Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: I B 61/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer Rückstellung.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr (1991) ein ...unternehmen, das sie von der K-KG angepachtet hatte. Die K-KG hatte ihrerseits das Betriebsgebäude, eine in den Jahren 1961 bis 1965 errichtete Halle, von der S-KG gepachtet. Bei der Halle handelte es sich um eine freitragende Stahlbetonkonstruktion von 144 m Länge und 63 m Breite, deren Dach durch mehrere "Untergurt-Zugbänder" gestützt wurde.

Die Klägerin war durch den Unternehmenspachtvertrag mit der K-KG in deren Pachtvertrag mit der S-KG eingetreten. In diesem Vertrag hatte die Verpächterin u.a. gewährleistet, dass das Grundstück sich in einem guten Zustand befand, der die Fortführung des bisherigen Betriebs ermöglichte. Der Pächter war verpflichtet, auf seine Rechnung das Anlagevermögen in einem guten Zustand zu erhalten und die Schönheitsreparaturen am unbeweglichen Anlagevermögen durchzuführen. Im Übrigen sollte Erhaltungsaufwand zu Lasten der Verpächterin gehen. Zu "Investitionen" in das unbewegliche oder bewegliche Anlagevermögen war die Verpächterin nicht verpflichtet. Erforderlich werdende Neuanschaffungen sollten auf Kosten des Pächters erfolgen und in dessen Eigentum übergehen.

Mit Schreiben vom 8. April 1992 wies das Innenministerium des Landes die zuständige örtliche Baubehörde darauf hin, dass die von der Klägerin angepachtete Halle aus einem Material errichtet worden sei, das in bestimmten Fällen nicht hinreichend belastbar sei. An drei anderen Bauwerken, die aus demselben Material bestünden, seien Brüche und Risse aufgetreten; in einem Fall sei im Jahr 1989 ein Spannbetonträger abgestürzt. Ob eine solche Gefahr bestehe, hänge u.a. von der Konstruktion des Bauwerks ab. Die Baubehörde wurde angewiesen, den Eigentümer des Bauwerks zu verpflichten, ein Sachverständigengutachten zur Art der Bauwerkskonstruktion und zur Standsicherheit des Gebäudes vorzulegen.

Noch im April 1992 übersandte die Baubehörde das Schreiben des Innenministeriums der S-KG zur weiteren Veranlassung. Daraufhin beauftragte die S-KG im Mai 1992 ein Ingenieurbüro mit der vom Innenministerium geforderten Untersuchung. Das Ingenieurbüro kam in einem Zwischenbericht vom 24. Juli 1992 zu dem Ergebnis, dass ein Bruch eines der Zugbänder zum Einsturz des Hallendachs führen könne. Eine solche Entwicklung sei zwar unwahrscheinlich, könne aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Es werde empfohlen, weitere Sachverständige mit zusätzlichen Untersuchungen zu beauftragen. Über etwa einzuleitende Maßnahmen könne erst entschieden werden, wenn über den Zustand der Zugbänder Klarheit herrsche.

Die S-KG übersandte der Klägerin im Juli 1992 eine Kopie des genannten Untersuchungsberichts. Außerdem gab sie weitere Untersuchungen in Auftrag, die in den Jahren 1992 und 1993 durchgeführt wurden. Dabei ergab sich, dass keines der überprüften Bauteile Schäden aufwies. Hieraus folgerte das von der S-KG beauftragte Ingenieurbüro in seinem Schlussbericht vom 31. März 1994, dass das Hallendach als standsicher im Sinne der Regeln der Bautechnik gelte. Allerdings werde dem Eigentümer des Gebäudes empfohlen, das Dach regelmäßig zu kontrollieren und zu warten, um die Standsicherheit zu erhalten.

In ihrer im November 1992 erstellten Bilanz für das Streitjahr bildete die Klägerin eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von ... DM. Sie bezeichnete die Rückstellung als "Pachterneuerungsrücklage einschließlich Umsetzungskosten" und erläuterte, dass sich die entsprechende Verpflichtung aus dem bestehenden Pachtvertrag ergebe. Nach ihren im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben hatte sie die Rückstellung überschlägig wie folgt berechnet:

Einziehen von Stützen

... DM

Umsetzung von zwei Maschinen

... DM

insgesamt

... DM

angesetzt in der Bilanz

... DM

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte die genannte Rückstellung nicht an. Er erließ deshalb u.a. einen Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr, in dem er einen entsprechend erhöhten Gewerbeertrag berücksichtigte. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat Gründe für eine Zulassung der Revision nicht in der gebotenen Form dargelegt:

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gegeben, wenn die Beurteilung des Falles von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, an deren Klärung ein allgemeines, über den Einzelfall hinausgehendes Interesse besteht (BFH-Beschluss vom 19. Mai 1999 VII B 45/99, BFH/NV 1999, 1371; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 7, m.w.N.). Sie fehlt hingegen, wenn es nur darum geht, ob eine bereits vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung im konkreten Fall zutreffend angewandt und umgesetzt worden ist. Das gilt unabhängig von der Höhe des Streitwerts, der als solcher nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache führen kann.

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützt, so muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu reichen weder die schlichte Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung noch der Vortrag aus, dass die angestrebte höchstrichterliche Entscheidung sich in einer Vielzahl von Fällen auswirken werde (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 62, m.w.N.). Vielmehr muss der Beschwerdeführer zunächst eine bestimmte Rechtsfrage bezeichnen und sodann konkret darauf eingehen, weshalb diese Frage im Interesse einer einheitlichen Anwendung oder Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (BFH-Beschlüsse vom 3. Dezember 1998 V B 101/98, BFH/NV 1999, 794; vom 4. August 1999 VIII B 77/99, BFH/NV 2000, 71; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 61, m.w.N.). Ist die betreffende Frage bereits höchstrichterlich entschieden worden, so muss er außerdem dartun, welche Gesichtspunkte seinerzeit nicht berücksichtigt worden sind oder aus welchen anderen Gründen weiterhin ein Klärungsbedarf besteht (BFH-Beschluss vom 26. Januar 1999 X B 135/98, BFH/NV 1999, 954; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 62, m.w.N.). Schließlich muss dargelegt werden, dass die bezeichnete Rechtsfrage in einem etwa nachfolgenden Revisionsverfahren geklärt werden könnte; hieran fehlt es, wenn das FG seine Entscheidung auf mehrere unabhängig voneinander tragende Erwägungen gestützt hat und nicht in Bezug auf alle dieser Erwägungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO herausgearbeitet wird (BFH-Beschluss vom 5. März 1999 V B 127/98, BFH/NV 1999, 1122). Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, so ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in statthafter Form geltend gemacht worden.

3. Im Streitfall hat das FG sein Urteil auf die Rechtsprechung des BFH zur Zulässigkeit von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gestützt. Danach kann eine solche Rückstellung nur dann gebildet werden, wenn das Bestehen oder die zukünftige Entstehung einer Verbindlichkeit wahrscheinlich ist, die wirtschaftliche Ursache der ggf. bestehenden oder drohenden Verbindlichkeit in der Vergangenheit liegt und der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss (BFH-Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 34/92, BFHE 175, 105, BStBl II 1994, 891, m.w.N.). Auf dieser Basis hat das FG zum einen darauf abgehoben, dass es sowohl am Bilanzstichtag als auch im Zeitpunkt der Bilanzerstellung an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des von der Klägerin befürchteten Sanierungserfordernisses gefehlt habe. Zum anderen hat es ausgeführt, dass etwa anfallende Sanierungskosten nicht von der Klägerin, sondern allein von der S-KG als Gebäudeeigentümerin zu tragen gewesen wären. Jede dieser Erwägungen trägt für sich genommen das angefochtene Urteil, da beide Gesichtspunkte unabhängig voneinander der Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung entgegenstehen.

Vor diesem Hintergrund wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, hinsichtlich jeder dieser beiden Erwägungen eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage herauszuarbeiten. Das ist schon deshalb nicht geschehen, weil die Klägerin in der Beschwerdeschrift nur auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts eingegangen ist. Ihre Ausführungen dazu, dass das FG zu Unrecht auf das Vorliegen eines "Gefahrerforschungseingriffs" abgestellt habe und dass auch die Rechtsprechung des BFH zur Konkretisierung der Verbindlichkeit fehlerhaft sei, beziehen sich ausschließlich auf dieses Kriterium. Die weitere Frage, ob sie selbst überhaupt mit etwa anfallenden Kosten belastet gewesen wäre, hat die Klägerin demgegenüber nicht angesprochen. Ebenso hat sie sich nicht mit der Erwägung des FG auseinandergesetzt, dass ein Teil der ggf. drohenden Aufwendungen --nämlich diejenigen für die Umsetzung einer Maschine-- keinesfalls auf eine schon am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeit zurückgehen kann, sondern allenfalls durch eine zukünftige betriebsinterne Maßnahme veranlasst worden wäre. Damit ergibt sich aus der Darlegung der Klägerin nicht, dass die von ihr als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfrage in einem den Streitfall betreffenden Revisionsverfahren geklärt werden könnte: Selbst wenn die Problematik der "Konkretisierung einer Gefahr" in dem von der Klägerin angestrebten Sinne zu beurteilen wäre, müsste --auf der Basis der von der Klägerin nicht angegriffenen übrigen Erwägungen des FG-- die hier interessierende Rückstellung doch jedenfalls daran scheitern, dass speziell für die Klägerin am Bilanzstichtag keine entsprechende Verbindlichkeit bestand oder drohte. Die Klärungsfähigkeit ist indessen notwendiger Bestandteil der grundsätzlichen Bedeutung, die die Klägerin deshalb nicht hinreichend dargelegt hat.

4. Nach Ablauf der Beschwerdefrist hat die Klägerin zusätzlich geltend gemacht, das Urteil des FG weiche von der Rechtsprechung des BFH ab. Dieser Vortrag kann indessen schon aus Fristgründen im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 55, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

Zurück