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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: I B 69/09
Rechtsgebiete: EStG, FGO, HGB


Vorschriften:

EStG § 7g Abs. 3
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG § 32b Abs. 2 Nr. 2
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3
HGB § 269
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Streitig ist, ob bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 2006 ein sog. negativer Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen ist.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurden im Streitjahr als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Antragstellerin schloss am 1. Dezember 2006 mit dem in Spanien ansässigen Einzelunternehmer X --Verkauf und Installation von digitalen Satellitenempfangsanlagen-- einen Vertrag über die Bildung einer stillen Gesellschaft an dem Einzelunternehmen (Einlage 10 000 EUR; Beteiligungsquote: 0,25%). Nach § 4 Nr. 3 der Vereinbarung "beabsichtigt (der stille Gesellschafter), bis zum 31.12.2008 neue Lastkraftwagen der Transportklasse über 33 Tonnen oder Teleskopmaschinen mit mindestens 17 Meter Ausladung anzuschaffen und sie dem Unternehmen des Inhabers zu noch festzulegenden Bedingungen zu überlassen". Nach § 7 der Vereinbarung sind Gegenstand der Gewinnermittlung der stillen Gesellschaft "ausschließlich die Erträge aus der Verwendung der vom Stillen Gesellschafter anzuschaffenden Wirtschaftsgüter". Zur Beendigung der Gesellschaft heißt es in § 13 Nr. 3: "Schafft der Stille Gesellschafter nicht binnen der in § 4 vereinbarten Frist die Fahrzeuge an, so verfällt seine Einlage mit Ablauf des letzten Tages der Frist an den Inhaber, und der Stille Gesellschafter scheidet ohne weitere Ansprüche aus der Gesellschaft aus".

Die Antragstellerin macht aus dieser Beteiligung (als atypisch stille Gesellschaft und damit gewerbliche Mitunternehmerschaft) negative --nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 (BGBl. II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) in Deutschland von der Bemessungsgrundlage auszunehmende-- Einkünfte geltend, die im Wege eines sog. negativen Progressionsvorbehalts bei der Steuersatzermittlung zu berücksichtigen seien (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 --EStG 2002--). Die negativen Einkünfte beruhen auf dem Ansatz einer sog. Ansparabschreibung gemäß § 7g Abs. 3 EStG 2002 in Höhe von 146 000 EUR unter Hinweis auf eine beabsichtigte Anschaffung zweier fahrbarer Arbeitsbühnen sowie eines LKW mit Auflieger (zum Transport der Arbeitsbühnen) im sog. Sonderbetriebsvermögensbereich der stillen Gesellschaft durch die Antragstellerin.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte die negativen Einkünfte aus der Beteiligung nicht an und setzte die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehalts fest (Bescheid vom 29. Mai 2008). Das Einspruchsverfahren ist noch beim FA anhängig. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) blieb beim Finanzgericht (FG) erfolglos (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 7. Mai 2009 9 V 300/08). Das FG hat der --wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen-- Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragsteller beantragen,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2006 (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag) bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Einspruchsverfahren auszusetzen.

Das FA beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung --soweit sich aus dem Bescheid vom 29. Mai 2008 eine aussetzungsfähige Festsetzung ergibt (Einkommensteuer 2006, Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2006)-- nicht auszusetzen ist.

1.

#Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll --u.a. und soweit hier einschlägig-- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die (u.a.) Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).

2.

Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides bestehen im Streitfall nicht. Das FG hat --auf der Grundlage der in dem Verfahren auf AdV gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage-- zu Recht aus dem Fehlen eines Nachweises über die Bestellung der Wirtschaftsgüter den Schluss auf eine nachteilige Prognose zum Investitionsverhalten der Antragstellerin gezogen.

a)

Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG 2002 in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Rücklage darf 40% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird". Eine Ansparabschreibung kann auch gebildet werden, wenn dadurch --wie im Streitfall-- ein Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG 2002).

b)

Das Gesetz enthält keine Regelung dazu, ob und ggf. wie darzulegen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG 2002 "voraussichtlich" erfolgen wird. Der Steuerpflichtige ist jedenfalls nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen. Jedoch muss die geplante Investition nach Art, Umfang und Investitionszeitpunkt ausreichend konkretisiert sein. Darüber hinaus wird, um eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Förderung auszuschließen, in der Situation der Betriebsgründung von einer hinreichenden Konkretisierung des Investitionsvorhabens mit Blick auf die wesentlichen Betriebsgrundlagen erst dann ausgegangen, wenn diese Wirtschaftsgüter verbindlich bestellt worden sind. Diese Restriktion wird auch auf bestehende Betriebe bezogen, soweit das Investitionsvorhaben zu einer wesentlichen Betriebserweiterung führt, da die wesentliche Erweiterung in Anlehnung an die handelsrechtliche Wertung einer "Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs" (§ 269 des Handelsgesetzbuchs) gleichzusetzen ist (zum Ganzen --m.w.N.-- Senatsurteil vom 11. Juli 2007 I R 104/05, BFHE 218, 323, BStBl II 2007, 957; s. auch BFH-Urteile vom 19. April 2007 IV R 28/05, BFHE 218, 75, BStBl II 2007, 704; vom 12. Dezember 2007 X R 16/05, BFH/NV 2008, 559; BFH-Beschluss vom 11. Februar 2008 VIII B 224/06, BFH/NV 2008, 945).

c)

Vor diesem Hintergrund hat das FG unter Hinweis auf das Fehlen einer verbindlichen Bestellung der konkret benannten Wirtschaftsgüter zu Recht eine für die Antragstellerin nachteilige Prognose zum Investitionsverhalten vorgenommen. Dabei konnte es von einer Situation der Betriebseröffnung ausgehen, da sich das Ergebnis der stillen Gesellschaft --die steuerrechtlich (unter den Beteiligten unstreitig) als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist-- als ausschließlich auf "die Erträge aus der Verwendung der vom Stillen Gesellschafter anzuschaffenden Wirtschaftsgüter" beziehen sollte (§ 7 der Vereinbarung). Da ein Unternehmen "Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung im Einzelunternehmen" des X bisher nicht bestanden hatte, war der Umstand, dass das Einzelunternehmen schon längere Zeit am Markt tätig war (allerdings bei der Installation der Anlagen Subunternehmer einsetzte), unerheblich (ebenso für eine hiermit vergleichbare Vertragskonstellation Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 4. September 2008 5 V 10067/08, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 98).

d)

Den Antragstellern kann der Hinweis auf das Urteil des FG München vom 22. Februar 2008 8 K 2100/07 (EFG 2008, 935) nicht zum Erfolg verhelfen.

Zwar will das FG dem BFH nicht darin folgen, dass in der Situation der Betriebseröffnung nur auf eine verbindliche Bestellung der Wirtschaftsgüter abzustellen ist; eine verbindliche Bestellung sei zwar als Indiz für eine voraussichtliche Anschaffung zu werten, dem Steuerpflichtigen müsse es aber möglich sein, auch anhand anderer Umstände seine feste Investitionsabsicht zweifelsfrei zu belegen (zustimmend Hoffmann, EFG 2008, 937; s. auch Kulosa in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 7g Rz 16). Auch wenn man dieser Ansicht folgen sollte, fehlt es im Streitfall aber an einem entsprechenden Nachweis der Antragstellerin. Eine mit den Sachumständen des Urteils des FG München in EFG 2008, 935 (dort: Ansparabschreibung für eine noch nicht verbindlich bestellte Ladeneinrichtung unter Hinweis auf den Abschluss eines 10-Jahres-Mietvertrages mit der Verpflichtung, die Räume mit einer neuen Ladeneinrichtung auszustatten) vergleichbare Konstellation liegt im Streitfall nicht vor. So fehlen insbesondere Darlegungen zur Finanzierung der geplanten Anschaffung (Investitionsvolumen: 365 000 EUR - z.B. Abschluss einer zeitnahen Darlehensvereinbarung) und zur wirtschaftlichen Kalkulation der (nach der Vereinbarung: "noch festzulegenden", d.h. zum 31. Dezember 2006 völlig unbestimmten) Überlassungsbedingungen durch die Antragstellerin. Darüber hinaus könnten --angesichts des Sachverhalts der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen FG in EFG 2009, 98-- Darlegungen der Antragstellerin angezeigt sein, ob andere Personen ebenfalls Vereinbarungen mit dem Unternehmer X über die Gründung einer stillen Gesellschaft abgeschlossen haben, die die Überlassung von Arbeitsbühnen und Transportfahrzeugen zum Gegenstand hatten. Dass die Antragstellerin --jedenfalls nach den vertraglichen Vereinbarungen-- ein Einlageverlustrisiko von 10 000 EUR eingegangen ist (Verfall der Einlage bei fehlender zeitgerechter Investition), mag als Indiz für eine Investitionsabsicht zu werten sein, wiegt aber die anderen Sachumstände bei weitem nicht auf.

Ende der Entscheidung

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