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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: I B 162/08
Rechtsgebiete: KStG, FGO, GG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Streitig ist, ob eine Abfindungszahlung an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die im Streitjahr 1998 im Wesentlichen ... für die Bundeswehr herstellte. Mit Schreiben vom 14. September 1998 teilte das Bundesministerium der Verteidigung (BMV) der Klägerin mit, dass es aufgrund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen die Prüfung der Zuverlässigkeit der Klägerin eingeleitet habe. Das BMV behielt sich vor, die Klägerin bei der Vergabe von Aufträgen nicht zu berücksichtigen, bis die Zuverlässigkeit durch geeignete personelle oder organisatorische Maßnahmen wieder hergestellt sei.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 22. Oktober 1998 wurden die Gesellschafter A und B mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. A, der einen Gesellschaftsanteil von 70% hielt, übertrug am selben Tag einen Gesellschaftsanteil von 36% an seine Ehefrau. Diese verpflichtete sich in einem zeitgleich abgeschlossenen Stimmbindungsvertrag, ihr Stimmverhalten dem des A anzupassen.

Am 28. Oktober 1998 beschloss die Gesellschafterversammlung, den abberufenen Geschäftsführern eine Abfindung von höchstens sechs Monatsgehältern zu gewähren. Sie beauftragte die Geschäftsleitung, weitere Details über die Ausscheidensmodalitäten auszuhandeln. Am 10. November 1998 kündigte die Klägerin das Anstellungsverhältnis mit A zum 30. November 1998. Ohne weitere schriftliche Vereinbarung zahlte sie A eine Abfindung in Höhe von sechs Monatsgehältern, die sie als Betriebsausgabe ansetzte.

Im Anschluss an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Abfindung als vGA. Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Sächsischen Finanzgerichts --FG-- vom 16. Juli 2008 1 K 1769/05).

Die Klägerin macht geltend, dass die Revision gegen das angefochtene Urteil nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

1.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495; vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.).

Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Denn ihre Beantwortung ergibt sich bereits aus der einschlägigen Rechtsprechung des Senats. Anhaltspunkte für eine erneute Überprüfung der Rechtsfragen liegen nicht vor.

a)

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob bei Abfindungszahlungen für die Auflösung des Anstellungsverhältnisses eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers das Fehlen einer klaren, eindeutigen und im Vorhinein abgeschlossenen Vereinbarung, die zivilrechtlich wirksam und tatsächlich durchgeführt sein muss, als Indiz für die gesellschaftsrechtliche Veranlassung herangezogen werden kann, ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. Senatsurteil vom 14. März 2006 I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515, m.w.N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545, m.w.N.). Die genannten Grundsätze gelten auch für einmalige Sondervergütungen an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer (Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). Abfindungszahlungen an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen ebenfalls diesen Grundsätzen. Denn auch in diesen Fällen fehlt es zwischen der Gesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter an einem Interessengegensatz. Der beherrschende Gesellschafter ist daher in der Lage, das Einkommen der Gesellschaft so zu beeinflussen, wie es bei einer Gesamtbetrachtung der Einkommen der Gesellschaft und des Gesellschafters am günstigsten ist (Senatsurteile vom 26. April 1989 I R 172/87, BFHE 157, 138, BStBl II 1989, 673; vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479).

b)

Die weitere von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob ein Gesellschafterbeschluss, in dem eine Höchstgrenze für eine Abfindungszahlung festgesetzt wird, das Erfordernis einer vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung im Sinne der Grundsätze zum formellen Fremdvergleich bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführen erfüllt, lässt sich ebenfalls anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Senats beantworten.

Eine im Hinblick auf die Vergütung des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers getroffene Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter muss dem Grunde und der Höhe nach klar und eindeutig sein. Klare und eindeutige Vereinbarungen erfordern es, dass auch eine mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer getroffene Vereinbarung über besondere Vergütungen zumindest erkennen lassen muss, nach welcher Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) die Vergütung errechnet werden soll (Senatsurteile vom 27. Februar 1985 I R 187/81, BFH/NV 1986, 430, m.w.N.; vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469, unter I.2. der Gründe; vom 26. April 1989 I R 96/85, BFH/NV 1990, 63).

Ein Gesellschafterbeschluss, der die Geschäftsführervergütung betrifft, ist als Vereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen, wenn dieser an dem Beschluss mitgewirkt hat (Senatsurteil in BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434). Eine vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung liegt indessen nicht vor, wenn durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung nur ein Höchstbetrag für die Vergütung festgelegt wird (Senatsurteil in BFH/NV 1990, 63). Denn es muss ausgeschlossen sein, dass bei der Berechnung der Vergütung ein Spielraum bleibt; die Berechnungsgrundlagen müssen so bestimmt sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung bedarf (Senatsurteile vom 30. Januar 1985 I R 37/82, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345; in BFH/NV 1986, 430; vom 29. April 1992 I R 21/90, BFHE 168, 151, BStBl II 1992, 851; in BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 1. April 2003 I R 78/02, I R 79/02, BFH/NV 2004, 86, unter III.3. der Gründe).

2.

Der von der Klägerin als Verfahrensmangel geltend gemachte Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) liegt nicht vor.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Verpflichtung des FG, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, in der Begründung seiner Entscheidung zu jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich Stellung zu nehmen; es muss sich nur mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinandersetzen. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 153; BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2003 V B 45/03, BFH/NV 2004, 540; vom 17. Februar 2005 X B 178/03, BFH/NV 2005, 1121; vom 28. November 2006 VI B 32/06, BFH/NV 2007, 439).

Im Streitfall trägt die Klägerin zur Begründung des Verfahrensmangels vor, das FG sei in den Entscheidungsgründen nicht darauf eingegangen, dass Anlass für die Kündigung des A und die damit zusammenhängende Abfindungszahlung die Mitteilung des BMV vom 14. September 1998 gewesen sei. Das FG hat dieses Vorbringen entgegen der Auffassung der Klägerin zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Dies folgt bereits daraus, dass es das Vorbringen im Tatbestand seiner Entscheidung dahin wiedergegeben hat, dass die Kündigung des A aufgrund äußerer Zwänge notwendig gewesen sei. Ferner hat das FG in den Entscheidungsgründen ausgeführt, aufgrund der zu befürchtenden Auftragsverluste habe ein Interesse der Klägerin an einer Kündigung des A bestanden. Da es hierauf jedoch --nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG-- für die Entscheidung nicht ankam, war das FG nicht verpflichtet, auf das Vorbringen in den Entscheidungsgründen weiter einzugehen. Denn das FG hat die Annahme der vGA insbesondere darauf gestützt, dass es für die Abfindungszahlung an A als beherrschenden Gesellschafter an einer eindeutigen, im Voraus vereinbarten Abfindungsregelung gefehlt habe.

Ende der Entscheidung

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