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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.11.2003
Aktenzeichen: I B 6/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in den Streitjahren (1991 bis 1993) im Inland einen Wohnsitz hatte.

Die Klägerin war bis Oktober 1986 mit Hauptwohnsitz in P gemeldet. Am 23. Oktober 1986 meldete sie sich rückwirkend zum 1. Dezember 1979 nach S in der Schweiz ab. In der Wohnung in P war ab 1. November 1986 eine Schwester der Klägerin, die ihren Hauptwohnsitz in K hatte, mit Nebenwohnsitz gemeldet. Im Rahmen von Maßnahmen der Steuerfahndung wurde die Wohnung in P sowohl im Februar 1993 als auch im April 1999 durchsucht; dabei wurde jeweils die Klägerin in der Wohnung angetroffen. Ferner wurden u.a. Unterlagen gefunden, aus denen sich nach Überzeugung der Steuerfahndungsstelle ergab, an welchen Tagen sich die Klägerin mit Sicherheit in der Wohnung in P aufgehalten hatte.

Auf Grund dieser Feststellungen nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) an, dass die Klägerin in den Streitjahren im Inland einen Wohnsitz gehabt habe. Er veranlagte sie deshalb als unbeschränkt Steuerpflichtige, wobei er von geschätzten Besteuerungsgrundlagen ausging. Auf die daraufhin erhobene Klage erließ das Finanzgericht (FG) ein Zwischenurteil, dessen Urteilsformel dahin lautet, dass die Klägerin in den Streitjahren in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei und gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. c des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) als in Deutschland ansässig gelte. Die Revision gegen dieses Urteil ließ das FG nicht zu.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts erforderlich sei und das angefochtene Urteil unter Verfahrensmängeln leide.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision nicht ordnungsgemäß dargelegt.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder die Entscheidung auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Wird auf diese Zulassungsgründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, muss ihr Vorliegen vom Beschwerdeführer dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Geschieht das nicht, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.

2. Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin, dass das FG den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt habe. Eine ordnungsgemäße Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert jedoch nach gefestigter Rechtsprechung des BFH u.a. einen Vortrag dazu, welche (zusätzlichen) Beweise das FG hätte erheben müssen sowie bei welcher Gelegenheit eine solche Beweiserhebung beantragt worden ist oder weshalb sich dem FG eine weitere Beweiserhebung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen. Auch muss dargestellt werden, weshalb das FG auf der Basis seiner Rechtsauffassung bei einer weiteren Sachaufklärung zumindest möglicherweise zu einem abweichenden Ergebnis gelangt wäre (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2003 VI B 161/00, BFH/NV 2003, 793; vom 29. Januar 2003 XI B 186/01, BFH/NV 2003, 794; vom 26. März 2003 III B 92/02, BFH/NV 2003, 939; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 50 i.V.m. § 120 Rz. 69, m.w.N.). Zu allen diesen Punkten enthält die im Streitfall vorliegende Nichtzulassungsbeschwerdebegründung keine Ausführungen. Die Klägerin beanstandet dort vielmehr im Kern nur, dass aus dem Urteil nicht klar werde, welche Feststellungen der Steuerfahndungsstelle das FG aus welchen Gründen für zutreffend gehalten und deshalb zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat. Es kann offen bleiben, ob auf diesen Vortrag die Rüge einer unzureichenden Urteilsbegründung (vgl. § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO) gestützt werden könnte; diese Rüge hat die Klägerin nicht erhoben, und im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren können nur ordnungsgemäß gerügte Zulassungsgründe berücksichtigt werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 55). Zur Darlegung einer mangelhaften Sachaufklärung ist der genannte Vortrag der Klägerin aber jedenfalls nicht geeignet.

Dasselbe gilt für ihren weiteren Vortrag, das FG habe einer Zeugenaussage keine ausreichende Bedeutung beigemessen und mehrere Indizien übersehen, die gegen die Annahme eines regelmäßigen Aufenthalts im Inland sprächen. Er richtet sich letztlich gegen die Beweiswürdigung durch das FG, deren Unrichtigkeit aber keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellt (BFH-Beschluss vom 29. April 2003 X B 62/02, BFH/NV 2003, 1087; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82, m.w.N.). Auf weitere Ausführungen hierzu wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.

3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie das Erfordernis einer Fortbildung des Rechts leitet die Klägerin zunächst daraus ab, dass ungeklärt sei, ob ein "gewöhnlicher Aufenthalt" i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz Aufenthalte in regelmäßigen Zeitabständen voraussetze. Das FG spreche in diesem Zusammenhang von Inlandsaufenthalten "mit einer gewissen Regelmäßigkeit", die jedoch nicht unbedingt "in regelmäßigen zeitlichen Abständen" stattgefunden hätten. Es ergebe sich weder aus dem DBA-Schweiz noch aus der bisherigen Rechtsprechung, ob dies für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts genüge. Dieser Vortrag reicht jedoch zur Darlegung eines der genannten Zulassungsgründe nicht aus.

Denn ausweislich des angefochtenen Urteils ist das FG von einer Aufstellung der Steuerfahndung ausgegangen, nach der sich die Klägerin in den Streitjahren an 247, 229 und 180 Tagen "nachgewiesenermaßen oder höchstwahrscheinlich bzw. mit geringerer Wahrscheinlichkeit" in P sowie an 24, 61 und 53 Tagen "nachgewiesen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit" in einer weiteren deutschen Wohnung aufgehalten hat. Es hat sodann ausgeführt, dass diese Aufstellung zwar "einige Ungereimtheiten" enthalte, denen aber "in Anbetracht der Vielzahl der insoweit untersuchten Aufenthaltstage keine Bedeutung" zukomme. Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit die Überzeugung des FG, dass die Klägerin an der weit überwiegenden Zahl der genannten Tage ihre inländische Wohnung aufgesucht hat. Es ist möglicherweise gar nicht klärungsbedürftig, dass bei einer solchen Gestaltung ein "regelmäßiger" Aufenthalt in dieser Wohnung nicht von der zeitlichen Verteilung der einzelnen Aufenthaltstage abhängen kann. Doch kann diese Frage dahinstehen, da die Klägerin jedenfalls nicht vorgetragen hat, dass und ggf. in welcher Weise sich die vom FG festgestellten Inlandsaufenthalte tatsächlich ungleichmäßig verteilt haben. Angesichts dessen ist ihr Vortrag nicht geeignet, die Klärungsfähigkeit dieser Frage darzutun. Entsprechendes gilt im Hinblick auf seine Eignung zur Darlegung der Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung.

4. Eine zweite grundsätzlich bedeutsame und zwecks Rechtsfortbildung zu entscheidende Frage sieht die Klägerin darin, ob für das Vorliegen eines "gewöhnlichen Aufenthalts" i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz die Regelmäßigkeit des Aufenthalts ausreicht oder ob hinzukommen muss, dass der Aufenthalt der Verfolgung beruflicher oder wirtschaftlicher Interessen dient. Diese Frage ist im Streitfall jedoch ebenfalls nicht klärungsfähig. Denn das FG ist erklärtermaßen davon ausgegangen, dass der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin sich in den Streitjahren weiterhin im Inland befand. Das schließt erkennbar die Annahme ein, dass die Inlandsaufenthalte der Klägerin der Verfolgung eben dieser Interessen diente. Deshalb wäre, selbst wenn nur ein auf wirtschaftlichen Interessen beruhender Aufenthalt ein "gewöhnlicher" sein könnte, diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Abgesehen davon behauptet die Klägerin selbst nicht, nur zu Erholungs-, Kur-, Studien- oder Sportzwecken im Inland geweilt zu haben; auch wenn bei einer solchen Gestaltung ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht vorläge, wäre dies mithin für die Beurteilung des Streitfalls ohne Belang.

Ende der Entscheidung

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