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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.06.1998
Aktenzeichen: I B 35/97
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 222
FGO § 56
FGO § 115 Abs. 3 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 56 Abs. 2 Satz 1
FGO § 56 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine in Liquidation befindliche GmbH, wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) für die Jahre 1977 bis 1979 zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer veranlagt. Die betreffenden Bescheide waren Gegenstand einer Klage (Az. 2 K ...), die das Finanzgericht (FG) im zweiten Rechtsgang aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom 5. November 1996 abgewiesen hat. Das betreffende Urteil, das nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im März 1997 zugestellt.

Bereits im Jahre 1991 hatte die Klägerin auf die streitigen Steuerforderungen eine Zahlung von 500 000 DM geleistet. Mit Schreiben vom 10. Mai 1994 beantragte sie, diese Tilgung rückgängig zu machen und die gezahlten Beträge unter anderem auf fällig gewordene Umsatzsteuer- und Gewerbesteuervorauszahlungen umzubuchen. Ferner beantragte sie, die fällig gewordenen Beträge bis zur Umbuchung zu stunden.

Das FA lehnte den Stundungsantrag ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin wies die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) mit Beschwerdeentscheidung vom 4. April 1995 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die nach § 222 der Abgabenordnung (AO 1977) erforderliche unbillige Härte liege nicht vor. Der Gegenanspruch, mit dem aufgerechnet werden solle, sei noch nicht festgestellt. Der Ausgang des --damals noch im ersten Rechtsgang anhängigen-- Revisionsverfahrens wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer sei offen.

Die gegen die Beschwerdeentscheidung gerichtete Klage der Klägerin hat das FG mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der OFD getroffene Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere habe die OFD ohne Ermessensfehler angenommen, daß zum damaligen Zeitpunkt der Verfahrensausgang offen gewesen sei. Da es für die erforderliche Ermessensüberprüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ankomme, sei die Klage schon deshalb unbegründet. Selbst wenn man aber den weiteren Fortgang des Klageverfahrens wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer berücksichtigen wolle, führe dies nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis, da jene Klage im zweiten Rechtsgang erneut abgewiesen worden sei. Das Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen wurde, ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 15. Februar 1997 zugestellt worden.

Die Klägerin legte gegen das Urteil fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde ein, die sie zunächst nicht begründete. Die Beschwerdeschrift enthält den Antrag, "die Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren zu Az. 2 K ... abzuwarten", da "die Entscheidungsgründe ... hiermit in einem unmittelbaren Zusammenhang zu sehen" seien und "für die weitere Begründung herangezogen werden" müßten. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Nach Eingang des Verfahrens beim erkennenden Senat hat der Vorsitzende die Klägerin mit Schreiben vom 9. April 1997 auf den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sowie auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Daraufhin hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung dieses Antrags ausgeführt, daß sie bereits in der Beschwerdeschrift auf die Bedeutung des Urteils wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer hingewiesen habe und daß die Begründung dieses Urteils erst "mit Datum vom 27. März 1997 ergangen" sei. Zudem habe das FG dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 18. März 1997 mitgeteilt, daß Unterlagen zum Klageverfahren wegen Stundung an den Bundesfinanzhof (BFH) abgegeben worden seien. Dadurch sei "hierseits eine Unübersichtlichkeit entstanden, wie sie auch davor für die Erledigung in dem Hauptsacheverfahren (Az. 2 K ...) gegeben" gewesen sei. Zugleich hat die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 18. April 1997 begründet.

Das FA hat keinen Antrag gestellt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden ist. Die Fristversäumnis kann nicht im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden, da die Klägerin durchgreifende Wiedereinsetzungsgründe nicht geltend gemacht hat:

1. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO kann im Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit die Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde angefochten werden. In diesem Fall muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das angefochtene Urteil abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), oder der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Abweichend vom Wortlaut dieser Regelung kann zwar die Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur in der Beschwerdeschrift selbst, sondern auch in einem gesonderten Schriftsatz wirksam begründet werden (BFH-Beschluß vom 29. Januar 1986 II R 5/86, BFHE 145, 499, BStBl 1986, 301, 302; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 115 FGO Rz. 204, m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist aber jedenfalls, daß die Begründung innerhalb der in § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO genannten Monatsfrist erfolgt (BFH in BFHE 145, 499, BStBl II 1986, 301, 302). Dies ist im Streitfall nicht geschehen, da die Beschwerdefrist einen Monat nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils --also am 17. März 1997-- ablief und bis dahin die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet worden war.

2. Wer an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist ohne Verschulden verhindert war, kann auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten (§ 56 Abs. 1 FGO), wenn er den Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses stellt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) und außerdem bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag die antragsbegründenden Tatsachen darlegt und glaubhaft macht (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Letzteres bedeutet, daß für das Gericht bis zum Ablauf der Antragsfrist (BFH-Urteil vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546, 548) Umstände erkennbar geworden sein müssen, die die Fristversäumung als unverschuldet erscheinen lassen. Solche Gründe ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht:

a) Das gilt zum einen insoweit, als die Klägerin darauf hinweist, sie habe in der Beschwerdeschrift ein "Abwarten" bis zur Entscheidung im Verfahren wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer (2 K ...) beantragt. Insbesondere kann die Klägerin hiermit nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe sich darauf verlassen, daß die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde stillschweigend verlängert worden sei. Denn diese Frist ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlängerbar (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Dezember 1986 VIII B 39/86, BFH/NV 1988, 711; vom 18. Januar 1995 V B 90/94, BFH/NV 1995, 708, m.w.N.), was dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin als Steuerberater bekannt sein mußte. Sofern der Bevollmächtigte gleichwohl auf eine Fristverlängerung vertraut haben sollte, würde ihm dies zum Verschulden gereichen, das sich die Klägerin zurechnen lassen müßte.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn der Klägerin erst nach der Zustellung des Urteils wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in der Stundungssache überhaupt möglich gewesen wäre. Denn eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor: Der tragende Grund der finanzgerichtlichen Entscheidung liegt darin, daß im Zeitpunkt der zu überprüfenden Beschwerdeentscheidung der Ausgang des Verfahrens wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer offen und deshalb unabhängig vom Ausgang jenes Verfahrens die von der OFD getroffene Ermessensentscheidung jedenfalls rechtmäßig war. Um diese Begründung anzugreifen, bedurfte es erkennbar nicht eines Zugriffs auf die Urteilsbegründung in dem Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerverfahren, da es auf die Rechtmäßigkeit der dort überprüften Bescheide nach der erklärten Auffassung des FG ja gerade nicht ankam. Daß das FG in dem angefochtenen Urteil außerdem auf die (erneute) Abweisung der Klage wegen Körperschaft- und Gewerbesteuer hingewiesen hat, stellt lediglich eine Hilfsbegründung dar, die das (später zugestellte) Urteil 2 K ... nicht gegenüber dem hier zu überprüfenden vorgreiflich macht. Auch unter diesem Aspekt kann daraus, daß der Klägerin bei Ablauf der Beschwerdefrist das andere Urteil noch nicht bekannt war, eine Schuldlosigkeit der Fristversäumung nicht abgeleitet werden.

b) Der Vortrag der Klägerin, durch mißverständliche Mitteilungen des FG sei bei ihr "eine Unübersichtlichkeit" entstanden, vermag das Wiedereinsetzungsgesuch ebenfalls nicht zu stützen. Es fehlt hierbei schon an jeglicher substantiierten Darlegung dazu, welche unzutreffenden Informationen das FG der Klägerin gegeben haben soll und aus welchen Gründen die Klägerin hierdurch an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert worden ist. Aus den dem Senat vorliegenden Akten läßt sich dieses Monitum der Klägerin ebenfalls nicht nachvollziehen. Damit fehlt auch insoweit die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weshalb die Nichtzulassungsbeschwerde im Ergebnis mangels Wahrung der Beschwerdefrist unzulässig ist.

Ende der Entscheidung

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