des Gesamtgewinns. Ausweislich der Aktenlage (Betriebsprüfungsakten Bl. 79) lag dem das Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 20. Dezember 1991 zugrunde, wonach der Gesellschafter-Geschäftsführerin 50 v.H. des tantiemepflichtigen Jahresüberschusses zustehen und der Rest sich anteilig auf die Mitgesellschafter verteilen sollte. Nach diesem Verteilungsmodus wurde tatsächlich auch verfahren.

Die Gesellschafter-Geschäftsführerin erhielt hiernach Gesamtvergütungen in 1994 von 336 062 DM (davon eine Tantieme von 205 980 DM), in 1995 von 164 846 DM (davon eine Tantieme von 24 350 DM) und in 1996 von 385 339 DM (davon eine Tantieme von 225 704 DM). Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) sah jene Beträge, die die von ihm als angemessen angesehene Vergütungen von jährlich 250 000 DM überstiegen, also 86 062 DM (1994) sowie 135 339 DM (1996), als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an. Da die Abflüsse der Tantiemen für 1994 und 1996 erst in den Folgejahren lagen, wurde die Ausschüttungsbelastung jeweils in 1995 und 1997 hergestellt.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage unter Würdigung der Gesamtumstände statt. Es ermittelte die Höhe der angemessenen Gesamtausstattung anhand betriebsexterner Merkmale mit 258 000 DM und gelangte zu dem Ergebnis, dass die versprochenen und tatsächlich gezahlten Vergütungen diesen Betrag nicht überstiegen. Denn die Tantieme sei bezogen auf den im Zusagezeitpunkt prognostizierten (kalkulierten) Gewinn zu berechnen; auf die tatsächlich gezahlten Beträge komme es insoweit nicht an. Lege man diesen Berechnungsmodus zugrunde, ergebe sich für die Klägerin ein prognostizierter Gewinn von 810 000 DM und eine voraussichtliche Gewinntantieme von jährlich 90 900 DM, die sich für die Gesellschafter-Geschäftsführerin zusammen mit dem Festgehalt zzgl. der versprochenen Nebenleistungen auf einen Betrag unterhalb des angemessenen Betrages von 258 000 DM aufsumme.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

Das FA rügt einen Verstoß gegen den klaren Akteninhalt. Das FG habe den voraussichtlichen (kalkulierten) Gewinn der Gesellschafter-Geschäftsführerin nur zu einem Viertel als Tantieme zugerechnet. Aufgrund der unter den vier Gesellschaftern getroffenen Abmachung vom 20. Dezember 1991 hätten der Gesellschafter-Geschäftsführerin jedoch 50 v.H. des Gewinns nach Maßgabe der später näher spezifizierten Bemessungsgrundlage zugestanden; nur die verbleibende Hälfte sei jeweils anteilig auf die anderen Gesellschafter entfallen. Das FG habe diesen --als solchen unter den Beteiligten nicht in Streit stehenden und deswegen schriftsätzlich nicht weiter problematisierten-- Gesellschafterbeschluss und die daraus ergebende Gewinnaufteilung bei der Tantiemeberechnung nicht berücksichtigt, obwohl sich beides aus den beigezogenen Steuerakten klar ergebe und deren Bestandteil sei (Bl. 79 ff. der Betriebsprüfungsakten; Anlage 8 zum Betriebsprüfungsbericht vom 20. Januar 1999 und dessen Tz. 1.1.4; Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2001 zur Körperschaftsteuer 1994 und 1996). Gehe man aber von diesem Berechnungsmodus aus, dann belaufe sich die auf die Gesellschafter-Geschäftsführerin entfallende kalkulierte Tantieme auf 181 800 DM und nicht, wie vom FG berechnet, nur auf 90 900 DM. Zusammen mit den Festgehältern von 130 082 DM in 1994 und von 159 635 DM in 1996 führe dies --ausgehend von dem vom FG als angemessen angesehenen Betrag von 258 000 DM-- zu entsprechenden vGA von 96 882 DM (1994) sowie 126 435 DM (1996).

Außerdem rügt das FA Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das FG in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen habe, dass auf die kalkulierten anstatt auf die tatsächlich gezahlten Tantiemen abzustellen sei. Das angefochtene Urteil stelle deshalb in diesem Punkt eine Überraschungsentscheidung dar.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten.

II. Diese Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Urteil ist, wie vom FA zutreffend gerügt wird, unter Verstoß gegen den Inhalt der Akten zustande gekommen.

1. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist nur dann ein Zulassungsgrund, soweit er einen Verfahrensfehler darstellt. Die hierfür vorauszusetzende Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der schriftlich festgehaltenem Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist. Kein Verfahrensfehler ist dagegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens oder eines erhobenen Beweises durch das FG (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 80, m.w.N.), es sei denn, das FG hätte falsche Beweisregeln angewendet.

2. Dementsprechend setzt eine schlüssige Rüge eines "Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten" die Darlegung des Beschwerdeführers voraus, dass ein von den Beteiligten vorgetragener oder aus den Akten erkennbarer Sachverhalt vom FG nicht zur Kenntnis genommen worden sei, dass Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung dem FG sich hätten aufdrängen müssen oder dass das FG falsche Beweisregeln bei seiner Ermittlung des Gesamtergebnisses des Verfahrens angewendet habe (vgl. z.B. Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; Senatsbeschluss vom 16. November 1993 I B 115/93, BFH/NV 1994, 551). Der Beschwerdeführer muss substantiiert darlegen, dass die Vorentscheidung unter Zugrundelegung der dort vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung möglicherweise anders getroffen worden wäre, wenn dem FG der vermeintliche Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre.

3. Die Beschwerdebegründung des FA genügt diesen Anforderungen. Sie ist auch in der Sache begründet. Denn das FG ist bei seiner Rechtsfindung zwar von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat in ständiger Rechtsprechung zur Angemessenheit von Gewinntantiemen und zu einer Behandlung solcher Tantiemen als vGA aufgestellt hat (Urteile vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, 551; vom 10. Juli 2002 I R 37/01, BFHE 199, 536, BStBl II 2003, 418). Es hat die Tantiemen auch nach den Maßstäben berechnet, auf die die Klägerin und ihre Geschäftsführerin sich am 12. Januar 1994 verständigt haben. Das ebenfalls in den Steuerakten (Betriebsprüfungsakte Bl. 79) befindliche Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 20. Dezember 1991, wonach der Gesellschafter-Geschäftsführerin 50 v.H. des tantiemepflichtigen Jahresüberschusses zustehen und der Rest sich anteilig auf die Mitgesellschafter verteilen sollte, hat das FG jedoch außer Acht gelassen. Daraus ergibt sich, dass der Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin eine jährliche Tantieme von 50 v.H. --und nicht bloß von 25 v.H.-- des Gewinns nach Maßgabe der zugrunde zu legenden Bemessungsgrundlage versprochen worden war. Auf dieser Basis ist --wie sich gleichermaßen aus den Akten (dort aus dem Betriebsprüfungsbericht und aus der Einspruchsentscheidung) ergibt-- seitens der Klägerin auch tatsächlich verfahren worden. Geht man aber von dieser gewollten und tatsächlich umgesetzten Berechnung der Gewinntantieme aus, musste sie berücksichtigt werden. Sie hätte bezogen auf die vom FG im Fremdvergleich aus Sicht des Zusagezeitpunktes ermittelten angemessenen Gesamtvergütung von 258 000 DM zu vGA von 96 882 DM und damit --unter Beachtung des Verböserungsverbotes-- zu der vom FA vorgenommenen Einkommenserhöhung von 86 062 DM in 1994 und von 126 435 DM in 1996 und damit insgesamt nur zu einer Teilstattgabe der Klage geführt.

Dem Außerachtlassen des Gesellschaftsbeschlusses vom 20. Dezember 1991 liegt ein Sachaufklärungsmangel zugrunde. Dieser ist ein Verfahrens- i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO und nicht lediglich ein Subsumtionsfehler, der die materiell-rechtliche Unrichtigkeit der Vorentscheidung --und damit keinen Revisionsgrund-- nach sich zöge.

4. Dem Senat wäre es in einem nachfolgenden Revisionsverfahren ungeachtet der klaren Aktenlage verwehrt, den vom FG nicht festgestellten Sachverhalt zu ergänzen und seiner Entscheidung den Inhalt des Gesellschafterbeschlusses vom 20. Dezember 1991 von sich aus zugrunde zu legen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; Ruban in Gräber, a.a.O., § 118 Rz. 41, m.w.N.). Es erscheint deswegen sachgerecht, das angefochtene Urteil der Vorinstanz gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit dieses den Akteninhalt vollständig auswerten und die notwendigen Feststellungen nachholen kann.

Ende der Entscheidung

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