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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: I B 148/07
Rechtsgebiete: GewStG, FGO, EStG


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 1
GewStG § 7
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 1
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 3
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 4
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 128 Abs. 3
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, ist ein kommunales Wohnungsbauunternehmen. Ihr Gesellschaftszweck ist vorrangig auf die Bereitstellung von Wohnräumen für breite Bevölkerungsschichten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen gerichtet. Sie errichtet, betreut, bewirtschaftet und verwaltet Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen, darunter Eigenheime und Eigentumswohnungen. In den Jahren 1999 bis 2003 bewirtschaftete sie mehr als 5 000 eigene Mieteinheiten.

Die Antragstellerin erwarb mit Kaufvertrag vom 6. September 1999 ein Grundstück mit einer Gesamtfläche von 42 541 qm zu einem Kaufpreis in Höhe von 1 500 000 DM mit dem Ziel, dort eine Wohnsiedlung zu planen und zu erschließen. Nach dem ursprünglichen Konzept wurde die Gesamtfläche in 76 Parzellen und die dafür notwendigen Wohnstraßen aufgeteilt, so dass für die geplante Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften und Eigentumswohnungen eine Fläche von insgesamt 24 375 qm verblieb. Auf Kosten der Antragstellerin wurde dabei die erworbene Fläche zunächst vermessen, die Bauleitplanung einschließlich Grünordnungsplan erstellt, die auf dem Grundstück befindliche Molkereianlage abgerissen, eine Altlastenentsorgung sowie die öffentliche Erschließung einschließlich der Verkehrserschließung vorgenommen. Ferner schloss die Antragstellerin mit einer Arbeitsgemeinschaft einen Bauvertrag über die Errichtung von 22 Doppelhaushälften, 7 Reihenendhäusern und 23 Reihenmittelhäusern ab, wobei die Arbeitsgemeinschaft nur mit dem Bau der Häuser beauftragt werden sollte, wenn entsprechende Kaufverträge mit Bauherren abgeschlossen würden. Für den Fall dass es nicht zum Abschluss von Kaufverträgen kommen sollte, war eine entsprechende Verminderung der Anzahl der zu erstellenden Häuser und der vereinbarten Vergütung vertraglich geregelt. Als kleinstes Auftragsvolumen waren eine Reihenhauszeile und 4 Doppelhaushälften vereinbart.

Aufgrund mangelnder Nachfrage nach fertig gestellten Eigenheimen änderte die Klägerin im Jahr 2000 ihr Konzept, wodurch sich im Laufe der Jahre folgende Grundstücksverwendung ergab:

2000

Verkauf von 7 bebauten Grundstücken

Bebauung und Vermietung von 10 Grundstücken

Verkauf von 4 unbebauten Grundstücken

2001

Verkauf von 2 bebauten Grundstücken

Verkauf von 3 unbebauten Grundstücken

2002

Verkauf von 2 bebauten Grundstücken

Bebauung und Vermietung von 4 Grundstücken

Verkauf von 3 unbebauten Grundstücken

2003

Bestellung von 17 Erbbaurechten

Verkauf von 2 unbebauten Grundstücken

2004

Planung von 3 Erbbaurechtsbestellungen.

Die veräußerten 12 unbebauten Grundstücke wurden sämtlich von den Erwerbern selbst mit Einfamilienhäusern bebaut.

In ihren Gewerbesteuererklärungen 2000 bis 2003, dem Streitjahr, ermittelte die Antragstellerin den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfiel, nach § 9 Nr. 1 Satz 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gesondert und beanspruchte hierfür die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gelangte jedoch zu der Auffassung, dass die Antragstellerin wegen der Vielzahl der Veräußerungen von unbebauten Grundstücken nicht berechtigt sei, die erweiterte Kürzung für Grundbesitzunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch zu nehmen.

Gegen die Gewerbesteuermessbescheide und die Bescheide über die vortragsfähigen Gewerbeverluste der Jahre 2000 bis 2002 erhob die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 erhob die Antragstellerin Einspruch, der bislang ebenfalls noch unbeschieden ist. Zugleich beantragte sie, den Gewerbesteuermessbescheid 2003 von der Vollziehung auszusetzen. Dieser Antrag wie auch ein entsprechender Antrag beim FG blieben erfolglos.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt, den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 in Höhe des Messbetrages von 140 040 € von der Vollziehung auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juni 2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882).

2. Es unterliegt bei summarischer Prüfung keinem Zweifel, dass der Antragstellerin für 2003 die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zusteht.

a) Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung werden die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 v.H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden Grundbesitzes gekürzt. Anstelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG).

b) Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778). Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt daher grundsätzlich die erweiterte Kürzung aus, auch wenn sie von sog. untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 17. Mai 2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659). Ebenso wenig ist eine andere vermögensverwaltende Tätigkeit als die in der Vorschrift genannte Verwaltung eigenen Kapitalvermögens begünstigt (BFH-Urteil in BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 73). Bestätigt wird diese wortlautgetreue Auslegung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in systematischer Hinsicht durch die grundsätzlich enge Anknüpfung des GewStG in § 2 Abs. 1 und § 7 an die einkommensteuerliche Einordnung. Gegenüber § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) statuiert § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gerade eine Ausnahme (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659, m.w.N.).

c) Die Anschaffung, Beplanung, Parzellierung und Erschließung des von der Antragstellerin erworbenen Flurstückes zum Zwecke der Errichtung und Veräußerung von selbst errichteten Doppelhaushälften und Reihenhäusern in dem von der Antragstellerin geplanten Umfang stellt eine gewerbliche Tätigkeit dar. Dass die Antragstellerin mit diesem Objekt insgesamt einen Verlust erwirtschaftet hat, ändert daran nichts. Es sind --wie schon vom FG zutreffend ausgeführt-- keine Anzeichen erkennbar, dass die Antragstellerin beabsichtigt hätte, mit der Erschließung, Errichtung und Veräußerung der Häuser nur kostendeckende Preise zu erzielen oder sie das Grundstück zum Zwecke freigiebiger Zuwendungen erworben hätte (BFH-Urteile vom 18. September 2002 X R 4/02, BFH/NV 2003, 457; vom 31. Juli 1980 I R 30/77, BFHE 130, 543, BStBl II 1980, 662).

d) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich nicht um eine nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG unschädliche gewerbliche Tätigkeit.

Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Aufbereitung als Bauland zum Zwecke späterer Bebauung und Veräußerung der erweiterten Kürzung entgegensteht. Selbst wenn diese Tätigkeit --wie die Antragstellerin meint-- noch der begünstigten "Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen" zugerechnet werden könnte, kann die Antragstellerin die Begünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht beanspruchen, weil sie auf dem erworbenen Flurstück nicht nur von ihr bebaute Grundstücke, sondern auch 12 unbebaute Grundstücke innerhalb von vier Jahren veräußert und hierdurch eine nicht begünstigte gewerbliche Tätigkeit begründet hat.

Zwar gehören zur privaten Vermögensverwaltung auch der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken, wenn diese beiden Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Der letzte Akt der privaten Vermögensverwaltung kann darin bestehen, dass der Inhaber das Vermögen --gegebenenfalls in zahlreichen Teilakten-- veräußert (BFH-Urteil vom 8. September 2004 XI R 47/03, BFHE 207, 263, BStBl II 2005, 41). Keine Grundstücksverwaltung, sondern eine gewerbliche Tätigkeit liegt hingegen vor, wenn ein Grundstück mit dem Ziel erworben wird, dort eine Wohnsiedlung zu planen, zu erschließen und die einzelnen Parzellen zeitnah zu verkaufen. In diesem Fall ist von vornherein keine "Nutzung von Grundbesitz i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten", sondern die "Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung" beabsichtigt (BFH-Urteile vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700; in BFHE 207, 263, BStBl II 2005, 41).

Aus den Senatsurteilen vom 24. September 1970 I R 21/70 (BFHE 100, 210, BStBl II 1970, 871) und vom 24. Februar 1971 I R 174/69 (BFHE 101, 396, BStBl II 1971, 338) ergibt sich nichts Abweichendes. Der Senat hat dort im Gegenteil entschieden, dass die gelegentliche Veräußerung von Grundstücken bei einer Grundstücksgesellschaft die Gewerbesteuerpflicht auslöst.

Ende der Entscheidung

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