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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.02.2005
Aktenzeichen: I B 208/04
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 4 Satz 6
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Ausschluss des Ausgleichs von Verlusten aus stillen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gemäß § 15 Abs. 4 Satz 6, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StVergAbG insoweit mit dem GG vereinbar ist, als er sich ohne Einschränkung auch auf Verluste bezieht, die auf vor dem Jahr 2003 begründeten Verpflichtungen beruhen.

2. Ist die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts ernstlich zweifelhaft und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre, so ist die Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe nicht überwiegen.


Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung darüber, ob bei der Besteuerung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) für das Streitjahr Verluste aus einer stillen Beteiligung steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Die Antragstellerin ist eine GmbH mit einem zum 30. Juni endenden Wirtschaftsjahr. Sie gründete im Februar 2002 zusammen mit einer weiteren Person (B) eine AG, die X-AG, an deren Grundkapital sie selbst und B zu jeweils 50 v.H. beteiligt waren. Zweck der X-AG war nach dem Vortrag der Antragstellerin die Vermarktung von Produkten der Antragstellerin im amerikanischen und asiatischen Raum, wofür B auf Grund seines beruflichen Werdegangs eine besondere Kompetenz besaß.

Ebenfalls im Februar 2002 beteiligte sich die Antragstellerin mit einer Einlage von 300 000 € als stille Gesellschafterin am Unternehmen der X-AG. Sie sollte am Gewinn der X-AG mit 30 v.H. teilnehmen, wobei ihre Gewinnbeteiligung auf 50 v.H. der Einlage begrenzt war. Am Verlust der X-AG nahm sie in vollem Umfang, jedoch auf die Einlage beschränkt teil. Die Einlage wurde in der Folge auf Anforderung in Teilbeträgen eingezahlt.

Die X-AG, die ebenfalls ein abweichendes Wirtschaftsjahr hatte, erzielte in ihrem zum 30. Juni 2002 endenden Wirtschaftsjahr einen Verlust. Daraus resultierte für die Antragstellerin unstreitig ein Verlustanteil in Höhe von 95 000 €. Ebenso ist unstreitig, dass die Antragstellerin im Folgejahr weitere Einlagen in Höhe von 195 000 € geleistet hat und diese wegen erneuter Verluste der X-AG auf Null abschreiben muss. Im Jahr 2004 hat die Antragstellerin ihren Anteil an der X-AG veräußert und auf ihre Rechte als stille Gesellschafterin verzichtet.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ für das Streitjahr (2003) Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag, in denen er den Verlust der Antragstellerin aus der stillen Beteiligung nicht berücksichtigte. Die Antragstellerin legte gegen diese Bescheide Einsprüche ein und begehrte eine steuermindernde Berücksichtigung des Verlustes. Zugleich beantragte sie, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen. Diesen Antrag lehnte das FA ab.

Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung der Bescheide in vollem Umfang aus, machte aber die Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheids zur Körperschaftsteuer von einer Sicherheitsleistung abhängig. Sein Beschluss ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 140 abgedruckt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung. Sie beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Anordnung einer Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Zugleich ist die Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheids rückwirkend zum Zeitpunkt der Fälligkeit der dort festgesetzten Steuer aufzuheben:

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das wiederum ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.).

Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2001 I S 3/01, BFHE 194, 360, m.w.N.). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern zumindest im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663; vom 4. August 2003 IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37).

2. Im Streitfall hat das FG zu Recht angenommen, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide in dem genannten Sinne ernstlichen Zweifeln begegnet. Die Bescheide entsprechen zwar, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, der einfachgesetzlichen Regelungslage. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die einschlägige Regelung mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.

a) Die Antragstellerin begehrt die steuermindernde Berücksichtigung eines nach Grund und Höhe nicht streitigen Verlustes aus einer stillen Beteiligung an dem Unternehmen der X-AG. Dieser Verlust zählt unabhängig davon, ob sie der Antragstellerin eine Mitunternehmerstellung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vermittelt ("atypisch" stille Beteiligung) oder nicht, gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu den Einkünften der Antragstellerin aus Gewerbebetrieb. Seine steuermindernde Berücksichtigung wird jedoch nach der für das Streitjahr geltenden Gesetzeslage durch § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG --ggf. i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG-- ausgeschlossen. Denn nach diesen Vorschriften sind u.a. Verluste aus stillen Gesellschaften an Kapitalgesellschaften nur mit späteren Gewinnen des Gesellschafters aus derselben Innengesellschaft verrechenbar, wenn der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist. Diese Situation liegt im Streitfall vor.

b) § 15 Abs. 4 Satz 6 und § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind durch das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (StVergAbG) vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) in das Gesetz eingefügt worden. Sie sind erstmals für das Streitjahr anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StVergAbG) und deshalb im Streitfall einschlägig. Bei summarischer Betrachtung ist indessen ernstlich zweifelhaft, ob diese Anwendungsregelung mit dem GG vereinbar ist:

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Das BVerfG hat dazu im Zusammenhang mit periodischen Steuern eine Systematik entwickelt, die zwar mit wechselnden Begriffen arbeitet, im Kern aber auf folgende Unterscheidung hinausläuft: Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist eine steuerbegründende oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel unvereinbar, wenn und soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war ("echte" Rückwirkung; "Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Dagegen ist es im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber während eines Veranlagungszeitraums eine solche Bestimmung in Kraft setzt und zugleich bestimmt, dass sie mit Wirkung zu Beginn jenes Veranlagungszeitraums gelten soll ("unechte" Rückwirkung; "tatbestandliche Rückanknüpfung"). In der letztgenannten Situation darf das steuerbegründende oder -erhöhende Gesetz regelmäßig auch diejenigen Sachverhalte erfassen, die auf einer vor ihrem In-Kraft-Treten getätigten Disposition des Bürgers beruhen. Der Senat verweist wegen aller Einzelheiten dieser Rechtsprechung auf die BFH-Beschlüsse vom 6. November 2002 XI R 42/01 (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) und vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284).

Im Streitfall entfalten die zu beurteilenden Normen, an diesem Maßstab gemessen, nur eine im Grundsatz zulässige "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung"). Denn sie sind einerseits im Verlauf des Veranlagungszeitraums 2003 in Kraft getreten und gelten andererseits erstmals für diesen Veranlagungszeitraum. Dieser Umstand spricht dafür, ihre Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip des GG zu bejahen.

bb) In seiner neueren Rechtsprechung hat das BVerfG jedoch die vorgenannte Systematik möglicherweise modifiziert. Das gilt namentlich für seine Entscheidung zur rückwirkenden Einschränkung der Sonderabschreibung für Handelsschiffe (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67), in der es den verfassungsrechtlichen Schutz von Dispositionen der Bürger und Unternehmen stärker als bisher betont hat. Nach dieser Entscheidung kann der Gesetzgeber durch das Angebot einer steuerlichen Subvention eine verfassungsrechtlich abgesicherte Vertrauensgrundlage schaffen mit der Folge, dass in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht getätigte und anschließend nicht mehr änderbare Dispositionen des Steuerpflichtigen nicht im Nachhinein zum Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gemacht werden dürfen, die im Zeitpunkt der Disposition nicht vorhersehbar war. Das soll ersichtlich gerade für diejenigen Fälle gelten, in denen zunächst die maßgebliche Disposition getätigt und im weiteren Verlauf desselben Veranlagungszeitraums die zu beurteilende gesetzliche Regelung geschaffen wurde (vgl. hierzu auch BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17). Insoweit wird die Möglichkeit der Steuerbegründung oder -erhöhung mit "unechter" Rückwirkung ("tatbestandlicher Rückanknüpfung") mithin eingeschränkt (ebenso Kirchhof, Steuer und Wirtschaft 2000, 221, 223; Spindler in Pezzer --Hrsg.--, Vertrauensschutz im Steuerrecht, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft --DStJG-- 27, 69, 78; Kruse/ Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 AO Rz. 26).

cc) Die vorgenannte Entscheidung ist im Streitfall möglicherweise nicht unmittelbar einschlägig. Denn sie bezieht sich ihrem Wortlaut nach ausschließlich auf "Verschonungssubventionen", die der Steuerpflichtige "nur während des Veranlagungszeitraums annehmen" kann. Diese Einschränkung ist zwar insoweit auslegungsbedürftig, als jede Disposition zwangsläufig während eines Veranlagungszeitraums erfolgt. Die genannte Wortwahl könnte jedoch dafür sprechen, dass das BVerfG hierbei nur steuerliche Lenkungsvorschriften mit von vornherein begrenzter Geltungsdauer im Blick hatte (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 14. März 2000 X R 46/99, BFHE 191, 319, BStBl II 2000, 344; BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, 292, m.w.N.). Um eine solche geht es im Streitfall nicht.

Doch muss diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht abschließend erörtert werden. Denn der IX. Senat des BFH hat sich inzwischen auf Grund einer eingehenden Analyse der Problematik und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG dafür ausgesprochen, auch in den Fällen "tatbestandlicher Rückanknüpfung" ("unechter" Rückwirkung) nicht jegliche steuerbegründende oder -erhöhende Gesetzesänderung für zulässig zu erachten. Vielmehr sei auch in einer solchen Konstellation der verfassungsrechtliche Maßstab darin zu sehen, ob das durch eine Disposition betätigte Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts oder das Änderungsinteresse des Staates höher zu bewerten sei (Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, 292). Der IX. Senat hat in dem bei ihm geführten Verfahren zwar das BVerfG angerufen, das über die ihm vorgelegte Frage noch nicht entschieden hat. Zumindest bis zu der anstehenden Entscheidung des BVerfG kann jedoch angesichts der entgegenstehenden höchstrichterlichen Stellungnahme nicht mehr zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass in Fällen der hier zu beurteilenden Art der Erlass eines steuerbegründenden oder -erhöhenden Gesetzes ohne Rücksicht auf vorausgegangene Dispositionen der betroffenen Bürger zulässig ist. Insoweit besteht mithin eine Unentschiedenheit der Rechtslage, die eine Aussetzung der Vollziehung einschlägiger Steuerbescheide rechtfertigen kann.

dd) Hiernach ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Abwägung der beteiligten Interessen notwendig, die ihrerseits wiederum den zu § 69 FGO entwickelten Regeln folgen muss. Diese Prüfung ergibt im Streitfall, dass das Vertrauen der Antragstellerin in den Fortbestand des im Zeitpunkt ihrer Disposition geltenden Rechts möglicherweise schwerer wiegt als das Interesse des Gesetzgebers, den Verlustabzug bei stillen Beteiligungen rückwirkend in der geschehenen Weise einzuschränken:

Zu Gunsten der Antragstellerin ist vor allem zu berücksichtigen, dass sie die stille Beteiligung und die damit verbundene Einzahlungsverpflichtung zu einem Zeitpunkt vereinbart hat, in dem die spätere Beschränkung des Verlustabzugs noch nicht absehbar war. Die maßgeblichen Verträge wurden unstreitig im Februar 2002 geschlossen, während ein Verbot des Verlustausgleichs bei stillen Beteiligungen erstmals im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 2. Dezember 2002 (BTDrucks 15/119) erwähnt ist. Zu diesem Zeitpunkt --und erst recht bei der späteren Verabschiedung des StVergAbG-- konnte die Antragstellerin ihr Engagement, das sie im Vertrauen auf die bis dahin bestehende Möglichkeit des Verlustabzugs eingegangen war, nicht mehr rückgängig machen.

Andererseits ging es aus der Sicht des Gesetzgebers bei der Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 6 und des § 20 Abs. 1 Nr. 4 in das EStG vor allem darum, die seinerzeit angestrebte Abschaffung der Mehrmütterorganschaft durch begleitende Regelungen zu flankieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/119, S. 38) wurde die stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften als "Umgehungsmöglichkeit" angesehen, vermittels derer "die mit sog. Mehrmütterorganschaften verfolgten Ziele ... faktisch" ebenfalls "erreicht werden" könnten. Die Änderungen des § 15 Abs. 4 und des § 20 EStG sollten diese Möglichkeit beseitigen. Im vorliegenden Verfahren muss nicht erörtert werden, ob die geschilderte Befürchtung des Gesetzgebers sachgerecht war und ob die getroffene Maßnahme ggf. wirksam Abhilfe schaffen konnte (kritisch dazu z.B. Groh, Der Betrieb 2004, 668, 672; Herzig in Lehner --Hrsg.--, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 37, 40). Jedenfalls erforderte die Verhinderung von Ausweichgestaltungen nicht notwendigerweise eine Regelung, die bereits bestehende stille Beteiligungen übergangslos in das Verlustabzugsverbot einbezog. Deshalb ist es bei summarischer Betrachtung nicht ausgeschlossen, dass in "Altfällen" und speziell im Streitfall das Interesse des Unternehmens an der Berechenbarkeit des Rechts dasjenige des Gesetzgebers an der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen überwiegt. Das reicht für eine Aussetzung der Vollziehung aus. Auf die weiteren Erwägungen des FG zur verfassungsrechtlichen Situation muss deshalb hier nicht eingegangen werden.

3. Angesichts dessen hat das FG der Antragstellerin die begehrte Aussetzung der Vollziehung zu Recht gewährt. Diese Entscheidung wirkt jedoch nur in die Zukunft und ist deshalb insbesondere nicht geeignet, Säumniszuschläge zu beseitigen, die in der Zeit zwischen der Fälligkeit der festgesetzten Steuer und der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entstanden sind (BFH-Beschlüsse vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645; vom 6. September 1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670). Dazu bedarf es der in § 69 Abs. 2 und 3 FGO ebenfalls vorgesehenen Aufhebung der Vollziehung (BFH-Urteil vom 30. März 1993 VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4; Senatsbeschluss vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 55 "Säumniszuschläge", m.w.N.). Auch diese ist der Antragstellerin zu gewähren.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin eine solche Maßnahme nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung schließt, sofern er nicht im Einzelfall erkennbar auf eine in die Zukunft wirkende Maßnahme beschränkt wird, das Begehren nach einer Aufhebung der Vollziehung ein (ebenso BFH-Beschluss in BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645; FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 18. Juli 1985 III 349/81, EFG 1986, 6; Koch in Gräber, a.a.O., § 69 Rz. 14). Inhaltlich ist eine Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt im Streitfall deshalb gerechtfertigt, weil schon zu diesem Zeitpunkt die genannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestanden haben (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389, und vom 25. Mai 1988 IX B 110/86, BFH/NV 1989, 176).

4. Sowohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der Vollziehung müssen ohne Sicherheitsleistung erfolgen. Der gegenteiligen Ansicht des FA und des FG ist nicht beizupflichten:

a) Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung in diesem Punkt ausgeführt, ein Erfolg der Antragstellerin im Verfahren zur Hauptsache sei nicht so wahrscheinlich, dass eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung geboten wäre. Es geht hiernach davon aus, dass eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn mehr Gründe für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen. Diese Annahme trifft nicht zu.

Die Anordnung der Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen (BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127; vom 29. November 1995 X B 328/94, BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322, 327, m.w.N.). Diese können im Gefolge einer Aussetzung der Vollziehung vor allem dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige im Verfahren zur Hauptsache letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (Gosch in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 207, m.w.N.). Nur einer solchen Entwicklung soll durch die Sicherheitsleistung vorgebeugt werden. Deshalb ist, wenn eine entsprechende Gefahr im konkreten Fall nicht besteht, für die Anordnung einer Sicherheitsleistung kein Raum (BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726; in BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322, 327). Das gilt unabhängig vom Grad der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.

b) Im Streitfall hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, dass ihre derzeitige wirtschaftliche Situation nicht die Besorgnis rechtfertige, sie werde nach einem etwaigen Unterliegen in der Hauptsache ihrer Zahlungspflicht nicht nachkommen können. Das FA weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich die Verhältnisse der Antragstellerin im Lauf der Zeit verschlechtern können. Derartige allgemeine Erwägungen sind aber nicht geeignet, die Anordnung einer Sicherheitsleistung zu begründen. Dazu bedarf es vielmehr konkreter Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueranspruchs (BFH-Beschluss in BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726, 728; Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882; vom 24. März 2004 I B 203/03, BFH/NV 2004, 959, m.w.N.), die im Streitfall nicht vorliegen.



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